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seiner vorzüglichen Dienstleistungen zum Oberst befördert worden. sPrinz Louis Bonoparte, zweiter Sohn des Prinzen Jeromc Napoleon („Plon Plon") und der Prinzessin Marie Clotilde von Savoyen, ist 30 Jahre alt. Sein älterer Bruder. Prinz Napoleon, lebt in Brüssel.
New-Aork. 10. Febr. Alle von Europa eintreffenden Dampfer melden, daß sie furchtbares Wetter auf der Reise gehabt haben. Der heute angekommcne Kunarddampfer Umbria hatte die Besatzung der Barke Jean Baptiste an Bord, die er am 5. d. M. rettete. Der Red Star-Dampfer Rhynland mußte wegen des Sturmes eine Zeit lang beilegen. Das Eis, welches das Schiff bei seiner Ankunft bedeckte, war an einigen Stellen 3 Fuß dick. Der Anchor- Dampfer Circassia steckt vor der Newyorkcr Bai im Eise. Seit gestern streichen eisige Nordwestwinde über das Land. Dadurch wird die Not noch vermehrt. Infolge der Stürme ist der Schnee an den Eisenbahnen vielfach 15 Fuß hoch zusammengeweht. Eine Anzahl Bahnen hat den Betrieb ganz einstellen müssen. Viele Züge sind auch im Schnee stecken geblieben. Die Fahrgäste solcher Züge befinden sich in großer Not. Die Leute der Nachbarschaft müssen sie mit Lebensmitteln versehen. Vögel und Kaninchen sind zu Tausenden erfroren. Das Gestade der Chesapeake-Bai ist mit den Schiffs- trümmcrn von Austerbooten bedeckt. Während der Stockung im Eisenbahnverkehr sind mehreren Städten die Lebensmittel ausgegangcn. Die Fleiichpreise sind bedeutend gestiegen.
Aus der Schweiz, 11. Febr. Die „Revue" in Lausanne berichtet von einem Wintervergnügen besonderer Art. Es kommen fast täglich in Brieg (Canton Wallis) Winterfrischler mit ihren Schlitten an, sie besteigen die Höhe des Simplon, und dann fahren sie von der Paßhöhe mit der Schnelligkeit eines Expreßzuges alle die Windungen von Napoleons Kunststraße hinunter bis aus die Sohle des Rhonethales. Dazu hat man noch vom Hospiz aus den wundersamen Rundblick, der in der klaren Winterluft vielmehr Genuß bieten soll als im Sommer.
Aus Australien, 12. Febr. 7 Goldsucher aus West-Australien sind von Coolgardie zurückgekchrt und berichten — wie die „Zentral News" melden — daß sie hundert Meilen hinter Coolgardie eine hervorstehende Quarzsäule, 70 Fuß hoch. 250 Jards lang. 20 Fuß breit, entdeckt hätten, deren ganzer oberer Teil mit dicken Goldadern von wunderbarem Reichtum durchzogen sei. Sie hätten auch ein reiches Goldlager am Fuße der Säule durch Bohrung gefunden. Die Goldsucher richteten ein Gesuch an die Regierung, ihnen in Uebereinstimmung mit der sogenannten Goldgesetze der Kolonie die Konzession zur Ausnützung der Entdeckung zu erteilen. Das größte Aufsehen erregt aber die Thatsache, daß die Polizei sämtliche verhaften ließ. Die Goldsucher sind beschuldigt, einen ganzen Stamm der Eingeborenen, einschließlich der Frauen und Kinder, niedergemetzclt zu haben. Die Verhafteten sind der That geständig und behaupten, in Ausübung der Notwehr gehandelt zu haben, weil die Eingeborenen ihr Lager geplündert hätten. Man sieht dem Ausgang der Angelegenheit mit größter Spannung entgegen, namentlich auf dem Goldmarkte bewirkt die tieue Entdeckung reicher Goldlager eine fieberhafte Aufregung.
Hlnteryattender Heil.
Schlechter Leumund.
Kriminal-Novelle von Karl Ed. Klopfer.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Nur wenige Sekunden überließ sich Hügel, an seinen Baumstamm gelehnt, der Einwirkung des ersten Schreckens, dann raffte er sich auf; eine wahnsinnige Angst schnürte ihm die Kehle zusammen. Dort war ja sie — Marie — und die Hausbewohner wußten vielleicht noch gar nichts von dem Unglück?
Keuchend, mit verstörtem Blick, lief er hinaus auf die Straße, dem brennenden Gebäude zu, er hatte nur das von seinem Instinkt diktierte
Bestreben, da irgendwie zu helfen. In seiner Hast Hut, Stock und Ränzel zurücklassend, stürmte er baarhaupt vorwärts, fast einem im Traum Wandelnden ähnlich; er wollte um Hilfe rufen, aber die Zunge klebte ihm am Gaumen, Rauch und Hitze erstickten schier seinen Atem, und sein Blick, noch nicht ganz frei von dem Nebel des Schlummers, war geblendet durch den grellen Feuerschein, wie sein Denkvermögen durch die jähe Wucht dieses überraschenden Ereignisses aus der regelrechten Bahn gerückt war. Seine Kniee schlotterten, seine Arme waren wie mit Blei beschwert — er wußte nicht recht, wo aus und was beginnen.
Aber als er vom Waldsaum auf die Straße hinausgestürzt war, vernahm er schon zahlreiche Meuschenstimmen, das Geräusch der heranrasselnden Feuerspritzen, und sah, daß man bereits das Rettungswerk in Angriff genommen hatte. Die Stallburschen, oder wer es sonst sein mochte, führten eben die zitternden Pferde heraus. Alles rannte hin und her. die Löscheimer befanden sich in voller Thätigkeit, aus den Fenstern des Hauptgebäudes wurden Möbelstücke herabge- worfcn, kurz — Hügel war da ziemlich überflüssig.
Jetzt erst nach und nach seine volle Besinnung zurückgewinnend, sah er klaren Blickes um sich. Er bemerkte, daß seine seltsame Erscheinung das Befremden der umstehenden und hcrandrängenden Menge erregte, daß man ihn erkannte. Er sprang seitwärts und war eben im Begriffe, den zahllosen, auf ihn hastenden Blicken und Hinweisungsgebärden zu entfliehen, als er in seiner Hast an eine Männergruppe stieß, die eben vom Brandobjekte herkam. Er taumelte zurück, als schallende, barsche Stimmen an sein Ohr drangen. Zwei Männer erkannte er im Fluge: den Amtmann Dr. Ramberg und Ferdinand Weller, den Compagnon der Firma Sendler u. Comp.
Leopold wich unwillkürlich bei Seile, als er sich von einer derben Faust an der Schulter ergriffen fühlte. Es war Weller, der ihn schüttelte und ihm etwas in's Ohr donnerte, das er nicht in seinem ganzen Umfange zu verstehen im Stande war. das aber, wohl im Verein mit dem nervenzerstörcnden Einfluß der ganzen Scenerie und seinem Seelcnzustande, so niederschmetternd auf ihn fiel, daß er mit einem unartikulierten Lallen und einem schwarzen Nebel vor den Augen bewußtlos zufammendrach. . . .
6 .
Als der Morgen klar und golden am Horizont emporstieg, war der Brand bereits vollständig überwältigt. Das Feuer war überhaupt gar nicht so ausgedehnt gewesen, wie es,zu Anfang geschienen hatte und wie es besonders dem aufgeregten Hügel vorgekommen war. Im Stallgebäude war es ausgebrochen und nachdem dasselbe niedergerissen worden, war es nicht schwer, die ganze Villa, die nur in dem, dem Feuerherde zunächstliegenden Fachteile angegriffen worden war. zu retten. Das Ganze hatte sich überdies so schnell abgespielt, daß Herr Sendler und seine Tochter sich kaum noch so recht den Schlaf aus den Augen gerieben hatten, als man ihnen schon die angenehme Nachricht überbringen konnte, daß jede Gefahr absolut beseitigt, die Feuersbrunst bis auf das letzte Restchen gedämpft sei.
Derjenige, der sich am hervorragendsten bei den Rettungsarbeiten beteiligt hatte, war Herr Weller. Er war es eigentlich gewesen, der allein in der anfänglichen Bestürzung und Ratlosigkeit der aus dem Schlafe geschreckten Hausbewohner mit seiner berühmten Geistesgegenwart und ziel- bewußten, nüchternen Besonnenheit den Kopf oben behalten hatte, und zuerst Anstoß und Regel in die Löschaktion gebracht hatte.
Seine Gegenwart war. wie bald die herzueilenden Villennachbarn und Stadtbewohner er- fuhren, im Grunde genommen nur einem Zufall zu danken, den er selbst nicht genug preifen konnte. Die Szene, die am Abend zwischen ihm und seiner Braut, Fräulein Sendler, stattgefunden, hatte ihn nämlich so erregt, daß er das Bedürfnis empfand, sich durch einen längeren Spaziergang in der würzigen, wohlthucnden Nachtluft wieder zu beruhigen. So wandte er, schon nach seiner Wohnung im Städtchen be
griffen, seine Schritte nochmals um und schlenderte durch die Felder und Hopfengärten, im sanften Mondlichte dahin, weit hinaus, fast schon bis zu den Dörfern, die die vereinzelte Kette zwischen seinem Wohnort und dem nächsten Städtchen bildeten. Auf dem Rückwege, nicht mehr weit von der Sendler'schen Billa, hatte er die Feuersbrunst entdeckt und war, wie das Resultat zeigte, glücklicherweise noch früh genug gekommen, um in der angegebenen Weise seine Thätigkeit als Helfer in der Not entfalten zu können. Alles war darüber einig, daß der wackere besonnene Herr Weller sozusagen als der Rettungsengel des Hauses erschienen war, denn ihm war es ohne Zweifel in erster Linie zu danken, daß das Feuer keine gefährlicheren Dimensionen angenommen hatte.
Endlich war Alles beruhigt. Die Leute, die anfangs mit Schreck an die Möglichkeit gedacht hatten, wie leicht der Brand die naheliegenden Hopfengärten hätte ergreifen können, die Schatzkammer fast der gesamten Bevölkerung, abgesehen vom Walde und den benachbarten Landhäusern, alle die aufgewirbclten Gemüter besänftigten sich sehr bald, als man die Ueber- zeugung gewann, daß die ganze Geschichte ganz wunderbar glimpflich abgelaufen war. Die Menge zerstreute sich, Jeder ging im sonnigen Morgen an die Tagcsarbeit und die Stätte, die vor Kurzem noch der Schauplatz der turbulentesten Szene gewesen, hatte im Handumdrehen ihre Physiognomie zurückgewonnen, wenn wir von den Trümmern des Stallgebäudes und den Spuren der Löscharbeiten absehen wollen, die sich im Hofe hinter der Sendler'schen Villa, als einziges Zeugnis des statlgehablen Ereignisses noch bemerkbar machten. Der größte Teil der Menschenmenge war übrigens der Gruppe gefolgt, die sich, gleich nach Unterdrückung des Brandes unter Führung des Amtmanns Ramberg und des Herrn Weller nach dem Bürgermeisteramte des Städtchens begeben hatte, um die behördlichen Schritte einzuleiten, die sich auf die Feuersbrunst beziehen mußten.
Sendler durchschritt indessen mit seiner Tochter den Hof, die Brandstätte zu besichtigen. Es galt zunächst, zu konstatieren, wie das Feuer entstanden sei. Marie und ihr Vater ergingen sich diesbezüglich in mannigfache Vermutungen,
, während sie die schwarzen Wasserlachen überstiegen , die sich un Hofraume durch die Vermengung des beim Löschen verspritzten Wassers mit den verkohlten Trümmern gebildet halten.
„Sicher trägt wieder einmal der unsterbliche Schlendrian die Schuld", grollte der Kaufherr, „eine Unvorsichtigkeit der Dienstleute. Da wurde gewiß im Stalle mit der Laterne leichtsinnig hantiert, oder man hat ein brennendes Zündholz achtlos in die Streu geworfen, trotzdem ich davor so oft gewarnt habe. Wäre überdies etwas mehr Aufmerksamkeit, weniger Duselei vorhanden gewesen, so hätte das Feuer gleich im Entstehen erstickt werden können. Aber Monsieur Martin war gewiß wieder einmal auf einer seiner gang und gäben nächtlichen Excur- sionen begriffen, statt als Kutscher den Stall zu überwachen. Er leugnet freilich fortgewesen zu sein."
„So?" rief Marie, deren bisherige Einsilbigkeit und düstere Stimmung im Verein mit ihrer verstörten Miene, natürlich aus Rechnung der durch die Feuersbrunst erregten Gemuts- affektion gesetzt wurde. „So? Das ist erlogen, denn ich habe den Burschen gerade heute Nacht heimlich das Haus verlassen sehen."
„Was Du sagst!" antwortete Herr Sendler überrascht, ohne sich jedoch darüber zu verwundern, wie seine Tochter zu dieser Beobachtung Gelegenheit gefunden haben könne. „Ei, da soll doch das Donnerwetter! Lügt mir der Mensch so frech in die Zähne! Na, warte, den will ich coramisieren, wenn er mit den Pferden zurückkommt! Ader wie ist das möglich? Der Gärtner behauptet auch, Martin halb ange- kleidet aus der Kammer laufend gesehen zu haben, als die Flammen zum Schindeldach hin- ausschlugen!"
„Dann stecken sie Alle unter einer Decke, denn ich weiß es ja bestimmt, daß ich ihn gesehen habe. Nun, der Gärtner hilft ihm viel-