Stuttgart. fLandesproduktenbörse. Bericht vom 21. Januar von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Die Tendenz auf dem Getreideweltmarkt hat sich in der letzten Woche wenig verändert und sind die Offerten trotz niedrigerer Börsenkurse von New-Aork und Chicago nicht billiger, besonders verlangen die Eigner Rußlands noch höhere Preise als die inländischen Müller bezahlen wollen. Die süddeutschen Märkte melden keine Preisänderungen. Der heutige Hopfenmarkt war etwas besser besucht und brachte lebhafteren Umsatz. Es wurden mehrere Posten Mittel- und Primaware zum Preise von 32 bis 80 gehandelt. Wir notieren pr. 100 Kilogr.: Weizen, bayr. 13 4L 50 4! bis 14 4L 25 4, niederbayr. 14 4L 50 dto. la 15 4L 50 4 bis 16 4L 50 Ungar. 17 -4L — russ. 14 4L 25 bis 15 -4L
— La Plata 15 4L — 4 bis 15 -4L 25 Redwinter 15 4L 50 rumän. 15 4L 50 Kernen, Oberl. 14 -4L — 4, dto. I» 14 -4L 75 4, Gerste, Ungar. 17 -4L 75 4 bis 18 -4L 50 4, fränk. 16 -4L 25 4, Nörd- linger 15 -4L 75 -il, bayr. 16 -4L 25 4, Landhaser 10 -4L 60 ^ bis 12 -4L — Albhafer 10 -4L 90 4t, dto. In 13 -4L — 4! bis 13 -4L 30 4», Donaumais 13 -4L — 4!.
— Mehlpreise pr. 100 Kilogramm inkl. Sack bei Wagenladung: Letziwöchentlich.
Anstand.
Paris, 22. Jan. Die Bildung eines Ministeriums Bourgeois ist im letzten Augenblick gescheitert an der anscheinend bereits erfüllten Bedingung, einen Bergleich zwischen Cavaignac, dem Verfechter der Einkommensteuer, und Poincaro, ihrem Gegner festzulegen, der beiden gestattet hätte, im Ministerium zusammcn- zusitzen, und Poincaro insbesondere, sein bisheriges Budget zu verfechten und zu erledigen.
— Bourgeois übernahm auf dringendes Ersuchen des Präsidenten Faure abermals den Auftrag, ein neues Kabinet zu bilden
Paris, 20 Jan. Das Gerücht, Casimir- Perier denke im Jsöre-Departement für das daselbst erledigte Deputiertenmandat zu kandidieren, ist unbegründet. — Großfürst Michael von Rußland ist gestern Morgen hier eingetroffen.
Paris, 21. Jan. Das vom Kriegsminister Mercier kurz vor dem Sturze des letzten Kabinets erlassene neue Avancierungsreglement, welches namentlich die Forderung betreffs des Minimums des Dienstalters aufhebt, hat in Offtzierskreisen lebhafte Erregung hervorgerufen, da dasselbe dem Protektionswesen Thür u. Thor öffne und die Interessen der Mehrheit der Offiziere schädige. Der Oberkriegsrat hatte sich auch gegen den Entwurf des Ministers, welcher dadurch eine Verjüngung des Offizierskorps erreichen will, ausgesprochen; doch legte Mercier den Erlaß dem Präsidenten der Republik am 13. Jan. zur Unterschrift vor.
Paris, 21. Jan. Am Mittwoch scheidet General Galliset. der berühmte Reiterführer bei Sedan, wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem aktiven Militärdienst aus. Ein Antrag auf Beibehaltung des Generals wurde von der Mili, tärbehörde abgelehnt.
Paris, 20. Jan. Als der Exhauptmann Dreyfus gestern mittag in La Röchelte eintraf, sollte er sogleich nach dem Gefängnis der Stadt gebracht werden, um dort vor der Einschiffung Rast zu halten; allein man hatte durch Depeschen aus Paris erfahren, was vorging. und eine dichte Menge umstand schon vor Mittag den Bahnhof und das Gefängnis drohend und heulend. Als die Verwaltung dies sah, ging sie auf den Irrtum ein und verdoppelte die Wachtposten vor dem Gefängnis, behielt aber Dreyfus ans dem Bahnhofe Hier sammelte sich der ganze Janhagel einer Hafenstadt gegen abend an, um alle Bewegungen zu beobachten und darüber zu wachen, daß sein Opfer ihm nicht entgehen könne. Von Zeit zu Zeit ertönten Rufe: „Tod dem Verräter, heraus mit ihm!" Als die Stunde nahte, da die Einschiffung stattfinden sollte, suchte man Dreyfus durch eine Hinterthüre hinauszusühren, allein auch hier war der Andrang schon so groß, daß seine Hüter plötzlich wieder anderen Sinnes wurden und sich dem großen Ausgange zuwandten. Aber hier wie überall wogte eine aufgeregte, durch langes Warten noch mehr gereizte Menge, die mit Fäusten und Stöcken auf den Sträfling losschlug. Auch Soldaten beteiligten sich dabei. Sogar ein Offizier des 123. Inf Reg. versetzte, der „Partrie" zufolge, Dreyfus mit seinem Säbelknauf einen so heftigen Schlag ins Gesicht, daß dasselbe sofort
blutüberströmt war. Die Volksmenge schrie: „Ins Wasser mit dem Preußen!" „Schlagt ihn tot, den Verräter!" Endlich gelang cs, den übel zugerichteten in einen Omnibus zu werfen, der nach dem Hafen La Pallice fuhr, wo die feindlichen Kundgebungen sich erneuerten, bis der Dampfer „Nenuphar", der Dreyfus, heute nur noch eine Bagno-Nummer, nach den Uebcr- gangsstationen der Deportirten brachte, sich vom Lande entfernte. — Dreyfus soll dem Kanzleidirektor des Gefängnisses der Insel de Ro neuerdings seine Unschuld beteuert haben. Wenn man in 3 Jahren seine Unschuld nicht erkannt haben werde, möge man ihm einen Revolver geben, er werde sich sofort eine Kugel durch den Kopf jagen.
Paris, 20. Jan. Wie einzelne Blätter erzählen, hat der Minister des Innern vor kurzem eine große Anzahl von chromolithographierten Porträts Casimir-Pericrs bestellt, die an Acmter und Schulen verteilt werden sollten. Die Porträts welche an 70 000 Frcs. kosten, wurden wenige Tage vor der Demission Casimir-Periers fertig und das Ministerium soll darob in großer Verlegenheit sein, da die Bilder doch jetzt kaum mehr verwendbar sind. — In ähnlicher Verlegenheit befinden sich mehrere Künstler, die in Erwartung einer Auszeichnung für den nächsten Salon Porträts Casimir-Periers gemalt oder dessen mutige Waffcnthat in der Schlacht von Bagneux verherrlicht haben.
London, 18. Jan. Der französische Thronanwärter. Herzog von Orleans, hat an den orleanischcn Senator Buffet ein Schreiben gerichtet, in dem es heißt: „Frankreich durchlebe eine Krisis, deren Gefahren jedermann ins Auge springen. Der Kummer darüber macht die Verbannung noch schmerzlicher. Der vor 6 Monaten gewählte Präsident der Republik giebt seine Entlassung und begründet diese durch ein Schreiben, welches eine Anklage gegen die gegenwärtige Verfassung bildet. Die Nationalversammlung tritt unter solchen Umständen zur Wahl eines Nachfolgers zusammen. Sie sind ein geachteter Führer dieser Versammlung. Sie stehen in erster Reihe als Verteidiger der Ordnung, der Freiheit und der großen sozialen Interessen da. Indem ich mich an Sie wende, spreche ich an alle mir bekannten und unbekannten Freunde im Parlamente und im Lande. Die Republik kann in Frankreich nur ein vorübergehendes Regime sein. Was in diesem Augenblick geschieht, beweist dies abermals. Die Stunde ist nahe, wo das Land wird zurückkehren wollen zu der Form der Regierung, welche der Ruhm seiner jVer- gangenhcit war und die Bürgschaft seiner Zukunft sein wird. Indem die Vorsehung mich zum Vertreter der Monarchie machte, legte sie mir ein schweres Vermächtnis auf. Aber an dem Tage, da mein Land meiner verlangen wird, werde ich in Ihrem Vertrauen und in meiner Hingebung an das Land die Kraft finden, meine Aufgabe ganz und bis ans Ziel zu erfüllen. Mein Leben und Blut gehören Frankreich. dem Frankreich, welches meine Vorfahren groß und geachtet gemacht haben."
Als Inhaber der Firma Felix Faure u. Co. in Have stand, wie die „Neue Fr. Pr." aus Hamburg meldet, der jetzige Präsident der französischen Republik in geschäftlicher Verbindung mit Hamburg. Vor drei Jahren war er persönlich dort, um im Aufträge der Stadt Havre von den Hamburger Hafcneinrichtungen Kenntnis zu nehmen; er war damals der deutschen Sprache nicht mächtig.
Louisville, 21t Jan. Der Dampfer „State of Missouri", von Cincinnati nach Ncw- Orleans unterwegs, stieß gestern unterhalb Alton auf einen Felsen und sank binnen 5 Minuten. 100 Schiffsinsassen sprangen ins Wasser; wie verlautet, seien 37 ertrunken.
New-Dork, 22. Jan. Zwischen den ausständigen Straßenbahnbeamten und dem Militär kam es in Brooklyn zu mehrfachen Zusammenstößen. Viele der Kämpfenden wurden zu Boden gerissen, einige durch Bajonnetstiche verwundet. Vor den Stallungen der Straßenbahn waren Geschütze ausgefahren. Die Bevölkerung begünstigt die Ausständigen durch Geld
und Lebensmittel. Abends wandte sich die Menge wiederum gegen die Wagen. Die Truppen feuerten; die Zahl der Toten und Verwundeten ist unbekannt.
Shanghai, 21. Januar. Die dritte japanische Armee von 25000 Mann, mit Cavallerie und Artillerie, ist in Jung-Tscheng gelandet. Fünfzig japanische Transportschiffe befinden sich in der Bai. Ein vereinigter Land- und Seeangriff auf Wei-Hei-Wei steht uumittel- bar bevor. Wie berichtet wird, befinden sich 11 000 Chinesen in Wei-Hei-Wei, mehrere chinesische Kriegsschiffe liegen unter dem Schutze der Forts vor Anker. Die Beschießung von Tung- Schaufu wurde während des ganzen Samstags durchgeführt. Die chinesischen Batterien schießen gut, trotzdem waren sie gegen Abend durch das schnellere und genauere Feuer der Japaner zum Schweigen gebracht und die Stadt in den Händen der Japaner. Die Beschießung wurde von drei japanischen Kriegsschiffen abwechselnd ausgesührt, während die am Freitag Abend gelandeten 2000 Mann japanischer Truppen ein unaufhörliches Feuer mit ihren Feld- und Maschinenkanonen unterhielten.
Vermischtes.
In Bellersheim bei Hungen wurden Dienstag Nacht zwei Mädchen in ihrem Schlafzimmer durch die auf dem Boden über ihnen aufgespeicherte Frucht und die herunterbrechende Deckeverschütt et. Die ältere Schwester war tot, die jüngere leicht verletzt.
Lembach, 18. Jan. Dieser Tage spielte hier ein Knabe mit einer Nähnadel und verschluckte sie. Bis zur Stunde hat er keine Beschwerden davon.
Aus derSchweiz. Die Wirtshaushocker, meldet das Luzerner „Vaterland", sind in Val d'Julez im Wallis übel dran. Der Gemcinderat hat verfügt, daß sämtliche Schänken des Ortes während des Winters schon von nachmittags 4 Uhr an geschlossen sein müssen. Das wird aber frühe Räusche geben.
Aus der Schweiz, 20. Januar. Das internationale Eiswettlaufen der Lungenkranken in Davos hat am Donnerstag bei günstiger Witterung begonnen. Im Schnelllauf auf 500 Meter Entfernung hat Nüß aus Christiania den Sieg davongetragen. Im Kunstlauf haben Hügel von Wien und Fuchs von München die besten Leistungen aufzuweisen. — Die „Neue Zür. Ztg." berichtet, daß ihr eine voll aufgeblähte Schlüsselblume, die in Zürichs Umgebung am 18. Januar im Freien gepflückt worden war, überbracht worden ist.
sBereinfachung.j „Moses du solltest doch einmal nehmen e' Bad!" — Wie heißt Baden? 's Baden i's mer zu beschwerlich; laß ich mer alle Jahr' emol chemisch reinigen!"
sVerkehrte Anschauungj. A.: „Warum kommt denn der Müller gar nicht mehr in die Kneipe?" — B.: „Ach, den Hab ich neulich angepnmpt und da geniert er sich wahrscheinlich!" — jSchlau.j Die neue Braut: „. . Also morgen Abend treffen wir uns! Werden Sie mich aber auch wieder erkennen, Herr Sergeant?" — Sergeant: „Nun Sie können ja meinetwegen als Erkennungszeichen ein Gansviertel in der Hand halten!"
jAppel.j Prinzipal: Silberstein, was laufen Se immerfort ins Bureau herum? Se heißen doch nischt Quecksilberstein?
Telegramme.
Stuttgart, 25. Jan. In einer gestern abgehaltenen Versammlung des konservativen Vereins Stuttgart wurde einstimmig beschlossen, den Kaufmann KarlMüllerin Firma Werner u. Müller als konservativen Landtags-Kandidaten für die Stadt Stuttgart aufzustellen. Derselbe hat die Kandidatur angenommen.
Budapest, 23. Jan. Die „Budapester Korrespondenz" teilt mit: Die Regierung beschloß, die unerledigten kirchen-politischen Vorlagen noch im Laufe des Januar auf die Tagesordnung des Magnatenhauses zu setzen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.