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befürchten daher von einer Kündigung des Ver­trags eine schwere Schädigung ihrer Interessen. Das Verhalten Franks hat um so unangenehmer berührt, als er seitens der Handelskammer zuvor über die Sachlage und unsere geschäftlichen Be­ziehungen mit Argentinien informiert worden war. Wie man hört, beabsichtigt Herr Frank sein Mandat niederzulegen, so daß wir also in absehbarer Zeit eine Neuwahl zu gewärtigen hätten.

Deutsches Weich.

Berlin, 18. März. Der Staatsrat empfahl in seiner Samstagssitzung möglichst niedrige Eisenbahntarife für landwirtschaftliche Rohstoffe und Erzeugnisse, stellt die Einführung allgemeiner Tarife nach dem Grundsatz der fallenden Skala zur Erwägung der Regierung, befürwortet die Ausdehnung der in den östlichen Provinzen bestehenden Viehstaffeltarife auf das gesamte Land und bezeichnte ferner die Ein­führung staatlicher Schiffahrtsgebühren auf den der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienenden Wasserstraßen nach der Reichsverfass­ung und den Schiffahrtakten nicht als spruchreif und als die Getreidepreisbildung nicht beein­flussend. Die nächste Sitzung wird am Diens­tag abgehalten.

B e r l i n , 17. März. Daß der Staats­rat unfleißig sei, kann man gewiß nicht sagen. Er hat unter dem Vorsitz des Kaisers in den letzten Tagen jedesmal von 10 bis 1 Uhr vor- mittags und von 2'/- Uhr nachmittags bis weit über 6 Uhr abends hinaus getagt. In der Wohnung des Staatssekretärs Dr. v. Bötticher, die an den Sitzungssaal anstößt, fand jedesmal von 1 bis 2'/r Uhr ein gemeinschaftliches Früh­stück statt. Der Kaiser soll im Staatsrat nicht bloß den Vorsitz, sondern auch selber die Redner­liste führen, so daß sich jeder Redner direkt bei ihm zu melden hat. Den Parlamentariern im Staatsrat erscheint es sehr unbequem, daß sie während der langen Sitzung stramm und straff auf ihren Plätzen sitzen bleiben müssen. Auch Zwischenrufe und Beisallsbezeugungen sind streng verpönt. Die Zahl der Unterschriften unter dem Antrag Kanltz hat sich um 6 vermindert. Der jetzt zur Verteilung im Reichstag gelangte Antrag zählt nicht 103, sondern 97 Unterschriften, es fehlen 6 Polen, sie haben ihre Unterschriften zurückgezogen. Uebrig geblieben sind aus den Reihen der Polen nur die Unterschriften von v. Komierowski und Graf Kwilecki. Dagegen ist nach denBerl. N. Nachr." inzwischen eine Unterschrift mehr eingegangen von v. Gült- lingen (Reichspartei.)

Berlin, 16. März. (Budgetkommisston des Reichstags) Bei der Beratung des Etats des Rcichsjüstizamts teilte der Regierungskom­missar mit, der ganze Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs gelange voraussichtlich nächstes Jahr an den Bundesrat.

Berlin, 19. März. DerNational­zeitung" zufolge, leidet der Finanzminister Dr. Miqucl an Knochenhautentzündung.

Berlin, 19. März. Reichstagspräsident v. Levetzow richtete an die Fraktionen des Reichstages ein Schreiben, indem er zur Beteilig­ung an einer am 25. Mürz nach Fricdrichsruh zur Beglückwünschung des Fürsten Bismarck zu unternehmenden Festfahrt einladet.

Berlin, 19. März. Der im Abgeord­netenhause eingegangene Antrag, dem Fürsten Bismarck die Glückwünsche des Hauses aus­zusprechen, ist von 292 Mitglieden der national­liberalen, der freikonservativen und der konser­vativen Partei unterzeichnet. Das Gerücht, Herbert Bismarck werde Botschafter in Petersburg, ist zur Zeit unbegründet.

Berlin, 18. März. Die amtlicheBer­liner Korrespondenz" meldet, nach einer Be­stimmung des Kaisers sollten am 1. April zur Feier des 80. Geburtstages Bismarcks die Reichs- und Staatsgebäude beflaggt werden.

Wenn man einen Eierkuchen backen will, muß man die Eier zerschlagen!" Das ist ein Bismarck'scher Ausspruch. Der alte Reichskanzler hat auch einen großen Eierkuchen, das deutsche Reich, gebacken und dabei manchen so an den

Kopf gestoßen, daß man es ihm heute noch nicht vergessen kann. Deshalb werden Zentrum, Freisinnige u.s.w. im Reichstage nicht zugeben, daß dem Fürsten Bismarck zu seinem 80. Ge­burtstage von Reichswegen ein Glückwunsch ausgesprochen wird. Die nationalliberalen Ab­geordneten planten anfangs, unter allen Um­ständen den Glückwunsch-Antrag im Reichstage zu stellen, doch haben sie den Plan wieder fallen lassen, da sonst eine Debatte bevorstände, die dem alten Reichskanzler nichts weniger als eine Freude sein würde. Im preußischen Herren- Hause ist widerspruchslos ein oifizieller Glück­wunsch an Fürst Bismarck beschlossen. Was die Berliner städtischen Behörden betrifft, so beschränkt sich deren Feier, nachdem die Stadtverordneten­versammlung einen Glückwunsch für Fürst Bis­marck abgelehnt hat, auf die Uebersendung einer Gratulationsadresse des Magistrats durch die Post. Protestversammlungen gegen den ablehnen­den Beschluß der Stadtverordnetenversammlung sollen in den nächsten Tagen stattfinden, doch ist eine Umstoßung des Beschlusses nicht mehr zu erwarten.

Berlin, 17. März. Auf Befehl des Kaisers ist den Offizieren und Mannschaften der Berliner Garnison das Rauchen in den Straßenzügen Unter den Linden, Friedrichsstraße, Königgrätzer Straße, Chausseestraße bis zur Jn- validenstraße, Potsdamer Straße dis zur Lützow- straße und im Tiergarten verboten worden.

München, 19. März. Der Cultusmi- nister Dr. v. Müller hat einen Lungenschlag erlitten. Sein Zustand ist sehr bedenklich. (Dr. v. Müller ist 48 Jahre alt. Er leitet das Kultusministerium als Nachfolger des Mini­sters v. Lutz seit 1890)

Die deutsche Botschaft in Paris hat sich mit folgendem interessanten Fall zu be­schäftigen: Ein in Frankreich geborener Sohn deutscher Eltern, die ihre deutsche Staatsbürger­schaft nicht aufgegeben haben, diente in Deutsch­land als Einjährig-Freiwilliger und erwarb die Befähigung als Reserve-Offizier. Nach Bordeaux zurückgekehrt, wurde er sofort in die französische Armee eingestellt, weil nach einem dort bestehen­den Gesetz alle in Frankreich geborenen männ­lichen Personen, welche dort wohnen, in Frank­reich Militärdienst zu leisten haben. Alle Proteste waren bisher umsonst. Die Sache ist seit zwei Monaten bei den deutschen Behörden anhängig, aber der deutsche Offiziers-Aspirant dient noch immer als französischer Rekrut.

Kassel. 19. März. Das Ergebnis der Stichwahl in Eschwege ist: Antisemit Jskraut 9864 Stimmen, Sozialist Huhn 6117 St.

Straßburg, 16. März. Sicherem Vernehmen nach stellte Staatssekretär von Stephan anläßlich feiner jüngsten Anwesenheit in Straßbnrg die Einrichtung einer Telephon- Verbindung Straßburg-KarlsruheMannheim- Frankfurt-Berlin für das laufende Jahr in be­stimmte Aussicht.

Karlsruhe, 15. März. Den hiesigen Wirtsverein beschäftigte dieser Tage auf Veran­lassung des Ministeriums die Frage der Ab­schaffung des Instituts der Kellnerinnen. Man gelangte vorerst zu keinem Beschlüsse und will die Frage nochmals dem Verbandstage, der im Mai Zusammentritt, vorlegen. Für Abschaffung sprachen sich mehrere größere Städte aus, gegen dieselbe Lahr, Rastalt, Baden, Durlach. In kleineren Städten würde es fast unmöglich sein, männliche Bedienung zu beschaffen, zumal auch Hausarbeit zu besorgen ist. Der Hauptfehler liegt in dem Umstand, daß die Kellnerinnen nicht allein vielfach ohne Lohn eingestellt werden, sondern daß manche Wirte sich sogar noch ein Entgelt entrichten lassen.

Der Bund deutscher Frauen-Vereine (aus Württemberg derFrauenhilfsverein" und derVerein für Hausbeamtinnen" beide in Tübingen) hat an die Ministerien der deutschen Bundesstaaten eine Petition eingereichl um Ein­setzung weiblicher Gewerbe-Inspektoren. Solche existieren bereits in Frankreich, in England und Nordamerika. Es sei ein Gebot der Gerechtig­keit und Sittlichkeit, die gesetzliche Aussicht über Frauen auch von Frauen ausüben zu lassen.

Pros. Falb erwartet vom 19. ab wieder kälteres Wetter mit leichten Schneefällen; um den 26. aber (kritischer Tag II. Ordnung mit Sonnenfinsternis) kurzes Tauwetter, worauf nach dem 27. wieder Schnecfälle mit Frost und in den letzten Tagen des Monats auch ziemlich stürmisches Wetter folgen dürfte.

Württemberg.

Stuttgart, 17. März. Seine Mas. der König besuchte heute Vormittag nach Ent­gegennahme der regelmäßigen Vorträge und Meldungen mit I. K. Hoheit der Prinzessin Pauline den Gottesdienst in der Schloßkirche. Hierauf stattete Seine Majestät dem Präsidenten des kgl. Staatsministcriums, Staatsminister Dr. Frhr. v. Mittnacht anläßlich seines 70. Ge­burtstages einen Glückwunschbesuch ab. Gestern abend wohnte der König der Erstaufführung der Tragödie Sigrun von Professor Weitbrecht im kgl. Hoftheater an und empfing am Schluffe derselben den Dichter.

Stuttgart, 18. März. Der Minister­präsident Dr. Frhr. v. Mitt nacht vollendete gestern sein 70. Lebensjahr. In der licht ge­wordenen Reihe derer, welche bei der Schöpfung des Reiches thatkräftig Hand onlegten und dem großen Baumeister das Werk fördern halfen, nimmt der nun an die Schwelle des vom Psalmisten geweihten Jahres gelangte süddeutsche Staatsmann einen hervorragenden Rang ein. Von den Ministern, welche die Versailler Ver­träge unterzeichnet haben, steht nur er noch im Amte, 28 Jahre hat er in vorderster Reihe im öffentlichen Dienste seines engeren Vaterlandes gewirkt, seit der großen Wende von 1870, welche die Geschicke Württembergs unauflöslich mit denen eines deutschen nationalen Staates ver­flocht, leitet er die Staalsgeschäfte als Minister­präsident und ist an allen wichtigen Gesetzgeb­ungsakten des Reiches als stimmführendes Mitglied des Bundesrats beteiligt gewesen. 1867 trat er als Justizminister in das Ministerium Varnbüler und übernahm im August 1870 nach dem Rücktritt Varnbülers die Leitung der Re­gierung. Das Justizministerium gab er 1878 ab. 1887 wurde er in den erblichen Freiherrn­stand versetzt. Die Feier seines Geburlsfestes hat aus weiten Kreisen Teilnahme gefunden. Es ging eine sehr große Zahl von Telegrammen, Briefen und Karten mit Glückwünschen ein. Der Jubilar selbst erfuhr um II'/i Uhr die Ehre eines Besuchs des Königs, der ihm sein lebensgroßes Brustbild in Erz als Festgeschenk überreichte. Bald darauf erschienen die Herzoge Albrecht und Rodert, Prinz Weimar zur Gra­tulation, während Frau Herzogin Wera einen prachtvollen Blumenkorb gesandt hatte und Herzog und Herzogin von Urach ihre Karten persönlich abgaben. Einer der ersten Besuche war der des kgl. preußischen Gesandten Dr. Holleben, der namens des Kaisers gratulierte, und des General­adjutanten General Frhr. v. Falkenstein. Von auswärts trafen in der Frühe des Tages Glück­wunschtelegramme ein von dem PrinzMegenien Luitpold von Bayern, dem bald die des Fürsten Reichskanzlers Hohenlohe-Schillings­fürst, Staatssekretär v. Marschall, der sämtlichen Minister von Bayern, des kgl. sächs. Gesandten v. Fabrice und des kgl. württ. Gesandten Frhrn. v. Soden in München folgten. Die hiesigen Vertreter des diplomatischen Korps und die Minister, sowie die Mitglieder des Geheimen Rats, die Vorstände der Berkehrsanstalten, die Präsidenten beider Kammern, Fürst Zeil und Rechtsanwalt Payer, die Standcsherrn und zahlreiche Landtagsabgeordnete, die Generalität und die Regimentskommandeure, an der Spitze der kommandierende General v. Wölckern, zahl­reiche andere hohe und jüngere Offiziere, Ober­bürgermeister Rümclin u. A. hatten ihre Karten abgegeben. Aus Friedrichsruh erhielt der Jubilar folgendes Telegramm: Erlauben Sie, Verehrtester Freund, daß ich kurz bevor ich die Siebenziger verlasse, Ihnen zum Eintritt in das achte Jahrzehnt von Herzen Glück und Gesundheit wünsche. von Bismarck.

Fortsetzung in der Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.