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ein enormer. Selbst eingefricdigte Gärten wurden von Wild durchbrochen, übersprungen und darin alle edleren Obstbäume zerfressen. Möge das Borgehen der hiesigen Landwirte im ganzen badischen Lande Wiederhall finden und die Anregung zu einer Petition an den Landtag geben, daß das Jagdgesetz resp. die Schadenersatzpflicht geändert wird.
Neuenbürg, 23. März. (Schweinemarkt.) Zugeführte 30 Paar Milchschweine wurden zu 25—31 per Paar verkauft.
Deutsches Weich.
Berlin, 21. März. Der Staatsrat wurde heute vom Kaiser mit einer Ansprache geschlossen, worin es heißt: „Wenn auch das Ergebnis der Verhandlungen die hochgespannten Erwartungen vielleicht nicht überall befriedigen mag, so ist für die Aufgabe der Regierung, alle wirksamen Mittel anzuwenden, um der Notlage der Landwirtschaft abzuhelfen, von hoher Bedeutung, daß auf diesem Gebiete durch die Verhandlungen die Grenzen des Erreichbaren klarer erkennbar geworden sind. In den erschöpfenden Erörterungen wurde allseitig die Notlage der Landwirtschaft anerkannt. Die Erkenntnis ihrer Ursachen, des Umfanges und der Folgen, sowie die sorgfältige Prüfung der Mittel, welche bisher in der Oeffentlichkeit oder im Laufe der Beratungen für die Abhilfe in Frage kommen, bilden eine wertvolle Unterlage für die Regierungsentschließungen, und die auch von Ihnen als ungeeignet, praktisch nicht ausführbar oder gefährlich erkannten und widerratenen Mittel wird die Regierung um so unbedenklicher ausscheiden können. Es ist meine Absicht, die weiteren Entschließungen unverweilt herbeizuführen." Der Kaiser forderte schließlich die Versammlung auf, mitzuwirken, daß künftig, wenn ähnliche Fragen die Gemüter erregen, zunächst die Regierung um Abhilfe angegangen werde. Es sei seine Absicht, in solchen Fällen unverzüglich selbst das Erforderliche zu erwägen und nötigenfalls den Staatsrat zu berufen.
Berlin, 22. März. Im Reichstage hatten gestern die Juristen das große Wort, was natürlich nicht zur Füllung der Räume beitrug. Bei Gelegenheit des Justizhaushaltes regte der Abg. Bassermann die reichsgesetzliche Regelung der Bestrafung und Zwangserziehung jugendlicher Verbrecher an, während andere Abgeordnete für die bedingte Verurteilung eintraten. Der Staatssekretär des Reichsjustizamtes Nieberding gab die beruhigende Versicherung, daß das bürgerliche Gesetzbuch noch in diesem Jahre fertig gestellt würde und schon im Februar des nächsten Jahres dem Reichstage vorgelegt werden könne, der hoffentlich schnelle Arbeit machen werde. Die weitere Beratung war dem Reichseisenbahnhaushalt gewidmet, bei der der sozialdemokratische Abgeordnete Stolle eine lange Rede über einheitliche Regelung und Verbilligung des Tarifwesens hielt.
Berlin, 21. März. Der Seniorenkonvent des Reichstags kam auch gestern Abend betreffs der Blsmarckfeier zu keinem Beschluß, da das Zentrum, die Freisinn. Volksp. und die Sozialdemokraten auf dem bisherigen Standpunkt verharrten. Es verlautet, Präsident von Levetzow werde nunmehr am Samstag seinerseits in der Plenarsitzung den Vorschlag zur Beglückwünschung Bismarcks machen.
Berlin, 21. März. Mit ziemlicher Bestimmtheit wird jetzt angenommen, daß der Reichskanzler Fürst Hohenlohe den Kaiser zur Beglückwünschung des Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh begleiten wird. — Es steht jetzt fest, daß im Reichstage am Samstag nicht die Parteien, sondern Präsident v. Levetzow selbst den Glückwunsch für den Fürsten anregen wird. Es wird versichert, daß Levetzow entschlossen ist. das Präsidium niederzulegen, falls der Anregung nicht Folge gegeben wird. — Nach neueren Bestimmungen benützen die Mitglieder des Reichstags und des Herrenhauses denselben Zug nach Friedrichsruh.
Dresden, 20. März. AuchderKönig von Sachsen beabsichtigt, dem Fürsten Bismarck zum 80. Geburtslage einen Beweis besonderer persönlicher Wohlgeneigtheit zu geben
und zu diesem Behufe an einem der letzten Märztage in Friedrichsruh cinzutreffen.
Friedrichsruh. 18. März. Einen Distanzritt zum Altreichskanzler haben vier Offiziere des in Militsch (Schlesien) garni- sonierenden Ulanen-Regiments unternommen und sind am Mittwoch Nachmittag 5 Uhr in Fried- rtchsruh eingetroffen. Die Reiter, ein Rittmeister, ein Premierlieutenant und 2 Sekonde- lieutenants, die auf ihrer Tour auch Berlin passierten, haben die etwa 80 Meilen betragende Strecke in 4.5 Tagen zurückgelegt. Teilweise war der Weg so schlecht, daß die Herren ab- steigen und ihre Pferde am Zügel führen mußten. Am Donnerstag Mittag 12 Uhr wurden die vier Offiziere vom Fürsten Bismarck empfangen und zum Diner eingeladen. Der Fürst erkundigte sich eingehend nach dem Befinden der Pferde, welche sich sehr gut gehalten haben und auch nicht besonders ermattet aussahcn. Nachdem die Offiziere sich vom Fürsten verabschiedet, bestiegen sie ihre Pferde und ritten über Bergedorf nach Hamburg. Bon Hamburg fuhren die Herren per Bahn wieder noch ihrer Garnison zurück.
Mannheim, 21. März. Die weitgehenden Bestrebungen des Bundes der Landwirte haben nunmehr als Gegenstück die Gründung eines Vereins zur Wahrung der Interessen des Getreidehandels und verwandter Berufsgenossen zu Tage gefördert. Die Gründung des Vereins erfolgte gestern an der hiesigen Börse; derselbe soll auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die Gründung von Zweig- vereinen in den übrigen deutschen Städten dürfte bereits in den nächsten Tagen erfolgen. Zur Erledigung der einleitenden Schritte wurde ein Konnte ernannt, in welchem sich Vertreter des Getreidehandels, der Mühlenindustrie und der Schifffahrt befinden.
Vom Bodens ee, 17. März. 3 Herren von Radolfzell haben gestern einen Spazierritt über den zugefrorenen Bodensee nach Allensbach und von da nach Reichenau. Berlingen, Steckborn, Gaiershofen, Iznang und wieder zurück nach Radolfzell unternommen. Das Eis ist noch sehr dick, wenn auch die Sonne schon warm scheint und die Oberfläche des Eises etwas aufweichte. Ohne Eintritt von Regen und Föhn dürfte es noch manche Tage dauern, bis der See eisfrei sein wird.
Württemberg.
Seine Majestät der König hat unterm 21. März d. I. den kommandierenden General des königlichen Armeekorps, General der Infanterie v. Woelckern, in Genehmigung seines Abschiedsgesuches unter Belastung in dem Verhältnis a 1a suita des Jnf.-Regts. Kaiser Friedrich, König von Preußen Nr. 125 mit Pension zur Disposition gestellt und demselben in Anerkennung seiner im Kriege und im Frieden geleisteten treuen und ausgezeichneten Dienste das Gcoßkreuz des Militärverdienstordens verliehen. — Se. Maj. der König hat auch ein sehr ehrendes Handschreiben an Herrn von Woelckern erlassen.
Mit Befriedigung ist in Württemberg der Beschluß des Reichstags ausgenommen worden, wonach für ein militärisches Uebungs- gelände von Reichswegen 5 Millionen Mark verwilligt wurden. Durch einen solchen Uebungs- platz wird vor allem vermieden, daß unsere Artillerie zu Schießübungen außer Landes gehen muß und daß verirrte Kugeln aus den weit- tragenden Gewehren unserer Infanterie die auf dem Felde arbeitenden Landleute gefährden. Es handelt sich jetzt nur noch um die Frage, ob in der Nähe von Böhmenkirch oder von Nellingen der große Militärübungsplatz angekauft wird. Die diesbezüglichen Interessenten beider Gruppen geben sich die größte Mühe, um gerade ihr Gelände als das vorteilhafteste für das Militär darzustellen.
Das Amtsblatt des k. Ministeriums des Innern vom 15. März enthält einen Erlaß, btr. die Durchführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe im Gewerbebetrieb mit Ausnahme des Handelsgewerves. Um eine der Absicht des Gesetzes entsprechende und möglichst gleichmäßige
Durchführuug dieser Bestimmungen herbeizu- führen, haben sich die verbündeten Regierungen über die von den Ausführungsbehörden zu be> obachtenden wesentlichen Grundsätze geeinigt. Die Ergebnisse dieser Einigung sind mit den für die württ. Verhältnisse im besonderen zu beobachtenden Grundsätzen in einer Anweisung zusammenfaßt. Diese Anweisung enthält neben Erläuterungen und Ausführungsvorschriften zu den Bestimmungen der M 105 b—cl, k—i der G.O. und neben Anordnungen darüber, in welcher Weise die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen betr. die Sonntagsruhe zu führen ist, insbesondere bestimmte Direktiven, nach denen die k. Stadtdirektion Stuttgart und die k. Oberämter in ihrer Eigenschaft als höhere Verwaltungsbehörden im Sinne des ß 105 e bei der Bewilligung von Ausnahmen sür Betriebe mit unregelmäßiger Wasserkraft zu ver- fahren haben. Ergänzend hiezu werden auch eine Reihe Anordnungen erlassen. — Ferner ist mit Ermächtigung Sr. Maj. des Königs dem Würtlemd. Rennverein die Erlaubnis zur Veranstaltung einer Lotterie zum Zweck der Hebung der Rennen in Weil und des Stuttgarter Pferdemarkts mit Ausgabe von 80000 Losen zu 3 oiL erteilt worden. Als Hauptagent für diese Lotterie, deren Ziehung im Nov. d. I. stattfindet, ist die Firma Eberh. Fetzer in Stuttgart aufgestellt. — Ein Erlaß des k. Ministeriums des Innern hebt den Gebrauch der Schlußformel „Hochachtungsvoll" im schriftlichen Geschäftsverkehr der Gemeindebehörden unter einnander auf.
Ulm. 21. März. Gestern wurde der katholische Dekan Magg von hier in der Glöcklerstraße in den Rücken geschossen. Glücklicherweise verfing sich das Geschoß in den Kleidern des Getroffenen. Der Thäler, ein Einjährig-Freiwilliger, soll mir seinem Zimmergewehr Schießübungen auf dem Dache eines Haujcs vorgenommen haben.
Hei den heim, 21. März. Hoskunst- färber Neun Höffer von Mergelstetten, ein großer Verehrer des Fürsten Bismarck, ist zu- gleich dessen Altersgenosse. Als vor 10 Jahren Bismarck seinen 70. Geburtstag feierte, kamen aus dem hiesigen Bezirk 7 Altersgenossen Bismarcks zusammen und sandten ihm einen Glückwunsch, worauf Fürst Bismarck damals anl- , wartete: „Indem ich mit herzlichem Dank den Gruß meiner sieben 70 er Altersgenossen in Schwaben erwidere, bitte ich dieselben, den Austausch der Begrüßung zu wiederholen, wenn wir acht 80er sein werden." Dieser Tage nun haben die Altersgenossen Bismarcks unter Führung des Herrn Neunhöffer mit Bezugnahme auf den Depeschenwechsel von vor 10 Jahren neuerdings eine Gratulationsdepesche an den Altreichskanzler abgesandt. Rasch war auch die telegraphische Antwort aus Friedrichsruhc wieder da, welche lautete: „Ich danke herzlich sür die 10 jährige Ausdauer, habe aber den Mut nicht, mich auf neue 10 Jahre zu verpflichten." Bismarck.
Bei Besigheim stürzten Sonntag Nachmittag im Nieöcrnberg einige Weinbergmauern ein. Durch die herabrollenden Steine und Felsblöcke wurde bedeutender Schaden angerichtet. Ein großer Steinblock siel auf das unten vor- überjührende Schienengeleise. Der kurze Zeit darauf von Stuttgart kommende Zug mußte halten, bis unter Ausbietung zahlreicher Mannschaft das Hindernis aus dem Wege geräumt war. Ein Glück war es, daß der Absturz der Steine nicht in dem Augenblick erfolgte, als ein Bahnzug das Geleise passierte; sonst hätte ein großes Unglück entstehen können.
Von den Geld- nnd Warenbörsen.
Stuttgart, 21. März. Nachdem fetzt endlich die Friedensunterhandlungen zwischen Japan und China «ingeleitet sind, von deren Abschluß die gesamte europäische Geschäftswelt für sich Vorteile erwartet, namentlich in der Erwägung, daß den Chinesen doch nichts anderes übrig bleibe, als das himmlische Reich zu öffnen, verkehrten die Geldbörsen im allgemeinen bei recht günstiger Stimmung, die noch gefördert wurde durch den Fortschritt der Verhandlungen bezüglich der Verstaatlichung der österreichisch-französischen Staatsbahn soweit sie wenigstens aus cisleiihanischem Gebiete liegt und durch die Verstaatlichung der hessischen Ludwigs- bahn. Auch die Eisenwerke unü die Kohlenzechen sandten günstige Berichte über den Aufschwung des Geschäfts. Unter diesen Umständen konnten einzelne