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Pforzheim, 9. April. In einer großen Volksversammlung, welche gestern Abend im „Wilhelmskeller" stattfand, sprach Landtagsabg Dr. Rüdt unter heftigen Angriffen auf das Zentrum gegen die Umsturzvorlage» die alles übertrcffe, was in diesem Jahrhundert auf dem Gebiet der gesetzlichen Reaktion geleistet worden sei. Eine diesbezügliche Resolution wurde von der Versammlung, welcher auch viele Angehörige nicht sozialistischer Parteien anwohnten, einstimmig angenommen. — Zur Zeit werden in unserem Wahlkreise von amtlicher Seite aus Erhebungen über angebliche Wahl beeinfluss» n gen anläßlich der letzten Reichstags Wahl veranstaltet und wurden bereits mehrere Personen vernommen. Franks Wahl ist von den Sozialdemokraten angefochten worden.
Neuenbürg. 10. April. Dem heutigen Bierteljahrsv'iehmarkt waren ca. 250 St. Läufer- u. 60 Milchschweine zugeführt. Elftere wurden zu 40 bis 120 letztere zu 24 bis 30 pr. Paar lebhaft gehandelt, während der Handel in Großvieh weniger bedeutend war.
Deutsches Aeich.
Berlin, 9. April. Der Kaiser konferirte gestern Nachmittag mit dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe in dessen Palast.
Berlin, 9. April. Der Kaiser hat dem kommandierenden General des IX. Armeekorps. General der Kavallerie Graf Waldersee, der am 8. d. M. sein 63. Lebensjahr vollendete, durch einen besonderen Abgesandten, der auch der Üeberbringer eines wertvollen Geburtstagsgeschenkes war, seine Glückwünsche übersandt.
Friedrichsruh, 8. April. Im Laufe des heutigen Vormittags trafen etwa 700 Lehrer der höheren Lehranstalten Preußens, zum Teil begleitet von ihren Gattinnen, in Friedrichsruh ein, um dem Fürsten Bismarck ihre Huldigung darzubringen. Die Aufstellung der Versammlung erfolgte genau wie bei dem Empfang der Abgeordneten am 25. März. Der Fürst erschien in Zivilkleidung mit warmem Ueberrock und breitrandigem schwarzem Hut auf dem Altan, in Begleitung seiner Tochter und seines Schwiegersohnes. Professor Dr. Jäger-Kiel hielt, indem er eine kunstvolle Votiv-Tafel aus massivem Silber übergab, eine kurze Ansprache und verlas alsdann eine Adresse an den Fürsten. Nachdem der Fürst seinen Dank ausgesprochen und die Anwesenden mit gewohnter Liebenswürdigkeit gebeten hatte, sich zu bedecken, wendete er sich zur Versammlung mit einer Rede, die an Vollendung, Gedankenreichtum und ergreifender Wirkung zu den besten zählt, die er je gehalten hat. Bismarck sagte u. a.: In der Adresse sei die Rede von einem Dank, den auch die Lehrerschaft ihm schulde. Dieses Gefühl der Dankbarkeit sei ein gegenseitiges, denn ohne die Vorarbeiten der Lehrer durch Heranbildung einer tüchtigen Jugend sei nichts erreichbar. Durch die Lehrer würde in den Herzen der Jugend der Keim gelegt zur Vaterlandsliebe, zum späteren Verständnis der politischen Situation. Auch des Einflusses der jetzigen Frauen auf die nationale Entwicklung gedachte der Fürst und bezeichnete ihn als einen bedeutenden Fortschritt. Vor 50 Jahren dachte keine Frau daran, in diesem Sinne zu wirken, jetzt aber pflege auch die Mutter bei den Kindern schon in den jungen Jahren den nationalen Gedanken. Der Fürst wies auf mancherlei Erfolge hin, die nur durch aufreibende Thätig- keit der Lehrer höherer Lehranstalten erzielt werden konnten, gedachte auch der schwierigen geldlichen Lage manches Jugendbildners und sprach die Hoffnung aus, daß auch hierin eine günstige Aenderung eintrete. Der Fürst schloß, er stehe am Ende seiner Tage, sehe mit Ruhe die Sonne, die ihm untergehe, scheiden. Sie zeige ihm aber ein schönes Abendrot. Er als Landmann betrachte das Abendrot als Vorläufer eines schönen Tages und hoffe, daß auch das Abendrot, das er an seinem Lebensabend schaue, auf gute Tage für die Lehrer und die Heranwachsende Jugend hindeute. Die deutsche Lehrerschaft hoch! Das Hoch wurde jubelnd ausgenommen.
Leipzig, 6. April. Das Urteil im Prozeß Leist lautet auf Dienstentlassung unter
> Belastung der halben Pension auf drei Jahre.
! — In der Begründung des Urteils, das Leist auch die Kosten des Verfahrens auferlegt, heißt es: „Der Disziplinarhof hat in der Auspeitschung der Weiber eine Ueberschreitung der amtlichen Befugnisse des Angeklagten und in dem Umgänge mit denselben eine Entwürdigung und einen Mißbrauch der Amtsgewalt erblickt. Wenn der Disziplinarhof auch die Verdienste des Angeklagten anerkennt, so durfte er denselben dennoch nach Lage der Dinge nicht im Amte de- lassen."
Das auf Dienstentlassung lautende Urteil, welches der kaiserliche Disziplinarhof zu Leipzig in dem Revisionsprozesse gegen den Kanzler Leist von Kamerun gefällt hat, dürfte den Empfindungen der weitesten Kreise des deutschen Volkes in dieser skandalösen Angelegenheit entsprechen. Der genannte hohe Reichsbeamtc hat ganz zweifellos Dinge auf seinem afrikanischen Colonialposten begangen, die sich mit der Würde und dem Ansehen dieser Stellung durchaus nicht vereinbaren und welche zugleich geeignet sind, den guten Klang des deutschen Namens im Auslande bedenklich zu diskreditieren. Herr Leist hat sich nach Kräften bemüht, seine mehr als anstößigen Handlungen, die Auspeitschung der Dahomey Weiber und der Umgang mit den sogenannten Pfandwcibern, sowohl in dem ersten Prozeß wider ihn, als auch in der jetzt stattgefundenen zweitinstanz lichen Verhandlung zu beschönigen. Wenn es ihm hierdurch gelang, bei der Potsdamer Dis ziplinarkammer ein verhältnismäßig recht mildes Urteil zu erzielen, so ist ihm dafür seitens des kaiserlichen Disziplinargerichtshofes in Leipzig die wohlverdiente Strafe geworden, und cs wird schwerlich Jemand geben, der mit dem nunmehrigen Ex Kanzler von Kamerun befonderes Mitleid empfände. Hoffentlich werden aber die verantwortlichen Leiter unserer Kolonialpolink aus dem „Falle Leist" die Lehren ziehen, die derselbe so offenkundig predigt.
K a r l s r u h e, 9. April. Der Kaiser wird in den nächsten Tagen hier erwartet. Er soll beabsichtigen, auf dem Kaltenbronn wieder die Auerhahnjagd auszuüben.
Man hat sich gewundert, daß der Kaiser das neue Panzerschiff „Aegir" und nicht „Bismarck" taufte. Der Kaiser richtete einige Tage vor der Taufe die Frage an einen der Admiräle, welchen Taufnamen man wohl für das neue Panzerschiff in Vorschlag bringen würde. Der Gefragte antwortete mit einem Hinweis auf die Bedeutung des 1. April. Der Kaiser hat darauf lebhaft erwidert: „Ja, wenn cs ein Panzer erster Klaffe wäre!" Das neue Schiff ist nur ein Panzer vierter Klasse.
Berlin, 4. April. Zum Preise von fünf Millionen Mark ist in diesen Tagen ein Läderei- komplex innerhalb Berlins erworben worden, der die bisherigen Besitzer seinerzeit nur 2100 Thaler gekostet hat. Es sind dies mehrere Grundstücke in Moabit in der Turmstraße. Eine Gesellschaft hat den Preis gezahlt, um eln neues Stadtviertel anzulegen.
Württemberg.
Dem Vernehmen nach wird Se. Maj. der König an den Feierlichkeiten am 19. Juni d. I. aus Anlaß der Einweihung des Nordostseekanals teilnehmen.
Das württ. Kriegsministerium hat auf eine an dasselbe gerichtete Bitte der Fraktion der Volkspartei um Gewährung von Frühjahrs- Urlaub für die württ. Soldaten folgenden Bescheid erteilt: „Auf die von Euer Wohlgeboren mit Unterzeichnete Eingabe einer Anzahl Landtagsabgeordneter an den Kriegsminister, betreffend die Beurlaubung von Mannschaften zur Unterstützung ihrer Angehörigen bei der diesjährigen Frühjahrs-Feldbestellung teilt Ihnen das Kriegsministerium mit, daß es die in dieser Eingabe ausgesprochene Bitte dem Kgl. Generalkommando behufs Berücksichtigung, soweit es die dienstlichen Interessen gestatten, zugeleitet hat. Die Wichtigkeit der gegenwärtigen Ausbildungsperiode, der durch den langen und strengen Winter gegen sonst zurückgebliebene Stand der Ausbildung und die Rücksicht auf die 2jährige
Dienstzeit setzen der Ausdehnung der erbetenen Beurlaubungen bestimmte Grenzen. Es ist deshalb zu weiterer Erleichterung der auf den Betrieb der Landwirtschaft angewiesenen Bevölkerung bei der diesjährigen Frühjahrs-Feldbestellung eine für die zweite Hälfte des Monats April d. I. angesetzte 14 tägige Uebung von ca. 2000 Reservisten in die erste Hälfte des Monats Juni verlegt worden."
Stuttgart. Die königl. Schlösser „Rosenstein" und „Wilhelms" sind vom Ostersonntag (14. Aprils bis 15. Okt. für den allgemeinen Besuch wieder geöffnet.
In Stuttgart haben Spaziergänger Montag früh im Kräherwald den ersten Kuckucksruf gehört; im vorigen Jahre hat sich dieser scheue Frühlingsbote drei Tage später in unserer Gegend eingestellt, obwohl die Vegetation damals um annähernd 3 Wochen weiter vorangeschritten war, als dies Heuer der Fall ist.
In Ulm starb am 9. April Oberbürgermeister a. D. v. Heim, Ehrenbürger der Stadt Ulm im 74 Jahre, v. Heim war 1877—81 Mitglied des Reichstags.
In Feldstetten, OA. Blaubeuren, wurde ein verheirateter M-tzger, Vater von 4 unversorgten Kindern, von einem Pferde des Pächters des Gasthofs zur Post so unglücklich auf den Magen geschlagen, daß derselbe platzte und der Tod nach einer Stunde eintrat.
Freuden st ad t. 6. April. In der Nähe von Kälberbronn sind in den letzten Tagen 5 junge Rehgaisen tot aufgefunden worden. Die Untersuchung zeigte, daß der Magen geplatzt war. Die Tiere, welche sich sehr schwer ourch den harten Winter brachten, fressen jetzt zu begierig das grüne Futter und so wird der geringe Wildstand jetzt noch weiter gelichtet. Aeltere Tiere sollen weniger gefährdet sein.
Herrcnberg, 8. April. Gestern Vormittag wurde auf der Station Bondorf der Schermausfänger Gauß von Thailfingen beim Aussteigen vom Zuge erfaßt und auf der Stelle gelötet. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau und 8 Kinder.
Stuttgart. (Landesprodukteubörse. Bericht vom 8. April von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Die Tendenz am Getreideweltmarkte war in abgelaufener Woche eine schwankende. Die Offerte aus den Laplata- Staaten und Indien werden kleiner und je nachdem die Berichte über den Stand der Staaten mehr oder weniger günstig lauten, kommt dies an den Börsen zum Ausdruck. An den Landmärkten ist es ebenfalls etwas ruhiger geworden bei guten Zufuhren. Für Kleesaaten werden etwas höhere Preise gefordert und bewilligt. Am Ostermontag findet kerne Börse statt. Wir notieren per 100 Kilogr.: Gyrka-Weizen 15.50 Azima-Weizen 15.25 bis 15.60 ^, Eupatoria-Weizen 16 Theodoria-Weizen 16 ««, Ruff. Weizen 15.40 Rumänier Weizen 15.75—16 Oberländer Kernen In 16.20 Dinkel 10 -4«. Ungar. Gerste 18.25 ««, Tauber Gerste 16.40 «4L, Landhafer 11.40 «4L, Landhafer la 13.10 ««, Albhafer 12.60««, Albhafer Is. 13.25 -4L, Donaumais 13.25 «« — Mehlpreise per 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.
Ausland.
Lüttich, 9. April. Der Ausstand der Kohlenarbeiter ist vollstänig beendigt. Im Lütticher Revier fuhren heute früh überall die Schichten vollzählig an.
Madrid. 9. April. Der Ministerrat beschloß heute, den Verlust des Kreuzers „Reina Rezente" amtlich bekannt zu geben.
London, 9. April. Der „Daily Telegraph", der beim Tode des Zaren von Rußland förmlich kroch und ein Zusammengehen mit Rußlonv in der ostastatischen Frage begeistert befürwortete, wirft in einem heutigen Leitartikel, den japanischen Friedensbcdingungen gegenüber, Rußland einfach über Bord, wie es die „Times" gestern gelhan und dewillkommt nun Japan als eine neue Macht ersten Ranges, die eine Stellung erreicht habe, nach der Rußland mit allen Mitteln und Jntriguen gestrebt habe. Das Blatt sagt, cs wäre unhöflich, bei jenen ehrgeizigen, für England gefährlichen Plänen zu verweilen, die durch die Erfolge der Japaner stillschweigend vereitelt worden sind. Wenn der Moskowite seine Bahn nach Wladiwostok oder nach Port Arthur oder Port Lazarew vollendet haben würde und der doppelköpfige Adler dort