209

Abgeordneten sich zur Abfahrt sammelten, auf dem Bahnhofe erschien. Allen Teilnehmern wird die vom Wetter außerordentlich begünstigte Fahrt eine kostbare Erinnerung sein.

Friedrichsruh, 25. März. 248 Mit­glieder des Abgeordnetenhauses, 170 Reichs­tags- und Herrenhausmitglieder sind heute in drei Sonderzügen hier eingetroffen und von den Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck, dem Grafen Rantzau und dem General Grafen Waldersee begrüßt worden. Alle 418 Personen wurden gleichzeitig vom Fürsten Bismarck vor dem Schlosse empfangen. Nach der Bewill­kommnung erschien auch der Altreichskanzler um 1^<4 Uhr am Bahnhofe in Kürassierunisorm, be- willkommnete die Abgeordneten und fuhr zu­sammen mit dem Präsidenten des Abgeordneten­hauses v. Koller zum Schlosse. Von den Mit­gliedern des Reichstages waren 110, von den­jenigen des Herrenhauses 60 erschienen. Die Anreden erfolgten vom Schloßbalkon.

Friedrichsruh, 26. März. Der Kaiser traf heute mittag 12 Uhr auf dem Eisenbahn- übergange bei Aumühle ein, stieg zu Pferde und begab sich an den Kreuzungspunkt der Straße von Aumühle nach Schwarzenbeck, wo eine Schwadron des Kürassierregiments v. Seydlitz (Magdeburg), eine Kompagnie des Infanterie- Regiments Nr. 76 (Hamburg) und eine Schwa­dron des Husarenregiment Nr. 15 (Wandsbeck), sämtlich mit Fahnen und Musikkorps, sowie eine Batterie des Holsteinschen Feldartillerieregiments bereit standen. Der Kaiser setzte sich an die Spitze der Truppen, führte sie auf den an den Park anstoßenden freien Platz und befahl die Paradeaufstellung. Nach Einnahme der letzteren traf Fürst Bismarck in Kürassieruniform in offenem Wagen ein und wurde von den Truppen unter präsentiertem Gewehr und mit klingendem Spiel empfangen. Der Kaiser richtete namens der Armee eine Ansprache an den Fürsten, über­gab ihm einen goldenen Ehrenpallasch und ritt mit dem Fürsten die Truppenfront ab. Der Altreichskanzker begab sich sodann in das Schloß, während der Kaiser an der Spitze der Kürassier- Schwadron vor das Schloß ritt, um dem Ab­bringen der Standarte beizuwohnen. Nachdem die Schwadron nochmals vor dem Fürsten de­filiert hatte, begab sich der Kaiser zur Mittags­tafel in das Schloß. Bor dem Schlosse war ein Ehrenposten von Kürassieren aufgestellt, die Batterie stand aus dem Paradeplatz. Beim Trinkspruche auf den Fürsten wurde Salut ge­schossen. Das Schloß, der Bahnhof, das Post­amt und die Villen hatten festlich geflaggt. Die Truppen hatten in der Umgegend gestern Quar­tiere bezogen.

Friedrichsruh, 26. März. Beim Mittagessen im Schlosse waren 30 Gedecke auf­gelegt. Der Kaiser brachte den Trinkspruch auf den Fürsten Bismarck aus, wobei 21 Salut­schüsse erschollen. Der Altreichskanzler dankte sofort. Um 3'/r Uhr trat der Kaiser mit dem Kronprinzen und dem Gefolge unter brausendem Jubel die Rückreise an. Als der Kaiser den Wagen bestiegen hatte, erschien Bismarck auf dem Bahnsteig.

Berlin, 26 März. DiePost" meldet aus Friedrichsruh: Der Kaiser betonte in dem Trinkspruche, den er beim Mahle ausbrachtr, die Dien sie, die Fürst Bismarck Kaiser Wilhelm 1. geleistet habe Der Altreichskanzler antwortete, er habe seit 1848 nur seine Schuldigkeit gethan und könne bei der Abstimmung des Reichs­tags den Mangel an nationalem Bewußt­sein nur bedauern. Er schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. Der Kaiser ernannte den Leibarzt des Altreichskanzlers, Professor Dr. Schweninger zum Geheimen Medizinalrat und Verlieh dem Sekretär des Fürsten Dr. Chry- sander den Kronenordeu vierter Klasse.

Friedrichsruh, 26. März. Die Kaiserin ließ dem Fürsten Bismarck durch den Kron­prinzen ein herrliches Rosenareangement nebst einem Glückwunschbrief überreichen. Der Kron­prinz that dies mit den schlichten Worten:Von Mama!"

Berlin, 25. März. In einer Zuschrift an dieNat.-Ztg." schreibt Valer Gras Ma-

tuschka auf Schloß Langmeil bei Züllichau: Ich erkläre als guter Katholik und deutscher Patriot, daß der Zentrumsbeschluß, Bismarck nicht zu beglückwünschen, von Millionen Katholiken als unsterbliche Blamage des Zentrums bedauert wird.

Berlin, 25. März. DieNordd. Allg. Ztg." bestätigt die Ernennung des bisherigen Botschafters in Washington, Frhrn. v. Saurma- Jeltsch, zum Botschafter in Konstantinopel, und die Ernennung des preußischen Gesandten Dr. v. Thielmann in München, zum Bot­schafter in Washington.

Berlin, 26. März. Nach der Meldung eines parlamentarischen Berichterstatters einigten sich die Mehrheitsparteien des Reichstages dahin, den ersten Vizepräsidenten Frhrn. v. Buol (Zentr.) als Präsidenten, den Abgeord. Schmidt- Bingen (freis. Volksp.) als ersten, und den Abgeord. Spahn (Zentr.) als zweiten Vize Präsidenten vorgeschlagen.

Durch das Hinscheiden des Fürsten Woldemar von Lippe-Detmold ist die Lippische Thronfolgefrage wieder akut geworden, denn die Einsetzung einer Regentschaft unter dem Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe bedeutet doch nur ein Provisorium. Der lippische Thron- Prätendent, Graf Ernst von Lippe-Biesterfeld, hat anläßlich des Ablebens des Fürsten Woldemar seine Ansprüche auf den erledigten Thron wie­derholt geltend gemacht, er scheint denEreig­nissen" möglichst nahe sein zu wollen, wie das Eintreffen des Grasen Ernst und dessen Familie in Bad Oeynhausen beweist.

Der bayerische Kultusminister Dr. v. Müller ist am Sonntag nach kurzer Krank­heit gestorben. Der Verewigte war 1846 ge­boren, ist also im rüstigsten Mannesalter dahin­gerafft worden.

Es ist jetzt genau 1 Jahr her, daß der russische Handelsvertrag in Kraft getreten ist. Er hat im großen Ganzen die Erwartungen der Industrie leidlich befriedigt und der deuischen Landwirtschaft hat er keinen Schaden gethan. Denn trotz der Herabsetzung der Getreidezölle von 5 M. (bezw. während des Zollkrieges von 7'/s M.) auf 3'/» M. sind die Preise jetzt nach Jahresfrist nicht niedriger, sondern sogar höher als am 30. März 1894. Damals lautete die Notierung an der Berliner Börse für Weizen 138.50, heute 142, für Roggen damals 119,75. heute 122. Auch der Rubelkurs, der damals 219,25 betrug, hat sich noch um eine Kleinig­keit, auf 219,50 Mark gehoben.

In nächster Zeit führt die bad. Staatsbahn Kilometerhefte für den Personenverkehr ein. 1000 Kilometer erster Klaffe werden 60, zweiter Klasse 40, und dritter Klasse 25 Mk. kosten. Die Einführung dieser Kilometerfahrkarten findet allgemeinen Anklang. Vor der Fahrt hat am Schalter eine Abstempelung staltzufinden zum Zweck des Eintrags der abzufahrenden Kilo­meterzahl. Der Herr Elsenbahnminister hob her vor. daß sich das badische Netz für die Einführ­ung von Jahreskarten und von Karlen mit 15tägigcr Giltigkeit nicht eigne. Wer im Jahr mehr als 5 Kilometerhefte löst, erhält prozen- tualen Rabatt.

M a n n h e i m, 26. März. Der Bürger- ausschuß genehmigte die Errichtung eines großen, über 7 Millionen Mark kostenden Jn- dustriehafens, und bewilligte dafür vorerst eine Million Mark.

Württemberg.

Stuttgart, 25. März. Se. Maj. der König hat heute verfügt, daß am 1. April d. I. zur Feier des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck in sämtlichen Schulen des Landes der Unterricht ausfällt, wobei den Vorständen der höheren Lehranstalten und Seminarien, so­wie für die Volksschulen den Ortsschulaussehern und Lehrern anheimgegeben wird, angemessene Schulfeiern bei völlig freier Beteiligung der Schüler zu halten.

Das Gustav-Adolf-Festspiel, das in den letzten Wochen hier gegeben wurde, war im ganzen von 15000 bis 16000 Personen besucht.

welche eine Gesamteinnahme von rund 20000 Mark brachten. Die Familie des verstorbenen Dichters erhält aus den Bruitoeinnahnnn eine Tantieme von zehn Prozent

Bietigheim, 12. März. Seit gerau­mer Zeit beschäftigt die hiesigen Kleingewerbe­treibenden die Frage, die Wasserkraft der Enz nutzbar zu machen, zur Kraftübertragung und zur Lichterzeugung. Auf Anregen derselben hielt gestern abend Herr Beck, Ingenieur der Ma­schinenfabrik Eßlingen, vor einer Versammlung von 120 Personen einen höchst gediegenen Bor­trag überElektrisches Licht und Kraftüber­tragung". Die Anwesenden erfuhren dabei, daß von der Maschinenfabrik Eßlingen bereits der­artige Einrichtungen getroffen sind in Freuden­stadt, Nagold, Tuttlingen, Urach und getroffen werden in Böblingen. Der Redner entwarf dann in großen Zügen ein Bild der Entwick­lung der Stromerzeugung; er bezeichnte als die rationellste Art derselben die vermittels der Dyna­momaschinen neuester Konstruktion, deren Vor­züge darin bestehen, daß damit Gleichströme er­zeugt werden für die Bogenlichter, die ökono­mischer arbeiten, keiner Wartung nnd Bedienung bedürfen, gefahrlos sind, weil sie keine störende Hitze entwickeln und von keinem andern in Be­ziehung auf Helligkeit übertroffen werden. Die Verteilung des Netzes für dieselbe kann man gut als Freilegung einrichten, über die Dächer hinweg führen, damit das Aussehen der kleinen Städte nicht notleide. Die Preise sind so ge­stellt, daß eine Anschaffung der Lampen, von denen eine installierte Lampe auf 910 M. komme, allen möglich werde. Bezüglich der Kraftübertragung bemerkt Redner, daß im Elektro­motor die Frage der Krafterzeugung für das Kleingewerbe glänzend gelöst sei. Für ihn ist dieser das billigste wegen seines Anschaffungs­preises, der Betriebskosten, bei denen die Pferde­kraftsstunde bei Anschluß an die Wasserkraft auf 18 Pfg. komme. Der Elektromotor arbeitet ökonomischer, reguliert sich selbst, ist ganz leicht zu bedienen, da er nach einigen Sekunden in Bewegung gesetzt wird, einer Schmierung bedarf es nicht, auch kann er überlastet werden. Die Vorzüge dieser Maschine für den Kleinbetrieb können nicht genug anerkannt werden. Redner zweifelt gar nicht daran, daß auch für den hiesigen Ort eine solche Anlage passend und rentabel und schon nach den ersten Jahren ge­sichert scheint. Seine Ausführungen fanden den lebhaftesten Beifall; dieselben wurden unterstützt durch die Worte des Rotgerber Schmid, der da sagte:Wir haben bei Wahlen oft die Gelegen­heit gehabt, zu hören, daß dem Kleingewerbe aufgeholfen werden müsse. Mit vereinten Kräften können auch kleine Kräfte etwas leisten, darum mögen sich die Handwerker zusammenthun, da­mit das Kleingewerbe Vorteil gewinne und das, was ihm der Dampf geschadet, durch Elektrizität wieder gut gemacht wird." Aus der Mitte der Anwesenden wurden noch allerlei Anfragen ge- stellt, die bewiesen, wie sehr sich die Einwohner­schaft für die Sache interessiert. Mit Vergnügen wurde dw Einladung angenommen, die Zentral­anlage zu Eßlingen, die nun 4500 Lampen hat, zu besichtigen. Am 16. abends hielt sodann Hrn. Ingenieur R eißer einen zweiten Vortrag in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saale des Gasthoss z. Post. Der Vortragende hat bereits mit einem hiesigen Mühlebesitzer, der et­wa 2530 Pferdekräste übrig hat, einen Ver­trag abgeschlossen und legte nun in meisterhafter Weise den Anwesenden die Vorteile und Annehm­lichkeiten der elektrischen Beleuchtung und des Elektromotorbetriebs gegenüber dem Betrieb mit Benzin u. s. w. dar. Zum besseren Ver­ständnis waren Bogenlampen, Glühlampen und verschiedene Elektromotoren, durch 6 Akkumula­toren gespeist, im Betrieb, die tadellos arbeit­eten. Diese Vorführung von Apparaten hat dem Plan viele Freunde zugeführt.

Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 25. März von dem Vorstand Fritz Kregtinger.s Die Tendenz des Getreideweltmarktcs mar in der ersten Hälfte der abgelaufenen Woche etwas ruhiger, konnte sich aber bis zum Schlüsse wieder vollständig erholen, so daß der Grundton ein sehr fester zu nennen ist. Es wird immer mehr zu Gewißheit, daß die Ex-