Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
(Eingesendet zur Landtagswahl.) Calmbach, 21. Jan. Die Kandidatur Bätzner macht hier, soviel die Stimmung zu ermitteln ist, keine nennenswerte Fortschritte; die Art und Weise, wie solche in Szene gesetzt wurde, findet auch hier bei dem unbefangenen Teil der Wählerschaft ebensowenig Billigung wie die Erklärung des Kandidaten im „Enzthäler". in der er über seine Vereinbarung mit dem seitherigen Abgeordneten hinwegzutäuschen sucht; geradezu komisch aber muß bei jedem Wähler der Passus im Bätzncr'schen Programm wirken, in welchem er zur Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher Stellung nimmt, für deren Beseitigung er nur deshalb eintretcn will, „weil ein großer Teil der Wähler sein Heil hierin zu finden glaubt". Hier wird also „der Mantel nach dem Wind gehängt" und dies allem Anschein nach gegen die eigene Ueberzeugung unter gleichzeitiger Verspottung derjenigen Wähler, die die Abschaffung der Lebenslänglichkeit als eine zeitgemäße Forderung betrachten.
** Aus den Waldorten des Bezirks wird bezüglich der bevorstehenden Landtagswahl übereinstimmend mitgeteilt, daß, nachdem unser bis- heriger Abgeordnete Commerell die einzelnen Orte besucht hat, die Aussichten für denselben durchaus günstige sind.
** Aus dem unteren Amt erfahren wir von mehreren Seiten, daß die gestrigen Wahl- Versammlungen sehr anregend verlaufen sind. Herr Commerell habe einen günstigen Eindruck hinterlaffen und am Wahlerfolg werde nicht ge- zweifelt. Commerell und seine Begleiter haben wiederholt versichert, sie wünschen keine be- leidigende Herabsetzung ihres diesmaligen Gegners — als es aber nach und nach zum Durchbruch gekommen sei, wie die Gegnerschaft entstanden sei, so sei die allgemeine Losung gewesen: Ein Mann — Ein Wort.
Wildbad, 22. Jan. (Eingesandt.) Wenn man alle Angriffsartikel gegen den Kandidaten Bätzner genau betrachtet, so muß jedem Anhänger desselben vor Stolz das Herz aufschwellen, denn hohler, einfältiger, nichtssagender und un- wahrer ist noch nichts geschrieben worden; namentlich deshalb nicht, weil man Bätzner im ganzen Bezirk als das Gegenteil von dem kennt, liebt und verehrt, was hierin seine Gegner von ihm zu behaupten sich erdreistcn. O! Die kleingläubigen Pharisäer! Denken sie vielleicht durch ihr Gefasel Bätzner zu schaden? Da täuschen sie sich gewaltig! Ihr Gegner: „Gehet doch hinein in den mittleren und kleineren Bürgerstand und hinaus zu den Landbewohnern, welche außer bei Wahlen das ganze Jahr hindurch für Euch ja nicht existieren und höret, wie dankbar und erfreut die Leute sind, daß sie nun wenigstens eine Wahl haben und zwar eine solche, durch welche sie sich das Großkapital und die Großindustrie vom Halse halten können und Garantie dafür gewinnen, einen Mann aus dem Volk in die Kammer zu bekommen. Höret auch die beiden Kandidaten ihre Ansichten und Programme entwickeln und wenn Ihr nicht verstockt seid, so werdet Ihr sofort finden, wer des Volkes Wohl und Wehe anbringen, verteidigen und begründen kann, und dann werdet Ihr auch begreifen, warum die Wahl so ausfallen muß, wie sie ausfallen wird! — Da hilft Gift und Galle nichts mehr. — Hat vielleicht Bätzner behufs des Stimmenfangs sein Programm abgeändert und ergänzt? Man hat von Seiten der Gegner den Lebenslänglichen von Wildbad schon zu oft bei den Wahlen zur Unterstützung gebeten und ihn hiezu benützt und das Volk hat hiedurch den überzeugungstreuen, warmen und bereden Mann zu oft gehört und in und außer seinem Amte als unabhängigen, für das Volkswohl beseelten Charakter kennen gelernt, als daß es sich von Dragonerstiefeln oder sogar von Biertrinkern einen Bären ausbinden und seinen wahren Freund Bätzner verdächtigen läßt. Wenn sich die Widersacher das Sprichwort zu Nutzen machen wollen: „Schimpfe wacker drau los, etwas bleibt immer hängen," so werden sie sich diesmal sehr täuschen; überall, wo man
hinkommt, geht die Ansicht dahin »Bätzner wird gewählt."
Stadtschulrheiß Bätzner ist ein Ehrenmann und jede Verdächtigung desselben eine Gemeinheit. Unerschrocken hat er als Lebenslänglicher das Wohl seiner Stadt und des Bezirks jeder- eit vertreten. Die Aufhebung der Lebenslang, lichkeit berührt ihn nicht und der seitherige Abgeordnete hat ja durch seine Abstimmung für )ie Pension der Lebenslänglichen der Aufhebung der Lebenslänglichkeit den Stachel wegvotiert. Warum soll es denn Bätzner mit der Aufhebung der Lebenslänglichkeit nicht aufrichtig meinen? Was das Umgeld betrifft, so begründet er die Beseitigung desselben mit so schlagenden Gründen, daß an seinem entschiedenen diesfallfigen Willen nicht zu zweifeln ist. Was die Steuervcrhält- nisfe der ihm anvertrauten Stadt Wildbad und das Verschenken der Jagd daselbst betrifft, so ist dies Sache von Wildbad selbst; die bürgerl. Kollegien in Wildbad werden gewußt haben, warum sie so, wie seither geschehen, handelten.' Ja! Ihr Herren! So ist und bleibt es! Es ist mit Euren Artikeln in unserem Bezirk „Hopsen und Malz verloren". Ehe Ihr aber weiter schimpft und schreibt, leset: Sirach Kapitel 5, B. 16—18. Kap. 6, V. 1 und sodann später Kap 2, B. 4.
Der „Gesellschafter" für Nagold vom 22. ds. enthält folgende Korrspondenz aus Altensteig vom 22. Jan.: „Die Nummer 16 des Beobachters enthielt die Behauptung, daß der Präsident des Schwarzwaldkreises nicht als Abgeordneter für den Oberamtsbezirk Nagold gewählt werden könne, weil nach Z 46 (soll heißen 146) der Verfassungsurkunde Staatsdiener innerhalb des Bezirks ihrer Amtsverwaltung nicht gewählt werden dürfen. Es ist doch recht bedauerlich, daß die Redaktion des Beobachters so wenig Kenntnis unseres Staatsrechts hat. Landgerichtsrat Gaupp sagt über jene Frage in seinem Handbuch des öffentlichen Rechts III. B. S. 130: „Daß die Mitglieder einer Zentral- und Kreisstelle nicht unter die Bestimmung des K 146 der Verfassungsurkundc fallen". Diese Ansicht ist auch von jeher befolgt worden, indem seit vielen Jahren Minister in der Kammer saßen. Bekannt ist auch, daß der frühere Präsident der Regierung des Schwarzwaldkreises sogar in der Kreisstadt m ganz giltigcr Weise zum Kammermitglied gewählt worden ist."
Deutsches Jeich.
Berlin, 22. Jan. Der Reichstag begann heute die erste Lesung der Zolltarifnovelle. Staatssekretär Posadowski begründet die Vor- läge. Die Erhöhung des Aetherzolles auf 125 sei zum Schutze der inländischen Industrie notwendig, weil die Aetherfabrikanten jetzt einen höher versteuerten Branntwein verarbeiten müssen. Die Zollerhöhung für Kakaobutter auf 45 «/L dient zum Schutz der inländischen Chokolade- Jndustrie. Die Zollerhöhung auf Honig und auf Baumwollsamenöl sei nicht durch agrarische Tendenzen veranlaßt Falls die Vorlage schnell erledigt wird, kann das amtliche Warenverzeichnis im April oder Mai erscheinen, was im Interesse des Handelsstandcs äußerst wünschenswert wäre. (Beifall.) Stumm beantragt die Ueberweisung der Vorlage an eine 14gliedrige Kommission, er fordert und begründet eingehend den Quebrache- holzzoll. Von den deutschen Lederfabrikanten hätten sich freilich 1100 dagegen ausgesprochen, 400 aber dafür, und darunter gerade die großen Gerbereien, auch die Schwierigkeit der Einführung eines Quebrachezolles gegenüber den be- stehenden Handelsverträgen scheinen nicht unüberwindbar. Buddeberg spricht sich gegen einen Quebrachezoll aus. Zollerhöhungen seien gefährlich, weil das Ausland uns mit gleichem Maße mißt, wie wir ihm unsere Thore verschließen. Graf Kanitz erklärt sich mit der Vorlage in allen Punkten einverstanden, und bedauert nur, daß dieselbe nicht umfangreicher aus- gefallen sei. (Beifall rechts, Widerspruch links.) Andere Länder machen mit ihrem Zolltarif was sie wollen, beispielsweise erhöhte Rußland kürzlich die Baumwollzölle, wir müßten dasselbe thun. Redner verweist auf die Schädigung der Naturbutterproduktion durch die Margarine-
fabrikation und die Zollgesetzgebung. Kröber (südd. Volksp.) spricht sich gegen die auf Bau- und Nutzholz bezüglichen Vorschläge aus und befürwortet Kommissionsberatung. — Nächste Sitzung Mittwoch l Uhr Beratung der Initiativanträge zur Gewerbeordnung.
Berlin, 22. Jan. Die Geschäftsordnungs- Kommission des Reichstages verständigte sich dahin, daß alle in den ersten zehn Tagen der Session eingebrachten Anträge als gleichzeitig eingebracht angesehen werden sollen. Ueber die Reihenfolge der Beratung entscheidet der Senioren» konvent.
B c r l i n , 20. Jan. Mit der Umsturzvorlage geht es verzweifelt langsam vorwärts» und es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob die der Vorlage nicht günstig gesinnten Par- tcien alles daran setzten, um die Angelegenheit nach Kräften zu verschleppen. Wenn sie dabei die Unterstützung der Sozialdemokraten finden, so ist daS nur natürlich, und diese bleiben voll-
> ständig in ihrer Rolle, allen anderen Parteien sollte doch aber daran gelegen sein, diese Sache so oder so zu erledigen. Solange sie nicht beseitigt ist, bietet sie allen anderen Verhandlungen ein arges Hemmnis, grade so wie die Frage wegen Stärkung der Disziplinargewalt, die ebenfalls erledigt werden muß. ehe der Reichstag frei aufatmen kann.
Berlin, 21. Jan. Die Meldung englischer Blätter, für kommendes Frühjahr stehe eine Zusammenkunft der leitenden Staatsmänner der Dreibunds st aalen bevor, ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg." hörr, unbegründet.
Für das Hauptquartier des Kaisers ist der „Post" zufolge von der Reichsdruckerei eine Felddruckerei eingerichtet worden, die aus vier eigens erbauten Wagen, zu deren Vorspann je zwei Pferde erforderlich sind, besteht. Ja zweien der Wagen befindet sich das schriftmaterial, in einem eine Handdruckpresse und in einem vierten ein Schreibtisch, der zugleich zum Aufbewahren der Schriftstücke dienen kann. Die Druckerei soll, wie es heißt, im Manöver und im Kriegsfälle Verwendung finden, damit die dort erlassenen nötigen Befehle gleich vervielfältigt den einzelnen Truppenführern zugehen können.
Die alte Fahne, die 1867 dem Reichstage von den Deutschen in New Orleans geschenkt worden ist und im alten Reichstage über dem Präsidentensitz hing, hat nunmehr im neuen Reichstagshause ihren Platz erhalten. Sie schwebt in dem Kuppelrauin der Wandelhalle am Eingänge zum Sitzungssaal.
Dresden, 16. Jan. Einer an seinem Arbeitsplatz pfeifend vorüberziehenden Militär- Abteilung rief ein Arbeiter zu: „Pfeift doch l einmal den Sozialistenmarsch!" Der Mann . wurde auf Antrag des sächsischen Kriegsmini-
> steriums wegen Beleidigung von Mitgliedern . der bewaffneten Macht wegen jener Aeußerung
> verfolgt und vom hiesigen Landgericht gestern ! zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt.
Bruchsal, 21. Jan. Letzten Mittwoch . wurde dahier an vier Stellen versucht, Häuser ! in Brand zu stecken. Die Polizei soll dem . Brandstifter auf der Spur sein.
1 Ettlingen, 21. Jan. Unsere Stadt wird : in nächster Zeit ein neues Reich sjpo ft gebäude
> erhalten und zwar soll dasselbe aus Mitteln
- der Sparkasse von der Stadtgemeinde erstellt , und an die Post in Miete gegeben werden.
I Württemberg.
> Se. Maj. der König hat die Stelle des
- Ministerialdirektors im Ministerium des Innern i und Vorstands der Oberrcgierung dem Kanzlei- ' dircktor und Vortragenden Rat in dem gen. i Ministerium Regierungsdircktor von Fleisch-
- Hauer übertragen.
> Canstatt, 19 Jan. Im Laufe dieser
> Woche wurde mit der Anlage der Straßen bei
- künftigen Artilleriekaserne begonnen, was s Beschäftigungslosen Arbeitsgelegenheit schafft.
i Hcilbronn. 21. Jan. Für das Oberamt
- Heilbronn ist Oekonomierat Mayer hier von : einer sehr zahlreich besuchten Versammlung von c Vertretern der Landwirtschaft als Landtagskandi- . datur aufgestellt worden.