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brachen. In der Mittwochsdiskussion sprachen die Abgeordneten v. Hehl zu Herrnsheim, Graf Arnim (kons.), Graf Schwerin-Löwitz (kons.). Szmula (Zentr.) und Dr. Hahn (nat.-lib.). für, Frese (freis. Ver.). Münch-Ferber (natl.), Herbert (soz.) und Beckh (freis. Ber.) gegen den Antrag. Man beschäftigte sich auch noch während der gesamten Donnerstagssitzung mit Erörterung dieses Antrages. Bemerkenswerter Weise wandte sich dabei ein Fraktionsgenosse des Antragstellers, der Nationalliberale Möller- Dortmund, gegen die vorgeschlagene Kündigung des argentinischen Handelsvertrages, indem er die schwere Schädigung, welche die deutschen Exportindustriellen durch eine solche Maßnahme erleiden würden, betonte. Der Vertreter der Verbündeten Regierungen, Staatssekretär von Marschall. erklärte, daß der Bundcsrat noch keine Stellung in dieser Frage genommen habe, doch ließen die übrigen Ausführungen des Staats­sekretärs durch ihre warme Verteidigung der Handelsverträge überhaupt schon genugsam er­kennen, daß der Antrag Hehl in Regierungs- kreisen auf keine sympatische Aufnahme rechnen darf. Im weiteren Verlaufe der Sitzung sprachen gegen den Antrag Hehl die Abgg. Schumacher (soz.), Dr. Barth (freis. Ber.) und Ehni (südd. Dem.), während zu seinen Gunsten die Abgg. Werner (Antis.), Graf Oriola (nat.-lib.), Dr. v. Frege (kons), Graf Arnim (Reichsp.) und Hilpert (daher. Bauernbund) plaidierten. Die Debatte endete mit der Annahme eines vom Zentrumsadgcordneten Szmula gestellten An­trages auf Verweisung des Antrages Hehl an eine besondere Kommission. Am Freitag nahm das Haus die Etatsberatung wieder auf. Die Reichstagskommission für das Binnenschifffahrts- und Flößerei-Gesetz hat ihre Aufgabe gelöst und die Vorlage in zweiter Lesung mit verschiedenen Abänderungen angenommen.

Die zweitägige Debatte im Reichstage über den Antrag des Abgeordneten von Hehl aus Kündigung des Handelsvertrages mit Argentinien hat in die verworrene Lage der letzten Wochen Klarheit gebracht. So unwesent- lich und wirkungslos der Antrag an sich sein wag, jo hat er wiederum gezeigt, daß die Agrarier entschlossen sind, die Errungenschaften, welche die Aera Caprivi geschaffen, auf allen Punkten anzugreifen und in erster Linie die Handelsverträge zu Fall zu. bringen. Bon größerer Bedeutung wurden die Debatten da­durch, daß sie der Regierung Gelegenheit boten, aus ihrer Reserve herauszutreten und offen ihre Stellung in dieser ganzen großen Ström­ung zu kennzeichnen. Herr v. Marschall lieferte gewissermaßen einen Kommentar zu den letzten Aeußerungen des Kaisers im Staatsrat. Obgleich der Herr Staatssekretär bemerkte, daß er nur seine persönliche Meinung ausspreche, so ist doch durch seine Rede festgestellt, daß die Regierung nicht im Geringsten gesonnen ist. einem sogenanten Zickzackkurs Raum zu gewähren, sondern die Stütze, welche der deutschen Indu­strie durch die neuen Handelsverträge erwachsen ist, aufrecht zu erhalten. Die Vorbedingungen, welche Argentinien in den Stand setzen, so billiges Getreide zu produzieren, würden durch Aushebung des Handelsvertrages nicht beseitigt werden. Die Jungfräulichkeit des dortigen Bodens und die Billigkeit der Arbeitskräfte werden nach wie vor forlbestehen und den Welt­markt mit billigem Getreide versorgen. Dagegen würde unsere Industrie, welche gegenwärtig für achtzig Millionen Mark Waren nach Argentinien liefert, einen tief einschneidenden Schaden er­leiden. Die Summe, welche die deutsche Rhe­derei auf ihr Verlustkonto zu setzen hätte, darf auch nicht vergessen werden. Die schwere wirt­schaftliche Krisis, in der sich unsere Landwirtschaft befindet, kann daduch nicht gehoben werden, daß wir heute zerstören, was wir gestern aufgebaut haben, und kein Teil der nationalen Produktion darf verlangen, daß ein anderer zu seinen Gunsten auf seine Vorteile Verzicht leiste. Wir gerieten dadurch in eine Kreisbewegung ohne Anfang und ohne Ende.

Die Bismarckfeier beschränkt sich nicht auf Deutschland und Europa. DerTimes" wird aus Philadelphia gemeldet:Von den

Deutsch-Amerikanern verschiedener Städte werden Vorbereitungen getroffen, um den Geburtstag des Fürsten Bismarck zu feiern. In Phila­delphia wird ein Musikfest beabsichtigt, an welchem alle deutschen Gesangvereine teilnehmen werden. In New-Iork wird eine Vorstellung geplant, wobei Episoden aus dem Leben des Fürsten zur Darstellung gelangen sollen. Außerdem soll dem Fürsten Bismarck ein Pokal aus mas­sivem Silber übersandt werden." Vielleicht lassen unsereFreisinnigen" sich durch das Bei­spiel jener Republikaner belehren, die den ersteren an wahrhaft freisinnigen Grundsätzen und der Verehrung für freiheitliche Staatsein­richtungen doch erheblich über sind, dennoch aber am Fürsten Bismarck noch ern gutes Haar finden.

A us Ostpreußen , 10. März. Am 6. März feierte der älteste der Veteranen aus dem Befreiungskriege, Lieutenant a. D. v. Bachr in Ragnit, seinen 102. Geburtstag. Von dem Pionier-Offizierkorps in Königsberg und dem Deutschen Kriegerbund in Berlin waren Glück­wunschtelegramme eingelaufen. Herr v. Baehr ist trotz seines hohen Alters noch körperlich und geistig recht frisch.

Rhein bischofsheim,15. März Der Krämer Köster in Rheinbischofsheim ist heute früh im Bette von einem Unbekannten durch Beilhiebe schwer verletzt worden. Der Thäter entkam, Beil und Ueberzieher zurücklasscnd. Ob ein Racheakt oder Raubmordversuch vorliegt, ist noch nicht bekannt.

Württemberg.

Stuttgart, 14. März. Nachdem unser schwäbisch-afrikanischer Landsmann, Reichsschul­lehrer Kübele in Kleiupopo, am 28. Februar in Schorndorf seine Hochzeit mit Frl. Hanna Christaller gefeiert hat, ist er mtt ferner jungen Frau letzten Freitag in Hamburg einge­troffen und Hot sich am Montag den 11. d. M, an Bord des Dampfers Aline Wörmonn begeben, um auf seinen Posten in Togo zurückzukehren.

Gerabronn, 12. März Der Einladung des hiesigen Gcwerbevercins zum Vortrag von Dr. Olinda aus Neustadt a. H. überdie Kunst des Gelderwerbens" wurde zahlreich Folge gegeben. Das Thema wurde von dem Redner in so eingehender Weise behandelt, daß ihm zum Schluß reicher Beifall zu Teil wurde. ;Wenn auch die vielen Anregungen und Ratschläge mehr für größere Betriebe berechnet waren, so konnte doch auch der kleine Geschäfts- und Handwcrks- mann zahlreiche Winke auf sich anwendcn Den kleinen Landwirten und Gewerbetreibenden em­pfahl er im Wege der Assoziation oder der Ge nosscnschaft die Konkurrenzfähigkeit mit den großen kapitalkräftigen Geschäften zu erreichen und zu erhalten.

Oberndorf. In der Mauserschen Ge­wehrfabrik werden gegenwärtig 14 junge Türken mit der Herstellungsweise der Schußwaffen be­kannt gemacht. Zweck dieser Ausbildung ist spätere Verwendung im türkischen Feuerwaffen Handwerk als Meister oder als Aufseher.

Von den Geld- und Warenbörsen

Stuttgart, 14. März. Das angekündigte große Konvertionsgeschäft in russischen Staatspapieren, die in niedrigerer verziensliche Obligationen umge­wandelt werden sollen, hat ein Anziehen des Geldstandes bewirkt und dann: auch eine wesentliche Stockung der Umsätze in deutschen Staatspapieren, wodurch deren Kurse, wenn auch nicht in beträchtlicher Weise zum Rückgang genötigt wurden. Im allgemeinen ist übrigens die Stimmung der Börse trotz teilweiser Lustlosigkeit noch immer ziemlich günstig, namentlich für einige Spekulationswerte. Trotz der fortgesetzten ungeheu­ren Zufuhren ausländischen Getreides nach Deutschland haben unsere Getreidemärkte einen Preisaufschlag zu verzeichnen, der allem An'chein nach von der Berliner Produktenbörse künstlich herbeigesührt morden ist, weil in dem zur Zeit versammelten preuß. Staatsrat wie im Reichstag über den ungeheuren Preissturz des Getreides laute Klagen gejührt werden. Diese Klagen sollen offenbar etwas abgeschwächt werden.. Roggen stieg in Berlin pr. Mai von 120.25 auf 123.25, Pr. Juni von 121 auf 124.25 und Pr. Juli von 121.70 auf 125.50 Weizen Pr. Mai von 140.50 auf 143.50 und pr. Juni von 141.50 auf 144.50; Hafer pr. Mai von 114.70 auf 115.70 und pr. Juni von 115.50 auf 116.50. Auch die Mehlpreise haben angezogen; Weizenmehl loco von 15.25 auf 15.50 und Roggeumehl von 15.50 auf 15.70. Die Baumwollmärkte befinden sich zur Zeit m einiger Aufregung, hauptsächlich veranlaßt durch un­

günstige Witterungsberichte aus den Südstaaten der amerikan. Union und durch die zur Zeit in dem Haupt­verschiffungshafen für amerikan. Baumwolle New-Orle- ans stattfindenden Unruhen. Auch scheint man neuer­dings doch an die Möglichkeit eines Trusts zur Verringer­ung der Baumwollanpflanzungen zu glauben. Alle diese Ursachen und Gründe wirkten zusammen, um den Liverpoolcr Baumwollmarkt recht lebhaft zu gestalten und die Preise für Rohbaumwolle nicht unbeträchtlich zu erhöhen. Die Terminpreise für amerikan. Sorten find in Liverpool gegenüber dem Schluß der Vorwoche um ca. 910 Points gestiegen uno von diesem Preis­aufschlag konnten auch die brasilanischen, indischen und egyptischen Sorten etwas profitieren. Diese lebhafte Bewegung in Rohbaumwolle wirkt auch günstig zurück aus den Baumwollgarn- u. Tüchermarkt. Me seither zurückhaltenden Grossisten in Baumwolltüchern machen bei den Webereien in der Befürchtung weiterer Preis­steigerung größere Einkäufe und die Weber ihrerseits sind sogar unter gebesserten Bedingungen bereit, mit den Spinnereien größere Lieserungskontrakte abzu- schließen, so daß in allen Gebieten der Baumwollin­dustrie das Geschäft sich ziemlich lebhaft zu gestalten begonnen hat.

Marktpreise.

Neuenbürg, 16. März.

Butter, '/r Kilo. 90

Landeier, 2 Stück 13 Kisteneier 6

Pforzheim, 16. März.

Land-Butter '/r Kilo.901.

Süßrahmbutter.1.151.25

Land-Eier, 2 Stück.1518

Kisteneier, 2 Stück.1415

Stuttgart, 16. März.

Süße Butter, V- Kilo . . . . ^ 1.101.20

Saure Butter, V, Kilo.1.00

Frische Eier, 10 Stück. 70

Kalkeier, 10 Stück.

Ausland.

Wien, 16. März. DasVaterland" bringt einen Hetzartikel gegen 10 Innsbrucker llniversitätsprosesforcu, die mit dem Rektor die Bismarck Ad reffe unterzeichnet haben.

In Oesterreich wirbelt die Anlisemiten- Frage zur Zeit wieder einigen Staub aus. Vor Kurzem war in den Wiener Blättern ein an­geblicher Brief des Papstes an den vekannren antisemitischen Abgeordneten, Prinzen Alois Lichtenstein, veröffentlicht worden, welcher einen allerdings ziemlich milden Tadel der Agitation der österreichischen Antisemiten sowie der anti­semitischen Haltung des niederen österreichischen Klerus enthielt. Jetzt erklärt aber Prinz Lichten« stem öffentlich, er habe ein derartiges päpstliches Schreiben gar nicht erhalten, so daß es vielleicht überhaupt nicht ergangen ist. Zum Uebcrfluffe wird jetzt eine Erklärung des Staatssekretärs Kardinal Rampolla, abgegeben gegenüber dem Kardinal Schönborn und dem Bischof Steiner, bekannt, wonach cs der päpstlichen Kurie gar nicht einsällt, der christlich-sozialen Partei in Oesterreich und der neuen katholischen Volks- parlei in Ungarn wegen ihres antisemitischen Treibens Steine in den Weg zu werfen, viel­mehr gelten diese Parteien dem Vatikan als wertvolle Hilfsiruppen zur Unterstützung seiner Politik. Da scheint ja das Kabinet Windlschgrätz mit seinem Versuche, den Vatikan zur Stellung­nahme gegen die österreichischen Antisemiten zu veranlassen,schön yinelngesallen" zu sein.

Wie verlautet, veabslchtigen der Zar und die Zarin im Mai, nach Beendigung des TiauerhalbjahreS, nach Berlin zu kommen und von dort nach Paris zu reisen, den Rück­weg nach Rußland aber über Wien zu nehmen. Demnächst sollen vertrauliche Anfragen bei den verschiedenen Höfen und Kabinetten erfolgen, ob die Besuche genehm seien. An der Eröff­nungsfeier des Nord-Ostsee-KanalS wird der Zar voraussichtlich nicht teilnehmen.

Madrid, 16. März. 300 Offiziere drangen in der vergangenen Nacht in die Ge- Ichäflsrüume der ZeitungGlobo" ein, wo sie alles durcheinander warfen und den Direktor und zwei Redakteure verwundeten. Die Offiziere begaben sich dann in die Druckerei der Zeitung Resumea", wo sie die Unordnungen erneuerten. Da es der Polizei nicht gelang, Ruhe zu schaffen, mußte der Mstitärgouverneur etngreisen, um die Gemüter zu beruhigen. In der Kammer kam es zu stürmischen Austritten über das in der vergangenen Nacht erfolgte Eindringen von Offizieren in die Zeitungsredaklionen.

Madrid, 18 . März. Nach einer amt­lichen Depesche aus Manilla fand am 10. ds.