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Notgesetz in Betreff der Zuckerexporlprämien, der Nachtragsetat (Kosten der Einweihungsfeier des Nordostsee-Kanals), sowie ein paar kleinere Sachen zur Erledigung gelangen. Was den preußischen Landtag anbelangt, so wird er wohl noch über Pfingsten hinaus versammelt bleiben müssen, falls das umfangreiche Stempelsteuer» gesetz noch erledigt werden soll.

Der Bundesrat genehmigte in seiner Wochenplenarsitzung vom 2. Mai die Vorlage betr. die Fürsorge für Witwen und Waisen der Personen des Soldatenstandes des Reichsheeres und der Marine vom Feldwebel abwärts, auf Grund der Ausschubanträge.

Die Sozialdemokraten haben den Wahl­kreis Lennep-Mettmann in der Stichwahl an die Freisinnigen verloren, dank dem ein­mütigen Zusammengehen aller bürgerlicher Par- teien bei der engeren Entscheidung. Das Lenneper Beispiel beweist auf Neue, daß die Sozialdemokratie weit weniger Erfolge auf dem Gebiete der Wahlen verzeichnen könnte, wenn die anderen Parteien gegen den gemeinsamen Feind immer zujammenhielten.

Berlin, 5. Mai. Im Hotel Kaiserhof tagte heute unter dem Vorsitz des Stadtver­ordneten Dc. Langerhans ein von 61 Städten beschickter Kongreß, um über einen gemeinsamen Protest gegen die Umsturzvorlage zu be­raten. Folgende Resolution wurde einstimmig angenommen: Die in Berlin versammelten Mit­glieder deutscher kommunaler Körperschaften er­blicken in der sogenannten Umsturzvorlage eine Einschränkung derjenigen Freiheiten der öffent­lichen Kritik, welche die unabweisltche Voraus­setzung einer gesunden Entwicklung des öffent­lichen Lebens und insbesondere der kommunalen Selbstverwaltung sind. Erfüllt von der Be­sorgnis, daß das gesetzgeberische Zurückdrängen der öffentlichen Kritik auf allen Gebieten des staatlichen Lebens den Fortschritt hindern, viel­fach die gewerbliche Thätigkeit in erhöhtem Maße beschränken, die Heilung sozialer Schäden erschweren und damit die Unzufriedenheit ver­mehren würde, richten die Versammelten an den Reichstag das dringende Ersuchen, die Umsturz­vorlage in jeder Gestalt ablehnen zu wollen.

Friedrichsruh, 3. Mai. Fürst Bis­marck empfing heute 800 Ostfriesen, unter welchen sich viele Damen befanden. Dir. Schnur aus Emden feierte den Fürsten in einer Ansprache.

Fürst Bismarck hat durch eine Ver­öffentlichung in denHamb. Nachr." für die ihm zu seinem 80. Geburtstage von allen Seiten jo zahlreich zugegangenen Beglückwünschungen seinen Dank ausgesprochen.

Die Ernennung des Majors v. Wißmann zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika hat in allen kolonialsreundlichen Kreisen Deutschlands hohe Befriedigung erregt. Allgemein erwartet man, daß die ostafrikanische Kolonie unter der Verwaltung dieses erfahrenen Afrikakenners end­lich eine gedeihlichere Entwickelung nehmen werde, als dies unter den Systemen des Herrn v. Soden und v. Scheele der Fall war.

Der sozialdemokratischeWeltfeiertag" vom 1. Mai ist in Deutschland überall in ruhigster Weise verlaufen. Auch im Auslande scheint dies im Allgemeinen der Fall gewesen zu sein, nur vereinzelt wird von größeren Ausschreitungen anläßlich der Maifeier berichtet, so z. B. aus Wien und Pest.

Pforzheim, 4. Mai. Anläßlich eines bei Grabarbeiten zu einem Neubau vorgekommenen Erdrutsches wurden hier drei jugendliche Arbeiter verschüttet. Zwei derselben erhielten lebensge­fährliche Verletzungen, während der Dritte mit einer Quetschung davonkam. Der in 3 Wochen statifindenden Einweihung des neuen Rathauses wird der Großherzog und das gesamte Staats­ministerium anwohnen. Auch die sozialdemokrat­ischen Mitglieder des Stadtrates und Bürger- Ausschusses werden sich mit wenigen Ausnahmen an der Feier beteiligen.

Württemberg.

Vom 1. Mai d. I. an tritt die Sonn­tagsruhe im Eisenbahngüterverkehr derart ein, daß ausgenommen Vieh, Expreß- und Eilgut, an Sonn- und Festtagen (Neujahrsfest,

Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmon­tag. Christfest, Stephanstag) gewöhnliche Fracht- stückgüter überhaupt nicht, von Wagenladungs­gütern nur Bier und frisches Fleisch befördert werden. Im eigenen Interesse werden die Ge­schäftsfirmen darauf hingewiesen, ihre Güter, welche bisher, größtenteils am Samstag nach­mittag und oft erst gegen Schluß der Annahme­zeit aufgeliefert wurden, mehr auf die übrigen Wochentage zu verteilen und sich am Tag vor einem Sonn- oder Festtage hauptsächlich auf die Aufgabe derjenigen Güter zu beschränken, welche vormittags beigeführt werden können. Es ist auf diese Weise ermöglicht, die Güter vor dem Eintritt der ISonntagsruhcpause noch auf einem Teil der zurückzulegenden Strecke zu befördern und vor einem Stilllager hier über den Sonn­tag zu bewahren. Für Wagenladungsgüter em­pfiehlt sich, dieselben am Tag vor einem Ruhe­tag thunlichst frühzeitig aufzuliefern, sowie für den Montag benötigte Wagen schon am Sams- * tag zu bestellen.

Die Genesung des Herzogs Albrecht schreitet nur langsam vorwärts. Der Kranke liegt immer noch in einem dunklen Zimmer, da seine Augen das Licht noch nicht recht ertragen können. Die Gehirnerschütterung, die durch den Sturz herbeigeführt wurde, ist ebenfalls noch nicht vollständig behoben. Doch ist jede ernstere Gefahr ausgeschlossen.

Stuttgart, 3. Mai. Nachdem die Re- gierung zugestimmt, beschloß der Gemeinderat die Aufhebung des Bolksschulgeldes vom 1. Mai 1895 ab. Ein Antrag des Demokraten Fischer einen Protest gegen die Umsturzvorlage an den Reichstag zu richten, wurde abgelehnt.

Stuttgart, 4. Mai, Durchschnittspreise des hiesigen Schlacht- und Viehhofes per Pfund Schlachtgewicht: Farren und Stiere 5862 Rinder 6466 Schweine 4850 Kälber

7278 ^Z.

In Birkach, Amt Stuttgart, wußte sich ein Mitglied des dortigen Gemeinderats das Vertrauen seiner Mitbürger in dem Maße zu erhalten, daß er Heuer das fünfzigjährige Jubi­läum seiner Zugehörigkeit zum Kollegium feiern darf. Gewiß ein seltener Fall, der in gleichem Maaße den Wählern wie dem Erwählten zur Ehre gereicht.

Ulm, 4. Mai. Die Stichwahl im 14. Wahlkreis zwischen Eh mann und Hähnle findet am Dienstag den 14. Mai statt.

Bietigheim. 1. Mai. Vergangene Woche hatten sich einige Herren von hier nach Urach, Pfullingen, Horb und Nagold begeben, um die dortigen Elektrizitätswerke zu besichtigen. Sie sahen dabei, daß bei dem Motorenbetrieb nament­lich solche Kleingewerbetreibende sich glücklich preisen, die täglich nur einige Stunden für ihre Kraft brauchen. Bei den Elektromotoren muß eben immer nur so viel Kraft bezahlt werden, als gerade zum Betriebe verbraucht wird. Sämt­liche Lichtabnehmer in den 4 Städten sind mit der Einführung des elektrischen Lichtes zufrieden. Die Kosten stellen sich allerdings ein wenig höher als die des Erdöls. Die Besucher nahmen den Eindruck mit nach Hause, daß die Kraft­übertragung von einer elektrischen Zentrale ein gutes Mittel ist, dem Kleingewerbe unter die Arme zu greifen.

Wal heim, 2. Mai. Im Kreise ihrer Kinder, Enkel und Urenkel begingen gestern der 87 Jahre alte Jakob Bezner, Fischer hier, und seine 84 Jahre zählende Ehefrau das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Bei körperlicher Frische verlebte das Jubelpaar einen fröhlichen Tag.

Marktpreis e.

Neuenbürg, 4. Mai.

Butter, V, Kilo.90 1

Landeier, 2 Stück 11 -r), Kisteneier 11 ^s.

Pforzheim, 4. Mai.

Landbutter, V, Kilo. 951.05

Süßrahmbutter.-lL 1.101.20

Landeier 2 Stück.1011

Kisteneier, 2 Stück.1011 ^

Stuttgart, 4. Mai.

Saure Butter, Vr Kilo.1-

Süße Butter, V- Kilo . . . . 1.10-1.20

Frische Eier, 10 Stück. 5055

Kalkeier, 10 Stück. i

Anstand.

Zwischen Ungarn und dem Vatikan ist es zu diplomatischen Weiterungen wegen der gegen die neuen ungarischen Kirchengesetze ge- richteten Agitationen gekommen, welche der päpst­liche Nuntius Agliardi bei seiner kürzlichen An­wesenheit in Pest ins Werk gesetzt hatte. Bei einer Besprechung dieses Auftretens des Nuntius im ungarischen Abgeordnetenhaus? gab Minister­präsident Baron Banffy eine sehr entschieden gehaltene Erklärung gegenüber den Einmischungen des Vertreters des Vatikans in innere Ange­legenheiten Ungarns ab und teilte weiter mit, daß die gemeinsame Regierung wegen der Halt­ung des Monsignore Agliardi beim heiligen Stuhl vorstellig geworden sei und Aufklärungen verlangt habe. In vatikanischen Kreisen dürfte der durch Agliardi verursachte Zwischenfall immerhin unangenehm empfunden werden.

Rom, 3. Mai. DerStandard" meldet von hier: Papst Leo XIII. übergab den Kardi- nälen, Ordensgenerälen und anderen Würden­trägern ein langes Schriftstück als politisches Testament. Nach Betrachtung der Lage deS Heiligen Stuhles bittet darin der Papst die Kardinäle, die Wahl des nächsten Papstes nach Möglichkeit (selbstverständlich post worteiii) zu beschleunigen, um den Ränken von außen oder der Eifersucht fremder Mächte nicht Zeit zu lassen, die freie Abstimmung der Kardinäle zu beein­flussen oder dem neugewählten Papste Schwierig­keiten zu bereiten. Die Absicht des Schriftstücks ist, die Wahl eines Nachfolgers zu sichern, der die Politik des Papstes Leo XIII. fortsetzte.

Die französischen Operationen auf Ma­dagaskar haben mit großen Terrainschwierig­keiten und auch mit ungünstigen klimatischen Einflüssen zu kämpfen. Bei dem Angriffe auf die Stellungen der Howas in Miadanana und Marovoay mußten die Franzosen stellenweise bis an den Hals im Wasser waden, ehe sie an die feindlichen Positionen herankamen, die nachher mit stürmender Hand genommen wurden. Wegen dieser Bodenschwierigkeiten sind die weiteren französischen Unternehmungen an jenem Punkte Madagaskars einstweilen eingestellt worden. Der Gesundheitszustand der Truppen läßt sehr zu wünschen übrig, das TransportschiffShamrock" mußte infolge der sich mehrenden Erkrankungen unier den Truppen in ein Lazareth umgewandelt werden. Die Leistungen der Howas im Kampfe gegen die Franzose» sollen nicht von hervor­ragender Art sein.

London, 4. Mai. DieTimes" melden aus Shanghai unterm 3. Mai: Der Kaiser von China ratifizierte gestern den Friedensver- trag von Simonoseki. Li-Hung-Tschang geht nach Tschifu, um die Ratifikationsurkunden aus­zutauschen. DieCastern Exchange Bank" in London erhielt gestern ein Privattelegramm, in welchem gleichfalls die Ratifikation gemeldet wird.

London, 4. Mai. Aus Anlaß der Ratifikation des Friedensvertrages von Simono­seki veröffentlicht dieTimes" einen spöttischen Leitartikel gegen die drei Einspruchsmächte.

Jokohama, 4. Mai. Die bisher in Vertragshäfen stationierten russischen Kriegs­schiffe haben diese Häfen verlassen.

New-Aork, 2. Mai. Das Repräsen­tantenhaus nahm eine Resolution an, in welcher es seine Sympatien mit den Cubaner Patrioten ausspricht nud den Präsidenten Cleveland aus­fordert, Schritte zu unternehmen, um die Aner­kennung der Rebellen als kriegführende Partei zu erzielen. Die Ausstandsbewegung selbst macht auf der Insel rasende Fortschritte und flutet mit elementarer Gewalt über die künstlichen Dämme, welche die spanische Regierung zu errichten be­müht ist, um einen Einblick von Außen zu ver­hindern.

In Griechenland haben letzten Sonntag die allgemeinen Parlamentswahlen stattgefunden. Der frühere Ministerpräsident Trikupis wurde gar nicht mehr gewählt und seine Anhänger bilden in der neuen Kammer eine verschwindende Minderheit. Voraussichtlich wird nun wieder ein Kabinet Delyannis eingesetzt werden, da letzterer, der doch seiner Zeit durch seine Kriegs-