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Speth, Frhr. v. Seckendorfs, Frhr. v. Wächter, Frhr. v. Gaisberg, Präl. Lechler, Präl. Wittich, Prälat Berg. Glaser. Die Uebergabe der Adresse an den König soll am Montag durch die Adreßkommission erfolgen. Am Montag fällt die Sitzung aus. Am Dienstag nachmittag findet die erste Lesung, am Mittwoch die zweite Beratung des Bolksschulgesetzes statt, worauf die Kammer auf 4—6 Wochen vertagt werden wird, um der Finanzkommission Zeit zu ihren Ar. beiten zu geben. — Die Legitimationskommission der Kammer der Abgeordneten hat die Referate für die angefochtenen Wahlen verteilt wie folgt: Aalen: Frhr. v. Seckendorf (Fr. B.) Ber.- Erst., Eggmann (Zentr.) Mitber.-Erst. — Ulm- Amt : Nieder (Zentr.) und Schmidt (V.P) — Reutlingen-Amt: Eggmann (Zentr.) und Mayser (V.P.) — N e u e n b ü r g: K. Haußmann (V.P.) und Sachs (Fr. B.) — Schorndorf: Hartranft (Fr. V.) und Kraut (V.P.)
Verband württ. Gewerbevereine. Zur Stiftung eines Angebindes in das neue Landesgewerbemuseum führt der Vorstand des Verbandes württ. Gewerbevercine in einer Zuschrift an die versch. Gew. Vereine des Landes
и. a. aus: Es ist keine Frage, daß es nur billig erscheint, wenn wir bei dem bevorstehenden feierlichen Anlaß des Instituts, das uns fortwährend mit Rat und That beisteht, in einer Weise gedenken, die ihm zeigt, daß wir die seitherige lhalkrästige Unterstüzung unserer Bestrebungen durch die k. Zenstralstelle auch anerkennen und gewillt sind, sie in ihren Bemühungen um die gesunde Entwicklung des Gcwerbelebens in Württemberg nach Möglichkeit zu unterstützen. Die Mittel der Gewerbevereine sind freilich derart, daß bei der Beschränkung einer Sammlung aus den betr. Kassen voraussichtlich nur ein spärlicher Betrag erhalten würde: um also zu einem ersprießlichen Resultat zu kommen, so kann ein solches nur erreicht werden, wenn die einzelnen Gewerbevercine unter den Industriellen und Gewerbetreibenden (namentlich den leistungsfähigen und leistungswilligen) ihres Bezirks eine Kollekte veranstalten, jene Sammlung unter den Mitgliedern erhöhen. Die Gewerbevereine und der gesamte württ. Gewerbestand verdanken der
к. Zentralstelle, welche um das Wohl und Wehe des württ. Gewerbestandes stets besorgtest, soviel, daß die Industriellen und Gewerbetreibenden des Landes die gebotene würdige Gelegenheit zur Bethätigung ihres Opfersinns nicht unbenützt vorübergehen lassen sollten. Mag über die Lage und die Ausführung des neuen Gebäudes auch nicht immer zustimmend geurteilt werden, so viel steht fest, daß der feierliche Eröffnungsakt nicht zur Kritik, sondern vielmehr zur dankbaren Anerkennung und Erinnerung an all das auffordert. was die Gewerbevercine Gutes durch die k. Zentralstelle für Gewerbe und Handel erfahren durften. Die Gewerbevereinsausschüsse werden dann in dem Schreiben ersucht, diese Angelegenheit aufzunehmen und kräftig durch Veranstaltung einer Kollekte, durch öffentliche Aufforderung und durch sonst dem Zweck dienliche Mittel für das Zufammenbringen eines möglichst großen Betrags bedacht zu sein. Wenn alle Kräfte Zusammenwirken, dann wird es möglich sein, eine Summe aufzubringen, die geeignet sein wird, etwas Gediegenes zu schaffen, sei cs die Ergänzung einer unvollständigen Sammlung, sei es die Erwerbung einer neuen u. dgl.
Herrenberg, 5. März. Die Gemeinde- jagd in Hildridshausen, welche ca. 800 Morgen Wald umfaßt, wurde gestern um 4300 Mark von einem in Stuttgart wohnhaften Amerikaner ersteigert. Vorher war die Jagd um 300 verpachtet.
Unter den in Württemberg ausgehobenen Rekruten befanden sich Analphabeten 1, also 0,01 pCt.; es folgt Baden mit 3, also 0.03 pCt.; Bayern mit 9, also 0,03 pCt.; Sachsen und Hessen mit 0,04 pCt.; Mecklenburg. Schwerin mit 0,12 pCt.; Elsaß-Lothringen mit 0,14 pCt.; Preußen mit 0,37 pCt. (577 Mann), im ganzen Reich waren es nach einer amtlichen Statistik 617 oder 0,24 pCt. Württemberg steht somit in Beziehung auf die Bildung seiner Bevölkerung am günstigsten, Preußen am ungünstigsten unter den Bundesstaaten.
Anstand.
Paris, 9. März. Die hiesige deutsche Kolonie, sowie diejenige von Lyon und Marseille entsenden Abordnungen mit Geschenken zum 80. Geburtstage des Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh.
Die Generaldebatte der französischen Deputiertenkammer über den Militär-Etat ist am Donnerstag nach mehrtägiger Dauer beendigt worden. In den Verhandlungen spielte namentlich das gegenseitige militärische Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland eine Hauptrolle und konstatierten mehrere Redner, daß, da Frankreich von Deutschland in Bezug auf den Effcktivstand der Truppen überflügelt worden sei. Dieses Klagelied sang auch der Deputierte Cavaignac in der Donnerstagsdebalte, worauf Kriegsminister Zurlinden trostsprndend eine Vorlage über die Effiklivbestände ankündigte und im Uebrigen meinte, darüber, ob das deutsche System besser oder geringer sei, als das französische, könne nur ein Krieg entscheiden. Unter dem Beifalle des Hauses rühmte dann der Kriegsminister die Tüchtigkeit des französischen Heeres und seiner Führer. Hierauf beantragte der Sozialist Vaillant die Ersetzung des stehenden Heeres durch eine Bolksmiliz, also ein Seiten- stück zu dem kürzlichen Anträge Auer im deutschen Reichstage. In der Debatte hierüber machte der Sozialist Jaures die leitenden Klassen für die Rüstungen Europas verantwortlich, beweihräucherte die Friedensliebe der sozialistischen Partei und malte das goldene Zeitalter aus, welches nach Beseitigung der Bourgeoisherrschaft kommen werde. Gegen Schluß der Debatte wetterte der Boulangist Richard gegen die beschlossene Entsendung französischer Kriegsschiffe nach Kiel und drückte die Hoffnung aus, daß dieser Beschluß wieder zurückgenommen werden würde. Die anwesenden Regierungs- Vertreter ließen sich indessen auf diese Anzapfung gar nicht ein.
London. 7. März. Die amtliche Statistik zeigt, wie furchtbar die Grippe in London wütet. In der letzten Woche sind in der englischen Hauptstadt 296 Personen an der Influenza gestorben. In den drei vorangegangenen Wochen waren es 13. 24 und 111. Die Zahl der Todesfälle an Krankheiten der Respirationsorgane betrug in der letzten Woche 1449 gegen 480, 840 und 1120 in den drei Vorwochen. Den Fiebern sind 3246 Personen erlegen. Das sind 14! 2 mehr als in der betreffenden Woche der letzten 10 Jahre. — Der Papst hat wegen der herrschenden Grippe die englischen Bischöfe ermächtigt, von dem Fasten zu dispensieren.
Die Influenza tritt auch in Petersburg scher heftig auf und es sollen äugen- blicklich nicht weniger als 50 000 Personen an der Krankheit leiden; auch viele Todesfälle sind infolge von Influenza vorgrkommen.
In Brasilien schwingt Saldana da Gama, der Führer des letzten Aufstandes im Süden dieses Reiches, aufs Neue die Fahne der Empörung. Nach Meldungen aus Montevideo soll er mit 3200 Matrosen und 27 Offizieren in die Provinz Rio Grande eingerückt sein.
Aus der Schweiz, 5. März. Die Wilddieberei in den eidgenössischen Bannbezirken der Alpen wird schwunghaft betrieben, und man berichtet von ernsten Zusammenstößen zwischen Wilderern und Wächtern. Aus dem Gebiet des Churfirsten wird folgender Fall berichtet: Ein Landjäger, der einen Wilddieb dingfest machen wollte, kam mit ihm ins Handgemenge, wobei sich ein so erbitterter Kampf entwickelte, daß beide miteinander eine steile Halde hinuntcr- kollerten, und zwar geradezu in den Wallensee hinein, wo sie ertranken. Noch im Tode sollen sich die beiden Leichen umschlungen gehalten haben. Beide sind Familienväter.
Aus Amerika, 8. März. Am Montag ist in New-Iork die Hochzeit der Tochter des bekannten Elsenbahnkönigs, des Fräuleins Anna Gould mit dem verarmten französischen Aristokraten Grafen de Castellane gewesen. Als Mitgift hat Gräfin Anna bare 75 Millionen Dollar erhalten. Dem dicken Gott Plutus sei Dank, daß er diese 75 Millionen Geld wieder in's Rollen gebracht har.
Hlnteryattender Heil.
Am zerbrochenen Kreuz.
Eine Geschichte von der Grenze von Hans Richter
(Nachdruck verboten.)
Eine reichliche Viertelstunde von Obrowo entfernt stand an dem Fußwege, der durch den Kiefernwald führte, ein roh gezimmertes Kreuz mit einem kaum noch erkennbaren Christusbilde. Das ist nun freilich nichts Besonderes in jenem streng katholischen Landstrich, wo Przemsa und Prosna die Grenze gegen Rußland bilden und ärmliche polnische Dörfer zerstreut zwischen den endlosen Kiefernwälder liegen, als habe eines Riesen Hand sie umhergeworfen. Sei das Dorf noch so klein und elend, so fehlen doch nirgendwo Kreuze und Heiligenbilder.
Es war ein Plätzchen, wie man deren nicht viele findet in jener öden, armseligen Gegend. Das Kreuz lehnte sich altersschwach an eine l hochstämmige Eiche, deren breite dichtbelaubte Aeste eine kleine, von Wachholder- und Haselnuß Sträuchern umsäumte Lichtung beschatteten.
„Also um 8 Uhr am Kreuz — Du weißt schon!" hatte Jan gesagt, und Marysia hatte stumm genickt, das schöne Gesicht von einer dunkeln Röte übergossen und war schnell in threr Thüre verschwunden.
Der schöne Jan sah ihr mit einem siegesstolzen Lächeln nach; endlich hatte er auch sie so weit, die bisher keinen Burschen auch nur freundlich angeschaut und die Stolzeste und Feinste im ganzen Kreise war. Ihr Vater hatte sich im letzten polnischen Aufstand vom einfachen Sensenmann bis zum Hauptmann emporge- ichwungen. Diese Charge verlieh unter dem polnischen Landvolk noch der Tochter eine Art Nimbus und dieser selbst einen Stolz, welcher noch dadurch gesteigert wurde, daß sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern bei einem verwandten Pfarrer erzogen worden war. Hier hatte sie gute Sitte und Benehmen und den Geist geregelter Thätigkeit, Ordnung und Reinlichkeit kennen gelernt. Sie sprach und schrieb ebenso gut deutsch wie polnisch; in ihrem ererbten kleinen Häuschen ganz am Dorfende, in welchem sie allein mit einer Kuh. einem Hunde und einem Dutzend Hühnern hauste, konnte selbst das schärfste Auge keinen Flecken entdecken; ihr Garten brachte das feinste Gemüse und beste Obst, und ihr kleines Feld war stets aus das sorgsamste bestellt. Vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein war sie unermüdlich bei der Arbeit, und sah trotzdem immer zierlich, anmutig und sauber aus. Kein Wunder, daß es ihr nicht an ernstlichen und ansehnlichen Bewerbern fehlte, um so weniger, als man wissen wollte, der Revolutions- Hauptmann habe, bevor er bei Warschau von den Russen erschossen worden war, eine sehr ansehnliche Kriegsbeute nach Hause geschickt und auch der Onkel Pfarrer eine hübsches Erbteil hinterlassen. Doch wie Marysia sich stolz von der Gesellschaft und den Vergnügungen der anderen Dorfmädchen fernhielt, so schien sie auch gegen die gesamte Männerwelt eine fast verächtliche Abneigung zu empfinden. Selbst den Michel Kwiatkowski, einen Witwer in den besten Jahren, welcher der reichste Mann und außerdem Woyt (Ortsvorsteher) von Obrowo war. also eine doppelte Respektsperson, hatte sie so entschieden abgewiesen, daß der Bedauernswerte noch jetzt vergeblich seine Liebe und seinen Kummer im besten Branntwein zu ertränken suchte.
Das alles überlegte Jan, während er die schmutzige Dorfstraße entlang schritt, von Zeit zu Zeit den starken Schnauzbart drehend oder den ihm begegnenden Mädchen mörderische Blicke aus seinen feuerigen Augen zuwerfend. Stolzer denn je schielte er heute herum, ob sie ihm auch nachsahen; denn wenn er auch von nun an nur Marysia liebte, so war dies für ihn doch kein Grund, sich von Andern nicht bewundern zu lassen. Ja, ja, um solche Triumphe zu fe-ern, genügte es nicht, Woyt zu sein und vier Pferde im Stalle zu haben. Dazu muß man, wie er Jan, drei Jahre bei den Garde-Ulanen gestanden haben und der schönste Kerl im Regiment gewesen sein.