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10 332, der Sozialdemokrat Dr. Lütgenau 7366, der Kandidat der nationalliberalen Partei V. Wittgenstein 3887 Stimmen. Stichwahl zwischen Greiß und Lütgenau.
F r i e d r i ch s r u h, 11. Mai. Dreitausend Westphalen, Damen und Herren, sind heute Mittag vom Fürsten Bismarck empfangen worden und überreichten ein Ehrengeschenk, bestehend in einem schmiedeeisernen Kranz, sowie ein Album mit Ansichten. Der Altreichskanzler, jubelnd begrüßt, dankte für den Besuch und wies auf den Einfluß der Westphalen auf die Germani- sierung wendischer Länder hin, erinnerte an Vinke, Bodelschwinkh, Schorlemer-Alst und schloß mit einem Hoch auf den König von Preußen und Westphalen.
Friedrichsruh, 13. Mai. Heute er- schienen zum Besuche beim Fürsten Bismarck . 100 Damen aus Schlesien. Der Fürst erwiderte auf eine Ansprache etwa folgendes: Schlesien habe sich stets durch seine patriotische Gesinnung ausgezeichnet; wenn die Damen für eine Sache gewonnen seien. brauche man für die Männer nicht bange zu sein. Würden die Wahlen unter weiblichem Einflüsse stehen, so würden sie nationaler ausfallen. Der Fürst schloß mit einem Hoch auf die deutschen Frauen; er trat sodann zu den Damen herunter, welche Blumensträuße überreichten. Einige Damen wurden vom Fürsten zur Tafel geladen. Die übrigen fanden- sich später im Arbeitszimmer des Fürsten ein und besichtigten dort Geschenke.
Straßburg i. E. Auf dem Platze der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung herrscht das regste Leben und es unterliegt keinem Zweifel, daß bis Samstag, 18. ds., wo die Eröffnung stattfindet, einige wenige Nachzügler unter den Ausstellern vielleicht ausgenommen, Alles fix und fertig sein wird. Mit Genugthuung darf konstatiert werden, daß die zahlreichen schon anwesenden auswärtigen Aussteller voll des Lobes sind über die landschaftliche Schönheit des Platzes wie über das geschmackvolle Arrangement und die außergewöhnlich reiche, von wahrhaft künstlerischem Sinn getragene Ausführung der vielen Baulichkeiten, wie Beides noch kaum bei einer Ausstellung von ähnlicher Bedeutung gefunden wurde. Und ebenso allgemein ist die Anerkennung über die ungewöhnlich weit vorgeschrittene Förderung aller Arbeiten, durch die es möglich wird, den voraus bestimmten Eröffnungstermin nicht nur einzuhalten, sondern auch mit demselben das vollendete Ganze darzubieten. Für die Eröffnungsfeier gilt folgendes Programm: Mittags 12 Uhr in der Fe>thalle der Ausstellung: Vortrag des „Halleluja" aus Händel's „Messias" durch den Chor des Konservatoriums mit Orchesterbegleirung unter der Leitung des Direktors Professor Stockhausen ; Begrüßung der Versammlung durch den Bürgermeistermeister der Stadt Straßburg; Eröffnung der Ausstellung durch den Protektor Seine Durchlaucht Fürsten zu Hohenlohe-Langen- bürg, Kaiserlichen Statthalterin Eljaß-Lothringen. Sodann Rundgang durch die Ausstellung. Nachmittags 4 Uhr: Eröffnung der Ausstellung für das Publikum. (Doppelkonzert.)
Rappoltsweiler, 9. Mai. In einer Beilage des „Staatsanzeigers für Württemberg" veröffentlicht soeben der Reichsstrecken-Kommissar Major Steimle eine interessante Studie über den Ort der Entscheidungsschlacht zwischen Cäsar und Ariovist. Der Verfasser kommt am Schluß zu derselben Ansicht wie Oberst Stoffel aus Paris, daß nämlich diese Schlacht zwischen Rappoltsweiler, Gemar, Ostheim, Beblenheim und Zellenberg stattgefundeu habe. Nachdem am Abhang von Zellenberg bereits alte Waffen gefunden worden sind, sollen nunmehr weitere Ausgrabungen unter der Leitung des Herrn Stoffel vorgenommen werden.
Karlsruhe, 9. Mai. Der badische Wirtsverband tagte gestern unter dem Vorsitz des Herrn Fritz Glaßner in Durlach. Die Kellnerinnen sind gerrettet oder sie waren vielmehr gar nicht bedroht, wenigstens nicht mit Beseitigung. Das Ministerium verwahrte sich halb- oder viertelsamtlich gegen diese ihm böswillig untergeschobene Absicht, und damit waren
die bezüglichen Anträge von Heidelberg und Durlach zu Grabe getragen. Ob auch das Trinkgeld, d. h. die Nichtbezahlung des Lohnes, in bisheriger Weise fortdauern wird, ist nicht gesagt. Mit Nein wurde auch die Frage beantwortet, ob die Wirtshaus«, bezw. Gasthof- besitzer Mitglieder der Handelskammern werden sollen. Man war der Ansicht, dies werde nur von den Besitzern der vornehmen Gasthöfe ausgenützt werden. Ueber das Konzessionierungs- wesen verstummen die Klagen nie. sie sollen in einer besonderen Denkschrift den Ministerien unterbreitet werden, insbesondere auch die Beschwerden über allzu hohe Taxen. Klage wurde geführt u. a. über die Wirtschaftsübertragungen an ledige Frauenspersonen und an Witwen von Nichtwirten. Zugestimmt wurde einer Plakatsteuer im Betrage von 10 bis 40 Pfennig.
Karlsruhe. Der Bahnhofrestaurateur eines badischen Städtchens hatte gegen die Redaktion einer in einer benachbarten Stadt erscheinenden Zeitung eine Entschädigungsklage auf Zahlung von 300 ^ beim! hiesigen Landgericht (Zivilkammer) erhoben. Der Redakteur wurde s. Z. irrtümlich berichtet, daß die betr. Restauration neu verpachtet sei an einen Kon- stanzer. Obwohl in der nächstfolgenden Nummer die Notiz widerrufen ward, und somit von einer Schädigung des Restaurateurs keine Rede sein konnte, erhob dieser dennoch die Klage. Dieselbe wurde am letzten Samstag durch Urteil, weil unbegründet und ohne Beweisaufnahme, kostenfäüig abgewiesen und nun hat der Kläger noch ca. 300 -/L Kosten zu bezahlen.
Zum 6. Badischen Bundessängerfest, welches bekanntlich an Pfingsten in Karlsruhe stattfindet, sind über 100 Vereine angemeldet. 96 Vereine wirken in den Konzerten mit. Es werden 6000 Sänger aus Baden und den Nachbarländern erwartet. Da es unmöglich ist, die Gäste in den Gasthöfen und in den Massen- quartieren unterzubringen, so ist ein dringender Aufruf um Anmeldung von Privataufnahmen erlassen worden.
Konstanz, 8. Mai. In Singen fand heute nacht ein Zusammenstoß zweier Güterzüge statt; zehn Wagen sind demoliert, ein Bremser blieb tot, der Zugführer und ein anderer Bremser wurden verwundet.
Von der badischen Tauber, 10. Mai. Gestern vormittag ereignete sich in Gerlachsheim ein schrecklicher Unglückssall. Die Magd des Müllers Lurz wollte die Späne unter der Zirkelsäge hinwegnehmen und wurde dabei von der Sage erfaßt; Kopf und Schulter wurden voll- Amdig durchschnitten.
Am 14. Juni d. I. hat im ganzen deutschen Reiche eine Berufs- und Gewerbezählung stattzufinden. In Württemberg wird damit eine Aufnahme der land- u. forstwirtschaftlichen, sowie der gewerblichen Betriebe verbunden werden. Zu diesem Zweck ist am Sitz des Gewerbebetriebs für alle diejenigen Geschäfte u. Betriebe ein Gewerbebogen auszusüllen, in denen in der Regel mehr als als eine Person thätig ist, oder in denen elementare Kräfte aller Art oder Dampfkessel verwendet werden. Allein arbeitende Handwerker erhalten also keinen Gewerbebogen, während z. B. Handwerker mit einem Lehrling oder einem Gehilfen, wenn sie zugleich Landwirtschaft treiben, eine Haushaltungsliste, den Gewerbebogen und eine Landwirtschaftskarte auszufüllen haben. Die Ausfüllung des Gewerbebogens hat der Geschäftsinhaber oder Betriebsleiter vorzunchmen Hat ein Landwirt auch noch einen andern industriellen Betrieb, wie eine Brennerei, Ziegelei, Lohnfahrwerk u. s. w., so wird er für jedes Gewerbe einen besonderen Bogen ausstellen. Das Geschäftspersonal ist bei einem zu einem Betriebe vereinigten Gewerbe, wie bei einer Mahl- und Sägmühle und ähnlichen derart zu teilen, daß jede Person nur auf einem Gewerbebogen vor- kommt und zwar bei dem Gewerbszweige» wo sie allein oder hauptsächlich beschäftigt wird. Durch die Gewerbebogen sollen die Grundlagen für eine Statistik der gewerblichen Betriebe nach Personenzahl. Anwendung von Motoren und Maschinen gewonnen werden. Die Gewerbe
treibenden sind nach dem Reichsgesetz vom 8. April d. I. verpflichtet, die zur Ausfüllung der Gewerbebogen erforderliche Auskunft zu erteilen.
Württemberg.
Ulm, 14. Mai. Bei der heutigen Reichstagsstichwahl erhielt in der Stadt Ulm: Ehmann 1237, Hähnle 2261 Stimmen. Abgestimmt haben 54°/» der Wahlberechtigten, also nur 5°/o mehr als bei der ersten Wahl. — Im Bezirk Ulm, Stadt und Land, erhielt Ehmann 2984 Hähnle 3506, in Geislingen, Stadt und Land: Ehmann 2377 Hähnle 2112; Heidenheim, Stadt und Land: Ehmann 2265 und Hähnle 4008 Stimmen. Somit wurde Hähnle mit 9626 Stimmen gewählt; Ehmann erhielt 7626 Stimmen.
Stuttgart, 10. Mai. Das Verzeichnis der beim Landtag eingereichten Petition ist nun erschienen. Es sind im Ganzen 20, darunter auch die alljährlich wiederkehrende Eingabe des Bauern Kuhnle von Beutelsbach wegen Freiheitsberaubung, ferner eine Eingabe des Rechtsanwalt Pfizer in Ulm, betr. das Schweigen des Justizministeriums, weiter eine Eingabe des Prof. Dr. Jäger in Stuttgart wegen Abschaffung der Hausaufgaben. — Wie man hört, reichte der Württ. Volksschullehrcrvcrein, der nahezu 2600 ev. Lehrer umfaßt, wiederum eine durch den raschen Schluß des vorjährigen Landtag unerledigt gebliebene Petition um Revision der Schulgesetze an Regierung und Stände ein. Die Bitte bezieht sich auf Einrichtungen Schulwesen, Organisation der Schulaufsicht im Sinne fach- männischer Leitung, Reform der Lehrerbildung und Besserung der ökonomischen Verhältnisse der Lehrer. Der Bitte ist eine ausführliche Begründung beigegeben.
Stuttgart, 9. Mai. Die neugeschaffene Stelle eines städtischen Statistikers ist dem Finanzaffesfor und ordentlichen Mitglied des königl. würltemb. statistischen Landesamts, Dr. Rettich, übertragen worden.
Stuttgart, 7. Mai. (Strafkammer.) Wegen fortgesetzten Verbrechens der Fälschung von Privaturkunden in gewinnsüchtiger Absicht und des Betrugs wurde der 30jähr. verheiratete Kaufmann Friedrich Aigeltinger von hier, gebürtig von Zell, Amts Offenburg in Baden vorgeführt. Wie derselbe zugab, erließ er in der Zeit von Frühjahr 18Z3 bis Ende Novbr. v. I. unter dem angenommenen falschen Namen Gustav Kuhm in einer großen Anzahl württem- bergischer. badischer und anderer deutscher Blätter Annoncen des Inhalts, er habe gewisse Partieen Zigarren aus Konkursmassen als Auktioneur oder Konkursverwalter oder Beauftragter eines Konkursverwalters zu verkaufen, was indes purer Schwindel war. Bestellungen führte er unter Nachnahme aus, sandte aber den Bestellern kleinere Quantitäten als verlangt, z. B. statt 1000 Stück 600, statt 300 nur 100, statt 200 nur 50, legte gewöhnlich einige Päckchen Zündhölzer bei, und erst bei Eröffnung der Pakete fanden die Leute, wie sie übervorteilt waren, auch waren die Zigarren zudem meistens ganz minderwertig. Posteinzahlungen an ihn, eine Vollmacht für das Postamt I hier, zahlreiche Briefe unterschrieb Aigeltinger mit dem ihm nicht zukommendcn falschen Namen, da er in der Liste der Zahlungsunfähigen stand und sein richtiger Name kein Vertrauen mehr fand. Der Staatsanwalt beantragt gegen ihn unter Ausschluß mildernder Umstände eine zweijährige Zuchthausstrafe. Das Gericht bewilligt ihm noch solche und verurteilt ihn zu 1 Jahr 8 Monaten Gefängnis nebst 5 jährigem Ehrverlust. Für 5monatliche Untersuchungshaft wurden 2 Monate angerechnet. Es wurden fortgesetzte Fälschung von Privaturkunden in gewinnsüchtiger Absicht je in einer Handlung zusammentreffend mit 17 Betrugsvergehen und 12 weitere solche festgestellt.
Ravensburg, 6. Mai. Dem Oeko- nomen Josef Hämmerle in Neu-Waldburg ist der 8. Sohn geboren worden. Der König hat die Patenstelle übernommen u. dem Neugeborenen ein reiches Geldgeschenk übermitteln lassen.
Fortsetzung in der Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.