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Ausland.

Paris, II. Mai. Der Abb6 Prinz de Broglie, ein Bruder des Herzogs von Broglie, ist von einem seiner weiblichen Beichtkinder, das ihn der Verleumdung beschuldigte, durch einen Revolverschuß ermordet worden. Die Mörderin soll sich der Behörde gestellt haben. (August Paul de Broglie, geboren 1834, Weltgeistlicher, ist der jüngere Bruder des 1821 geborenen Herzogs.)

Paris, 11. Mai. In Börsenkreisen geht das Gerücht, daß die Regierung der seit drei Jahren befolgten Politik, die finanziellen Schwierig, keilen durch provisorische Notbehelfe zu umgehen, entsagen wolle und sich entschlossen habe, dem schon wiederholt aufgetauchten Anleiheprojekt ernstlich näher zu treten Dieser Entschluß sei namentlich auf die Erwägung zurückzusühren, daß die große Anleihe, die China notgedrungen zur Bezahlung der Kriegsentschädigung aufnchmen müsse, zweifelsohne von Einfluß auf den gegen­wärtig üblichen Zinsfuß sein werde. Ribot ver­trete die Ansicht, daß die Anleihe, die über kurz oder lang unvermeidlich sei, vorteilhafter durch- zuführen sei, ehe noch der europäische Markt von China in Anspruch genommen worden sei.

In Annay machte ein beim Bahnbau be- schäftigter Italiener, namens Agosto, seinem Leben dadurch ein Ende, daß er eine Dynamitpatrone in den Mund steckte und mit einer brennenden Zigarrette anzündete. Der Kopf und ein Teil der Brust Agostos wurden durch die Explosion in zahllose Stücke zerrissen und die Behausung Agostos vollständig zertrümmert. In Bour- ges stürzte sich der Taglöhner Chantelat mit seinen 4 Kindern, die er zusammengebunden hatte, um, wie er ihnen eingeredet,Kutscher und Pferde zu spielen", in den Kanal. Obwohl alle 5 alsbald aus dem Wasser gezogen wurden, waren Wiederbelebungsversuche vergeblich. Chan­telat scheint die Schreckenstat im Wahnsinn begangen zu haben.

Unterhaltender Heil.

Eine Hochzeitsreise.

Erzählung von F. Arnefeldt.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Die Eisenbahnstation, auf welcher Erna zurückgeblieben war, lag nicht allzufern von Rehfelde; Dorothea hatte Sorge getragen, daß sofort dahin telegraphiert worden war und Frau Göldner hatte sich, ohne eine Minute zu ver- liercn, auf den Weg gemacht, um in die Nähe ihrer Tochter zu eilen.

Meine Erna, mein liebes, armes Kind, so müssen wir untz wiederfinden!" schluchzte Frau Göldner, indem sie ihre Tochter in die Arme schloß.O, meine Angst ist grausam gerecht­fertigt worden! Alle meine Warnungen sind ver­gebens gewesen!"

Erna entwand sich den Armen ihrer Mutter, strich das wirre Haar aus der Stirn und sah sich zaghaft und erschrocken im Zimmer um.

Mutter, Du bist hier?" fragte sie zögernd, es war also kein Traum. Ich habe Benno gesehen, gesprochen und"

Er hat Deinen Gatten ermordet!" siel Frau Göldner mit gellender Stimme ein,nein es ist kein Traum; es ist die furchtbare Wahr­heit, der Verruchte hat seinen schändlichen Plan ausgeführt."

Auch Du beschuldigst ihn!" schrie Erna, indem sie vom Lager aufsprang,auch Du, ist's nicht genug, daß Du geholfen hast, ihn und mich zu hintergehen! O, Mutter, Mutter, wie konntest Du dazu Deine Hand bieten?"

Hätte ich gewußt, wie es enden wird, ich hätte es nicht gethan! anwortele Frau Göldner, und es klang wie der Aufschrei tiefer Zerknirsch­ung. Erna, mein Kind, wende Dich nicht von mir," flehte sie, als die Tochter das Gesicht verhüllte;was ich gethan habe, geschah nur aus Liebe zu Dir."

Aus Liebe!" wiederholte Erna traurig. Ist's nicht genug, daß uns der Haß, der Neid, die Bosheit Uebles zufügen, muß es auch noch die Liebe thun? Könnte er, dessen Mund jetzt

für immer geschlossen ist, reden, er würde nur auch sagen, er habe aus Liebe zu mir gefrevelt."

Und er würde die Wahrheit sprechen. O, meine Erna, Du weist nicht, wie er Dich ge­liebt hat."

Nicht mit der rechten Liebe," erwiderte die junge Frau,die rechte Liebe für mich hat nur ein Mensch auf Erden, Benno."

Erna sprich nicht so!" rief Frau Göldner, sich an sie klammernd,ich ertrage das nicht. Höre mich mein Kind, ich bin nicht so schuldig, wie Du wähnst."

Nicht?" fragte Erna aufatmend,wirklich nicht?" Wie der Ertrinkende an den Stohhalm, so klammerte sie sich an den Gedanken, daß ihr die Mutter noch geblieben sei, und keine Schranke sich zwischen ihr und sie aufgerichtet habe.Du wußtest nichts von dem Betrüge, den Rehfeld gegen mich verübt hat? Sprich, erzähle!"

L>ie führte die Mutter zum Sopha und setzte sich neben sie.Sprich!" wiederholte sie, als Frau Göldner nicht anwortele.

Ich wußte nichts davon, daß Rehfeld Briefe, die zwischen Dir und Benno gewechselt wurden, unterschlug: wie hätte ich das auch wissen sollen, da ich Euren geheimen Briefwechsel nicht kannte", schaltete sie vorwurfsvoll ein; ich wußte auch nicht, daß Du durch eine von ihm gefälschte Nachricht, daß Benno sich ver- heiratet habe, getäuscht worden seiest. Während Deiner Krankheit entnahm ich aus Deinen Fieber- phatasien, was Dir geschehen sei; aber ich hielt es für wahr. Erst als Du genesen warst, ge­stand mir Rehfeld seine leidenschaftliche Liebe für Dich, und was er gethan, um das Hinder­nis. das ihm bei Dir im Wege stand, beiseite zu schieben."

Und Du schwiegst, Mutter; Du jkonntest das zulasscn!" fuhr Erna auf.

Ich schwieg. Vergieb Erna, vergieb, ich bin ja schwer, furchtbar schwer bestraft."

Wie konntest Du! Wie konntest Du!" wimmerte die junge Frau.

Erna, bedenke. Rehfeld war ein reicher und vornehmer Mann, die beste Partie zehn Meilen in der Runde, und Benno ein pfennigloser Abenteurer, dem ich nicht zutraute, daß er je­mals wieder nach Europa zurückkehren würde. Wenn eine Mutter, die für das Glück ihres Kindes besorgt ist, vor eine solche Wahl gestellt wird"

So hätte sie doch anders entscheiden sollen!" fiel Erna ein;aber weiter, weiter."

Rehfeld sagte mir nicht, daß Benno seine Heimkehr in nahe Aussicht gestellt hatte; ich er­fuhr erst später, daß er im Kaplande ein sehr großes Vermögen erworben; hätte ich das ge­wußt, ich würde anders gehandelt haben."

Schnödes Gold, welche Macht hast Du!" versetzte Erna bitter,was will man auch mehr, ich bin reich, Benno ist reich und doch sind wir bettelarm!"

Fasse es nicht so auf, mein Kind," suchte die Mutter zu begütigen,ich wollte nur sagen, hätte ich von Benno's nahe bevorstehender Heim­kehr gewußt, ich würde von seinem Jähzorn und seiner Rachsucht das Schlimmste gefürchtet und aus diesem Grunde Deine Heirat mit Reh­feld bestimmt verhindert haben."

Er wußte darum; er ließ sich davon nicht schrecken," entgegnete Erna.

Die Leidenschaft muß ihn ganz und gar verblendet haben."

Oder er hatte eine bessere Meinung von Benno als Du."

Hätte ich sie selbst gehabt, er hat sie zer­stört. O, Erna, nie in meinem Leben werde ich den Schreck und die Angst vergessen, als Benno, den ich tausende von Meilen weit glaubte, plötz­lich zu mir in's Zimmer stürzte und mich und die Dienerschaft mit dem Tode bedrohte."

Sie erzählte Erna den an deren Hochzeits­tage in Rehfelde stattgehabten Auftritt und schilderte, wie sie unverzüglich an Rehfeld ge­schrieben und ihn gebeten habe, sofort umzu­kehren."

Er wollte nicht hören," fuhr sie fort; ich habe meine Warnung mehrmals wieder­

holt; Dorothea, die ich in'S Vertrauen ge. zogen"

Und die auch im Komplott gewesen?" schaltete Erna fragend ein.

Frau Göldner neigte bejahend das Haupt. Sie war es, Dorothea beschwor ihn. die Gefahr zu meiden; er wollte nicht hören."

Und von dem alles erfuhr ich nichts!" seufzte Erna;jetzt erkläre ich mir die wunder- lichen Kreuz- und Querfahrten, die wir machten, jetzt verstehe ich auch Rehfcld's Unmut, als ich in Venedig in seiner Abwesenheit unseren Namen in das Fremdenbuch des Hotels geschrieben hatte."

Arme Erna, Du hast damit dem Mörder den Weg gezeigt!"

Du hälft Benno wirklich dafür? Das kann nicht Dein Ernst sein, Mutter! Du hast ihn ja erzogen."

Umsomehr weiß ich, welch' ein Dämon in ihm wohnt. Er ist in der That so gut wie überführt; niemand zweifelt daran."

Ich zweifle daran!" rief Erna aufspringend; nein, ich weiß es. daß Benno den Mord nicht begangen hat. daß hier ein unglücklicher Irrtum vorliegt."

Erna, liebe Tochter, laß ab von dem törichten Beginnen, ihn in Schutz nehmen zu wollen; es zeugt alles gegen ihn; Du könntest Dich, wenn Du darauf beharrtest, nur in den furchtbaren Verdacht bringen, seine Mitschuldige zu sein."

Dorothea hat bereits dergleichen fallen lassen", antwortete Erna mit verächtlichem Lächeln;mag man mich dafür halten, mag man mit mir thun, was man will, das soll mich nicht abhalten, laut vor aller Welt zu verkünden; Benno Treuenfeld ist unschuldig."

Ist es auch recht, nur an den Mörder zu denken und darüber die Trauer um den er­mordeten Gatten zu vergessen?" mahnte die Mutter.

Ich vergesse ihrer nicht, ich beklage Reh­feld aus aufrichtigem Herzen, ich trauere um ihn; sein furchtbarer Tod hat die Schuld, die er gegen mich begangen, ausgelöscht; ich will helfen, daß man seinen wahren Mörder finde; aber Benno ist es nicht. Er kam erst in das Koupee, als die That geschehen war."

Die Mutter wiegte ungläubig den Kopf. Wer soll Dir das glauben?

Man wird es glauben, man muß es glauben, denn es ist die Wahrheit!"

Nimm Vernunft an, Kind," bat die Mutter, Benno ist bereits verhaftet, willst Du sein Schicksal teilen?"

Verhaftet!" schrie Erna.

Alles spricht für seine Schuld."

Auch Du, Mutter?"

Ich kann nicht anders, und wollte ich es selbst nicht thun. der furchtbare Auftritt in Reh­felde hat Zeugen genug gehabt; sie werden nicht schweigen."

So will ich reden. Was stehe ich noch hier, schnell fort zum Richter." Sie blickte sich um und griff nach dem auf einem Stuhle liegen­den Mantel.

Der Richter erwartet Dich." sagte Frau Göldner, sie zurückhaltend,die Untersuchung ist schon seit einigen Stunden im Gange, wäh­rend welcher man Dich schonend dem Schlafe überließ."

Ich schlief, und Benno wurde gemartert, gequält, unter einer falschen Anklage in den Kerker geworfen!" rief Erna; hindere mich nicht länger, daß ich für seine Unschuld eintrete.

Mit großer Mühe gelang es Frau Göldner, - sie zu bewegen, daß sie etwas Frühstück zu sich ^ nahm, dann half sie ihren Anzug ordnen und - führte sie hinaus.

(Fortsetzung folgt.)

sDer neidische Lenz.)Nun, wie finden Sie meine Frühjahrstoilme, Herr Lieutenant?"

Phänomenal. Fräulein! Selbst die Natur ist Ihnen neidisch!"Wieso?" »Die Sträucher werden grün und die Knospen platzen vor Aerger!"

Redaktion, Druck und Berlag von C. Meeh in Neuenbürg.