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demischen Jugend. (Donnender Beifall). Generaloberst Frhr. v. Loö hob die Solidarität des Offizierkorps und der Studentenschaft hervor.
Friedrichsruh, 27. Febr. Am Sonntag waren einige Leipziger Herren in Friedrichsruh. mit denen sich Fürst Bismarck an der Frühstückstafel unterhielt. Einer der Anwesenden feierte den Fürsten als einen glücklichen Mann. Darauf erwiderte der Fürst, der „Tägl. Rundschau" zufolge, lächelnd: „Ein glücklicher Mann bin ich in meinem Leben nur selten gewesen. Wenn ich die spärlichen Minuten wahren Glücksgenusses zusammenzähle, so kommen wohl nicht mehr als im ganzen 24 Stunden heraus. In der Politik habe ich nie die Ruhe gehabt, das Glück zu empfinden, das war ein ewiges Kämpfen und Ringen, und wenn ein Erfolg da war, so kam auch gleich die Sorge, ihn festzuhalten und ihn weiter auszunutzen. Aber in meinem Privatleben hat es Augenblicke des Glückes gegeben. So erinnere ich mich eines wirklich glücklichen Momentes in meiner Kindheit, da ich als Junge meinen ersten Hasen schoß. Mit glücklicher Empfindung habe ich als Landwirt später meine Ricselwiesen und meine Forstkulturcn wachsen und gedeihen sehen, mich auch im Hause meiner Frau und meiner Kinder gefreut. Zum Genuß des Glückes gehört eine gewisse Begabung, welche meinem alten seligen Herrn im hohen Maße geworden war, der das Temperament des Sanguinikers mit dem des Phlegmatikers gemischt besaß. Es war oft schwer ihn zu einem Entschluß zu bringen, aber war dieser gefaßt, so konnte man Häuser auf diesem Grunde bauen. Klarheit und Ruhe erhielten Geist und Gemüt des Kaisers im schönsten harmonischen Gleichgewicht; die Wahrheit ging ihm über alles. Ich habe mich in meiner diplomatischen Thätigkeit auch stets der Wahrheit befleißigt, aber manchmal geboten es uns beiden die Verhältnisse doch, öffentlich ein wenig von der Wahrheit abzuweichen; wie schwer wurde das stets dem alten Kaiser; er wurde stets rot dabei, und ich — konnte ihn nicht ansehen, wandte mich schnell ab. Glück hat der alte Herr viel empfunden, das Gegenteil aber auch. Was hat er nicht alles in den vier Konflikts - jahren gelitten!" — Als das Gespräch auf die Umsturzvorlage kam, sagte der Altreichskanzler: „Ich habe den regierenden Herren immer gesagt: Wenn Ihr die Sozialdemokratie mit allen Mitteln bekämpft, so unterdrückt Ihr eine akute Krankheit, aber wenn Ihr dem bürgerlichen Mittelstände Eure Fürsorge versagt, so beschwört Ihr eine chronische Krankheit herauf, die schwer zu heilen ist. Wenn man mit den Umsturzparteien paktieren will, so kommt mir das vor, als wenn uns Frankreich den Krieg erklärte und wir wollten ihm einen Rechtsanwalt entgegenschicken, der mit ihm verhandeln sollte."
Metz, 1. März. Auf dem Schlachtfelde vonGravelotte wird zur Zeit der 30 Meter hohe Aussichtsturm in der Nähe der berühmten Ferme St. Hubert errichtet. Der Standort des Turmes ist der höchste Punkt des Schlachtfeldes, so daß man von dort aus dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung — etwa 30 Kilometer Tiefe — übersehen kann. Zur Feier der 25jährigen Wiederkehr der Schlachttage vom 14. bis 18. August werden bereits bedeutende Vorkehrungen getroffen. Zur Unterbringung der besuchenden Kriegervereine hat die Militärverwaltung die Ueberlassung von Wellblechbaraken zur Herrichtung von Massenquartieren zugesagt. In der sogenannten Schlucht wird eine militärische Feier veranstaltet werden.
Von der Alters- und Invalidenversicherung. Bekanntlich bestimmen die M 30 und 31 des Jnvaliditäts- und Alters- versicherungsgesctzes, daß nach 5 Jahren Beitrag weiblichen Personen, die eine Ehe eingehen, bevor sic in den Genuß einer Rente gelangt sind, sowie den Hinterbliebenen von verstorbenen männlichen Personen entrichteten Beiträge zurückzuerstatten ist. Da das Gesetz am 1. Jan. 1891 in Kraft getreten ist und das Beitrags- jahr nur 47 Wochen umfaßt, so wird in der Mitte des laufenden Jahres der Zeitpunkt ein- treten, von welchem ab die Rückerstattung der Renten zu erfolgen hat. Vom Reichsversicherungs
amt ist ein Entwurf der für die Erstattungen zu erlassenden Vorschriften ausgearbcitet.
Auf die Wichtigkeit einer guten leserlichen Handschrift weist der preuß. Kultusminister soeben in einem Rundschreiben an die Provinzialschulkollegien hin und empfiehlt dieselbe insbesondere den Schülern höherer Lehranstalten. Es heißt dort, daß in vielen Fällen eine auf den unteren und mittleren Stufen erworbene gute Handschrift in den oberen vielfach verloren geht. Die Lehrer werden verpflichtet, keinen Aufsatz und keine Reinschrift aus den Händen der Schüler anzunehmen, in welchem Flüchtigkeit und Unordentlichkeit der Schrift zu rügen sind.
Im letzten Jahre sind nur 85000 Menschen aus Deutschland ausgewandert; fast ebensoviel, nämlich 70000, sind wieder heimgekehrt, enttäuscht und um die Gewißheit reicher, daß die Welt nirgends vollkommen ist, „wo der Mensch hinkommt mit seiner Qual."
Württemberg.
Stuttgart, 2. März. In der heutigen Kammersitzung begann die Beratung des Gesetzes betr. die Wahl der Ortsvorsteher in den größeren Städten. Geß und Sachs sprachen gegen den Entwurf und verlangen Abschaffung der Lebenslänglichkeit und Beibehaltung des Wahlrechts der ganzen Bürgerschaft. Sie wollen den Entwurf an die Kommission für innere Verwaltung überweisen. Conr. Haußmann (Balingen) bekämpfte scharf den Gesetzentwurf und beantragte, zur Beratung eine besondere Kommission zu wählen, da in der Kommission für innere Verwaltung 5 Schultheißen sitzen. Staatsminister v. Pischek erklärt in entgegenkommendem Ton, daß die Regierung bereit sei, die Lebenslänglichkeit in allen Gemeinden abzuschaffen , und zwar noch in dieser Landlagsperiode, wenn es gelinge die Schultheißen von einem Teil ihrer Arbeiten zu entlasten. Für Beibehaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit werde die Regierung entschieden eintrclen. Es liegen zwei Anträge vor: von Sachs den Entwurf an die Kommission der inneren Verwaltung, von C. Haußmann, ihn an eine besondere Kommission von 15 Mitglieder zu verweisen. Bei der Abstimmung wird der Antrag Haußmann angenommen. — Schluß der Sitzung 12 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag den 5. März, nachmittags 4 Uhr. Tagesordnung: Wahl der Kom- m'ssion für das Gesetz betr. die Wahl der Orts- Vorsteher. Bericht der Adreßkommission.
Ulm, 3. März. Gestern abend wurden auf dem Garnisonsbauamt die Angebote auf die Erweiterung der Pionierkaserne eröffnet. Es waren ausgeschrieben: ein Mannschafts-, ein Wirtschafts-, ein Werkstälte- und ein Unteroffiziers-Wohngebäude im Gesamtbetrag von 185000 Die Voranschläge waren, wie man hört, von den Staatstechnikern mit Rücksicht auf die starken Angebote bei den früheren Verdingungen diesmal erheblich niedriger angesetzt; trotzdem wieder von hiesigen und auswärtigen Unternehmern kaum glaubliche Angebote. Die billigsten Angebote machten auf Grab-, Maurer« und Steinhauerarbeit im Betrag von 93 000 Werkmeister Schäfer in Neu-Ulm mit 11°/» ab (das höchste war 5,6 "/» auf), auf Graust 4700 Herzog von Schwarzenbach 30,6 °/o ab, Asphaltardcit 3000 Gebrüder Braun- Ulm 25 °/v ab, Zimmerarbeit 22 000 Werkmeister Kast-Ulm 7,8 °/o ab, Gipserarbeit 5600 ^ Gipser Widmann in Ulm 18'/, °/o ab, Walz- eijen Kaufmann Daiber-Ulm 11"/» ab. Schreiner- arbeit 15 °/» ab, Glaserarbeit 15,6 °/c> ab, Anstreicherarbeit 25 o/o ab usw. Demnächst kommen 2 Exerzierhäuser zur Ausschreibung mit 68 000 und 70 000 ^ Voranschlag.
Gmünd, 26. Februar. Der Briefunterschlagung hat sich auf dem hiesigen Postamt ein Briefeinwurfbehälter schuldig gemacht. Der- selbe bekam infolge von Witterungseinflüssen eine nicht beachtende Spalte. Zufällig aufmerksam gemacht, ließ der Vorstand den Behälter entfernen, worauf man zwischen der Wand 55 Briefe und über 5 bares Geld, lauter Zehn- Pfennigstücke vorfand, welche alle durch diese Spalte gefallen waren. Der älteste Brief datiert vom Jahre 1889.
Marktpreise.
Neuenbürg, 2. März.
Butter, '/r Kilo.80—90 ^
Landeier, 1 Stück 8 Kisteneier 7
Pforzheim, 2. März.
Land-Butter V? Kilo.90—1.—
Süßrahmbutter.1.15—1.20
Land-Eier, 2 Stück.15—18
Kisteneier, 2 Stück.14—15
Stuttgart, 2. März. Süße Butter, Vr Kilo . . . . ^ 1.10—1.20
Saure Butter, stz Kilo.1.00
Frische Eier, 10 Stück.—75
Kalkeier, 10 Stück.— 85
Ausland.
Paris, 2. März. Die Hetze einzelner Blätter gegen die Beschickung der Berliner Kunstausstellung dauert ungeschwächt weiter. Die Paine fl-chlt die französischen Künstler sogar in einem Gedicht: „N'allor: pas g, Leilin" an, ihren Beschluß rückgängig zu machen. Auch die eocnt. Annahme der Einladung zu den Kieler Festen wird von der Mehrheit der „Sous"-Blätter heftig bekämpft.
Der „Gaulois" erzählt, daß der Herzog von Orleans in den Papieren seines Vaters auch den Schuldenvcrtrog über die dem Grafen von Paris von der Herzogin von Uzos vorge- streckt.n 3 Millionen fand und sofort der Herzogin schriftlich die Erklärung gab, daß er die von seinem Vater eingegangene Verpflichtung selbstverständlich als dessen Erbe übernehme, sein Vermögen erlaube ihm gegenwärtig nicht, die große Summe zurückzuzahleu. Er werde dies thun, sobald er es imstande sein werde. Die Herzogin v. Uzes erklärte, daß sie, falls der Herzog von Orleans die 3 Millionen zurückzuzahlen in der Lage sein werde, zu Gunsten der Armen darauf verzichte.
Paris, 2. März. Die Prinzessin Sagan, welche dem hiesigen Kunsthändler Sedelmayer drei Rembrandl's um den Preis von 425 000 Francs verkauft hatte, später jedoch die Bilder nicht hergeben wollte, wurde vom Zivilgericht verurteilt, die Bilder an Sedelmayer innerhalb 14 Tagen abzuliefcrn und demselben überdies erne Entschädigung von 30 000 Frcs. zu zahlen.
In Frankreich kokettiert der politische Radikalismus mit der Sozialdemokratie gerade so, wie dies auch in anderen Ländern zu geschehen pflegt. In St. Monde, einem Vororte im Osten von Paris, fand am Sonntag zur Erinnerung an den Ausbruch der Revolution am 24. Februar 1848 ein von radikaler Seite veranstaltetes Bankett statt. Der Hauptredner des Tages war der Deputierte und ehemalige Minister Goblet, welcher die Zusammengehörigkeit von Radikalen und Sozialisten in gewissen Fragen feierte, nur schränkte er sein Loblied auf die radikal-sozialistische Freundschaft dadurch einigermaßen ein, daß er erklärte, die Radikalen würden mit den Sozialdemokraten nur so lange Zusammengehen, als sich dieselben gesetzlicher Mittel bei ihren Agitationen bedienten, lieber diese rührend-naive Bedingung der Aufrechter- haltung der Freundschaft der französischen Radikalen für die Sozialisten wird man in den Kreisen der letzteren wohl nur ein mitleidiges Lächeln haben, wenn die Rocheforl und Genossen in Frankreich mit Hilfe der kurzsichtigen radikalen Politiker ä In. Goblet und Floquet wieder einmal obenaufkommen sollten, da werden sie auf die gesetzlichen Mittel vermutlich „Pfeifen!"
Die norwegischen Radikalen treiben die Opposition auf die Spitze. Der König Oscar zeigt eine große Nachgiebigkeit, aber umso dreister treten die Norweger mit ihren Forderungen auf. Schließlich kommt es doch noch zu einem Krieg zwischen Schweden und Norwegen, wenn nicht bald eine Verständigung herbeigesührt wirb.
Ein neues bedeutsames internationales Verkehrs Unternehmen ist gesichert. Am Dienstag fand in Mailand seitens der italienischen und schweizerischen Regierungs-Bevollmächtigten die Unterzeichnung des Protokolls, betr. den Durchstich des Simpl ons, statt.
In Szeged in wurde am 28 v. M. ein 18fähriges Mädchen, das ihren Bräutigam in den Hinterhalt gelockt und mit Hilfe dreier Freundinnen ermordet hatte, zum Tode durch den Strang verurteilt.