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Der Reichstag beriet am Donnerstag zunächst die Zolltarif-Novelle in dritter Lesung. Die Debatte über diesen Gegenstand, der ja schon in der Spezialberatung des Langen und Breiten erörtert worden war, bot keine wesent­lichen Momente mehr da. Fast allenthalben fanden die Beschlüsse zweiter Lesung Bestätigung, so namentlich auch Z 6 in seiner neuen Fassung, wonach Waren aus Staaten, die mit Deutsch­land nicht auf dem Gleichbegünstigungsfuße stxhen, mit 100 Prozent Zoüzuschlog belegt werden können, ja. selbst für sonst zollfreie Waren soll ein Zoll gestattet sein. In der Gesamtabstimmung erfolgte dann die Annahme der Zolltarif-Novelle in ihrer nunmehrigen Ge­stalt, die Novelle tritt am 1. Juli d. I. in Kraft. Beinahe die ganze übrige Sitzung wurde durch die erste Lesung des Kommunal-Weinsteuer- gesetzes ausgefülll, welches den Gemeinden ge­stattet, eine Weinstcuer bis zu 10 Prozent des Wertes oder bis 5 Mark pro Hektoliter einzu­führen. Graf Posadowski als Vertreter der Reichsrcgierung befürwortete kurz die Vorlage,

, namentlich betonend, daß den Gemeinden, nach­dem sie schon das Recht der Bierbesteuerung besäßen, auch jenes der Weinbesteuerung einge­räumt werden müsse. Dennoch stieß der Ent­wurf in der Debatte größtenteils auf Widerspruch.

Berlin, 4. Mai. Dritte Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Binnenschiff­fahrt. Nach kurzer Generaldebatte wurden die M 1 bis 3 in der Spezialdebatte ohne Erörter­ung angenommen; nach längerer Diskussion wurde auch tz 4 angenommen, mit dem in zweiter Lesung angenommenen Zusatz, wonach der Schiffs­eigner. auch wenn er selbst das Schiff führt, ausschließlich mit Schiff und Fracht für durch fehlerhafte Schiffsführung entstandenen Schaden haftet. Der Abgeordnete Stephan und der Staatssekretär Ni eberding waren lebhaft für Streichung dieses Zusatzes eingetreten. Der Rest der Vorlage wurde mit zwei unerheblichen Zusatzanträgen der Abgg. Baffermann und Gamp angenommen, sodann das ganze Gesetz in der Gesamtabstimmung gegen die Sozialdemokraten. Der Gesetzentwurf, betreffend die Flößerei, wurde ebenfalls gegen die Sozialdemokraten angenommen.

Die Thätigkeit des Reichstages wird, wenn nicht alle Anzeichen trügen, noch im Wonnemonat zu Ende gehen. Es ist zwar noch nicht ganz festbestimmt. ob die Session vor Pfingsten überhaupt definitiv geschloffen oder nur bis zum Herbst vertagt wird, doch gilt jetzt das letztere allgemein als wahrscheinlich. Offenbar wird die Regierung bei ihrer Absicht, anstatt des formellen Schlusses des Reichstages lediglich eine längere Vertagung desselben ein» treten zu lassen, von der Erwägung geleitet, daß im elfteren Falle die meisten noch schweben­den Vorlagenunter den Tisch" fallen müßten, während bei einer bloßen Vertagung des Hauses die Beratung derselben einfach fortgesetzt werden kann, wenn das Parlament wieder Zusammen­tritt. Jedenfalls dürfen bis zum mutmaßlichen Zeitpunkte des Beginnes der signalisierten Sommerferien des Reichstages außer der «Um- stürz-Vorlage" deren zweite Lesung bekanntlich am Montag ihren Anfang nimmt, nur noch die Novellen zum Zolltarif und zum Branntwein- stcuergesetz, die Vorlagen über die Regelung der privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen­schifffahrt und der Flößerei, das angekündigte