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erläge zu Ar. 46 des Anzlhälers.
Neuenbürg, Donnerstag den 21. März 1895.
Württemberg.
Stuttgart, 18. März. Der komman- dierende General des Wttrttemb. Armeekorps, v. Wö Ickern, hat nun doch seinen Abschied eingereicht. In militärischen Kreisen hört man als Nachfolger zumeist den Kommandeur der 26. Division (1. kgl. württ.) Generallieutenant v. Lindcquist nennen, da Lindequist der älteste Generallieutenant und Divisionskommandeur des deutschen Heeres ist. Nach anderer Annahme soll Generallieutenant v. Falkenstein, also ein Würltembcrger, als Nachfolger ausersehen sein.
Stuttgart, 18. März. Gestern vormittag wurde im Schwimmbad ein Dieb auf frischer That ertappt und durch 2 Bedienstete der Fahndungsmannschaft festgenommen. Man hofft, jetzt endlich den Urheber einer Reihe von Diebstählen entlarvt zu haben, die seit längerer Zeit im Schwimmbad vorkamen. Bei dem Verhafteten fand man 5 Schlüssel und eine größere Summe Geld. Die Schlüssel hatte sich der Dieb von den Kästchen angeeignet, in welchen die Badgäste ihre Wertsachen aufbewahrten. Der Verhaftete ist ein junger, seit kurzer Zut verheirateter Mann, welcher täglich das Schwimmbad besucht hat. Er hat bereits mehrere Diebstähle zugestanden.
Die Stadt Stuttgart hatte im vorigen Jahre aus dem Oktroi eine Einnahme von 1,190,000 Mk. Trotzdem die Fleischpreise im Jahre 1894 die höchsten waren seit 20 Jahren, kam doch auf den Kops der Stuttgarter Bevölkerung ein Fleischkonsum von 72,4 Kilogramm gegen 68,3 Kilogramm im Vorjahr, und das Ergebnis der Fleischsteuer stieg von 540,000 Mark auf 587,000 Mk. Dagegen ist der Ertrag der Biersteuer gegen 1893 um etwa 20,000 Mk. gefallen. Wenn aber auch nur 250 Liter Bier gegen 277 im Vorjahr auf jeden Slullgarter kamen, so ist das neben dem Wein und Most immerhin noch eine respektable Leistung.
Nagold, 17. März. Des 80. Geburtstags von Bismarck wird auch hier in würdiger Weise gedacht werden. Am Abend des 1. April wird in der Seminar-Turnhalle ein Bankett gehalten, wozu auch die Frauen eingeladen werden sollen, lieber eine dem Reichskanzler zu seinem Ehrentage von hiesigen Verehrern zugedachte originelle Schwarzwaldgabe sowie über eine Glückwunschadresse, welche aufgelegt werden soll, wird noch besonders berichtet werden.
Die Stadt Freuden st adl befindet sich, wie bekannt, in der sehr glücklichen Lage, keinen Gemeindeschaden umlegen zu müssen, vielmehr erhält jeder Bürger jedes Jahr aus der Stadtkasse einen schönen „Bürgcrnutzen" ausbezahlt. Während derselbe in den letzten Jahren 20 bis 30 Mk. betrug, wurde der Heuer zu verabreichende Bürgernutzen, auf 33 Mk. festgesetzt. Die Stadt besitzt große Waldung.
Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 18. März von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Die Tendenz des Getreideweltmarktes war in der abgelaufenen Woche eine sehr feste, da die Offerten von sämtlichen Exportländern wesentlich höher waren. Die Preise gingen deshalb durchschnittlich 50 ^ pro 100 Kilo höher. Auf den Laudmärkten waren die Zufuhren klein und mußten bessere Preise bewilligt werden. Infolge höhere Getreidepreise halten die Mühlen fest an die notierten Mehlpreise. Die Generalversammlung der Börse findet nächsten Montag den 28. ds. Mts. statt. Wir notieren per 100 Ktlogr.: Gyrka 15 <4L 25 Azima 15 ^ 75 ^ Oberl. Kernen, 15 75 Alb-
Hafer 12 ^ 75 ^ bis 12 °4L 80 Albhafer 1a 13 30 ^ bis 14 ^ 40 ^ Landhafer 11 -4L 80 ^ bis 12 -4L 20 4,. — Mehlp reise per 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung. Mehl Nr. 00 26—27 Mehl Nr. 1 24-25 ^, Mehl Nr. 2 22 -4L 50 bis 23 50 , Mehl Nr. 3 20—21 «14, Mehl Nr. 4
17—18 -44, Suppengries 27 <44, Kleie ohne Sack 6 -4t.
Ausland.
Wien, 17. März. Gestern ist dos schwer- gcplüftk Karwin wieder von einem Gruben
unglück heimgesucht worden. Es werden 48 Tote und 9 Schwerverletzte gezählt. Als Ursache gilt die Entzündung einer Dynamitpatrone in der Tasche des getöteten Patronenmeisters. Die Mannschaft arbeitete in sechs Flözen des zweiten Horizontes. Um 8 Uhr erfolgte die Schlogentzündung. die keinen Grubcnbrand ver- ursackte und die Lüftung unversehrt ließ, aber die Fahrverbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Horizont zerstörte. 80 Arbeiter flohen durch die Wctterabzugsstrecke in den ersten Horizont, von dort auf Leitern der Fördecschaft ins Freie. Am Füllort kamen etwa hundert zusammen,, darunter Schwerverwundete, mußten aber vier Stunden warten, bis die Förderschale, die durch den Luftdruck hinaufgeschleudert und festgektemmt war, hinabgelassen werden konnte.
Bern, 18. März. Das „Berner Tagebl." fordert für die schweizerischen Offiziere angesichts der Fachurteile, die im deutschen Reichstage über das Schweizer Milizsystem gefällt wurden. Einführung des einjährigen Dienstes.
Paris, 19. März. Die Verlobung des Herzogs Aosta mit der Prinzessin Helene von Orleans wird hier als endgiltig angesehen. Dem Vernehmen nach trifft der Herzog von Aosta Donnerstag hier ein und wird den Präsidenten Faure besuchen.
Paris, 18. März. Der Deputierte Henri Maret, Chefredakteur des „Radical" teilt in seinem Blatt mit, daß er von dem Herausgeber der Berliner Zeitschrift „Die Kritik", Karl Schmidt, das briefliche Ersuchen erhalten habe, sich über die Gesinnungen des französischen Volkes betreffs Deutschlands, sowie über den Eindruck zu äußern, den die wiederholten hochherzigen Kundgebungen des Kaisers gegenüber I der französischen Nation auf diese hervorgerufen haben. Maret ist der Ansicht, daß der ihm zu- gekommene Brief ein Rundschreiben sei, das zweifellos auch anderen Politikern zugesandt wurde und sieht darin eine regelrechte Campagne; die deutschen Journale hätten die Ordre erhalten, Frankreich mit Liebenswürdigkeiten zu überhäufen, damit man, falls dieselben von den Franzosen unerwidert gelassen würden, aller Welt sagen könne: Die Franzosen allein sind die Störenfriede. Maret sagt, das einzige Mittel, Frankreich zu versöhnen, sei die Rückerstattung Elsaß-Lothringens. Als Entgelt bietet es dafür Madagaskar an.
Paris, 18. März. Mehrere Blätter beginnen eine neue Hetze gegen die Teilnahme Frankreichs an den Kieler Feierlichkeiten, weil angeblich unter den zur Teilnahme an der Feier bestimmten deutschen Kriegsschiffen sich die Panzerschiffe Wörth und Weißenburg befinden sollen. Der Gaulois schlägt vor, die französ. Kriegsschiffe Jena und Austerlitz nach Kiel zu entsenden. Der Abg. Marcel Habert will die Regierung hierüber interpellieren.
Paris, 16. März. Das gegenwärtig in der rue Goethe befindliche deutsche Konsulat wird in dem deutschen Botschaftspalais untcrge- bracht werden, woselbst bereits ein Nebengebäude für diesen Zweck adoptiert wird. — Die Marine- artilleriekommission nahm in Creuzot mit drei neuen Schnellseuerkanonen, System Schneider, Proben vor, die sehr gute Resultate ergaben Es gelang mit diesen 14 centimetrigen Kanonen 6 Schüsse in der Minnte abzugeben, wobei das Geschütz für jeden Schuß gerichtet wurde. Die neuen Geschütze sind für das Panzerschiff erster Klasse „Charles Märtel" bestimmt.
Petersburg. 18. März. Der deutsche Botschafter General v. Werder verläßt den hiesigen Posten. Er hat bereits die Geschäfte der Botschaft an den Botschaftsrat Baron von Tschierschky übergeben, verläßt jedoch voraussichtlich erst in drei Wochen Petersburg, um in Berlin seinen ferneren Wohnsitz zu nehmen. In hiesigen russischen wie deutschen Kreisen wird seine Abberufung gleich schmerzlich bedauert; sie überraschte jetzt vollständig, nachdem sie nach
dem Ableben des Zaren Alexanders III. nicht ersolgt war. Das damals verbreitete Gerücht, Graf Herbert Bismarck käme an seine Stelle hierher, taucht nunmehr verstärkt wieder auf. Außer dem Grafen Herbert wird allerdings auch der Gesandte Graf Alvensleben in Brüssel genannt. Man nimmt an, daß die Ernennung des neuen Botschafters zum 1. April erfolgen werde.
Madrid. 19. Marz. Die politische Lage wird bedenklicher. Die Ernennung des Generals Martinez Campos zum Generalkapitän von Madrid hat große Unzufriedenheit hervorgerufen. Wegen des energischen Charakters des Marschalls befürchtet man Unterdrückung des bürgerlichen Elements. Campos empfing gestern Abend die höheren Offiziere der Madrider Garnison und erkürte denselben, alle Zeitungen, die Artikel gegen die Armee veröffentlichen, würden vor dem Kriegsgericht verfolgt. Ferner erklärte er, unerbittlich strenge auf die Beobachtung der Disziplin in der Armee zu sehen. — 60 Redakteure erhielten im Lause des heutigen Tages Herausforderungen zum Zweikampfe Seitens der Offiziere.
Cadiz, 19. März. Der hierher zurückgekehrte Kreuzer „Alphonso XU." fand das Schiff „Reina Regente" unter Wasser liegend bei Cajas in der Nähe der Küste des Hafens von Conil, am Eingänge in die Meerenge von Gibraltar, auf. Ein Mast des untergegangenen Schiffes ragte ungefähr einen halben Meter aus dem Wasser hervor. Alphonso XII." kehrte mit Tauchern und den nötigen Apparaten an den Unglücksort zurück. ' Die Nachricht von dem Schiffbruche erregt hier unbeschreibliche Trauer.
> (Danach wäre das Schiff ganz nahe dem heimatlichen Hafen gesunken, denn Conil liegt nur etwa 40 Kilometer südöstlich von Cadiz entfernt.)
In ganz England streiken die Schuhmachergesellen. Die Zahl der Streikenden wird auf 300 000 geschätzt.
New - Iork» 18. März. Wie der „New- Jork Herald" meldet, nahmen die Japaner in der Nähe von Niutschwuang die auf drei Monate berechneten Vorräte der chinesischen Truppen in der Mandschurei fort. Die Chinesen müßten sich daher ergeben oder auf Peking zurückziehen.
Simon oseki, 19. März. Der chinesische Friedensabgesandte Li-Hung-Tschang landete hier um 10 Uhr am heutigen Vormittag. Eine Ehrenwache empfing ihn mit großem Prunk. In Begleitung Fosters und seines Gefolges fuhr er sofort nach dem Palast des Vicomte Muts», wo eine Beratung betreffs der vorläufigen Abkommen abgehalten wurde.
Unterhaltender Teil.
Prinzeß Barbara.
Erzählung aus Bayerns Vergangenheit von E. Felshof.
(Schluß.)
Aber der Friede sollte nicht lange Vorhalten. Hinter einem Schlehdornbusch brachen zwei Männer hervor: „Die ist's im blauen Kleid!" hatte der Herr Ambassadeur gesagt. Aber die Fräulein trugen heute Beide blaue Kleider. Nur war die Gewandung des Hoffräuleins rot gesäumt, die der Prinzessin silberfarben ausgenäht. Darum wollten die französischen Angreifer nach Beiden Haschen.
Aber Beatrix war nicht ängstlich und scheu wie Jungfräulein Barbara. Mit mutblitzcnden Augen stellte sie sich vor die Prinzessin: „Was wollet Ihr von uns?" frug sie kühn, indem fie nach dem Beutel ihrer Gürteltasche griff.
Ein hartes Lachen war die Antwort. „Eure Silbermünzen wollen wir nicht, vielmehr Euch selber!"
Sie sah dem Sprecher hochaufhorchend in's Gesicht: „Mich?"
„Euch, oder Eure Begleiterin!"