ist mehr als fraglich, denn diejenigen Herren der bürgerl. Kollegien von Wildbad, die in jener Versammlung in Höfen ebenfalls anwesend waren, und sich für Commerell erklärt haben, hätten ihren Stadtvorstand über die Stimmung der Bürgerschaft ja aufklären können. Ganz abge­sehen hievon aber möchten wir als eine durch­aus irrige Annahme bezeichnen, als ob die Stimmung der Wildbader Bürgerschaft Bätzner von einer gegebenen Zusage entbinden könnte. Uebrigens kann es ja nicht ausbleiben, daß bei solchem Vorgehen auch ungünstige Rückwirkungen auf die Wahlversprechen Bätzners überhaupt sich äußern und am Wahltag wird man dann ja sehen, inwieweit Bätzner sich im Einvernehmen mit seiner Bürgerschaft und der Mehrheit des Bezirks befunden hat.

Ottenhausen, 13. Jan. (Korresp.) Der heutige Sonntag brachte in unser sonst so stilles Dorf mächtiges Leben. Die Freihcils- apostel der Sozialdemokratie beglückten uns mit ihrem Besuche, um unsereHinterwäldlers Köpfe" aufzuklären. Wenn man den mit viel Pathos vorgetragenen neuen Lehren lauschte, so konnte es einem ganz gruselig werden über die Verderbnisse unseres heutigen Geschlechts und ihrer staatlichen Ordnung. Daß Ausnahmcfälle als Regel hingestellt und mit manchemthat- sächlich" unterstützt, gläubig hingenommen wurden, läßt sich bei der Jugendlichkeit und Urteilslosigkeit mancher beifallklatschender Zu­hörer denken. Die vorgebrachten Leiden der Arbeiter- und Landbevölkerung werden von jedem urteilenden Manne ebenso beklagt, wie über Mittel zur Besserung der traurigen Verhältnisse nachgesonnen wird. Nur darf sich die Sozial­demokratie nicht alsRetterin in jeder Not" hinstellen, da jede andere Partei bereit ist, auf dem realen Boden der Wirklichkeit die bessernde Hand anzulegen. Nur das Erreichbare wird erstrebt und zwar nach und nach. Verhältnisse sind nicht so leicht geändert, als sich's die Herren denken. Der Mensch ist keine Maschine, die sich beliebig stellen und richten läßt. Die mit glänzen­der Rednergabe vorgedrachlen neuen Theorien fanden bei den Begleitern des Herrn Proß und einigen Gläubigen rauschenden Beifall. Die kühler Denkenden schüttelten die Köpfe und machten sich ihre eigenen Gedanken.

Calw, 14. Januar. Die Mitglieder des Schwarzwaldvereins hatten sich am Sonn­tag abend sehr zahlreich im Adler eingefunden, um einen Vortrag von Herrn Prof. Haug über Einiges aus der Urgeschichte des SchwarzwaldS" zu hören. Der Redner gab zuerst ein allge­meines charakterisches Bild der Hochgebirge, er­klärte sodann die mutmaßliche Entstehung der Ketten- und Massengcbirge, die Lage der Gesteins­schichten und deren Aufbau, die Abtragung der Schichten und besonders des Jura nach den ein- gehenden Untersuchungen und Forschnngen von Prof. Dr. Branco in Tübingen, die frühere Zusammengehörigkeit des Schwarzwalds mit den Vogesen und erläuterte zuletzt in anschaulicher Weise ein endgültiges Bild über die Entstehung des Schwarzwaldes. Zum Schluß des ebenso lehrreichen wie unterhaltenden Vortrags konnte der Redner den Zuhörern in humoristischer Wendung die beruhigende Versicherung geben, daß der Schwarzwald noch bestehen werde, wenn die Alb schon lange verschwunden sei. Der Vorstand des Vereins, Hr. Oberförster Koch in Hirsau, stattete sodann dem Vortragenden in anerkennenden Worten den Dank der Versamm­lung ab.

Deutsches Aeich.

Berlin, 14. Jan. Der Kaiser nahm heute Vormittag im Rcichskanzterpalais den Vor­trag des Reichskanzlers entgegen.

Berlin. Deutscher Reichstag. Sams­tag, 12. Jan. Umsturzvorlage. Abg. Lerno (Zentr.) wendet sich zuerst gegen die gestrigen Ausführungen des Abgeordneten Sigl und fährt dann fort. Was die Umsturzvorlage anlangt, so bin ich mit meinen bayrischen Wählern durch­aus in Einklang, wenn ich der Verweisung der Vorlage an eine Kommission zustimme. Abg. Spahn (Ztr.): Mich befremdet der Wider­spruch zwischen den Motiven der Vorlage und

den gestrigen Aeußerungen des Ministers von Köller. Wir lehnen die Vorlage nicht grund­sätzlich ab, wir werden sie in der Kommission prüfen und glauben damit dem Wohle des Vaterlandes zu dienen. (Beifall Zentrum.) Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Der bis­herige Gang der Verhandlungen läßt mich hoffen, daß die Bedeutung des Gesetzentwurfes vom Reichstage gewürdigt wird. Die verbündeten Regierungen sind überzeugt gewesen, daß es für sie eine Notwendigkeit sei. Mit der Einbringung dieser Vorlage sei lediglich dem Wunsche weiterer Kreise der Bevölkerung, welche sich bedroht glauben, Rechnung getragen worden. Wir wollen einen Schutzwall der höchsten Güter des Lebens gegen alle Angriffe, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Auf dieser Grundlage befindet sich die Vorlage und stellt das Mindestmaß alles dessen dar, was nach den Ansichten der verbündeten Regierungen zu dem eben erwähnten Zwecke ge­fordert werden muß. (Beifall rechts.) Es ist nicht die Absicht der Vorlage, der freien Mein- ungs-Aeußerung, sondern die Form, in welcher sie stattfindet, soll das Strafbare sein. Vor allem ist des angestrebten Schutzes bedürftig, der Glaube, der uns heilig ist und ebenso wie Ehe und Familie gegen Angriffe gewisser Art gesichert werden soll. Freilich ist damit die Aufgabe der verbündeten Regierung den gegneri­schen Agitationen gegenüber nicht erschöpft. Sie wird erfüllt durch politische Maßnahmen geeig­neter Art. Es verdient in dieser Beziehung hervorgehoben zu werden, daß seit dem Bestehen des Reiches keine Reichstagssession vergangen ist, ohne daß gesetzgeberische Maßnahmen zu Gunsten der arbeitenden Klassen getroffen wurden. In dieser Fürsorge für die arbeitenden Klassen sind wir von keinem anderen Lande der Wett über- rroffen; dieser Weg ist auch nicht verlassen worden und wird auch in Zukunft weiter ver­folgt werden. Der Kampf, welchen die Staats- regierung führen will, ist nicht ein Kampf gegen politische Gegner, sondern der Kampf gegen das internationale und soziale Verbrechen. Ich bin überzeugt, daß die Mittel, welche die Regierung zur Führung dieses Kampfes fordert, die Zu­stimmung des Volkes sowie des hohen Hauses finden wird. (Bravo rechts.) Abg. Leuschner (Rcichsparlei) spricht für die Vorlage. Es sei die höchste Zeit, gegen die gefährlichen Einflüsse der Sozialdemokratie mit aller Energie vorzu­gehen. Nur dadurch, daß man in Gemeinschaft mit der Regierung entweder auf dem Wege der Gesetzgebung oder sonst mit Gewalt allen solchen Bestrebungen entgegentrete, könne das Vaterland gerettet werden. Abg. Frohme (Soz.) wendet sich zunächst gegen die Rede des Abg. v. Stumm und führt aus: Wie konnte Herr v. Stumm behaupten, daß wir die anarchistischen Verbrechen glorifizieren (Lachen rechts.) Wir versuchen wohl die anarchistische Bewegung und die Beweggründe der anarchistischen Verbrechen zu verstehen, aber wir verherrlichen sie nicht. Der Anarchismus ist so alt wie der Gegensatz der sozialen Interessen. Man sagt, die Sozialdemokratie wolle das Eigen­tum und Kapital abschaffen. Das ist unrichtig. Die Sozialdemokratie fordert gerade die Hcrgabe des Kapitals. Durch die Drohung mit dem Sandhaufen kann der Kriegsminister nicht das retten, was die Vorlage bestimmt. Die Rede des Herrn v. Köller war für sein hohes Gehalt eine sehr schwache Leistung. Kriegsminister Bronsart v. Schellendorf: Ich bin über­rascht von der Erregung, in welche der Vorredner durch meine neulichen Worte versetzt worden ist. Da er mich sachlich nicht widerlegen kann, greift er mich persönlich an. Wenn die Herren künftig ihre Angriffe auf die Arme unterlassen, so will ich ihnen die Angriffe auf meine Person gerne gestatten. Unterlassen Sie diese Angriffe und ich verspreche Ihnen, auf Angriffe gegen meine Person maßvoll verbindlich, nötigenfalls auch deutlich zu sein. Mini st er desJnnern v. Köller nimmt die Polizeibcamten gegen die Verdächtigungen des Abg. Frohme, daß sie Ver­brechen anstiflen, in Schutz. Abg. v. Buchka (Kons.) führt aus: die Handwerker hätten viel mehr Grund zur Unzufriedenheit wie die Arbeiter, vielmehr als diesen müßte daher der Staat den Handwerkern in ihrem Kampfe gegen die Groß-

Jndustrie und den Landwirten zu Hilfe kommen. Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Auer wird die Vorlage an eine 28er Kommission verwiesen. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr: Interpellation über den Schutz der Deutschen im Ausland.

Berlin, 14. Febr. Der Reichstag er­ledigte zunächst eine Reihe von Rechnungssachen durch Verweisung an die Rechnungskommission. Darauf begründet Abg. Dr. Hasse (nat.) die Interpellation betreffend den Schutz der Deut­schen im Auslande und weist auf die Erklärungen des vormaligen Reichskanzlers Grafen Caprivi gelegentlich der Unruhen in Chile hin, wonach Deutschland nicht genug Schiffe habe- Staats­sekretär des Auswärtigen Amtes Frhr. Mar­schall v. Bieberstein erklärt, den Vorwurf, daß die auswärtige Politik des Reichskanzlers Grasen Caprivi ein fortwährendes Verneigen vor dem Auslande gewesen sei, müsse er entschieden zurückweisen. Der Staatssekretär giebt zu, daß das Nationalgefühl der Deutschen im Auslände gestärkt werden müsse. Es wäre fehlerhaft, einen Systemwechsel eintreten zu lassen, daß es heiße: Du bist klein und ich bin groß". Der Ver­treter des Reiches im Auslunde müsse sich immer als Endziel Vorhalten, daß sein Verhalten dem allgemeinen Wohle entspreche, nach dem allge­meinen Völkerrecht. Beim Schutz der Deutschen im Auslande bedürfe es einer Prüfung in jedem einzelnen Falle.Wir wollen keinen politischen Einfluß in fremden Landen, sondern volle Neu­tralität; wir können niemand schützen, der sich in innere Kämpfe eines Landes einläßt. Redner bespricht alsdann eingehend die einzelne Fälle in den einzelnen Ländern und fährt dann fort: Die Regierung wird stets bedacht sein, den Deutschen jeden Schutz zu gewähren, den das Völkerrecht zuläßt, und Beschwerden gewissenhaft prüfen " (Lebhafter Beifall.) Ein Antag auf Besprechung der Interpellation findet nicht die erforderliche Unterstützung. Die Angelegenheit ist damit erledigt. Auf die von dem Abgeord­neten Heyl begründete Interpellation betreffend die reichsgesetzliche Einrichtung von Handwerker­oder Gewcrbekammern führt Staatssekreklär von Bötticher aus, die Regierung habe stets die Notwendigkeit der Organisation des Handwerks anerkannt, könne jedoch gegenwärtig noch nicht mit einem Gesetzentwurf vor den Reichstag treten. Die Meinungen, namentlich bezüglich des Zunft­zwanges , seien noch nicht geklärt. Er stimme mit dem Vorredner wegen Errichtung von Hand­werkerkammern überein, in denen auch die Gegner der Zwangsorganisation zu Worte kämen. Die Regierung werde kein Mittel unversucht lassen, um dem Handwerk den goldenen Boden wieder­zugeben, den es zum Schaben des Reichs ver­loren. (Lebhafter Beifall.) Die Besprechung der Interpellation wird auf morgen 2 Uhr vertagt.

Berlin, 13. Jan. Der Reichstag hat gestern mit großer Mehrheit nur die Sozial­demokraten und die beiden volksparteilichen Gruppen stimmten dagegen die Umsturz­vorlage an eine Kommission verwiesen, die jedenfalls ein hartes Stück Arbeit vor sich haben wird. Einzelne Bestimmungen der Vorlage sind, wie nur auf wenigen Seilen geleugnet werden dürfte, zweckmäßig und annehmbar, andere da­gegen rufen durch ihre Dehnbarkeit Bedenken hervor. gegen welche eine Abhilfe leichter ge­wünscht als herausgefuuden sein wird. Als ein wirklicher Uebelstand muß cs bezeichnet werden, daß in den soeben beendigten Reichstagsvcrhand- langen in der Angelegenheit außer dem Reichs­kanzler sowie dem Staatssekretär dcs Reichs­justizamts, der ein vorzüglicher Jurist, aber kein wirksamer Redner ist, nur preußische Minister das Wort zur Verteidigung der Vorlage er­griffen haben. Zum Vorsitzenden derUmsturz­kommission" so nennt man kurzweg den Aus­schuß des Reichstages zur Vorberatung derUm­sturzvorlage" ist Dr. Bötticher (nat.lib.), zum stellvertretenden Vorsitzenden Freihr. von Stumm (Reichspartci) gewählt. Die Kommis­sion tritt am Donnerstag Vormittag zu ihrer ersten Sitzung zusammen.

Berlin, 14. Jan. DerReichsanzeiger" schreibt: Die Reichsschuldenverwaltung sichert