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falls verschärft wird. Am 1. Mai sollen die gestrigen Beschlüsse in einer Arbeiterversammlung im Zirkus Hangleiter den Gegenstand der weiteren Erörterungen bilden. Wie in der Versammlung mitgeteilt wurde, hat die Bierbrauerei Dinkelacker, die bis jetzt der Bierlieferant der Liederhalle war. brieflich angezeigt, daß sie der Liederhalle kein Bier mehr liefern werde, so lange die Angelegeu- heit nicht ausgetragen sei. So viel man hört, haben auch alle anderen großen Brauereien in Stuttgart und Umgegend es abgelehnt, dem Boykott trotzend in die Liederhalle Bier zu liefern, und die Liederhalle sah sich genötigt, mit einer auswärtigen Brauerei in Unterhandlung zu treten.

Tübingen, 25. April, Auf 1. Juli d. I. werden auch voraussichtlich in hiesiger Stadt die Mietquartale verlegt (auf l. Jan., 1. Apr., 1. Juli, 1. Okt.), was um so sicherer anzunchmen ist, als sich bereits viele Vermieter und Mieter dahin verständigt haben. Heuie Mittag gegen 2 Uhr zog ein schweres Ge­witter mit wolkenbruchartigem Regen ver­mischt mit Hagel über unsere Stadt, glücklicher? weise ohne Schaden anzurichten.

Saatenstandsbericht für Württemberg vom

April 1895. Die Ergebnisse der amtl. Erhebungen des k. Statist. Landesamts über den Saatenstand im April d. I. für das Land im Ganzen wie für die ein. zelnen Kreise werden im St.Anz. mitgeteilt. Dabei wird zum Verständnis der den einzelnen Früchten er­teilten Noten die Bemerkung vorausgeschickt, daß diese Noten in der Weise sich zwischen der Zahl 1 und 5 bewegen, daß Nr. 1 sehr gut, 2 gut, 3 mittel (durch­schnittlich), 4 gering, 5 sehr gering bezeichnet, während durch die beigefügten Dezimalstellen die Zwischenstufen angedeutet werden. Nach den von den Vertrauens­männern der landwirtschaftlichen Bezirksvereine erstatt­eten Berichten staüden um die Mitte des Monats im Gesammtdurchschnitt des Landes:

Winterweizen: gut bis mittel, Note 2,6 (Neckarkr. 2,5, Schwarzwaldkr. 2,7, Jagstkr. 2,6, Donaukr. 2,4); Winterdinkel: gut bis mittel, Note 2,6 (Neckarkr. 2,3, Schwarzwald- und Donaukr. 2,6, Jagstkr. 3,0); Winter­roggen: mittel bis gering, mit Annäherung an mittel, Note 3,3 «Neckar- und Donaukr. 3,0, Schwarzwaldkr.

з, 7, Jagdstkr. 3,9); Klee: gut bis mittel, Note 2,5 (Neckarkr. 2,1, Schwarzwaldkr. 2,8, Jagstkr. 2,3, Donaukr. 2,6); Luzerne: gut bis mittel, mit Annäherung an Gut, Note 2,2 (Neckarkr. 1,9, Schwarzwaldkr. 2,5 Jagstkr. 2,3, Donaukr. 2,4). Wiesen: gut bis mittel, mit An­nährung an gut, Note 2,3 (Neckarkr. 2,2, Schwarz­wald- und Donaukreis 2,3, Jagdstkreis 2,4). Hieran reihen wir noch einige allgemeine Bemerkungen über die Gesamtlage, wie sie sich aus den eingekommenen Berichten der Saatenstandsberichterstatter für die Mitte des Monats ergibt: Von den verspäteten Herbstsaaten des Jahres 1894 waren noch viele, dank der vorherr­schend milden Witterung des Monats November, hin­reichend erstarkt in den Winter gekommen; manche frühe Saaten waren im Spätjahr beinahe zu üppig geworden. Der lange, strenge und ungewöhnlich schnee­reiche Winter hat auf die Wintersaaten, je nach der örtlichen Lage, sowie nach der Tiefe und der Dauer der Schneedecke eine sehr verschiedenartige Wirkung ge­äußert. Während aus einem Teile der Bezirke, be­sonders des Neckarkreises, berichtet wird, daß der Stand der Wintersaaten ein befriedigender, ja ein guter sei, wird aus anderen Gegenden beträchtlicher Schnee­schaden und schwacher, dünner Stand der Saaten ge­meldet Vor allem hat der Pinterroggen unter der dichten Schneedecke in allen 4 Landeskreisen mehr oder weniger notgelitten; manche Roggensaat ist unter dem Schnee erstickt, während Merzen und Dinkel besser durch den Winter gekommen sind. Die Folge ist, daß viele Roggenfelder und ebenso manche Weizen-

и. Dinkelselder umgepflügt werden müssen. Doch wird mit dem Umpflügen meistens noch zugewartet in der Hoffnung, daß viele zweifelhafte, ja beinahe aufgegebene Saaten durch günstige Witterung sich noch erholen werden. Ueber die Frühjahrssaat, welche in Folge deS langdaucrnden Winters in den mildesten Gegenden des Unterlandes erst im letzten Drittel des Monats März und in den hochgelegenen rauhesten Teilen des Landes erst mit Beginn des zweiten Drittels vom April in Angriff genommen werden konnte, ist ein Ur­teil noch nicht möglich, doch melden die Berichterstatter beinahe einstimmig, daß die Saalbestellung durch die Witterung der letzten Wochen sehr gefördert wurde, und daß das Keimen durch die Winterfeuchtigkeit be­günstigt wird. Mit dem Legen der Kartoffeln wird, von den vielcnorts bereits bestellen Frühkartoffeln ab­gesehen, eben erst begonnen. Der Schnitt des Hopfens ist noch nicht beendet uno selbst die zuerst geschnittenen Pflanzungen haben noch nicht ausgetrieben. Die Hopfen­stöcke zeigen beim Schnitt im allgemeinen ein gesundes Aussehen. Der schon im vorigen Herbst vielversprechende Rotklee hat unter der Schneedecke zwar in vielen Landesteilen seinen guten Stand behalten; in mehreren Bezirken litt derselbe jedoch ebenfalls durch Schneedruck, in einigen Bezirken, besonders des Donaukreises, auch durch Mäuse not. Die Luzerne hat in den Gegenden mit mildem Klima schön angetrieben und im Durch­schnitt besser durchwintert als der Rotklee. Nur ver­einzelt und zwar vorzugsweise aus älteren Luzerne-

I feldern wird von Winterschaden berichtet. Der Trieb I der Wiesen ist, besonders auch infolge der rauhen Winde um Mitte April, in den höheren Teilen des Landes noch sehr schwach, während in milderen Gegenden gute Wiesen bereits schön angetrieben haben. Die Obst­bäume sind, wenige warme Lagen mit mildem Klima ausgenommen, in der Entwicklung noch sehr zurück. Der Stand der Bäume wird in den emgekommenen Berichten sehr verschieden beurteilt; in manchen Gegen­den, besonders in den Niederungen, sind viele junge Zweige samt den Knospen infolge Erfrierens schwarz geworden; da und dort haben die Baumstämme infolge der strengen Winterkälte Frostrisse erlitten; in anderen Bezirken wiederum berechtigt die Menge der Frucht­knospen zu guten Aussichten.

Anstand.

Wien. 22. April. Der Saatenstands­bericht für Mitte Avril stellt fest, daß die Herbstsaat im Allgemeinen ziemlich gut über­winterte Es kamen jedoch auch sehr viele Winterschädcn vor. Ebenso wurden durch die Feldmäuse viele Saaten vernichtet. Biele hoff nungslos oussehende Saaten sind noch erholungs- fähig, da die Wurzeln gut geblieben sind. Der Anbau der Sommersaaten verspätete sich wegen des langen Winters um 2 dis 3 Wochen. Die Saaten stehen meist hoffnungsvoll. Zuckerrüben wurden weniger angebaut gegenüber den letzten Jahren.

Paris, 24. April Der Kriegsminister, General Zurlinden, veröffentlicht Nachrichten aus Madagaskar, denen zufolge mehrere wichtige Unternehmungen gegen die Hovas stattgefunden haben. Die Franzosen nahmen das Fort Am- bohimarina und die kleine Batterie Mahabo; in letzterem Kampfe verloren die Hovas acht Mann und zwei Geschütze. Vier Kompagnieen und zwei Sektionen Artillerie unter General Metzinger nahmen am 3. April das verschanzte Lager Miadana, welches 3000 Hovas verteidigten. Etwa 100 Hovas wurden getötet, viele ver­wundet; drei französische Tirailleurs sind ver- wundet. Die Hovas wurden in die Flucht ge­schlagen.

Paris, 24. April. Die Frau des Bankiers Pietri erschoß sich aus Verzweiflung darüber, daß ihr einziger Sohn aus unglücklicher Liebe seinem Leben ein Ende gemacht hatte. Als ihr Gatte heimkehrte und die blutende Leiche sah, r>ß er einen Revolver von der Wand und jagte sich eine Kugel durch den Kopf. Pietri war 60, seine Frau 51 Jahre alt. Der Guts­pächter Boisseau in Manthelan (Arr Loches) ge­riet mit seiner Frau in Streit und schlug sie so lange, bis sie bewußtlos niedersank. Sodann band der Unmensch der unglücklichen Frau die Hände zusammen, befestigte an ihre Füße einen schweren Stei» und warf sie in den Dorfteich. Als die Nachbarn mit einem Gensdarmen her­beieilten, um Boisseau festzunehmen, flüchtete derselbe auf den Dachboden unv erhängte sich.

Die Engländer scheinen nun endlich ihre Expedition gegen Tschitral in Indien glücklich zu Ende zu führen. Die in Tschitral einge- schlosfen gewesene englische Garnison wurde ent­setzt und der Herrscher von Tschitral hat sich in die Berge geflüchtet. Englische Blätter ver­zeichnen das Gerücht, der Premierminister Lord Rosebery werde in einiger Zeit zurückkreten. um dem greisen Gladstone, der von seinem Star glücklich geheilt ist, Platz zu machen. In dem Konflikt mit Nicaragua machen die Engländer kurzen Prozeß. Sie haben der genannten Repa blik eine dreitägige Frist zur Auszahlung der geforderten Entschädigung gestellt; nach dem fruchtlosen Ablauf dieser Frist wollen sie die Stadt Corinto blokieren. Truppen ausschiffen und die Stadt besetzen. Dem Schwächeren gegen­über, der allerdings diesmal im Unrecht ist, sind die Engländer stets sehr mutig.

Die Spanier haben auf der Insel Cuba neuerdings einige Erfolge über die Aufständischen errungen, aber der Aufstand selbst ist noch lange nicht niedergeworfen, da ihn die Nordamerikaner heimlich unterstützen.

In Serbien gährt es nach den erfolgten Skupichtiuawahlen, bei welchen die Behörden einen fast unglaublichen Terrorismus ausübten, stärker als je. Das erste Geschäft der neuen Kammer wird es sein, dem Exkönige Milan eine bedeutende Pensionssumme zu bewilligen. Auch in Bulgarien zeigt sich eine schleichende

Krisis. Das Kabinet Stoilow will zurücktreten. In Griechenland hat cs anläßlich der Kammerwahlen heftige und blutige Zusammen­stöße der Parteien gegeben. Der Staatsbankerott scheint den Griechen keine große Sorge zu machen.

vermischtes.

(Auch eine Definition») Amerikaner: Wissen Sie, wir Amerikaner wissen stets genau, wie wir uns zu verhalten haben, bei Abschluß eines Geschäfts." Deutscher:So? Nun, wie machen Sie denn das?" Amerikaner: Sehen Sie, wenn ich einen Geschäftsfreund habe und ich vermute, daß er im Stillen ver­mutet: daß ich vermute, er vermute, daß ich das vermute, was er selbst vermutet hat so schnappe ich ab. Verstanden!"

sJm Zorn.) A.:Also Meier ist krank; woran leidet er denn?" B.:An verdorb­enem Magen. Aus Aerger nämlich, daß ihn der Vegetarierverem ausgeschlossen, hat er gestern sieben Beefsteaks gegessen!"

Telegramm.

Berlin, 26. April. Der Kaiser gratu­lierte dem Staatssckr. v. Stephan zu seinem 25jährigen Jubiläum durch eigenhändiges Hand­schreiben. Der Jubilar befindet sich auf Reisen. Mehrere 100 Glückwunschtelegramme und zahl­reiche kostbare Blumenspenden sind eingelanfen.

Berlin. 26. April. Die Abendblätter melden, der Stadtverordneten-Vorsteher Langer- haus sei von dem Oberpräsidenten v. Achenbach telegraphisch angewiesen worden bei 300 Mk. Geldstrafe die Absendung der gestern beschlossenen Petition gegen die Umsturzvorlage zu unterlassen. Desgl. wurde der Oberbürgermeister Celle ange­wiesen. die Absendung der Petition zu beanstanden. Der Oberbürgermeister übersandte das Telegramm sofort der Stadtverordneten-Bersammlung. Die Absendung der Petition war jedoch in beiden Fällen bereits erfolgt. Heute wurden 51000 Exemplare der sozialdem. Festztg. für den 1. Mai in der Druckerei desVorwärts" konfis­ziert.

London, 26. April. DerStandard" predigt heute unerwartet den Japanern Nach­giebigkeit, falls Rußland, Deutschland und Frankreich auf ihrem Einspruch bestehen. Er sagt: England sah den AiObruch des Krieges mit Bedauern, da es eine Beilegung des Streits durch Verhandlung für möglich hielt. Die öffentliche Meinung riet Japan zur Mäßigung im Siege, aber Japan nahm den Rat nicht an, und nun ist. was erwartet wurde, eingetroffen: Japan hat China besiegt, aber nicht ohne große Opfer, sodaß der Sieger nicht einem neuen Feinde gewachsen wäre. Wenn also Rußland. Deutschland und Frankreich entschlossen sind, bleibt Japan nur übrig, nachzugeben, sonst würde es nicht nur einen Teil, sondern alle Land- erwerbungen verlieren.

Tokio, 26. April. In den hiesigen Regieruugskreisen giebt man unverholen der Genugthuung Ausdruck, die man über die Stell­ungnahme Englands, Amerikas, Oesterreichs und Italiens empfindet; daß diese Länder sich in keinem Falle zu einem thätlichen Eingreifen verstehen würden, wird als feststehend ange­nommen. Man geht sogar soweit, sich des aktiven Beistandes Englands und der Bereinigten Staaten versichert zu halten. Dagegen verurf sacht die Haltung Deutschlands hier die grüßte Ueberraschuug und Bestürzung. Die japasische Regierung hofft, daß eine Interpellation im deutschen Reichstag genügen wird, die herrschen­den Mißverständnisse zu beseitigen.

Bestellungen

auf den

Gnzthiiler

für die Monate Mai und Juni

wollen noch bei den Postämtern und Postboten gemacht werden.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.