Schulen Polizeibeamte entsandt, die den Rektoren die erforderliche Mitteilung machten, und ein paar Minuten später hallten die Straßen wider von dem Hallo der Kinder, die teilweise zum Berliner Thor hinausströmten.
Großherzog Friedrich von Baden, welcher z. Z- in Heidelberg weilt, hat in der dortigen Universität an die Professoren eine längere Ansprache gehalten, in welcher er sagte: „Mit Wehmut gedenke cr an das Jahr 1886, an das in Anwesenheit weiland Kaiser Friedrich's stattgehabte Universitätsjubiläum. Mil Kaiser Friedrich sei eine schöne Hoffnung dahingeschwunden, aber eines sei zurückgeblieben: sein hingebendes, selbstloses, huldvolles Vorbild. Möge dieses Vorbild noch lange nachwirken in unserer Nation zur Erziehung großer starker Männer, welche fähig sind, alle drohenden Stürme zu bestehen."
Oppeln. 6. Mai. Die Regierung er- mächtigte angesichts der Maikäferplage die Kreisschulinspektoren, den Volksschulunterricht einstweilen vormittags ausfallen zu lassen, damit die Schuljugend bei der Vernichtung der Maikäfer helfe.
Orschweier, 7. Mai. Der Stand der Reben ist der denkbar günstigste, da sehr viele Sämlinge an den Zweigen beobachtet werden. Alte Stöcke besonders in tieferen Lagen sind letzten Winter arg geschädigt worden.
Württemberg.
Ihre Majestät die Königin Charlotte ist letzten Dienstag zu einem mehrtägigen Besuche Ihrer Großmutter nach Schloß Hohenburg in Bayern abgereist. Vorigen Samstag begab sich die einzige Tochter des Königs, Prinzessin Pauline, zu einem längeren Kurgebrauch nach Pistyan in Ungarn, um dort völlige Herstellung von ihren rheumatischen Schmerzen zu finden.
In der Kammer der Abgeordneten wurde am Samstag die Forderung der Regierung auf Einführung der elektrischen Beleuchtung in der Irrenanstalt Zwiefalten (50,000 Mk.) nach lebhafter Debatte mit schwacher Mehrheit bewilligt. Dagegen stimmte die Bolkspartei und ein Teil des Zentrums. Bei dem Posten „Medizinalkollegium" sprach Minister Pischek auf Anfrage sein Bedauern über die Höhe der Apothekenpreise aus, die die Regierung freilich nicht ändern könne, da sie auf Realrechten beruhen. Betz-Heilbronn (V.) fragte beim Titel „Gesundheitspflege", warum in Württemberg die Leichenverbrennung noch nicht gestattet sei. Geß (D. P.) nahm sich der Jmpfgegner und der Homöopathie an. Redner betonte, es herrsche im Lande eine starke Erbitterung über den Impfzwang. In Amerika und in der Schweiz sei kein Zwang vorhanden. Das Impfwesen sei zwar Reichssache, das schließe aber die Besprechung im Hause nicht aus. Die Zwangsimpfung sei ein Eingriff in die Rechte der Ellern. Er sei nicht unbedingt für Aufhebung des Impfzwanges, aber er bitte die Regierung, die Sache zu erwägen. Weiterhin protestierte Redner dagegen, daß man die Homöopathie als „Verhetzung" charakterisiere; sie beruhe auf wissenschaftlichen Grundsätzen wie die Allopathie und die Zukunft werde zeigen, welche Heilmethode die richtigere sei. v. Sch ad (Priv.) trat für den Impfzwang ein, den Nutzen der Impfung rühmend. Groeber (Zentr.) eiferte gegen die Bemühungen volksparteilicher Abgeordneter um Zulassung der Feuerbestattung. Die Befürchtungen für Gesundheit und Leben, die aus den Friedhöfen angeblich drohen, seien ganz unbegründet. Er wünsche, daß die alte christliche Sitte des Begrabcns der Leichen erhalten bleibe. Schrempf (kons.) bemerkte, daß Groebers Anschauungen auch in evangelischen Kreisen geteilt werden. Betz bekämpfte die Ausführungen Groebers. Maurer (B.) ist mit einem Teile seiner Fraktion nicht der Ansicht, daß die Feuerbestattungsfrage spruchreif sei. In der nachfolgenden Debatte wandte sich Hauß- mann-Gerabronn scharf gegen Groebers Aus- sührungen. Die Verbrennung sei eine Parteifrage, sie habe Anhänger auch unter der deutschen Partei. Egmann, Frhr. v. Gültlingen, Egger und Frhr. v. Gemmingen sprachen gegen den Impfzwang und traten für die Homöo
pathie ein. Ihre Darlegungen gipfelten in dem Wunsch die Regierung möge die Resultate der Aufhebung des Impfzwanges in der Schweiz prüfen, sowie einen weiteren Homöopathen in das Medizinalkollegium berufen. Minister des Innern v. Pischek erklärte: Kein Gesetz verbiete die Feuerbestattung, das Beerdigungswesen sei durch k. Verordnung geregelt. Weder juristische noch medizinalpolizeiliche Bedenken schwerer Art liegen gegen die Feuerbestattung vor. Die Regierung glaubte aber, bisher von der Zulassung absehen zu müssen, da nach der Angabe des Bischofs und des evangelischen Consistoriums kirchliche Kreise Aergernis an der Feuerbestattung nehmen. Der Minister habe das Gesuch des Stuttgarter Berbrennungsvercins noch nicht be- schieden. Eine Abstimmung des Hauses würde der Regierung nur angenehm sein. (Die Ausführungen des Ministers über die Jmpffcage s. unten) v. Balz meinte: Die Bestattungsfrage sei lediglich Geschmackssache. Er sei ein guter evang. Christ, nehme aber an der Feuerbestattung absolut keinen Anstoß; auch unter der evang. Geistlichkeit gebe es Viele, die nichts gegen die Feuerbestattung einzuwenden haben. Ihm mache die Feuerbestattung (wie cr sie in Mailand gesehen) einen schöneren Eindruck als die Beerdigung. Man müsse Jedem überlassen, wie er bestattet sein wolle. Fr. Haußmann (Vp.) teilt die Auffassung des Vorredners. Ein von Groeber eingebrachter Antrag: „Die Regierung zu ersuchen, das Gesuch des Feuerbestattungsvereins um Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in Württemberg abzulehnen" wurde der Kommission für innere Verwaltung zur Vorberatung zugewiesen. Der Staatsminister des Innern v. Pischek gab anläßlich der vorstehenden erwähnten Debatte über den Impfzwang eine längere Erklärung ab, worin er u. a. sagte:
Ich weiß sehr gut, daß in unserem Lande in weiten Kreisen eine Abneigung gegen den Impfzwang besteht und es hat sich auch heute wieder im Hause gezeigt, daß eine große Anzahl von Jmpsgegnern hier sitzt. Die Regierung wendet dem Jmpswesen eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu. Es ist ja bekannt, daß die frühere Impfung von Arm zu Arm, welche dann und wann, und erheblich häufiger als es jetzt der Fall ist, zu Jmpfbeschädigungen geführt hat, abgestellt ist. Wir impfen nur noch mit animalischer Lymphe, bei deren Gewinn die allerpeinlichste Sorgfalt geübt wird. Es wird jedes Tier ausgeschieden, das nur irgendwie Grund zu dem Verdacht giebt, daß es krank sei. Zuzugeben aber ist, daß in dem einen oder anderen Falle auch jetzt noch eine Schädigung der Gesundheit des Kindes durch eine Impfung vorgekommen ist; diese Fälle werden aber nicht vertuscht, sondern Sie finden in jedem Medizinalberichte genau angegeben, wie groß oder vielmehr wie klein die Zahl dieser Jmpfbeschädigungen ist. Daß die Kindersterblichkeit im ersten Jahre sehr groß ist, weiß Jedermann. Man ist nun sehr leicht geneigt, wenn die Ursache der Krankheit nicht ohne weiteres konstatiert werden kann, die Schuld auf den Impfzwang zu schieben. Es geschieht dies aber im Großen und Ganzen sicherlich ohne jeden Grund. Daß die Impfung selbst, die — ich glaube im nächsten Jahr — ein Jahrhundert besteht, der Menschheit eine unendliche Wohlthat erwiesen hat, das kann Niemand, der die Erfolge der Impfung studiert hat, irgendwie in Abrede ziehen. Daß die Pockenkrankheit ausgestorben oder im Aussterben sei, ist nicht richtig. Ich möchte nur daran erinnern, wie es in dem Feldzug 1870/71 mit den Pocken zugestanden hat. Unter sonst ganz gleichen Verhältnissen sind in der französischen Armee, bei welcher der Impfzwang nicht durchgeführt war, tausende und abertausende Soldaten an den Pocken zu Grunde gegangen, während bei der deutschen Armee, die mit denselben hygienischen Verhältnisse zu.rechnen hatte, em verschwindend kleiner Prozentsatz an den Pocken starb. Ich glaube nicht, daß es der Regierung zugemutet werden kann, bei dem Bundesrate mit einem Anträge hervorzutreten, daß der Impfzwang abgeschafft werden solle, es hätte ein solcher Antrag auch keine Aussicht auf Erfotg. Wohl aber bin ich mir der Verpflichtung bewußt, daß ich, so viel an mir liegt, auch darüber zu wachen habe, daß bei dem Impfwesen die peinlichste Sorgfalt geübt, daß der Impfstoff auf das sorgfältigste gewonnen wird, daß bei dem Impfen selbst alle Borsichtsmaßregeln ergriffen werden, um dahin zu wirken, daß die Zahl der Jmpfschädigen aus das thunlichst geringste Maß herabgemindert wird. Wenn der Abgeordnete von Leutkirch den Wunsch geäußert hat, es möge auch dafür gesorgt werden, daß auch homöopathische und nicht bloß allopathische Aerzte bei der Impfung verwendet werden, so möchte ich erwidern, daß schon jetzt jeder, der seine Kinder von einem homöopathischen approbierten Arzte impfen lassen will, das thun kann. Es ist jeder Arzt im Lande befugt, Impfungen vorzunehmen, und nur dann, wenn eine Privatimpfung von den Eltern nicht vorgenommen wird, kommt es zur öffentlichen Impfung, und diese ist allerdings dem Oberamtsarzte übertragen.
Stuttgart, 7. Mai. Die Kammer der Abgeordneten begann heute die Sitzung um 3 Uhr. Zum Etat des Departements der Finanzen yat die Finanzkommiffion beantragt, die Kgl. Regierung zu ersuchen, die Aushebung der 16 Forstämter in Erwägung zu ziehen (einstimmiger Antrag), ferner die Regierung zu ersuchen , die allmählige Aufhebung des Regiebetriebes der Jagden (Antrag mit 7 gegen 2 Stimmen). Ferner beantragte die Kommission die Regierung um Erwägung zu bitten, ob die Postlarife für den Nachbarschaftsverkehr nicht wieder herabgesetzt werden könnten. Ein weiterer Kommissionsantrag geht dahin, die ständischen Rechnungen pro 93 auf 94 für justifiziert zu erklären. Diesem Antrag liegt eine von dem ständischen Archivar, Reg.Rat Dr. Adam verfaßte Druckschrift bei, in welcher die auf eine Reihe von Gesetzesnormalien beruhenden Grundsätze über den Bezug von Diäten und Reisekosten an die Abgeordneten dargelegt sind. Zur Beratung steht Kap. 31, Kosten des Veterinärwesens je 27 000 ^ Aldinger (D.P.): Man solle die Perljucht unter die Krankheiten aufnehmen, welche unter die Versicherung fallen, oder dafür Entschädigung gewähren. Der kleine Viehzüchter erleide durch diese Viehkrankheit oft großen Schaden. Präs. v. Ow hebt hervor» daß man diese Frage einseitig, d. h. von einem Staat allein nicht regeln könne, sonst würde der betr. Staat mit tuberkulösem Vieh überschwemmt werden. Die Bestimmungen der badischen Vieh- Versicherung über die Entschädigung für Tuberkulose seien auch überaus vorsichtig gefaßt. In der Schweiz habe sich die Mehrzahl der Kantone auch gegen die Versicherung resp. Entschädigung für Tuberkulose ausgesprochen. Wir sollten dem Beispiel Badens resp. Bayerns folgen und auch von Staatswegen eine Viehversicherung für Tuberkulose organisieren. Aldinger beantragt, die Regierung möge für Einführung einer reichsgesetzlichen Regelung für Biehversicherung für Tuberkulose eintreten. Es sprechen dann zu diesem Punkt noch Frhr. v. Wöllwarth, Weidle, Slockmaier, Dentler, Henning, Rath, Sachs, Schürer und darauf Minister v. Pischek, welcher mitteilt, die Frage sei im Gesamtkollegium der Zentralstelle vor wenigen Monaten eingehend behandelt worden. Die württ. Regierung werde ihrerseits dafür eintreten, daß die Perlsucht mit in das Reichsviehseuchengesetz ausgenommen wird. Weiter sprechen noch Spieß, Schrempf und nochmals Minister v. Pischek. worauf der Antrag Aldinger angenommen wird. Tag wünscht einen Beitrag zum Gehalt des Oberamtstierarztes in Sulz. Dentler verwendet sich für die Verbesserung der ökonomischen Lage der Oberamts- tierärzle und Gewährung einer Staatsstelle für dieselben. Es sprechen zu diesem Punkte Frhr. v. Gaisberg und Frhr. v. Ow, worauf Minister v. Pischek seinerseits die Stellung der Oberamtstierärzte als normal bezeichnet. Nachdem noch Maurer gesprochen wird Kap. 31 ebenso 23 und 33 angenommen, worauf man zu Kap. 34 „Zentralstelle für die Landwirtschaft" übergeht.
Marbach, 9. Mai. Zum heutigen Tag» SchillersTodestag und Feier des 60jährigen Bestehens des hiesigen Schillervereins, sandte S. Maj. der König dem Verein ein sehr anerkennendes Schreiben. Der König wünscht die Ausdehnung zu einem Landesverein, der ein besonderes Schillermuseum in Marbach errichten solle, und meldet sich als erstes Mitglied an. Große Begeisterung herrscht in der Stadt, Be- flaggung, Böllerschreßen, Festsitzung der bürgerlichen Kollegien und des Schillervercinsaus- schusses. (S. M.)
Stuttgart, 7. Mai. Eine Anzahl größerer und kleinerer Konsumvereine des Landes, die der reichsgesetzlichen Vorschrift zufolge nur an Mitglieder verkaufen, wurden auf den 1. April 1893 zur Gewerbesteuer herangezogen, haben jedoch gegen diese Maßregel Beschwerde erhoben. Dem Vernehmen nach hat nun der Ber- waltungsgerichtshof dahin entschieden, daß diese Vereine gewerbesteuerpflichtig seien. Diese Entscheidung berührt den Stuttgarter Spar- und Konsum-Verein in soferne nicht, da derselbe seit 1881 schon Gewerbesteuer bezahlt, deren Betrag im letzten Jahr ca. 25000 »k ausmachte, ein-