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Vermischtes.
Aus der Fastnachtsummer der Münchner Neuesten Nachrichten noch salzenden Beitrag: Landshut, 22. Febr. Ausregende, aber auch unvergeßlich schöne Tage haben wir hinter uns, ein Fest, so schön und ergreifend, so sehr durchdränkt von echtem, tiefgehendem Patriotismus, daß sich in kurzer Zeit auch die ältesten Leute nicht werden erinnern können, ein ähnliches Fest je erlebt zu haben. Es wurde hier, was ja der Telegraph nach allen Windrichtungen getragen hat, der erste Berbandstag deutscher Schnupfer abgehalten. Ich sende Ihnen einen knappen Festbericht. Eine nur einigermaßen ausführliche Berichterstattung über die denkwürdigen Vorgänge würde Jahrgänge Ihrer Zeitung füllen.
1. Tag (19. Februar.) Empfang der fremden Schnupfer am Bahnhof. Unter den Klängen der Stadtkapelle bewegte sich ein imposanter Zug, geführt von hundert schnupfenden Jungfrauen in schmalzlerbraunen Kleidern, nach dem Bahnhof, wo den fremden Gästen die Willkommprise aus einer 1'/- Kubikmeter haltenden Festdofe geboten wurde. Oberschnupfmeister Gurkemüller hielt eine begeisterte Ansprache, die mit der Aufforderung zu einem dreimaligen „Hat' schi!" auf die Festgäste schloß. Dann Festmahl in den „Drei Helmen", Abends Banket in der „Goldenen Dose." Unter den Festgästen bemerkte manviele höchst ehrwürdige Erscheinungen mit prachtvollen Riechorganen. Herr Benefiziat Glanzärmel aus Mederbavern, dessen Gesichts- vorfprung den respektablen Umfang einer ausgewachsenen Melone erreicht, wurde zum Nasenpräsidenten (der hier die Stelle des Altersvorsitzenden vertritt) ernannt.
2. Tag (20. Februar) Sitzung im Rathaussaal. Zunächst folgte die Gründung eines „Allgemeinen deuschen Schnupferverbandes" mit dem Vorort Landshut, das bekanntlich der Hauptfabrikationsort des edlen braunen Pulvers ist. Alljährliche Abhaltung eines Kongresses wurde beschlossen. Dann wurde eine Resolution an den Reichstag vorgeschlagen und genehmigt, die sich nachdrücklich gegen jede Besteuerung des Schnupftabaks verwahrt. Sehr schön sagt die Resolution: „Der Schmalzler ist der Kaviar des kleinen Mannes !" In zündender Rede brach Frau Lina Abendstern eine Lanze für das Schnupfen der Frauen. Der Antrag Nasmüller (Landshut), das Schnupfen solle auf den deutschen Gymnasien obligatorisch gemacht werden, wurde als zur Zeit undurchführbar abgelehnt. Hierauf folgte die Ernennung von Ehren schnupsern, eine Auszeichnung , die namentlch viele Angehörige des bayerischen Klerus traf.
Am 3. Tag (21. Februar) fand dann im gleichen Lokal das große Preis- und Wett-Schnupfen unter kolossaler Beteiligung von Schnupfersportsmen aus allen deutschen Bundesstaaten statt. Im Juniorenschnupfen gewann den I. Preis der Schusterlehrling Schlappohr aus Freising; im darauffolgenden Haupt schnupfen, offen für alle Amateurschnupser über 30 Jahre, wurde oben genannter Benefiziat Glanzärmel Erster, wie er wollte. Er schnupfte 400 Gramm Pariser in ll'/? Minien und gewann damit den Preis (silberne Dose), Zweiter (Nickeldose^ Schuhmacher Kolbe aus Dachau.
3. Mei st erschafts schnupfen für Deutschland ^350 Gramm aus dem Glasel.) 1. Maurer Löffler aus Unterhaching. 3 Min. 14h, Sek. 2. Gendarmeriewachmeister Schnauzler aus Röhrmoos. Sieger eine goldene, der Zweite eine silberne Medaille. Zum Schluß: Damen schnupfen: Den Preis, einen silbernen Lorberkranz, gewann Fräulein Emmerentia Schlotterbeck, Spitalköchin aus München. Rauschender Orchestertusch begrüßte jedesmal die Sieger, die ihre Auszeichnungen aus den Händen des Bürgermeisters empfingen.
Nach den aufregenden Wettkämpfen besichtigte die Festversammlung die Ausstellung von Tabak- u. Schnupf- requisitcn. Abends war wieder Banket und gleichzeitig wurde eine Konkurrenz im Kunstschnupfen abgehalten. Die Kunstschnupser-Meisterschaft für Bayern gewann Kanalarbeiter Vlechinger aus Haidhausen, der nacheinnander 100 Gramm Schneeberger, eine Büchse Insektenpulver, 50 Gramm Streusand, einen Suppenteller voll Kochsalz und schließlich l'/r Kilo Paprika schnupfte, ohne das geringste Zeichen von Ermattung wahrnehmen zu lassen.
Heute, am 22. Februar, war noch Abschieds- Frühschnupfen auf der Trausnitz, worauf sich die Festteilnehmcr wieder auf den Bahnhof begaben. Beim Abschied blieb kein Auge trocken, kein Nasenloch leer. Die Zurückbleibenden riefen mit gerührter Stimme den davonrollendcn Gästen ein herzliches: Schnupf' wohl! nach.
Berlin, 22. Febr Die Vorurteile der Engländer gegen Militär in Uniform sind noch immer groß. Das beweist wiederum der folgende Vorfall, vcr sich letzte Woche zutrug. Zwei Unteroffiziere der königl. reitenden Artillerie, also eines vornehmen Regiments, besuchten einen öffentlichen Ball in St. Johns Wood in London. Man nahm auch ruhig ihren Schilling Eintrittsgeld an. Sobald sie jedoch im Saale waren, forderte man sie auf, das Lokal zu verlassen, da sie Uniformen anhätten. Ihr Betragen gab nicht zu der mindesten Klage Anlaß. Die Unteroffiziere brachten die Sache vor ihren Major
und dieser an den kommandierenden General, Lord Methuen. Dem Wirt des Lokals wurde darauf eine Frist gewährt, sich zu entschuldigen. Andernfalls werde ihm seine Konzession entzogen. Gesellschaftlich wird das Militär in England noch immer ziemlich geringschätzig behandelt. Selbst Offizieren ist es nicht gestattet, Uniformen im Verkehr mit der Zivilbevölkerung zu tragen, wenn sie sich nicht gesellschaftlichen Unannehmlichkeiten aussctzen wollen.
Recht paradiesische Zustände scheinen noch in dem etwa 2 Meilen von Schivelbein entfernten Dorfe R. zu herrschen; friedlich leben dort noch Mensch und Vieh zusammen. Dort kam neulich ein Beamter zu einem Kolonisten, um Aufträge zu erledigen. Da bemerkte er, wie sich fortwährend die Bettdecke bewegte und er vernahm auch leises Gequieke aus der Ecke. Auf sein Befragen, was das sei, ob vielleicht ein Kind krank wäre, erhielt er zur. Antwort: „Ach, dat sünd uns Faken (Ferkel), in Stall is so kolt, und darüm heww wie dei Dinger int Beu (Bett) bröcht, dat sei uns nicht verfreire." Plötzlich drang aus der „Hölle" hinterm Ofen ein Grunzen hervor. „Was ist denn das?" „Dat is uns Sög (Sau), dei hett sich „verfängt", un nu heww wie s' in de Stuww, bett sei werre beter is."
Eine Zwergin. Wie die „Nat.-Ztg." aus Amerika erfährt, ist in Newyork im Anfang d. Mts. die Prinzessin Pauline gestorben, jenes kleinste Geschöpf unter den Zwergen. In Berlin ist sie durch mehrfache Ausstellungen in Eastans Panoptikum bekannt geworden. Die Kleine stammte aus Belgien, wurde 18 Jahre alt und konnte bequem auf der flachen Hand eines Mannes stehen. Sie hatte einige Lieder und Tänze einstudiert, war stets in liebenswürdiger Laune und nicht wenig stolz auf die Beachtung, die ihr überall, besonders von den Damen, deren Liebling sie war, geschenkt wurde. Ihre gesamte Familie wird von dem Verlust stark betroffen; sie war die Ernährerin derselben. In Newyork erhielt sie für 6 Monate 20 000 ^
Eine hübsche Satire auf die Sucht des Publikum, sich täuschen zu lassen lesen wir in Berliner Blättern: Kurz nach dem Auftauchen des Wunderschäfers Ast in Radbruch ließ sich in Hamburg ein „Wunderdoktor" mit fremdländischem Namen nieder, der vielen Zulauf hatte. Die Zulassung zu seinen Sprechstunden war auf alle mögliche Weise erschwert, tiefes Geheimnis umhüllte den Wunderdoktor, seine Diener verrieten nichts; die Folge davon war, daß das Wartezimmer vom Morgen bis zum Abend belagert war. „Allein, die gute Polizei war wie gewöhnlich schnell dabei" und sandte einen Kommissär ab, welcher von dem Wunderdoktor die Vorlegung seines Diploms verlangte. Da — statt der erwarteten Bestürzung zeigte der Doktor sein — wohlausgefertigtes richtiges Diplom und echteFakultütszeugnisse vor. „Aber," bat der Doktor den Kommissär, „wenn Sie sich vollständig überzeugt haben, bitte, verraten Sie nichts! Denn wenn meine Patienten erfahren, daß ich ein richtiger Doktor der Berliner Fakultät bin, dann kommen sie nicht mehr zu mir, sondern suchen lieber einen „Kurpfuscher" auf.
Geheimmittel. Der Polizeipräsident in Berlin erließ kürzlich folgende Bekanntmachung: „Der Besitzer der Löwen-Apotheke hier, Jeru- salemerstraße 30 — Lewinsohn — bringt unter den Namen Antihydrotikon und Sommersprossen- Cream zwei Geheimmittel in den Handel, das elftere gegen Fußschweiß, das letztere gegen Sommersprossen. Nach den angestellten chemischen Untersuchungen besteht das Antihydrotikon aus 50°/o Eisenchloridlösung, 30°/o Glycerin- Alkohol und indifferenten Oelen der Sommersprossen-Cream aus 10,8°/» weißem Quecksilber- präcipitat, basisch salpetersaurem Wismulh, Lanolin und ätherischen Oelen. Da keines dieser Mittel die versprochene Wirkungskraft besitzt, ihre Anwendung in den Händen von Laien sogar gefährlich erscheint, so wird das Publikum hiermit vor dem Ankäufe gewarnt.
(Sägen mit neuen geformten Zähnen), die das Behobeln des Holzes ebenso gut ausführen,
als wie das Zersägen, haben I. Borles in Washington und C. S. Mitschill, New-Aork erfunden. Die sägen zeigen zweierlei Zahnprofile. Das eine ist abgerundet und wird mit besonders aufgesetzten Schneide- und Hobelzähnen versehen, das andere dagegen besitzt feste Schneide- und Hobelzähne. Die Schneiden der Hobel- und Schneidezähne stehen in entgegengesetzter Richtung, die Abschrägungen aller Zähne können jedoch sowohl nach einer, als auch nach entgegengesetzten Richtungen zeigen. Die Zähne ragen etwas über das Sägeblatt hervor, die Schneidezähne stehen radikal über den Hobelzähnen. (Mitgeteilt vom Patent- und techn. Bureau von Richard Lüders in Görlitz.
(Das lebendige Koursblatt j Bankier (von der Börse kommend, zu' seiner jungen Frau): „Warum blickst du mir denn so aufmerksam in das Gesicht, Meta?" — Junge Frau: „Ich studiere die Kourse!" — (Galanter Ehemann.j Eine Blumcnverkäuferin bietet einem Herrn, der eine Dame am Arme führt, einige Sträußchen zum Verkaufe an. Der Herr lehnt durch eine Kopfbewegung die Offerte ab, und als die Verkäuferin ihr Angebot wiederholt, sagt er ärgerlich: „Wenn Sie keine so dumme Person wären, würden Sie gleich sehen, daß Sie Ihre Zeit vergeuden — die Dame ist meine Frau."
(Kindermund j „Aber, Kind, wie siehst du aus! Ueber und über beschmiert, das ganze Gesicht voller Tintenflecke!" — „Ja, wir haben aber auch heute Schönschreiben gehabt." — (Herausgeplatzt j Onkel (auf Besuch gekommen): „Teufel, ist das aber ein weiter Weg von deiner Wohnung bis zur Universität!" — Student: „Nichtwahr, wenn man den jeden Tag gehen mühte!" — (Auch ein Heids A.: „Also bei allen sechs Examinatoren bist du durchgefallcn!?"
— Bemoostes Haupt: „Ja, ich bin halt der Ueberzahl gewichen.
(Selbsterkenntnis s „. . . Gönnen wir ihm seine Beförderung — er hat sie wirklich nur seinem eisernen Fleiß zu verdanken!"
— „Ja Schnecken! Seinem Fleiß! . . Uns hat er's zu verdanken! Wenn wir nicht so faul wären, so wär' sein Fleiß gar nix Besonderes!"
(Die klugen Dackln.s Förster: „Mein Foxl und Waldl sind halt gescheidte Hund'! Wenn die hören, daß ich mir im Wirtshaus einen Hasenbraten anschaff', laufen sie schnell im ganzen Haus umher und vertreiben alle Katzen!"
(Der verlorene Faden.) Der Redner Schreier verlor einst den Faden des Vortrages. Ein witziger Herr aus dem Auditorium ruft: Man schließe die Thüren, wenn hier lauter ehrliche Menschen sind, muß der Faden sich durchaus wiederfinden.
Telegramme.
Hamburg, 3. März. Die „Hamburger Nachr." teilen mit: Fürst Bismarck sei zur Teilnahme an den Sitzungen des Staatsrats amtlich eingeladen worden, habe aber aus Gesundheitsrücksichten um Dispens gebeten. Ueber das Befinden des Fürsten Bismarck teilt dasselbe Blatt mit: der Fürst Bismarck befindet sich gegenwärtig wohl, nur ist er am Ausgehen dadurch verhindert, weil jeder Ausflug in's Freie bei jetziger Witterung mehr oder weniger heftige Anfälle von Gesichtsschmerzen herbeizuführeu pflegt. Bei den fortwährend sich steigernden Vorbereitungen zum 80. Geburtstag ist Fürst Bismarck immer in große Sorge, ob es ihm möglich sein wird, an diesem Tage allen seinen Freunden gerecht zu werden.
Tokio, 3. März. Nach einer Meldung des kommandierenden Generals der I. japanes. Armee haben die Japanesen die Gegend von Jai yentai bis Tafu-Kan vollständig besetzt. Am 28. Februar griffen die Chinesen unter General Chin in der Stärke von 15 000 Mann die Japaner an. wurden aber nach einem heftigem Kampf gegen Norden zurückgedrängt. Die Japanesen verloren 98 Tote und Verwundete, die Chinesen 45 Tote. Am gleichen Tag machten die Chinesen einen erneuten Angriff auf Hai" Tscheng, wurden aber ebenfalls zurückgejchlagen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.