215
Der Emtljiiler.
Anzeiger und Unterhaltungsblatt für das Enzthal und dessen Umgegend
Nr. 52.
Amtsblatt für öen Hberamtsbezirk Weuenbürg.
53. Jahrgang.
Neuenbürg, Sonntag den 31. März
1895.
Erscheint LienStag, Donnerstag, GamStag und Sonntag. — Preis vierteljährlich I ^ 10 monatlich 40 durch die Post bezogen im Oberamtsbezirk vierteljährlich 1 25 monatlich 45 außerhalb deS Bezirks vierteljährlich l 45 — Einrückungspreis für die Ispaltige Zeile oder deren Raum 10
Amtliches.
' Neuenbürg.
Kekanntmachung.
Zur Ausführung des Gesetzes, betr die Abänderung der Gewerbe Ordnung Vom 1. Juni 1891 (R G Bl. S. 261) über die
Sonntagsruhe im Gewerbebetrieb
mit Ausnahme des Handelsgewerbes (88 105 a. 105d Abs. I. 105e bis 105 i) werden die nachstehenden Vorschriften unter Wiederholung der wesentlicheren allgemein gütigen. sowie unter Beifügung der für den Oberamtsbezirk Neuenbürg erlassenen Ausnahmebewilligungen bekannt gegeben.
Die grundlegende Bestimmung ist nach Z I05b GewO.: Im Betriebe von Bergwerken, Salinen. Ausbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplätzen und anderen Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien, sowie bei Bauten aller Art dürfen Arbeiter an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden.
Hievon sind Ausnahmen zulässig, über welche folgendes cf. insbes. L gilt:
L Allgemeines.
(88 105a, I05b Abs. I, 105§ und 105i der G.-O.)
I. Das in 8 105b Abs. 1 enthaltene Verbot der Sonntagsarbeit gilt nicht für die Land- und Forstwirtschaft, den Gartenbau, den W.i.: bau, die Viehzucht, den Geschäftsbetrieb der Apotheker, die Ausübung der Heilkunde und der schönen Künste und die in § 6 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung bezeichneten Gewerbe. Ferner sind kraft besonderer Vorschrift von dem Verbot der Sonntagsarbeit ausgenommen Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe. Musikausführungen. Schaustellungen, theatralische Vorstellungen und sonstige Lustbarkeiten, sowie die Verkehrsgewerbe (8 1051).
H. Bezüglich der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe hat es bei den geltenden Bestimmungen sein Verbleiben (vergl. Ministerial Erlaß vom 16. April 1892, Amtsbl. S. 101). In denjenigen Handelsgewerben, in welchen beim Ladenverkauf an den Waren Aenderungs- oder Zurichtungs« arbeiten vorgenommen werden (Gewerbe der Fleischer, Hutmacher, Blumenhändler, Uhrmacher u. vergl.), ist die Beschäftigung mit diesen Arbeiten als Beschäftigung im Handelsgewerbe zu betrachten und deshalb an Sonn- und Festtagen während der für das betreffende Handelsgewerbe freigegebenen Zeit gestattet.
III. Verboten ist an Sonn- und Festtagen jede Art der Beschäftigung von Arbeitern „im Betriebe" der unter Z 105b Abs. I fallenden Gewerbe, also im Betriebe von Bergwerken, Salinen, Ausbereitungs- anstalten, Brüchen und Gruben, von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplätzen und Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien. Durch die Worte „im Betriebe" ist zum Ausdruck gebracht, daß das Verbot nicht nur räumlich für die Betriebsstätte, in welcher sich der betreffende Gewerbebetrieb regelmäßig abzuwickeln pflegt, sondern für jede zu dem Gewerbebetriebe gehörige Thätigkeit gelten soll. So dürfen z. B. Monteure, Schlosser-, Glaser-, Maler-, Tapezier-, Barbiergehilsen während der Sonntagsruhe auch außerhalb der Betriebsstätte nicht beschäftigt werden, soweit nicht etwa die betreffenden Arbeiten gemäß den Vorschriften der 88 I05c bis k statthaft sind.
IV. Das Verbot der Sonntagsarbeit gilt auch für „Bauten aller Art", d. h. für Hoch-, Tief-, Wege-, Eisenbahn- und Wasserbauten, sowie für Erdarbeiten, sofern diese nicht Ausfluß des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, des Weinbaues oder des Gartenbaues sind, ferner nicht nur für Neubauten, sondern auch für Ausbesserungs- und Jnstandhaltungs arbeiten, z. B. auch für das Schornsteinfegergewerbe, endlich für alle diese Bauarbeiten auch dann, wenn sie in Regie ausgeführt werden.
V. Das Verbot der Sonntagsarbeit gilt für gewerbliche Arbeiter im weitesten Sinne, also nicht nur für Gesellen, Gehilfen. Lehrlinge, Fabrikarbeiter und andere im Betriebe beschäftigte Handarbeiter, sondern auch für Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker.
VI. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe soll mindestens dauern: für einzelne Sonn- und Festlage 24 Stunden,
für zwei auf einander folgende Sonn- u. Festtage 36 Stunden, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest 48 Stunden.
Diese Ruhezeiten müssen auch in solchen Betrieben, die an Werktagen ununterbrochen mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht arbeiten, gewährt werden, soweit nicht etwa für diese Betriebe gemäß § 105e dis s Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit Platz greifen. Während aber in Betrieben, die nur bei Tage oder in unregelmäßigen Schichten zu arbeiten pflegen, die Ruhezeit stets von 12 Uhr nachts an gerechnet werden soll, kann in Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nactifichicht die Ruhezeit schon frühestens um 6 Uhr abends des vorhergehenden Werktags und spätestens erst um 6 Uhr morgens des Sonn- oder Festtags beginnen, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht. -
Für olle Fälle gilt die Vorschrift, daß die Ruhezeit an zwei aus einander folgenden Sonn- und Festtagen stets bis 6 Uhr abends des zweiten Tages dauern muß. Demnach beträgt die Ruh zeit in Betrieben, di^kcine regelmäßigen Tag- und Nachtschichten hoben, nicht nur 36, soiwern mindestens 42 Stunden (von der Mittagsstunde vor dem erste» Tag bis 6 Uhr abends des zweiten Tages).
VII. Jugendliche Arbeiter dürfen in Fabriken und den in 88 154 Abs 2 und 154a bezeichneten gewerblichen Anlagen an Sonn- und Festtagen überhaupt nicht beschäftigt werden (8 136 Abs. 3 der G.-O., vergl. auch unten zu L. 3).
VIII. Während im Handelsgewerbe, soweit es in offenen Verkaufsstellen betrieben wird, auch die Sonntagsarbeit der Arbeit gener Beschränkungen unterliegt (Z 41 a), ist in den hier in Rede stehenden Gewerben den Arbeitgebern und selbständigen Gewerbetreibenden die Sonntagsarbeit durch die Vorschriften der Gewerbeordnung nicht verwehrt.
D'e weitergchenden Beschränkungen der Sonn- und Festlagsarbeit» Welche das Landesrecht, zur Zeit also die K. Verordnung vom 27. Dezember 1871, betreffend die bürgerliche Feier der Sonn-, Fest- n. Feiertage (Reg-Bl. S 412). und die auf Grund des § 15 dieser Verordnung getroffenen octspolizeilichen Anordnungen für die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter uns für die Arbeit selbständiger Gewerbetreibender aufstellen, bleiben bestehen HZ 105 ll Abs. I).
8. Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit.
(8 105 c-k. Gew.O.)
I. Ausnahmen kraft gesetzlicher Vorschrift.
(8 105 e.)
1) Unter diejenigen Arbeiten, aus die das Verbot der Sonntagsarbeit kraft Gesetzes keine Anwendung findet, werden in § 105c an erster Stelle solche Arbeiten gerechnet, die in Notfällen oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenvmmen werden müssen. Zu den Arbeiten „in Notfällen" gehören solche Arbeiten, die zur Beseitigung eines Notstandes oder zur Abwendung einer Gefahr sofort vorgenommen werden müssen, ferner aber auch dringende Arbeiten, die durch Todesfälle, Erkrankungen, unvorhergesehene, erhebliche geschäftliche Zwischenfälle u. s. w. erforderlich werden und nicht wohl auf den nachfolgenden Werktag verschoben werden können; dagegen kann nicht etwa schlechthin die Erledigung eiliger Arbeiten hieher gerechnet werden. — Unter „öffentlichem Interesse" ist nicht nur das Interesse des Staates oder der Gemeinde, sondern auch dasjenige des Publikums zu verstehen.
2) Die Befugnis, Reinigungs- und Jnstandhaltungsarbeiten, durch die der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebes bedingt ist, Arbeiten, von denen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebes abhängig ist, sowie solche Arbeiten vorzunehmen, die zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnisscn erforderlich sind, ist davon abhänigig gemacht, daß die genannten Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können (ß 105c Abs. 1 Ziffer 3 und 4.)
Die Möglichkeit ihrer Vornahme an Werktagen ist nach den Umständen des einzelnen Falles und den besonderen Verhältnissen der einzelnen Betriebe zu beurteilen. Die Befugnis zur Ausführung der be-> zeichneten Arbeiten wird für den einzelnen Gewerbetreibenden nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß andere Betriebe derselben Gattung, deren Einrichtungen indessen wesentlich verschieden sind, der Sonntagsarbeit nicht bedürfen. Wohl aber finden die Bestimmungen keine Anwendung, wenn und sobald es dem Gewerbetreibenden möglich ist, ohne erhebliche Unzuträgkichkeiten für den Betrieb oder die Arbeiter und ohne nnvcrhält-