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Deutsches Weich.

Wir binden uns gewissermaßen zwischen Thür und ngel im Jahr, und dieser Zeitab­schnitt zwisen Weihnachten und Neujahr pflegt wenigstens für die innere Politik immer ziemlich ufruchtbar zu sein. So ist es auch diesmal, dm der letzte kurze Zeitabschnitt des Jahres 1»4 hat in Bezug auf die inneren Angelegeleiten so gut wie gar keine neuen Nachricht- von größerem Belang gebracht, soweit es sich u das rein politische Gebiet handelt. Vorausfttlich wird erst mit dem am 8. Jannar erfolgen!« Wiederzusammentritte des Reichs- tages nh Ablauf seiner Weihnachtsferien dieser fast idylfch zu nennende Zustand sein Ende finden.

De Neujahrsempfang am kaiser- lichenhofe in Berlin wird sich auch dies­mal inÄllgemeinen in den hierbei hergebrachten Formel vollziehen. Unter anderem werden, wie üblich, ie kommandierenden Generäle des Reichs- hceresem allerhöchsten Kriegsherrn zum Jahres- wechsewiederum ihre Aufwartung machen. Auch sieht >an am Kaiserhofe zum Neujahrsfeste aber­mals >em Besuche verschiedener Bundesfürsten entgexn.

-er Reichskanzler Fürst Hohenlohe wird, wie Berliner Meldungen bestimmt ver- sicher, dem Fürsten Bismarck nn Laufe der nächen Tage den schon wiederholt angekündigten Besch in Friedrichsruh abstatten.

Berlin, 29. Dez. DiePost" meldet untk Vorbehalt, an den Kaisermanövern des nackten Herbstes nähmen voraussichtlich das Gadekorps und das II. (pommersche) Armee- kors teil.

Mannheim, 29. Dez. Der stetige Be- glcter und Adjutant des Majors Wißmann, Di Bumiller von hier, hat sich mit der Tchter des Maschinenfabrikanten und Kom- mrzienrats Heinrich Lanz verlobt. So sind di beiden unzertrennlichen Afrikaner jetzt glück- liyunter der Haube". Major v. Wißmann will mit seiner jungen Gemahlin augenblicklich i, Monte-Carlo. Auch Stanley und Ge- nahlin weilen jetzt dort.

Nürnberg, 27. Dez. Das Salzstreuen 'er Straßenbahn (bekanntlich das beste Mittel pr raschen Schneebeseitigung) hat den Magistrat wiederholt beschäftigt. Neuerdings ist von einem städtischen Oberingenieur angeregt worden, dieses Streuen auf den Brücken zu verbieten. Es war hierbei darauf hingcwiesen worden, daß in Berlin ein solches Verbot bestehe. Der Magistrat hat beschlossen, noch weitere Erhebungen darüber zu pflegen, ob die Brückenkonstruktionen durch das Salzstreuen leiden.

DieErrichtung eines Aussichtsturmes auf dem Schlachtfelde von Gravclotte ist jetzt gesichert, nachdem das Baukapital durch den Zuschuß des abgegangenen Statthalters auf über 11000 vIL angewachsen ist. Das erforderliche Grundstück ist von der Gemeinde Rozerieulles unentgeltlich abgetreten worden. Die Einweih­ung des auf 30 ni Höhe festgesetzten Turmes steht für den 25. Jahrestag der Schlacht von Gravelotte in Aussicht.

Württemberg.

Stuttgart, 29. Dezbr. Einen neuen Beweis für die Notwendigkeit von Schutzgesetzen gegen den unlauteren Wettbewerb lieferte ein Hutgeschäft, das sich kürzlich unter der Firma »Ille trotz LnZIisImitzn" (die 3 Engländer be­stehen aus einem Norddeutschen) in der Marien­straße hier aufgethan hat undecht englische Filzhüte" zu -4L 3.15 verkauft, nachdem es sich mit ganz pompösen Inseraten wieHie troe LnZIisllineii, was werden sie leisten, was werden siebringen? Abwarten!" angekündigt hatte. Die englischenHüte" sind deutsches Fabrikat. Der Verkäufer hatte, wie es scheint, noch keine Ahnung von dem neuen, seit 1. Oktober in Wirksamkeit getretenen Gesetz zum Schutz der Warenbezeich­nungen, welches in H 16 bestimmt:Wer fälsch­licher Weise Waren mit dem Namen eines Ortes versieht, um über dessen Wert und Herkunft einen Irrtum zu erregen, desgleichen wer der­artige Waren in den Verkehr bringt und feil

hält, wird mit Geldstrafe von 150 bis 15 000 Mark bestraft" und in den weiteren ZZ, daß das Gericht auf Vernichtung solcher Waren, sowie auf Veröffentlichung des Urteils auf Kosten des Verkäufers und überdies auf eine Buße zu Gunsten der Geschädigten erkennen kann. Auf Antrag des Württ. Schutzvereins für Handel und Gewerbe wurde eine große Anzahl solcher mit englischen Stempeln ver­sehener Hüte mit Beschlag belegt und das Straf­verfahren gegen den Verkäufer eingeleitet.

Urach. Unserer Stadt wurde Heuer ein strahlendes Weihnachtsgeschenk zu teil. Am 23 ds. abends wurde nämlich das von der Maschinen­fabrik Eßlingen errichtete hiesige Elektrizitäts­werk in Betrieb gesetzt. Die Zahl der bis jetzt gezeichneten Flammen beträgt annähernd 800. auch sind etwa 30 Pserdekräste für Motorenbe­trieb angemeldet. Das Gebäude, an der Elsach gelegen, wurde nach dem Entwurf des hiesigen Overamtsbaumeisters Graser von Werkmenter Streich auf Rechnung der Maschinenfabrik Eß­lingen in der kurzen Zeit von zwei Monaten ausgeführt. Das Werk hat nur Dampfbetrieb; in 5 Jahren wird cs in den Besitz der Stadt übergehen.

Alten steig. 27. Dez Nach alter schöner Sitte wurde auch Heuer wieder am heiligen Abend von älteren Knaben ein Fackelzug den südlich unserer Stadt hinziehendenHallcsberg" entlang ausgesührt, dessen Anblick, besonders von der oberen Stadt aus, ein sehr anziehender war.

Von de» Geld- und Warenbörsen.

Stuttgart, 27. Dez. Die Stille der Feiertage und der Uttlmotermin, welcher in einzelnen Spekulations­papieren, namentlich in Montanwerten und Bahnaktien einen Stückeüberfluß aufwies, wirkten in der abgelaufenen Woche lähmend auf das Geschäft der Geldbörsen, be­wirkten aber gleichwohl nur bei ganz wenigen Papieren einen Preisdruck, weil, wie wiederholt an dieser Stelle ausgeführt, die großen Aktienbanken die in ihren Schränken verwahrten Papiere zu möglichst hohen Kursen in ihre Jahresbilanz einzustellen wünschen. Der Geldstand hat keine weitere Versteifung erfahren; der Privatdlskont in Berlin erhält sich auf 1V»°/o- Die Getreidemärkte zeigten eine schwankende Haltung; trotz des stillen Geschäfts sind aber die Preise etwas im Anziehen begriffen. Bon den Baumwollmärkten ist aus der abgelaufenen Woche nur wenig zu berichten, da die Märkte seit letzten Samstag geschlossen waren. Die allgemeine Tendenz ist aber nach wie vor matt und sowohl die Baumwollspinnereien als die Webereien klagen auch bei ihren Fabrikaten über das stockedne Geschäft. Die Zucker- und Kaffeemärkte, welche ohne­dies seit Samstag geschlossen sind, bieten heute keinen Anlaß zu einem Bericht.

Marktpreise.

Neuenbürg, 29. Dezember.

Butter, V- Kilo.-4L 1 . 1.10

Landeier, 1 Stück 8 Kisteneier 7 ^j.

Pforzheim, 29. Dezember.

Land-Butter >/r Kilo.-4L 1.101.20

Süßrahmbutter.-4L 1.251.30

Land-Eier, 2 Stück.1518

Kisteneier, 2 Stück.1315

Stuttgart, 29. Dezember. Süße Butter, Kilo . . . . 1.101.20

Saure Butter, Vr Kilo.-4L 1.00

Frische Eier, 10 Stück.75

Kalkeier, 10 Stück.65

Ausland.

Ex-König Franz II. von Neapel ist am Donnerstag in Arco in Südtyrol, wo er zum Besuche des Erzherzogs Albrecht weilte, ge­storben. Der Verstorbene war der letzte König beider Sizilien und geboren am 16. Januar 1836. Am 8. Januar 1859 vermählte er sich mit Prinzessin Marie Sophie Amalie von Bayern und noch im gleichen Jahre am 22. Mai, folgte er seinem Vater Ferdinand II. in der Regierung nach. Dieselbe wurde von Franz II , der gänz­lich unter dem Einflüsse der Jesuiten stand, in äußerst engherzigem Geiste und absolutistischem Sinne geführt, so daß es in seinem Lande bald zu bedenklichen Gährungen kam. Am 4. April 1860 brach endlich die Revolution in Sizilien aus, die durch das Eingreifen Garibaldis schon nach wenigen Monaten den Verlust der Insel für die Bourbonen herbeifühne. Auch auf dem Festlande ging es mit der Sache Franz II. rasch abwärts, zuletzt in Gatzta von den Truppen Viktor Emanuels eingejchlossen, mußte er sich hier am 13. Februar 1861 mit den Resten seiner

Truppen ergeben; schon vorher, am 21. Oktober 1860. halte sich die Bevölkerung des Königreiches beider Sizilien durch allgemeine Abstimmung für den Anschluß an das neue Königreich Italien entschieden. Seit seiner Entthronung residierte Franz II. meist in Rom, später (seit 1870) vor­wiegend in Paris.

In Italien wird es nun doch noch zur Auflösung des Parlamentes kommen. Crispi soll die Zustimmung der Krone zu diesem Schritt bereits in der Tasche haben; es heißt, der formelle Sessionsichluß werde am 4. Januar, die Aus­lösung am 20. Januar, die Vornahme der Neu­wahlen im April 1895 statlfinden. Als einen Vorläufer des herannahenden Wahlkampfes in Italien kann man das Manifest Cavollittis gegen Crispi betrachten. Die Kundgebung des genannten radikalen Abgeordneten greift den leitenden Staatsmann in heftigster und rücksichtslosester Weise an und ist geeignet, einen Vorgeschmack von der Leidenschaftlichkeit zu geben, mit welcher die italienischen Oppositionsparteien den Wahl­kampf vermutlich führen werden.

Rouen, 28. Dez. Vor kurzem wurden von mehreren Uebelthätern an der Außenseite der hiesigen berühmten Kathedrale in einer Höhe von 50 m über 20 Statuetten losgelöst und davon getragen. Die Diebe verkauften diese Statuetten an einen Antiquitäten Händler, der jedoch als er die Herkunft der Skulpturen erfuhr, dieselben unverweilt der Kirchenverwaltung zu­rückerstattete. Die Diebe konnten bisher nicht festgenommen werden.

Die inRußland infolge des Thronwechsels zu erwartenden Veränderungen in den Minister» ämtern nehmen jetzt ihren Anfang. Der Zar nahm das vom Minister der Verkehrswege, Kciwoschein, eingereichte Entlassungsgesuch an; über den Nachfolger Kriwoscheins ist noch nichts bekannt.

Der Krieg der Holländer gegen die Balinesen aus Lombok gilt als beendigt. Der Generalgouverneur von Indien hat die Expe­dition nach Lombok für aufgelöst erklärt; der rebellische Rajah von Tamjany, Silang, ergab sich der holländischen Regierung.

Lonoon, 29. Dez. Einer Meldung der Times" aus Odessa zufolge, werden die russischen freiwilligen Kreuzer un nächsten Jahre angesichts des japanischen Kriegs ihre Fahrten zwischen Odessa und Wladiwostok ungewöhnlich früh beginnen. Statt wie gewöhnlich 4 Kreuzer, werden 10 und un Herbst weitere 6 Kreuzer eingestellt werden, um die russische Besatzung m Ostasien um 10000 Mann zu verstärken.

Peking, 29. Dezbr. Kun g-Tschau- Schuan (ein Bruder des chinesischen Gesandten in London) ist unter Anklage wegen Feigheit gestellt worden. Es droht ihm die Todesstrafe.

Der neueste japanische Wasienerfolg auf chinesischem Boden, der Sieg bei Haitjcheng, wird voraussichtlich die Einnahme der wichtigen Hafen­stadt Niutjchuang durch die Japaner zur Folge haben. Von Nuitschuang aus dürften dann die Japaner ihre Operationen mit verstärktem Nach­druck gegen Peking betreiben. Im Süden Koreas machen sich die aufständischen Tonghaks fortge­setzt in bedenklicher Weise bemerklich. So haben sie nicht nur die Städte in Brand gesteckt, son­dern auch Haizu, die Hauptstadt der Provinz Hwangheido, eingenommen, den koreanischen Gouverneur vertrieben und an dessen Platz einen ihrer Häuptlinge gesetzt.

New-Aork, 29. Dez. In Silverlake (Oregon) fand am heiligen Abend eine gutbe- fuchte Versammlung statt, als eine Lampe ex­plodierte und den Saal in Brand steckte: 41 Personen verbrannten,16 wurden verletzt.

Auf den Sandwich-Inseln ist eine Royalistenverjchwörung entdeckt worden, welche bezweckte, die Exkönigin Lilinokalam wieder auf den Thron von Hawaii zu setzen. Biele in diese Verschwörung verwickelten Personen; meistens Engländer, wurden verhaftet, auch beschlag­nahmten die Behörden von Honolulu viele ver­steckt gehaltene Waffen.

Madrid, 27. Dez. Das große Loos in der Nationallotterie im Betrage von 3 Millionen Pesetats gewann der Kaufmann Alareia auf Havana mit der Nummer 8653.