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wickelte sich immer stärker bis zum förmlichen Platzregen, zeitweise mit Hagelkörnern vermischt.

Karlsruhe. 27. April. Der Extrazug. der den Kaiser und den Erbgroßherzog hierher brachte, traf Vormittags 10.40 ein. Der Kaiser wurde am Bahnhof vom Großherzog, den Prinzen Wilhelm und Karl, sowie den Hofchargen be­grüßt und zu dem glücklichen Jagderfolge be­glückwünscht. Das auf dem Bahnsteig etwas entfernt aufgestellte Publikum jubelte den hohen Herrn, welche beide noch Jagdanzüge trugen, mit Hoch und Hurrah entgegen. Wegen des Unwetters blieb die Jagd Freitag Abend und Samstag früh ergebnislos. Die erlegten sieben Auerhähne sollten in die Stadt getragen werden. Mehrere Hofjäger in Gala standen mit einer Tannenstange bereit. Der Befehl wurde jedoch im letzten Augenblick abgeändert und die Vögel wurden in Körben verpackt nach dem Schlosse gefahren, zum großen Leidwesen des Publikums Der Kaiser fuhr sogleich mit den Gr. Badischen Herrschaften nach dem Schlosse und reiste um 4.10 nach Darmstadt ab.

Berlin. 27. April. DerReichsanzeiger­meldet: der Kaiser empfing in Karlsruhe heute im Laufe des Vormittags seinen Statthalter im Reichslande, Fürsten Hohenlohe-Langenburg.

Karlsruhe, 27. April. Der Kaiser er­teilte zahlreiche Audienzen, nahm den Bortrag des Gesandten v. Kiderlen-Wächter entgegen und reiste um 4 Uhr 20 Min. ab. Der Groß­herzog und die Großherzogin gaben ihm das Geleite zum Bahnhof.

Darmstadt, 27. April. Der Kaiser ist hier eingetroffen und wurde vom Großherzog und dem Prinzen Wilhelm empfangen; er fuhr durch die festlich geschmückte Rheinstraße, vom Publikum lebhaft begrüßt, zum Residenzschloß.

Der Reichstag hat die Spezialberatung der Novelle zum Zolltarif selbst am dritten Tage der Debatte, am Donnerstag, noch nicht zum völligen Abschlüsse zu bringen vermocht, wenig­stens konnte das Haus in der genannten Sitzung noch zu keinem Beschlüsse hinsichtlich der Reso­lution der Kommission über einen wirksamen Schutzzoll auf Quebrachoholz gelangen. Die Donnerstagssitzung wurde fast gänzlich durch die schon tags zuvor begonnene Erörterung der Po­sitionBaumwollensamen-Oel" ausgefüllt. Die Regierungsvorlage setzt bekanntlich einen Zoll für Baumwollenjamenöl in Höhe von 10 Mark fest, während die Kommission beantragt, nur das raffinierte Qel mit diesem Zollsätze zu belegen, dagegen den Zoll für Rohöl auf 4 ^ festzu­fetzen. In der stundenlangen Debatte hierüber, in welcher die Schutzzollpolitiker und die Frei­händler wieder einmal aneinander gerieten, traten die Abgeordneten Hammacher (nat.-lib.), Bachem (Zentr.), v. Kardorff (Reichsp.) und Graf Kanitz (kons.) für die Wiederherstellung der Regierungs­vorlage ein. Auch der Zentrumsabgeordnete Wenders plaidierte im allgemeinen im Sinne der Regierungsvorlage, nur beantragte er anstatt des von letzterer vorgeschlagenen Zolles von Z'/r für denaturiertes Cottonöl einen Zoll Von 4 Teils gegen die Zollerhöhung, teils zu Gunsten der Kommissionsbeschlüsse sprachen der Sozialdemokrat Herbert und die Freisinnigen Richter und Dr. Barth. Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mit dem Amende­ment Wenders angenommen. Die dann folgende Diskussion über die erwähnte Resolution der Budgetkommission mußte schließlich abgebrochen werden.

Weiden, 27. April. (Fuchsmühler Prozeß.) Alle des Auflaufs Angeklagten wurden sreigesprochen. Sämtliche Angeklagte, mit Aus­nahme von zweien, wegen Landfriedensbruchs und Forstfrevels, drei davon noch wegen An­stiftung dazu, wurden zur Strafe von 14 Tagen bis 4'/» Monaten verurteilt. Gänzlich 'freige­sprochen nur zwei, verurteilt 149. Die höchste Strafe erhielt der Bürgermeister Joseph Stock. Die Krämer Pappenberger und Regen, die eben­falls eine führende Rolle gespielt hatten, wurden zu je vier Monat verurteilt. Allgemein herrscht die Ansicht vor, daß den zu Gefängnis von zwei Wochen bis vier Monaten verurteilten 143 Fuchsmühlern die Strafe im Gnadenwege er­lassen wird, weil sie durch Not und Vorent­

haltung des für 1893/94 ihnen rechtmäßig zu- stehenden Holzes auf das Acußerste gereizt worden waren.

München, 26. April. Die Hinrichtung des Doppelmörders Giersberg fand heute früh Punkt 7 Uhr im Hofe des Strafvollstreckungs­gefängnisses Stadelheim statt. Der Mörder hatte die Nacht ruhig verbracht und starb auch gefaßt und reumütig. (Giersberg hatte im Zucht­hause einen Aufseher und einen Mitgefangenen getötet.)

In Kaiserslautern spielte in der Nagel- schen Wirtschaft ein junger Mann mit einem ge­ladenen Revolver, der sich hierbei entlud. D:e Kugel drang der Wirtin in die Brust; die Frau liegt schwer verletzt darnieder.

Marktpreise.

Neuenbürg, 27. April.

Butter, V, Kilo.30

Landeier, 2 Stück 12 Kisteneier 11

Pforzheim, 27. April.

Landbutter, V, Kilo.951.10

Süßrahmbutter.1.101.20

Landeier 2 Stück.1012 ^

Kisteneier, 2 Stück.1011 ^

Stuttgart, 27. April. Saure Butter, Vr Kilo . . . . 1.101.20

Süße Butter, V- Kilo.1.

Frische Eier, 10 Stück.60 ^

Kalkeier, 10 Stück. 5560

Ausland.

Epinal, 27. April. Der Damm, welcher ein sehr bedeutendes Wasserreservoir des Ost kanals in Bousey bei Epinal schützte, ist heute vormittag in einer Länge von 100 Meiern ge­brochen. Zahlreiche Gebäude sind fortgeriffen. die Eisenbahnstrecken sind überschwemmt, vier Dörfer teilweise zerstört. 38 Leichen sind schon aufgefunden worden. Die sachlichen Verluste werden auf mehrere Millionen Franken geschätzt.

Epinal, 27. April. Das Wasser des Reservoirs von Bousey hat sich bei Nom»xy und Chatel, ungefähr 15 Kilometer entfernt in die Mosel ergossen. 8 Personen sind dabei er trunken. Auf der ganzen Strecke ist der Schaden ein riesiger, er wird auf 50 Millionen Franken geschätzt. Menschen sind über 50 umgekommen.

Auf Cuba steht es mit der Sache der Spanier trotz aller fortgesetzten Siegesbulletins der Madrider Offiziösen offenbar doch zweifel­haft. Die spanische Regierung hat 20 000 Mann neuer Truppen für den Feldzug auf Cuba ein berufen; 3200 Mann derselben gehen bereits nächster Woche nach Cuba ab.

In Ecuador wütet, wie in anderen süd­amerikanischen Staaten, ebenfalls eine aufständ­ische Bewegung. Dieselbe veranlaßt heftige Kämpfe zwischen den Rebellen und den Regier­ungstruppen, aber eine Entscheidung ist noch nicht erfolgt.

Aokohama, 27. April. Der von Deutsch­land, Rußland und Frankreich eingereichte Ein­spruch erklärt, die Abtretung der Halbinsel Liaotung wäre eine fortwährende Bedrohung Pekings; sie bedrohe die Unabhängigkeit Koreas und die Aufrechterhaltung des Friedens im äußersten Osten. Der Einspruch sei als eia freundlicher Rat und nicht als eine Drohung eingereicht.

Anterhattender Heil.

Eine Hochzeitsreise.

Erzählung von F. Arnefeldt.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Ein Jahr verging Erna im stillen Träumen und Entfalten, für Benno im Schauen und Ge­nießen, im Lernen und Streben; während sie zur lieblichen Jungfrau reifte, erstarkte er zum Manne. Fleißig flogen Briefe ül>er den Ozean herüber und hinüber; denn Benno brachte die weitamlängste Zeit des ihm für seine Bildungs­reise begehrten Jahres in Amerika zu. Er fühlte sich dort so gefesselt, daß er daran dachte, seinen Aufenthalt über die festgesetzte Zeit auszudehnen, trotzdem ihn sein Herz nach der Heimat zog, trotzdem er sich daselbst sehnlichst erwartet wußte; er glaubte es sich, seinem Namen, der Zukunft , seines Hauses schuldig zu sein, daß er sich be­

zwinge und die Lehr- und Wanderjahre eher verlängere als verkürze.

Benno ließ sich nicht träumen, daß seine Heimkehr noch von jemand anderem heiß er­sehnt wurde, nämlich von Frau Göldner selbst. So viel sie auch über ihren Mann vermochte, so weit er sich unter ihrem Einflüsse, und den eigenen Neigungen folgend, von der traditionellen Geschäftsführung seines Hauses entfernt halte, dazu konnte sie ihn doch nicht bringen, daß er W verlieb, ehe Benno ihn in der Leitung des Geschäftes abgelöst hatte.

Ich muß auf dem Posten bleiben, bis er kommt-, sagte er. wenn sie in ihn drang, der Krähwinkel Existenz- endlich einmal ein 'Ziel zu setzen; es wird einen harten Strauß geben, wenn er Einsicht von der Geschäftslage nimmt-, fügte er seufzend hinzu.

Er hat sich auch schwer zu beklagen, daß Du ihm fein Vermögen verdoppelt und verdrei­facht hast,- spottete sie.

Benno wird die Art, wie es geschehen ist, nicht billigen."

Ist sie unehrlich, ungesetzmäßig, fragte Frau Göldner scharf.

Nein, aber sie verstößt gegen das Her­kommen der Firma, und Benno hält daran fest."

So laß ihn bei seinem Herkommen und seiner Firma,- erklärte Frau Göldner mit Ent­schiedenheit; bis er kommt, wirst Du reich ge­nug sein» Dir und uns in der Residenz ein menschenwürdiges Dasein bereiten zu können."

Uns?" wiederholte Herr Göldner mit Be­tonung;meinst Du, daß Erna sich darnach sehnt?"

Was willst Du damit sagen?"

Ich fürchte, ihres Herzens Wünsche sind weit mehr darauf gerichtet, hier in den ge­wohnten Verhältnissen im alten Hause zu bleiben."

Frau Göldner lachte laut auf.Sprich cs doch nur gerade aus, Du glaubest, sie denke daran, Benno's Frau zu werden.-

Allerdings, sie lebt ja förmlich von seinen Briefen.-

Ich lese diese Briefe alle, die sie schreibt, wie die, welche sie empfängt", war die Antwort, sie sind harmlos genug; wären sie es nicht, machte ich dem Briefwechsel ein Ende. Was soll das Mädchen hier anders lhun, als Briefe an Benno schreiben und von ihm träumen? Kennt sie in dem ewigen Einerlei der Tage etwas, das sie erfüllte? Ist ihr je ein junger Mann nahe gekommen, mit dem der Vergleich nicht zu Benno's Gunsten ausgefallen wäre? Laß sie die Genüsse der Residenz kosten, laß sie umringt sein von einem Kreise liebenswürdiger, eleganter, vornehmer junger Männer, und Benno ist vergessen wie die Puppen und das Kinderspielzeug, welche das erwachsene Mädchen in den Winkel wirft."

Vielleicht würde sie glücklicher," wandte er ein; aber seine Frau unterbrach ihn.

Nein!" rief sie,ich kenne mein Kind besser als Du es kennst, besser als es sich jetzt noch selbst kennt. Das philisterhafte Leben als ehrsame Kaufmannsfrau wird ihr nicht genügen» so wenig es mir genügt hat. Zu lange habe ich es ertragen. Mache ein Ende.

Wenn Benno kommt," war sein Antwort.

Frau Göldner wartete auf ihn und war sehr ungehalten, als seine Abwesenheit sich über den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt ver­längern zu wollen schien, und dann kam er doch früher, als er selbst gewollt, und als andere vermutet hatten, kam infolge einer uner­hörten, ihm schier unglaublich klingenden Nach­richt.

Das Haus Treuenfeld u. Göldner in M hat seine Zahlungen eingestellt." war der ganze Inhalt des Kabeltelegramms, das er in den zitternden Händen hielt, in das er starrte, dessen Bedeutung zu fassen, sich sein ganzes Sein em­pörte.

Er hatte es erlebt, daß mächtige Herrscher, ihrer Kronen beraubt, in's Exil wandern muß­ten; auf dem freien Boden Amerikas war ihm mehr als einmal der Abkömmling eines uralten Adelsgeschlechts begegnet, der auf seinen Stand und seinen Namen verzichtet hatte, um hier als schlichter Arbeiter zu leben. In seiner Anhäug-