an die hohe K. Generaldirektion der Staats­eisenbahnen richten mögen, da dies der einzig richtige Weg ist, den Zweck zu erreichen, denn erst auf Grund eines schriftlichen Gesuchs bei genannter Behörde kann die Sache in Behand­lung und event. auch durch persönliches Eintreten unseres Landtagsabgeordneten unterstützt werden.

Calw. 8. Jan. Ein schönes Fest durste die hiesige Metzgerinnung gestern begehen : Die Einweihung des neuen Schlachthauses auf dem Brühl Von Stuttgart, Weilderstadt, Pforzheim, Nagold und der näheren Umgebung waren so viele Fcstteilnehmer erschienen, daß der schön arrangierte Festzug eine stattliche Aus­dehnung annahm. Den Zug, der nachmittags um I Uhr beim Rößle begann und sich durch den Marktplatz und die reich beflaggte Leder­gasse auf den Brühl bewegte, eröffneten die Söhne und Töchter der Metzger. Ihnen folgten frisch und froh die sauber ausschenden Metzgers­burschen, mit auserlesenem, bekränztem Schlacht­vieh. Der städtischen Musikkapelle, welche heitere Märsche anstimmte, schloßen sich die Metzger­innung, die geladenen Gäste, die Kollegen und viele Handwerker von hier, sowie Geschäftsleute von auswärts an. Die Einweihung des Ge­bäudes bestand in der Besichtigung der Räume und der in Betrieb gesetzten Maschinen. Ueber dem Eingang war folgende Inschrift zu lesen:

Nach Sorgen, Müh' und Schwierigkeit

Zieh'n heute wir hier ein;

Auch ferner sei die Einigkeit

Wahlspruch der Fleischerei!

In dem nördlich gelegenen Flügel befindet sich der größte Raum im Gebäude, welcher zum Schlachten von Großvieh dient. Die Zahl der Aufzüge gestattet in demselben das Schlachten von 9 Stück zumal. Von hier tritt man in den Schlachtraum für Kleinvieh, 2 hier aufgestellte Kessel dienen zum Brühen der Schweine. Für den Dampfkessel mit Dampfmotor und für eine Fleischhackmaschine ist je ein weiteres Lokal ver­wendet. An diese stoßen an ein kl. Comptoir und 2 Räume zum Aushauen und Verwiegen von Fleisch. Eine Treppe höher befinden sich 3 hohe schöne Zimmer mit Küche und weiteren kleineren Gelassen, welche von dem Schlachthaus- Verwalter bezogen werden sollen. Ein besonderes Gebäude enthält 2 Stallräume für Groß- und Kleinvieh. Wird dieses Gebäude von außen, d. h. außerhalb des Schlachthaushofes, betreten, so gelangt man in eine große Helle Waschküche. Hier kann Wäsche mittels Dampfes gekocht, ge- walken und nachher durch die Centrifuge aus­geschleudert werden. Es darf nun alles große und kleine Schlachtvieh (Ochsen, Stiere. Farren, Kühe, Rinder, Kälber, Schweine, Schafe, Hüm­mel, Ziegen) sowohl von den Metzgern als von Privatpersonen vom 7. Januar 1895 an bei Strafvermeidung nur im Schlachthaus geschlachtet werden. Um 2 Uhr nachmittags versammelten sich etwa 120 Personen im Bad. Hof zu einem frugalen Mittagsmahle. Während desselben gab Metzgerobermeister Ziegler einen Rückblick auf die Ausführung des Baues. Stadlschultheiß Haffner brachte der Metzgerschaft die Glück­wünsche der Stadt dar. Metzgermstr. Fischer überbrachte die Grüße der Stuttgarter Fleischer­innung. Er freue sich vernehmen zu dürfen, daß die Interessen der hiesigen Metzgerschaft gefördert werden durch Leute an der Spitze der Stadt und des Oberamts. Mit dem Anklang, daß es nicht überall so sei, brachte er ein Hoch aus auf die Stadt Calw. Metzgermstr. Häußer- mann von Stuttgart dankte für den herzlichen Empfang, der ihnen bereitet wurde und sprach seine Freude über die schöne Schlachthausanlage aus. Er empfahl gemeinsames Zusammenstehen, wie es auch die norddeutschen Kollegen in Ge­wohnheit hätten, dann werde er im Gewerbe bald besser sein. Hr. Georgii sou. bezeichnete den Schlachthausbau als einen Markstein in der Geschichte der Stadt Calw und hob den Nutzen solcher baulichen Unternehmen für weite Kreise hervor. Mit einem Ball, wobei sich Alt und Jung bis zu später Stunde erfreute, endigte das wohlgelungene Fest. (N. d. C. W.)

P f o r z h ei m, 10. Jan. DerFrkf. Z." wird aus Hanau geschrieben: Unter Hinter­lassung bedeutender Schulden und Mitnahme vieler Juwelen ist der Juwelier Schröder in

Baden-Baden durchgcgangen. Auf seine Festnahme ist eine Belohnung von 400 »fL aus­gesetzt. Der hiesige Platz wird durch Schröders Flucht geschädigt.

Deutsches Aeich.

Berlin, 9. Jan. Der Kaiser hielt am gestrigen Herrenabend einen mehr als zwei­stündigen Vortrag über die Entwicklung der verschiedenen Marinen und gab eine glänzende Schilderung der Schlacht am Jaluflusse. Machen Sie Bismarck, dem Begründer unserer Kolonial- polirik, zu seinem 80. Geburtstag die Freude, die für die Flotte geforderten notwendigen Sum­men zu bewilligen. Bei der Tafel saß Präs, v. Levetzow rechts, der Abg. Graf Hompesch (Zentr.) links vom Kaiser. Der Kaiser äußerte auch, das Fehlen der InschriftDem deutschen Volke" auf dem Reichstagshause sei nicht seine Schuld, er habe davon erst durch die Zeitungen Kenntnis bekommen.

Berlin, 10. Januar. Das Staats­ministerium trat gestern nachmittags 2 Uhr unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe im Reichstagsgcbäude zu einer Sitzung zusammen.

B e r l i n , 9. Januar. Reichstag. Der Reichskanzler ist anwesend. Der Antrag Auer über Einstellung des Strafverfahrens gegen Sladthagen wird angenommen gegen die Stimmen der Konservativen und Freikonservativen. Darauf wird die Beratung derUmsturzvorlage fort­gesetzt. Das Wort ergreift zuerst der Abg. Stumm. Derselbe erklärte, die sozialdemokra­tische Partei bleibe revolutionär, sie habe den deutschen Anarchismus geboren und stets anar­chistische Thatcn verherrlicht. Die Sozialdemo­kratie sei nur durch Gewalt^zu unterdrücken. Er hätte, wenn es au"-ihn angekommen wäre, das Gesetz schärfer gemacht, den Sozialdemokraten das Wahlrecht entzogen. Wer die Sozialdemo­kratie nicht bekämpfe, mache sich verantwortlich für Ströme Bluts, wodurch die Bahn alsdann führen werde. Besser wäre statt der Vorlage ein Ausnahmegesetz gewesen. Die Arbeiter müssen gegen die sozialdemokr. Ausbeuter geschützt werden. (Beifall rechts.) Gröber (Zentr.) hebt die Leistungen der Arbeitdrversicherungen hervor, währen- die Sozialdemokratie nichts gethan habe. Gewalt richte nichts aus. Die Wirkung muß von innen kommen. Die Stellung des Zentrums zur Vorlage ist durch die frühere Haltung zum Sozialistengesetz gegeben. Ec beantrage Ver­weisung an die Kommission. Die Bestimmungen seien einfach zu unbestimmt. Sind denn die Jesuiten schlimmer als die Umstürzler, welche doch des gemeinen Rechts teilhaftig sein sollen? Redner beleuchtet verschiedene aus der Unbe­stimmtheit der Fassung des Gesetzes notwendig erwachsende Schwierigkeiten und bemängelt das Bcschlagnahmerecht der Polizei. Er erwähnt die Verteidigung der Selbsthilfe des Generals Kirchhofs durch den preuß. Kriegsminister, gegen welchen nach der Vorlage durch seinen Kollegen, den Justizminister, Bestrafung beantragt werden müßte. (Heiterkeit.) Ich lasse keine Scheide­wand in der Strafwürdigkeit ziehen zwischen den das Volk vergiftenden Professoren und den Arbeitern, welche die praktischen Konsequenzen aus deren Vorträgen ziehen. Der Staatssekr. , der Justiz Nieder ding erwidert. Nach den Schlußworten des Vorredners dürfte der Kamps sich auf dem Wege der inneren Hcrzensüberzcug- ung vollziehen. Aus diesem Wege befänden sich die Regierungen schon seit Monaten. Redner polemisiert weiter gegen einzelne Ausführungen Gröbers und spricht andererseits seine Freude darüber aus, daß das Zentrum sich bereit erklärt hat, mit der Regierung das Gesetz eingehend in der Kommission zu beraten. Er versichert wieder­holt, daß der Regierung die Schaffung besonderer Belästigungen völlig fern liege. Die Regierung wolle lediglich den Schutz der Ordnung; das Gesetz sei keineswegs gegen die Arbeiter gerichtet. Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen. Es folgen noch einige persönliche Bemerkungen der Abg. Frhrn. v. Stumm und Gröber. Auf eine Anfrage bemerkt Abg. Singer, die Ge­schäftsordnungskommission, werde sich am Freitag mit der Frage der Erweiterung der Disziplinar- besugnisse des Präsidenten beschäftigen. Nächste

Sitzung morgen 1 Uhr. Tagesordnung: Fort­setzung der heutigen Beratung. Schluß 4'/, Uhr.

Berlin, 9. Jan. Dem Reichstag ist der Gesetzentwurf betr. die Aenderung der Gewerbe­ordnung zugegangen Derselbe enthält 17 Ar­tikel. Die Berliner Korrespondenz meldet: Eine Verfügung des Ministers des Innern vom 29. Dezbr. v. I. weist die Polizeibehörden auf die Notwendigkeit einer raschen Erledigung der von den Staatsanwaltschaften und den Straf­gerichten an sie gestellten Ersuchen hin.

Freiburg. 28. Dez. In heutiger Sitzung des Bürgerausschusses wurde einstimmig be­schlossen. die Fahrstraße von dem mitten im Bergwald reizend gelegenen St. Ottilien nach dem Hirzberg und dem Jmmenthal fortzusetzen und so mit der Schloßbergfahrstraße zu verbinden. Ls wird künftig ermöglicht sein, eine Rundfahrt durch das Dreijamthal über St. Ottilien und die prachtvollen dortigen Waldungen nach dem Schloßberg und durch das Jmmenthal hinab zur Stadt zu unternehmen. In der Sitzung wurde auch mitgeteilt, daß die mit einem Auf­wand von 100000 ^ beschlossene große Fahr­straße auf den Schauinsland rüstig im Bau voran­schreite und im Jahre 1896 werde eröffnet werden könne. (Man steht aus dieser Mitteilung, daß anderswo für Verkehrsstraßen große An­strengungen gemacht werden. Die Red.)

Württemberg.

Voll, OA. Göppingen, 9. Jan. Am Samstag wurde hier dem Joh. Georg Hilden­brand, Zimmermann, der achte Knabe (von 10 lebenden Kindern) getauft. Auf erstatteten Bericht übernahm der König die Patenstelle und beauftragte mit seiner Stellvertretung den gegenwärtig in Bad Voll sich aufhaltenden Ge­neral v. Bullinger. Der Knabe erhielt die Namen Wilhelm Emil.

Geislingen, 7. Jan. Geh. Kommerzien­rat Siegle, Stuttgart, hat den Angehörigen der Württb. Metallwarenfabrik eine Stiftung im Betrage von 60000 zugewiesen. Dieselbe soll den NamenSieglische Stiftung" kragen; die Zinsen sind zu Beiträgen an Kranke und Erholungsbedürftige bestimmt.

Nürtingen, 3. Jan. Trotzdem der Hohen- neuffen gegenwärtig mit einer fast 1 Mtr. tiefen Schneedecke versehen ist, wurde derselbe beim Jahreswechsel von zahlreichen Touristen besucht. Am 30. und 31. Dezember waren es zumeist Neuffener Naturfreunde, welche den mühsamen Aufstieg nicht scheuten, um vom Gipfel des Berges aus den Anblick einer herrlichen Winter- landjchafl zu genießen. Am Sylvesterabend wurde nachts 12 Uhr ein prächtiges Feuerwerk mit bengalischer Beleuchtung auf der Ruine ab­gebrannt. Auch vier Stuttgarter Turner, welche den Sylvesterabend auf dem Hohenneuffen zu- bringen wollten, fanden sich ein. Gestern früh machte Prof. Keßler, Vorstand der Turnlehrer­bildungsanstalt mit 20 Obergymnasiasten aus Stuttgart einen Turnmarsch von Nürtingen auf den Hohenneuffen und von da ins Lenninger Thal.

Dürrmenz-Mühlacker, 7. Jan. Eine gestern im Gasthaus zur Kanne gehaltene Ber- ! trauensmännerversammlung der Volkspartei war nur schwach besucht. Der schon von der letzten Versammlung aufgestellte Kandidat, Brauereibes. Rieger aus Maulbronn, war nicht anwesend und hat endgiltig abgelehnt. Da im Bezirk sonst keine passende Persönlichkeit zu finden ist, soll der Versuch gemacht werden, den Redakteur des Beobachters, Schmidt in Stutt­gart, zur Annahme der Kandidatur zu bewegen.

Horb, 5. Jan. In Eutingen hat bei der Bürgerausschußwahl nicht ein Mann abge­stimmt. Endlich ist die Wahl dort noch zu stände gekommen, indem bei der angeordneten Nachwahl der Polizeidiener abstimmte und ein­stimmig 6 Bürger für den Ausschuß wählte.

Ausland.

Die französische Deputierten-Kammer wählte wiederum Brisson ohne Gegenkandidaten mit großer Mehrheit zu ihrem Präsidenten. Der Marineminister Faure hat eine Kandidatur gegen Brisson nicht angenommen und zieht soffen-