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lichken und seiner Verehrung für das Althergebrachte halte Benno ein tiefes Verständnis und eine lebhafte Teilnahme für derartige Schicksalswechsel gehabt, und dennoch fehlte ihm jetzt die Fähigkeit, das eigene Geschick zu begreifen. Fast wie der Fels, gegen den die Wogen des Meeres branden, ohne ihn jemals erschüttern zu können, hatte er das Haus Treuenfeld und Göldner geglaubt; wußte er auch, daß während seiner Minderjährigkeit nicht alles geblieben war, wie es gewesen, das — das hätte er nie für möglich gehalten.
Am Abend des Tages, der ihm die Unglücksbotschaft gebracht, bestieg er ein Schiff, das segelfertig im Hafen von Newyork lag; zwölf Tage später stieg er in Hamburg an's Land. Er nahm sich nicht die Zeit, bei Geschäftsfreunden nähere Erkundigungen einzuziehen, er mochte auch Niemand unter die Augen treten, kam er sich doch entehrt, ja gebrandmarkt vor.
Unvermutet traf er in M. ein. Ohne sich nur Zeit zu nehmen, den Reisestaub von seinen Kleidern zu schütteln, eilte er nach dem Hause seiner Väter und stand vor demselben w e erstarrt still. Die Gewölbe waren geschlossen, er glaubte das Schild, das auf schwarzem Grunde in goldenen Buchstaben die Namen Treuenfeld und Göldner zeigte, sei mit einem Trauerflor umgeben. Es war nur der Schleier seiner Thränen, der sich ihm wie ein Nebel vor die Augen legte.
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als müsse er dieses Zeichen der Schwäche wcgwischen. Todenbleich und hohläugig, aber festen Schrittes trat er in's Haus
III.
Seinem Herzen, das ihn nach der Göld- ner'schen Wohnung zog, Schweigen gebietend, lenkte Benno die Schritte zuerst nach dem Teile des Gebäudes, der die Geschäftsräume enthielt. Er wollte die Umstände, welche die unerhörte Katastrophe herbeigeführt hatten, von Niemand erfahren, als von Göldner selbst, wollte in der Heimat Niemand sehen. Niemand sprechen, ehe er den ganzen Umfang seines Unglücks und seiner Schmach kennen gelernt hatte.
Den alten Diener, der ihm bei seinem Eintritt in das Haus mit einem Ausruf der Verwunderung entgegenkam und im wortreich seine Freude über das Wiedersehen und seine Teilnahme an dem Vorgefallenen ausdrücken wollte, wies er schroff zurück und verlangte, kurz und befehlend, zum Herrn geführt zu werden. Als der alte Mann, diesem Gebote folgend, den Weg nach dem Benno wohlbekannten Privatkontor einschlug, wartete dieser seine Rückkehr nicht ab, sondern eilte ihm nach und betrat unmittelbar hinter ihm das Gemach.
Es war noch ganz derselbe Raum, das Hinterzimmer, welches Vertretern der Firma Treuenfeld und Göldner von jeher als Privatkontor gedient hatte. Bon dem mit dunklem Eichenholz getäfelten Wänden blickten aus breiten Goldrahmen die Bildnisse der Vorgänger herab; ein fester Schrank, in welchem die Geheimbücher der Handlung verwahrt wurden, Stühle mit grünem Saffian überzogen, und ein Doppelpult bildeten das Ameublement des Zimmers, in dem ein Halbdunkel herrschte; denn die Fenster waren durch grüne Gardinen halb verhüllt und von außen mit Weinlaub umsponnen, durch welches zitternd und gebrochen die Strahlen der goldenen Morgensonne drangen. Sie fielen auf das bleiche gramenlstellte Gesicht eines Mannes, der in gebeugter Haltung unthätig auf dem gewohnten Platze am Doppelpulle saß.
Göldner. der bisher ein stattlicher, lebens- lustiger Mann gewesen, schien während des Jahres, wo Benno in der Ferne weilte, um Jahrzehnte gealtert zu sein. Als der Diener ihm den Ankommenden meldete, und Benno dicht hinter dem Alten im Rahmen der Thür erschien, fuhr Göldner entsetzt und todenbleich auf, als habe er ein Gespenst gesehen. Seine Kniee wankten, kraftlos sank er in den Stuhl zurück, und einige Minuten herrschte ein banges Schweigen zwischen Vormund und Mündel.
(Fortsetzung folgt.)
MailuK!
1, Hailoh! hailoh, zum Walde!
Es blüht der Mai, es grünt der Wald,
Ein Jubelruf von jung u. alt.
Dringt durch der Schöpfung weiten Raum, Durch Berg u. Thal, von Busch u. Baum. Es klingt durch Thal u. Halde:
Frisch auf, frisch auf, zum Walde!
2) Halloh! halloh, zum Walde!
Es schlägt der Fink, es summt und brummt, Mit raschem Lauf vom Felsen kommt Das Bächlein, ganz geschwätzig schnell Eilt es zu Thal, von Stell' zu Stell'.
Es rauscht durch Thal u. Haide:
Wohlauf zum Wald, zur Freude!
3) Halloh! halloh, zum Walde!
Es perlt der Tau, es nickt die Blum', Verkündend unsers Gottes Ruhm Zu tausendem im Erdenrund,
In Feld u. Wald u. Wiesengrund.
Es winkt aus Thal u. Haide;
Zum Wald, zum Wald, zur Freude!
4) Halloh! halloh, zum Walde!
Es grüßt die Sonn', es lockt der Dust,
Und Jugendmut füllt unsre Brust,
Zu wandern, „Auf zum grünen Saal!"
Der Vögel Ehor giebt das Signal.
Es tönt durch Thal und Halde.
Trara! trara, zum Walde!
Göbel, Lehrer, Rothensol.
„Maoifest der Vögel." Nachdem wir aus fernen fremden Landen in unsere alte, liebe Heimat zurückgekehrt find, in Wald und Feld, tn Stadt und Land unsere früheren Wohnungen bezogen haben, gedenken wir hier einen glücklichen Hausstand zu gründen und ein friedliches, fröhliches Leben zu führen. Wir stellen uns und unsere Nachkommenschaft unter den kräftigen Schutz der Menschen und hegen die Hoffnung, daß sie insgesamt, alt und jung, groß und klein, uns an Leib und Leben weder Schaden noch Leid thun, noch das kostbare Gut der Freiheit uns rauben werden. Insbesondere bitten wir freundlichst und dringend, die mühsam erbauten Nester nicht zu zerstören, unsere Eier niemals wegzunehmeu. die junge Brut in unserer Pflege zu lassen und allezeit uns als gute Freunde zu behandeln. Dagegen wollen wir durch munteres Hüpfen. Flattern und Fliegen, durch Pfeifen, Schnattern und Singen Euch Unterhaltung und Vergnügen bereiten, auf daß die Menschen an der neu belebten Frühlingspracht Freude und Wonne finden. I» Frühjahr 1895. Storch, Schwalbe, Lerche, Nachtigall.
Ottrott, 20. April. Eine Strafsache, welche bei der jetzt in Aussicht stehenden Einführung der Berufung gegen die Strafkammerurteile von allgemeinem Interesse sein dürfte, wurde vor einigen Tagen von dem Landgericht in Zabern in der Berufungsinstanz entschieden. Seit einigen Jahren ist cs hier nämlich Sitte, daß die Militärpflichtigen jedes Jahrgangs am Aushebungstage mit einer Fahne in den deutschen Reichsfarben umherziehen und schließlich die Fahne nach gemachtem Gebrauche unter sich verteilen Die einzelnen Fahnenteile schenken dann die jungen Leute ihren Liebsten oder bewahren sie als Andenken auf. In diesem I ihre wurde nun eine größere Anzahl hiesiger junger Leute vor das Schöffengericht unter der Anschuldigung geladen, durch das Zerteilen der Fahne groben Unfug verübt zu haben. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte für jeden der Beteiligten eine Haflstrafe von vier Wochen, da er in de» Zerreißen der Fahne eine Schändung derselben erblickte, das Gericht sprach jedoch die Angeklagten von Strafe und Kosten frei, weil es den Thatbestand des groben Unfugs nicht für vorliegend erachtete, da man von einer Entweihung der deutschen Fahne in diesem Falle nicht sprechen könne. Die Strafkammer des Landgerichts Zabern, welche infolge Berufung der Staatsanwaltschaft mit der Sache besaßt wurde, war jedoch der entgegengesetzten Ansicht und verurteilte diejenigen Angeklagten, welche sich an dem Zerreißen der Fahne that- sächlich beteiligt hatten, zu gelinden Geldstrafen, während sie die übrigen Angeklagten freifprach. Das Landgericht hat also in der vorsätzlichen Handlungsweise der Angeklagten eine Entweih
ung der Fahne erblickt und die herrschende Sitte nur als Milderungsgrund angesehen.
Aus der Schweiz, 19. April. Ein Versuch, in der Umgebung Basels die Peking- nachtignallen einzubürgern, ist, wie die „N. Zür. Ztg." meldet, gelungen. Die farbenprächtigen Tierchen lassen nach dem harten Winter in den langen Erlen ihren wohllautenden Gesang wieder ertönen.
Der „Aegir-Unfug" greift immer mehr um sich; jetzt hat sich sogar eine russische Schnapsfirma, die in Deutschland eine Filiale hat, das Wort „Aegir" als „Warenzeichen" für ihre „Spritgetränke" schützen lassen. Bekanntlich können nach dem neuen Gesetz auch Worte als „Warenzeichen" eingetragen werden.
Die „Kolmarer Zeitung" erzählt folgende drollige Geschichte: Ein Zahntechniker famoser Art ist der Schmied T. bei Molsheim, so daß alles mit Respekt von ihm spricht. Der Wagner Z. litt seit Tagen an heftigen Zahnschmerzen. Der Zahn war hohl und gehörte heraus; Z. fürchtete sich aber, ihn ziehen zu lassen. Er kam geschäftehalber in die Schmiede und hatte der Schmerzen wegen die Backen verbunden. Unser Schmied machte dem Furchtsamen den Vorschlag, ja, er versichere ihn unter Eidesschwüren, den Zahn zu ziehen, ohne auch nur die Person des Z zu berühren. Letzterer ging darauf ein, und zwei Zeugen wurden gerufen. Der Schmied band mittels starken Bindfadens den Zahn am Ambos fest mit dem Bemerken: „D'r Zahn springt, wann's Zstt isch. von selver erüs." Dann legte er ein Stück Eisen in die Glut, pfiff ein Lied und kümmerte sich nicht weiter um den Wagner. Dieser aber stand sprachlos am Ambos und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Auf einmal fragte der Schmied: „Will er noch nicht wiche?" — „Ich spür noch nichts", sagte Z. — „Na", meinte der Schmied, „des dürt m'r doch zu lang, i will a bissel nochhelse." Mit diesen Worten zog er das glühende Eisen aus dem Feuer und eilte auf Z zu mit den Worten: „' Mül (Maul) uff, daß i de Kaib erüsbrenn!" Erschrocken wich Z. zurück: aber er war ja mit dem Bindfaden am Ambos fest- gebunden. „Knack" und „Au" war alles, was man hörte — der Zahn hing am Bindfaden und baumelte am Ambos. Und das war alles wirklich geschehen, ohne daß der neue „Zahntechniker" seinen Patienten berührt hätte!
(Ein Skeptikers Der sehr von sich eingenommene Komponist Kratzer äußert in einer Gesellschaft: „Sie glauben nicht, wie bekannt ich bereits bin! Ueberall. wohin ich komme, staunen mich die Leute an wie ein zweiköpfiges Kalb!"
— „Davon wird wohl auch nur die Hälfte wahr sein" bemerkte einer der Anwesenden.
(Berschnappt.) Karlchen: „Herr Schulze, Schwester Laura hat gestern bei Tisch gesagt, Sie hätten den schönsten Schnurrbart, den sie je gesehen hat." — Herr Schulze: „Aber Karlchen, Du sollst doch nicht alles wiedererzählen, was Du hörst." — Karlchen: „Aber erlauben Sie mal, sie hat mir doch extra fünf Pfennig geschenkt, damit «ch es Ihnen wiedersagen soll!"
(Schwer zu befolgen.) Dieses Nacken- geschwür, lieber Herr Schwalbe, ist zwar nicht gerade gefährlich, Sie werden aber gut thun, es im Äuge zu behalten."
(Splitter.) Wenn ein Mädchen sagt, „ich werde nie heiraten", so ist das eine Anspielung.
— Mancher Autor von heutzutage glaubt, kühn gegen den Strom zu schwimmen, während er in der Gosse strampelt.
Bestellungen
auf den
Guzthiiler
für die Monate Mai und Juni
wollen noch bei den Postämtern und Postbote« gemacht werden.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeh in Neuenbürg.