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bar sein Portefeuille dem Präsidentenstuhl in der Kammer vor. — Sehr ärgerlich sind die Franzosen über die plötzliche Abberufung des ital. Botschafters in Paris. Rebmann. Der italienische Ministerpräsident hat nämlich die Botschafter in Paris. London und Petersburg abberufen und begründet die Maßregel damit, daß dieser Diplomatenschub schon seit 8 Monaten geplant sei; aber während die beiden anderen Botschafter nur versetzt werden, soll Reßmann ganz außer Verwendung gestellt werden, und es ist keine Frage, daß Crispi mit ihm deswegen unzufrieden war, weil er den Franzosen gegenüber bei verschiedenen Anlässen nicht energisch genug auftrat. Der ganze Diplomatenschub bedeutet einen neuen Erfolg Crispis bei König Humbert. — Die italienische Deputiertenkammer soll noch in diesem Monat aufgelöst werden und die Neuwahlen dürsten wahrscheinlich im März erfolgen. — Im französischen Senat wurde Ehallemel Lacour mit l69 von 179 Stimmen zum Präsidenten wieder gewählt.
London, 9. Jan. Die Abendblätter veröffentlichen ein anderweitig noch nicht bestätigtes Gerücht, wonach Londoner Anarchisten einen höheren französischen Polizeibeamten ergriffen und unter Androhung von Gewalt gezwungen hätten, gewisse Staats-Angelegenheiten zu enthüllen.
Infolge berauch auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz eingetretenen Kälte scheint der dortige Krieg einigermaßen zum Stillstand gelangt zu sein. Die Japaner wollen zwar von einem Waffenstillstand nichts wissen und auch der japanische Ministerpräsident hat in dem am Dienstag wieder zusammengetretenen Parlament erklärt, es sei notwendig, daß das Parlament alle dringlichen Forderungen fortbcwillige. Allein, es läßt sich nicht verkennen, daß die Chinesen sich zu einem zäheren Widerstand aufgerafft haben und die Wintermonate eifrigst zu neuen Rüstungen, Festungsbauten und Waffenanschaff ungen ausnützen. Der offizielle (chinesische Friedensunterhändler ist bereits nach Japan abgereist, und man wird wohl binnen Kurzem erfahren, was für Friedensbedingungen die Ja- paner überhaupt stellen.
Wien, 9. Jan. In ganz Oesterreich, Ungarn und Oberitalien finden fortdauernd starke Schneefälle statt. Die Temperatur sinkt. In vielen Städten ist die Verproviantierung fast unmöglich.
Algier, 9. Jan. Der Sturm ist stärker geworden; in Nemours wurde ein Teil der Deiche vom Meere fortgespielt. In der Provinz Oran herrscht starker Schneefall.
Ajaccio, 9. Jan. Hier herrscht andauernd starker Sturm.
vermischtes.
Berlin, 7. Jan. Witterungsbericht vonRudolfFalb. Entsprechend der vorletzten und letzten Prognose, die eine Zunahme der Niederschläge um den 18. und 29. Dezember in Aussicht gestellt hatten, sind am 19.. 22. (mit starken Stürmen in England und an der norddeutschen Küste) und 29. Maximalbeträge derselben verzeichnet worden. Mit dem 27. begannen die Schneefälle in Süddeutschland und erstreckten sich in den letzten drei Tagen des Jahres mit bedeutender Ausdehnung auch auf den Norden und erreichten am 3. Januar (genau an dem in der letzten Prognose genannten Termine) die größte Stärke und Ausdehnung. Nicht nur in ganz Deutschland, sondern in ganz Oesterreich- Ungarn, in Mittel- und Oberitalien, in Griechenland und in allen Teilen Spaniens, ja sogar in ganz Algerien sielen am 3. und 4. große Schneemaffen. Die ungeheure Ausdehnung dieser Schneesälle erklärt sich aus drei Depressionen, die am 3. Januar den ganzen Kontinent überlagerten uud welche aus südlichen Strömungen, die wir für diesen Termin erwartet hatten, entstanden waren. Diese vereinigten sich am 4. zu einer einzigen südlichen Depression, welche sich vom mittelländischen Meere bis an die Nord- und Ostsee erstreckte. Die in Verbindung damit von uns erwartete Temperatursteigerung ist
nicht eingetreten, weil die Schneesälle schon lief im Süden begonnen hatten, welchen Vorgang wir in den „Neuen Prognosen" erst vom 6. ab in Aussicht gestellt hatten. Erdbeben sind eingetreten am 27. und 28. Dezember in Reggio und Millazzo, am 3. Januar auf Euböa und in Reggio. Messina und Millazzo, wo sie eine neue Panik hevorricfen. Um den 11. Januar, einen kritischen Tag I. Ordnung, dürften sich neuerdings stärkere Schneesälle einstellen; insbesondcrs aber um den 17., wobei im letzteren Falle auch ein Rückgang der Temperatur zu erwarten ist.
Aus der Schweiz, 28. Dez. Sieben Jahre lang unschuldig im Zuchthaus gesessen hat der soloturnische Bürger Viktor Misteli von Aeschi. Auf trügerische Anzeichen und irrtümliche Aussagen hin wurde, wie die „Basler Nachr." erzählen, der Aermste im März 1881 schuldig erklärt, am 4. Oktober 1880 sein Haus angezündet zu haben, und zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren verurteilt, die er auch vollständig abgesessen hat. Erst vergangenen Sommer bekannte sich ein gewesener Mietsmann Mistelis, ein Xaver Stampfi, der bald darauf starb, als Urheber der Brandstiftung, worauf eine Revision des Prozesses folgte, die vor dem Schwurgericht in Solothurn mit der nachträglichen Freisprechung des unschuldig Verurteilten endigte. Für seine Entschädigungsansprüche wurde der hart geprüfte Mann an den Zivilrichter gewiesen.
Die chinesischen Generäle. Zu den geschlagensten Männern des scheidenden Jahrhunderts gehören die chinesischen Generäle, und es ist nichk ohne Wert, über diese Helden etwas Näheres zu erß-chren. Der Berichterstatter der „Times" in TiemTstn schreibt:
Die chinesischen Generäle sind ein Stück Altertum. Man kann kaum glauben, daß es so etwas noch in unserem Zeitalter geben kann. Dem Wesen nach sind sie eigentlich Armee-Unternehmer. Wie die bürgerlichen Mandarinen lausen sie ihre Posten als Kapitalsanlage Der General bezieht eine bestimmte Pauschsumme von der Regierung, und damit hat er alle Ausgaben für das Bataillon oder Lager zu bestreiten. Seine Ersparnisse hängen nur von seinem Gewissen ab, ob er die Präsenzliste fälscht oder seine Mannschaften betrügt. Nach der Schlacht bei Pjöng-jang halten viele Soldaten drei, vier oder fünf Monate keinen Sold bekommen. Einige Generäle rechneten daraus, daß im Kriege viele fallen würden, sie also dann nicht so viel zu zahlen hätten. Der berüchtigste Sünder in dieser Beziehung ist General Wei, die Berühmtheit von Pjöng-jang. Wei hatte nur die Hälfte der Truppen, für welche er Sold bekam. Und die Truppen, die da waren, bestanden zumeist aus unausgebildeten Kulis, die in die Stellen von Fahnenflüchtigen geschoben wurden. Diese Kulis wollen natürlich nicht ihre Haut zu Markte tragen. Aber Wei hatte gewissen einflußreichen Leuten viel für sein Kommando gezahlt. Fahnenflucht wird im allgemeinen von einem chinesischen General nicht als Unglück betrachtet. Freilich haben es nicht alle chinesischen Offiziere nur auf's Geldmachen abgesehen. Einige sind freigiebig mit ihren Geldern, gerade so wie einige tapfer und loyal sind uns ebenso brave und loyale Soldaten haben. Die Tüchtigkeit eines Kontingents hängt lediglich von der Person seines Generals ab, und wie es in feudalen Zeiten war, fühlen die Truppen mehr Anhänglichkeit an ihren Führer, der sie geworben hat, als an die Regierung oder ihr Vaterland. Wie der Führer so die Mannschaft. General Tso-Kwei zum Beispiel, dem die Ehre des Kampfes bis zu seinem Tode zufiel, war vielen Ausländern bekannt. Missionäre und alle übrigen hatten die beste Meinung von ihm. Er war nicht nur tapfer, sondern liebenswürdig und wußte sich die Zuneigung aller, die mit ihm verkehrten, zu erwerben. Der General war selbst ein Mahamedaner, und so bestanden seine Truppen auch sämtlich aus Mohamedanern. Leib an Leib standen sie in der Schlacht gegen eine überwältigende Uebermacht.
(Einkochen erfrorener Aepfel.) Die erfrorenen Aepfel erfüllen der Hausmutter Herz mit ganz besonderer Wehmut, da sie von den Früchten noch einen ziemlichen Borat hatte und diesen in Gedanken bis ins späte Frühjahr reichen sah. Die Aussicht auf all die schönen Apfelspeisen hat der Frost nun vernichtet. Hier ist ein sofortiges Einkochen der Aepfel zu empfehlen, da man sie auf diese Weise annähernd ebenso trefflich ausnutzt, als hätte man sie frisch im Voratsraum liegen. Sie brauchen nicht einmal aufgetaut zu werden, sondern werden im Gegenteil in gefrorenem Zustande geschält, da sie durch Auftauen und darauf folgendes Schälen leicht ihre weiße Farbe verlieren. Sie werden gerade wie zu Apfelbrei behandelt und auch nicht mehr Zucker
zugesetzt, als man sonst nehmen würde. Man kocht die Aepfel weich, streicht sie durch und stellt sie — eine zu beachtende Hauptsache — 20 Minuten in kochendes Wasser. Indes hat man kleine, tadellos neue Porzellan- oder Steinguttöpfe mit heißem Wasser gefüllt und läßt dieses in ihnen 15 Minuten kochen, während man den Einfülllöffel hineinstellt. Festes weißes Rinds- nierenfelt läßt man aus, giebt es durch ein Sieb und stellt es wieder auf den Herd, auf dem es eine Viertelstunde kochen muß, ohne Farbe annehmen zu dürfen. Ist dies alles geschehen, so gießt man das Wasser aus den Töpfen, füllt das Apfelmus hinein uud gießt die Oberfläche mit Fett zu. Am anderen Tage muß man Nachsehen, ob sich bas Fett am Rande gelöst hat; ist dies geschehen, so muß man diesen mit neuem» ebenso wie am vorigen Tage behandeltem Fett zugießen. -Man überstreut die Fettoberfläche mit Salz, bindet die Töpfchen mit Papier zu und stellt sie an einen kühlen Ort. Dies Apfelmus hält sich bis zum Sommer, nur muß man jeden angebrochenen Topf ganz verwenden.
(Lehrer: „Unsere Stadt hat sehr viele Brücken; wozu dienen wohl diese Brücken?" — Jakob: „Damit der Fluß darunter durchgehen kann".) — („Die Arche ist wohl voll", rief ein Elegant, in den Pferdebahnwagen springend: „Nein", erscholl es aus dem Innern, „es fehlt noch der Esel.") —(Lehrer: „Sag Du mir doch einmal Fischer, was für Haare hatten die alten Deutschen?" — Schüler: „Die alten Deutschen hatten — (stockt) — die alten Deutschen hatten graue Haare".) — („Schon wieder muß ich Sie beim Betteln erwischen? Wenn Sie doch einmal das Sprüchwort beherzigen wollten: Arbeit macht das Leben süß!" — Bettler: „Ja Herr, aber ich bin kein Freund von Süßigkeiten!") — (Erster Herr: „Ich hörte, Du willst nach Afrika reisen?" Zweiter Herr: „Freilich, aber auf dem Kameel, welches diese Nachricht verbreitet hat.")
(Kasernenhofblüte.) Unteroffizier: „Jetzt kommt der Kerl schon wieder in einem so ungeputzten Zustand daher! Für Sie wär's auch besser gewesen, Sie wären statt zum Militär, in's National-Museum geschickt worden! Da würden Sie doch wenigstens abgestaubt!" — (Kascrnenhofblüte.) Unteroffizier (erklärt den neuen Einjährigen, wie der Rock sitzen muß): „Also, der unterste Knopf sitzt ungefähr auf dem Nabel." —Einjähriger: „Bei mir nicht. Herr Sergeant!" — Unteroffizier: „Na, dann sind Sie eine Mißgeburt!"
Telegramme.
Berlin, 10. Jan. Ueber die an der Westseite des neuen Reichstagsgebäuües anzubringende Inschrift schreibt der „Reichsanz.", der leitende Architekt habe bei dem Konkurrenz- Projekt die Inschrift „Dem deutschen Volke" gewählt, bei der Ausarbeitung des Bauplanes aber diese Absicht zunächst nicht weiter verfolgt. Bei den mannigfachen Veränderungen der Westfa§ade wäre von der Inschrift zeitweise nicht mehr die Rede gewesen. Als die Frage in der Baukommission wieder verhandelt worden, seien verschiedene Vorschläge gemacht worden, ohne Anklang zu finden. Die Entscheidung habe man ausgesetzt. Die Frage der Inschrift werde in der unmittelbar bevorstehenden Sitzung der Reichstagsbaukommission auf der Tagesordnung erscheinen. Die Entscheidung des Kaisers sei in dieser Frage nie angerufen werden. Eine Allerhöchste Willensäußerung sei bisher nicht ergangen.
Bestellungen
auf den
Gnzthklrr
für das I. Vierteljahr 1895
wollen noch bei den Postämtern und Postboten gemacht werden.
Habt Mitleid mit den hungernden Vögelein; sie vergelten Liebesgaben tausendfach.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.