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Sturm. Im Hafen scheiterte die Schaluppe eines englischen Dampfers, welche 5 Mann an Bord hatte, von denen 2 ertranken. 21 mit Kohlen beladene Boote gingen unter; zahlreiche Schorn­steine sind umgestürzt, wodurch mehrere Personen umkamen. Großer Schaden wurde in den um­liegenden Orten ongerichtet.

London, 8. Febr. Sieben Mann von der Mannschaft derCrathic" sind gestern abend in Aberdeen eingetroffen. Der Kapitän Gordon mit dem ersten Olsizicr und zwei Mann, die im Augenblicke des Zusammenstoßes mit der Elbe" die Wache hatten, sind in London zu­rückgeblieben. Die Uebrigcn sind wenig in der Lage, über die Katastrophe auszusagen, sic zweifeln jedoch nicht, daß das Schiff, womit die Crathie" zusammenstieß, dieElbe" gewesen. Sie wollen keinen Schrei, noch Notschuß gehört haben. Es ist noch unentschieden, ob die Unter­suchung in London oder in Berlin statt- findet. Die an Bord derCrathie" Gewesenen wußten nicht, daß dieElbe" gesunken sei. An der englischen Küste ist noch eine Leiche von den mit derElbe" Umgekommencn aufge­funden worden; es ist vermutlich die Wises aus Newyork.

Colon (Insel Cuba), 8. Febr. Das französische PacketbootAmerique" ist mit Post und Schiffsladung bei Savanilla (Nord­küste von Cuba) verloren gegangen. Die hier eingetroffenen Passagiere haben fast alles Besitztum verloren; ein Manu der Besatzung ist umgekommen.

Newyork, 6. Febr. Auch in den nörd­lichen Staaten der Union herrscht sehr starke Kälte. In Newyork ist die Temperatur niedriger als seit 15 Jahren. Die Eisenbahnzüge erleiden durch Stürme und Schneewehen große Verspät­ungen.

Anteryattender Weil.

Schlechter Leumund.

Kriminal-Novelle von Karl Ed. Klopfer.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Ferdinand blieb stehen und faßte lachend beide Hände seiner Begleiterin, die sie ihm nicht ohne Widerstreben überließ

Geh! Du Närrchen, als ob Du nicht auch davon überzeugt sein könntest!" sagte er all­mählich zum Tone einer eigentümlich dumpfen Leidenschaftlichkeit übergehend.Du weißt, daß ich mich scheue, immer das Herz auf die Zunge zu nehmen, aber manchmal zuckt es da drinnen jo wild und feurig auf. daß ich mich dahinge- riffen fühle. Zweifelst Du daran, daß ich Dich liebe? Liebe nach meiner Art, die tiefer und dauernder ist, als Du nur ahnen kannst. Es liegt etwas Verzehrendes in meiner gigantischen Leidenschaft für Dich"

Er holte tief Atem, da unterbrach sie ihn plötzlich mit einem lauten Gelächter, das sein Auge auf einen Moment zornig aufsprühen ließ.

Hahahaha! Ferdinand ich lerne Dich zum ersten Male von Deiner poetischen Seite kennen. Das ist wirklich köstlich! Hahaha! Aber bitte, verlasse mich jetzt es ist ja überdies auch schon spät und ich will nicht, daß Du Dich mir gegenüber lächerlich machst! Gute Nacht!" ....

Sie wandte sich ab, um ihm das plötzliche Zucken ihrer Lippen zu verbergen. Mit einem jähen Ruck riß sie sich los und eilte den Kies­weg hinab, der Laube zu, die unweit von dem Observationsposten Hügels lag. wo sie sich auf eine Bank warf.

Weller rief ihren Namen und starrte ihr überrascht nach, er wollte ihr folgen, besann sich aber und wandte sich mit einer unmutigen Schwenkung, um in das Landhaus zurückzu- kehren. War es nur das fahle Mondlicht, was sein Gesicht mit einer so unheimlichen grünlichen Bläffe übergoß? Er sah nicht mehr zurück, sah jedenfalls nicht was Leopold von seinem Versteck aus jedoch sehr wohl sah daß Marie in der Laube die Hände vor's Gesicht gedrückt hielt und zum ersten Male seit langer Zeit bitterlich weinte ....

Hügel lehnte sich an seinen Baumstamm

und biß die Zähne aufeinander. Mit Schreck und Schmerz hatte er die Szene zwischen Weller und seiner Braut belauscht. Was war das, was da in feinem Herzen so mächtig ausstieg, sich wie ein wachsender Feuerball ausdehntc. daß er schier seine Brust zersprengte? Er glaubte sie längst eingesargt zu haben, seine Liebe, meinte dieses Gefühl erstickt und ausgerissen zu haben und jetzt empfand er erst, wie rasch die blutenden Wurzeln wieder in die Höhe schossen vielleicht durch den Tau jener Thränen belebt, die Marie dort in seiner Nähe weinte? Er hielt die geballten Fäuste vor die Augen und stöhnte ....

Als er, sich gewaltsam zusammenraffend, aufblickte, entschlossen, diesen Ort möglichst schnell zu fliehen, sah er eine dunkle Gestalt vor sich langsam über den Feldrain gehen. Es war Herr Ferdinand Weller, sein ehemaliger Chef, der die Billa verließ. Hügel stampfte auf den Boden oh, wie haßte er diesen Mann! Er war es ja gewesen. der den ersten Anstoß zu jener Anklage gegeben, die ihn in ihren Kon­sequenzen auf immer elend gemacht halte und er war cs auch, der jetzt Marie als seine junge Gattin am Arme mit triumphierenden Lächeln über das zertretene Herz Leopold's hinschrilt

Weller blieb Plötzlich stehen und sah scharf zum Waldsaum hinüber: er hatte wohl das Ge­räusch vernommen, das Hügel mit der Beweg­ung seines FußeS im raschelnden Laub erweckt hatte. Dann sah er unschlüssig nach dem Garten zurück, wo zwischen dem Geranke der Lauben- wände das Helle Kleid Marien's hervorschimmerte. Ihre Haltung mochte ihn vielleicht beunruhigen, denn er zögerte mehrmals, als wolle er den Schritt wieder zurücklenken, aber endlich entfernte er sich langsam, mit einem Bogen die Ecke des nächsten Hopfengartens umschwenkend, dessen dichtaneinandergereihte. von den grünen Ranken umwundene Stäbe ihn den Blicken des ängstlich lauschenden Hügel entzogen.

Leopold ging nicht, wie er soeben sich fest vorgenommen hatte. Er wollte noch einmal die liebliche Gestalt Marien's schauen, die süße Qual seiner Liebe sich ins Herz prägen, wenn auch seine Vernunft dagegen sprach.

Er bog die Gesträuche auseinander und sah mit feuchtem Auge hinüber nach der Laube. Er faßte schon den niederhängenden Ast eines nahestehenden jungen Baumes, als wolle er sich über die Hecke schwingen, die ihn von der so innig und ach! so schmerzlich Geliebten trennte. Durfte er ihr denn gegenübertreten, so wie er war der entlassene Sträfling? Sie hatte ja gewiß an seine Schuld geglaubt und das Fünkchen Liebe, das in ihrem Herzen vielleicht für ihn aufgeflammt war, längst mit Abscheu erstickt! Und er war doch unschuldig! Oh, was hätte er in diesem Moment dafür gegeben, sie davon überzeugen zu können! Er hätte ja nichts weiter verlangt, als das liebe Wort:Ich glaube Dir!"

Je länger er bei diesem Gedanken ver­weilte, desto heißer wurde das Verlangen in ihm, Marie doch nur ein einziges Mal zum letzten Mal zu sprechen, ihr das zu sagen, was wie ein schweres Geheimnis in seiner Seele brannte, dessen sich zu erledigen der einzig milde Trost wäre, der ihm noch in seinem namenlosen Weh werden könne. Seine Pulse fieberten, sein Gesicht flammte ja, er mußte ihr zu Füßen stürzen, ihr Alles sagen, was er der Mutter hatte sagen wollen, mochte daraus entstehen, was da wollte!

Marie!" rief er halblaut hinüber, zaghaft und flehend.

Sie fuhr zusammen und blickte auf, mit vorgebeugtem Oberkörper nach der Stelle hin­horchend, von woher dieses Wort zu ihr hin­übergeklungen war. Sie glaubte wohl, sich ge- täuscht zu haben. Und Leopold fand nicht mehr den Mut, seinen Ruf zu wiederholen. Die Finger krampfhaft in das Gezweige der Hecke ge­krallt. stand er da, den Atem anhaltend, den Blick voll Sehnsucht unverwandt auf die teure Gestalt richtend.

Marie erhob sich und trat mit einigen ängstlichen Schritten aus der Laube auf den vom Mondlicht beleuchteten Kiesweg.

Ist Jemand da?" fragte sie mit einer Festigkeit in der Stimme, die ziemlich erzwungen klang. Auf ihrem Gesicht lag eine sehr sicht­bare Furcht.

Marie! Fräulein Sendler . . .!" sagte Leopold stotternd.Sic erkennen mich nicht mehr! Leopold Hügel! ..."

Er stieg über den Zaun und stolperte fast zu ihren Füßen nieder. Sie prallte mit einem Schrei des Entsetzens zurück und preßte die Hände auf die zitternde Brust. Sie wäre un­fehlbar davongclaufen, wenn sie nicht der furcht­bare Schreck an den Boden gefesselt hätte.

Sie?" sagte sie, während jeder Bluts­tropfen aus ihrem schönen Gesichte wich,Sie?

Was wollen Sie da? Mein Gott wo kommen Sie her?"

Aus dem Von jenem Orte, an welchen mich ein unbegreifliches Zusammentreffen un­glücklicher Zufälle gebracht hat. Daß ich dahin kam. war nicht meine Schuld Gott weiß es!

aber man hat mir ein Drittteil meiner Strafe erlassen und das habe ich mir ver­dient. Glauben Sic nicht, Fräulein, daß ich gekommen bin, Jemand anzuklagen nein, ich nehme das mir Widerfahrene schon seit geraumer Zeit mit Resignation hin, ich weiß ja, ich kann's nicht ändern und ich stehe außerhalb unserer vielgerühmten Gerechtigkeit, die ja Anderen viel­leicht wirklich gerecht sein mag lassen wir das! Ich bin auch nicht gekommen, Sie aufzu­suchen, Ihnen auf der Bahn des Glückes, die Sie wandeln, als ein Schreckgespenst entgcgerr- zutreten; nur ein Zufall bringt mich hierher, aber ich kann dem brennenden Verlangen nicht widerstehen, ihn dazu zu benützen, daß ich Sie davon überzeuge, wie unrecht man mir gethan hat. Fürchten Sie nichts Fräulein. ich stehe nicht als Derjenige vor Ihnen, der vor zwei Jahren die süße Hoffnung nährte nein, nein, ich bitte Sie nur um Gnade, mich anzuhören, ich habe keinen andern Wunsch mehr, als daß Sie meiner nicht als eines Verbrechers ge- denken, sondern als eines Unglücklichen, der zu­frieden ist, wenn nur Sie allein von allen Menschen an seine Unschuld glauben und ihm eine leise Regung des Mitleids schenken. Dann schwöre ich Ihnen, ich will Sie verlassen und Sie sollen nie, nie wieder in Ihrem ganzen Leben Gefahr laufen, mir zu begegnen!"

(Fortsetzung folgt.)

Das Meer und seine Opfer. Stolz weht die Flagge schwarz, weiß, rst auf unsern deutschen Schiffen. Ehrfurcht und Achtung ge­bietend schwimmen unsere Kriegsschiffe, Eisen- kolosjen und Festungen gleich, auf dem Wasser­spiegel, um dem Feinde des Vaterlandes die Zähne ihres dräuenden Schlundes zu zeigen ucfd sie bei Bedarf mit den nötigen Granaten, Voll- und Spitzkugeln zu begrüßen. Stattlich und elegant, schnell und stolz segelt die Handels­marine über das Meer, mit schneidigem Bug die Fluten durchfurchend und in ihrem Bauche alle die kostbaren Schätze der Heimat bergend, die mit deutschem Fleiß und deutscher Sorgfalt geschaffen, sich spielend den Weltmarkt erobert haben. Ein besserer, wenn auch blutiger Be­weis für deutsches Können kann wohl nicht ge­liefert werden, als das bisherige Resultat des chinesisch-japanischen Krieges. Aber was nützt aller Fleiß, was hilft alle Sorgfalt, wenn die Arbeit von Jahren, die Millionen verschlungen, in wenigen Minuten zerstört werden kann? Empfindet nicht ein Jeder ein Grauen, wenn cs an das entsetzliche Unglück denkt, das erst vor wenigen Tagen einen unsrer größten Handels­dampfer havarieren ließ und Hunderte von blühenden Menschenleben zum Opfer forderte? Spielt das Schicksal nicht oft zu hart der Menschheit mit? Wie mögen die Unglücklichen mit den Wellen gekämpft haben, wieviel innige Gebete mögen zum Schöpfer gesendet worden sein, um wenigstens die junge Generation dem Leben zu erhalten? Aber unerbittlich ver­schlingt das gewaltige Meer seine Opfer, um ihnen tief, lief unten, unter Tang und Korallen, Fischen und Meeresungeheuern ein feuchtes Grad zu bereiten.