Da erschauten die beiden Mädchen auf den Baretten der Männer die goldenen Lilien von Frankreich, und ein tiefer Schreck durchzuckte die Herzogstochter. Wenn sie in französische Gewalt kam, war sie geopfert; es gab Beispiele genug, daß Mädchen ihres Standes auf ähnliche Weise entführt und, ungezügelter Willkür preis­gegeben, elend zu Grunde gegangen waren.

Da kam eine fremde Kraft über sie; etwas wie Trotz und aufbäumender Zorn; sie raffte ihr langes Gewand empor und floh, so eilig sie ihre Füße tragen wollten dem nimmer allzu fernen Gotteshause zu.

An der Pforte des Kirchleins standen be­reits die ersten Kirchgänger: Hugbert, der Maier und Raimar sein Sohn.Rettet mich vor Jenen!" rief sie rückdeutend; dann entfloh sie im Dunkel der Kirche.

An ihrer Flucht hatten ihre Verfolger sie als die Gesuchte erkannt, darum eitlen sie ihr nach, Beatrix unbeachtend zurücklassend. Doch kampflos gaben die Klosterleute die Kirchenpforte nicht preis. Zwar trugen die Franzosen starke Wehr, die Bauern hingegen waren waffenlos; dennoch sollte den Angreifern die Mühe nicht leicht werden. Erst wie der alte Maier unter ihren Streichen todt niederstürzte, dämmerte neue Hoffnung in ihnen auf. Aber der junge Raimar war ein nicht zu unterschätzender Gegner, ge­waltig umschlang er einen der Fremden, ihn arg an sich pressend, daß er verröchelnd zusammen­brach; dann trat er ihn unter seinen gewichtigen Bauernschuh und wandte sich nach dem Andern, der aber hatte eben seinen Flamberg erhoben» ein pfeifender Hieb, und Raimar sank gespaltenen Hauptes zu Boden, lieber ihn hinweg stürmte der Franzmann in die offene Kirche.

Drinnen kauerten die Nonnen in ihren Betstülen zusammengedruckt, wie die Küchlein beim Herannahen des Taubenstößels. Dieweil draußen der Kamps getobt hatte, war Prinzessin Barbara, von der Dunkelheit des Ortes gedeckt, in der Mitte der Kirche hinaushorchend und schauend, stille gestanden. Solange Raimar's hohe Gestalt emporragte, war ihr der Mut nicht geschwunden; als er den ersten Gegner über­wand, hatte es fast wie Triumph um ihre Lippen gezuckt, kaum war zu unterscheiden, ob die Freude mehr ihrer nahenden Erlösung oder seinem Siege galt; als aber des Jünglings Stirn der tödtende Schwertschlag getroffen; das war ihr, als sei die Sonne untergegangen; mit einem lauten Aufschrei brach sie in's Knie erst wie sie den Verfolger dicht neben sich sah, die Hand ausgestreckt, bereit nach ihr zu greifen, fuhr sie wieder empor. Ein Abscheu schüttelte sie und mit der letzten Kraftanstrengung der Verzweif­lung flog sie nach dem Altar; ein Sprung, sie stand oben, das Kreuz des Tabernakels umfassend. Frei!!" wie ein Erlösungsschrei rang es sich über ihre zuckenden Lippen; dann neigte sie sich bewußtlos über die heilige Stätte.

Der fremde Kriegsmann wandte sich er­schrocken; er kannte das Asylrecht und wagte nicht, es gotteSräuberisch zu entweihen. Dann überlegte er:Sie wird wieder einmal herunter­steigen müssen", dachte er, "ich will es erwarten." Und er ließ sich im vordersten Betstuhl breit nieder, das Schwert zwischen den gekreuzten Beinen, als wolle er Wache halten bis zum jüngsten Tag.

Aber die Mühe blieb ihm erspart.

Hoffräulein Beatrix war, als sie sich von ihren Angreifern vergessen sah, nach der Hof­burg zurückgeeilt, Hilfe zu holen. Jetzt kamen die Leibtrabanten Herzogs Albrechts eine wohl­bewährte Schar, an ihrer Spitze Herzog Christoph, der ob gewaltiger Körperkraft und fröhlichem Kampfmut der Kämpfer genannt wurde. Ihn hatte die Lust am Streit herbeigelockt, wie er den Sammelruf der Leibwächter vernahm; da er aber die Ursache des Aufgebotes erfahren, hatte er an die Waffen geschlagen, daß sie dröhnten:In drei Teufels Namen, ich will den Franzen die Lust an bayerischen Tauben verderben!"

Nun sprang er in die Kirche, packte den Fremden an der Halsbrünne und schwang ihn durch die Luft; dann lachte er, daß es hell vom Gewölb wiederhallte. Der französische Kriegs-

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mann aber lag mit gebrochenem Genick bei seinem toten Gesellen vor der Kirchenpsorte.

Jetzt wagten auch die Nonnen sich wieder aus ihren Stühlen; vorsichtig hoben sie die Fürstentochter von ihrem Zufluchtsort herab. Schier ohne Besinnung ließ Barbara es ge­schehen, willenlos lehnte sie sich an ihres Bruders Christoph breite Brust, der sie in seine Arme genommen, um sie wegzuführen; wie sie aber an Raimars Leiche, die die Trabanten in die Kirche getragen hatten, vorüberkam, wankten ihr die Knie und ihre Hand auf das blutige Haupt des Tobten legend, sagte sie leise aber entschieden:Laß mich hier Christoph; der Altar des Herrn hat mir einzig Freistatt ge­boten ich will an seinen Stufen mein Leben verbringen; die unsichere Welt draußen hat keinen Wert für mich!"

Der Herzog wollte erschreckt ihrem Ansinnen widerstreben, sie aber schüttelte entschieden das Haupt:Ich kann nicht mehr fröhlich sein mit den Fröhlichen. Unter dem First dieses Gottes­hauses ist fortan meine Heimstatt!"

Da ließ er ihr den Willen, auch Herzog Albrccht und Sigismund, der sie immer so ge­liebt, fanden sich mälig drein.

So nahm die bayerische Herzogstochter den Schleier, dieweil der Ambassadeur von Frank­reich mit einem Korb zu seinem König zurück­kehrte.

Aber ein langes Leben war der Prinzessin nicht bcschieden; schon ein Jahr späterschloß sie die weltmüden Augen und die Klostcrchronik erzählt, daß die Vögel, die sie gefüttert, um dieselbe Zeit vor ihrem Fenster lobt gefunden worden, und die Blumen, die sie in ihrer Zelle gezogen, verwelkt seien, und daß ein frostiger Luftzug die Nonnen schauern gemacht, als sie die irdische Hülle der selig Entschlafenen hinunter getragen hatten in die Krypta.

Heute steht die Frohnveste aus dem Platz, wo einst des Klosters Maierhof gestanden hatte, aber St. Jakobs-Kirchlein ward erst vor Kurzem wieder renoviert und Prinzessin Varbara's Conlerfey ruht noch wohlgeborgen in derselben alten Chronika, deren oben schon gedacht worden ist und die der freundliche Beichtvater des Klosters aufbewahrt.

Reutlingen, 14. März. Um 25 000 Mark gekommen. Entschiedenes Pech hatte eine Bauersfrau aus Backnang, welche am Dienstag den letzten Rest ihres Geldes dazu verwendete, um zur Ziehung der Kirchenbaulotterie hierher zu fahren. Daß sie kein Kirchenbaulvs hatte und auch kein Geld zum Ankauf eines solchen, war ihr Nebensache. Sie hatte sich ein so vor­treffliches System zur Erlangung des Haupt­gewinnes ausgedacht, daß es ihr die Hauptsache war, für das Nachhauseschaffen der 25000 Vorsorge zu tragen und so brachte sie einen großen Getreidesack mit. Ihre Absicht war die, sich am hiesigen Eisenbahnschalter, wo ja immer Geld genug sei, 2 Mark zu leihen, dann in das Ziehungslokal zu gehen, um dort zu warten, dis das große Los gezogen sei, worauf sie eiligst die betreffende Nummer kaufen wollte. Leider aber hatte sie mit ihrem Vorhaben, wie schon bemerkt, entschiedenes Pech. Schon der erste Streich mißlang, denn am Bahnhof wollte man ihr trotz ihrer glänzenden Aussicht auf 25 000 Mark nichts pumpen, und als sie dies auf dem Rathaus versuchte, hörte sie mit Schrecken, daß die Ziehung auf den 21. März verschoben sei. Der schöne, genial erdachte Plan war also vollständig ins Wasser gefallen und da die kluge Frau ohne jegliche Mittel war. mußte sie samt ihrem leeren Sack auf Armenkostcn wieder nach Backnang geschickt werden. So geschehen am 5. März im Jahre des Heiles 1895 zu Reutlingen.

Aus China. Kein größeres Hindernis besteht in China, um wahrhafte Vaterlandsliebe aufkommen zu lassen, als die Menge der Sprachen und Dialekte in dem ungeheuren Reiche. Der Chinese in Canton versteht seinen Landsmann in Foochow nicht und Beide verstehen, wenn sie nach Ringpo kommen, kein Wort von dem, was das Volk dort spricht. Der deutsche Herr v. Möllendorf hielt letzthin einen höchst lehr­

reichen Vortrag über die Sprachen Chinas vor dem Zweigverein der britischen chinesischen Ge­sellschaft in Shanghai. Folgende auswärtige Sprachen werden im chinesischen Reiche gesprochen: Türkisch in Turkestan, Mongolisch in Gohc, Tungusisch in der östlichen Mandschurei, das Maotze, die Sprache der Ureinwohner Chinas, in verschiedenen Teilen des Reichs. Formosisch (eine Art Malayisch) aus Formosa und Jndo- Chinesisch in Hunau, Duennan, Kneichoo und Kuangsi. Aber selbst das Chinesisch besitzt so verschiedenartige Dialekte, daß der Ungebildete kaum glaubt, dieselbe Sprache zu vernehmen. Da ist zuerst das Altchinesisckie, die Sprache der Klassiker. Dann kommen die Kuanghung-Dia- lekte, welche bei 20 Millionen Chinesen zu finden sind. Auch die Min-Dialekte werden von 20 Millionen gesprochen. Die Wu-Dialekte werden durch 44 Millionen repräsentiert. Der ver- breiteste Dialekt Chinas, das Kuanhna, endlich sprechen 300 Mill. Chinesen. Jeder einzelne Dialekt zerfällt wiederum in eine Menge Unter­arten, welche gleichfalls das gegenseitige Ver­ständnis erschweren.

Ein sehr handlicher Apparat zum schnellen Reinigen der Schornsteine durch Dampfstrahlen von Ruß und sonstigen durch den Rauch ver­ursachten Unreinheiten ist der von Joseph O. Frazier neu erfundene Schornstein-Reiniger. Von einem mit einem Ventil versehenen Rohr, das mit dem Dampfkessel in Verbindung steht, gehen eine Menge kleinerer Zweigarm-Rohre ab, die vorn ein nach unten gebogenes Mund­stück zum Ausstrahlen des Dampfes und einen Ansatz zum Anlegen an die Schornsteinwand besitzen. Der ausströmende Dampf trifft nun die Schornsteinwand in einem schrägen Winkel, so daß die Dampfstrahlcn sämtliche Unreinheiten im Schornstein losreißen und entfernen. (Mit- getcilt vom Patent- und technischen Bureau von Richard Lüders in Görlitz.)

(In der richtigen Stimmung.) Radfahrer schrecklich zerschlagen und abgerissen in einen Laden tretend). Kommis: Was wünschen Sie? Die Sanitätswache ist nebenan! Rad­fahrer: Entschuldigen Sie ich wollte nur die Petition gegen den Umsturz unterschreiben! (Umschreibende Verzeichnung.) Lehrer: Na, Dein Vater machte wohl ein recht finsteres Ge­sicht, als Du gestern vom Nachsitzen nach Hause kamst? Schüler (weinerlich): Ja, stock­finster. (Sicheres Zeichen.) Arzt: Haben Sie je in Ihrer Familie Symptome von Geistes­störung bemerkt? Herr: Ja, meine Schwester hat mal einem Millionär einen Korb gegeben!

(Siegesbewußt.)Und was für ein Ge­ständnis haben Sie mir zu machen, Herr Lieute­nant?"Mein Fräulein wir lieben uns !""

Telegramme.

Köln, 20. März. DerKöln. Volksztg." zufolge sind bei einer Dynamit-Explosion in Wesel 25 Personen getötet worden. Das mit dem Dynamit beladen gewesene Schiff ist völlig zerstört. Ein nebenan liegendes Schiff brennt; in einem weiteren Umkreis sind eine Menge Häuser eingestürzt.

Madrid, 20. März. Es verlautet, Sagasta werde behufs der Kabinets-Neubildung von Sales und Mores berufen.

Madrid, 20. März. DerCorreo" dementiert die Meldung, daß die spanische Re­gierung den Schiffskommandanten getadelt habe, welcher die Alianca beschoß. Der Minister des Auswärtigen wartet vielmehr den offiziellen Be­richt ab, um den Vereininigten Staaten von Nordamerika das Nötige mitzuteilen.

Buenos-Ayres, 20. März. In St. Paul wurden fremde Anarchisten verhaftet und deren Briefschaften beschlagnahmt. Die Re­volution in Aequator ist unterdrückt. Der Führer der Aufständischen wurde verhaftet.

Petersburg, 20. März. Der Bot­schafter General v. Werder überreichte heute dem Kaiser sein Abberufungsschreiben. Der Kaiser verlieh demselben den Andreas-Orden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.