Hlnterhaltender Teil.

Eine Neujahrssage.

Von A. Schilling.

Huh, wie bitter kalt war es draußen. Spiegelblank gefroren Seeen und Teiche, der Schnee lag dicht aus allen Wegen und Stegen und die Bäume glitzerten, als seien sie mit Zucker bestreut. Die Jugend tummelte sich laut jubelnd auf der glatten Fläche und warf sich mit kalten Schneekugeln, oder lief pfeilgeschwind auf Schlittschuhen an einander vorüber. Es war ja gestern erst Weihnachten gewesen, und da galt es die neuen Eisenfchuhe und Schlitten auszuführen und bewundern zu lassen. O ge­wiß, es gab viel gewandte Läufer unter der kleinen Gesellschaft, aber was wollte dies bedeuten gegen einen einzigen fremden Knaben, der alle Uebrigen. auch die schnellsten weit hinter sich zurückließ. Kein Mensch kannte den schönen, blondlockigen Künstler; er flog wie ein Vogel, ja flüchtiger wie ein Gedanke über die unabseh­bare Spiegelfläche des weiten Seees. Voll Be­wunderung folgten ihm die Blicke Aller, und fast scheu wich man ihm aus. Das ging un­möglich natürlich zu, denn die kleinen Füße berührten kaum den Boden, und die großen, blauen Augen sahen träumerisch und ernst in die Ferne, io gar nicht nach Kinder Art.

Wer mag er nur sein!" fragten die Knaben, aus unserm Kreise ist er nicht!"

O, wie ist er so schön!" flüsterten die Mädchen und wendeten verstohlen die Augen nach ihm.

Da geschah es, daß eins der munteren Mädchen ausglitt und heftig zurückfiel. Lachend spotteten ihre Gespielinnen über ihre Ungeschick­lichkeit und liefen eilig an ihr vorüber. Vergeb­lich versuchte die Kleine aufzustellen; ihr Fuß war verletzt, und weinend sank sie zurück in den kältenden Schnee.

Auf einmal saust es rauschend durch die Luft. Ein Schimmern, ein Leuchten, und neben der Weinenden stand plötzlich die schöne Gestalt des fremden Schlittschuhläufers. Er beugte sich liebreich herab und hob die Verunglückte empor, sich freundlich um sie bemühend. Aber Eva, so nannte man die Kleine, hatte sich ernsten Schaden gethan, und ihr Retter nahm sie auf seine Arme und trug sie leicht wie eine Feder und schnell wie der Wind in die ihm bezeichnte nicht ferne Wohnung. Er tröstete und beruhigte sie und führte sie sorgsam in die Arme der entsetzten Mutter. Die Mutter Evas war nur eine arme Witwe und hatte wenig Verkehr mit den reicheren Nachbarn. Der Jüngling aber sorgte für alles Nötige und untersuchte freudig den gebrochenen Fuß. Er legte selbst den Verband darum und ordnete an, was weiter geschehen sollte.

Wer aber bist Du?" fragte Eva und sah mit Thränen der Dankbarkeit in die unergründ­lichen Augen ihres freundlichen Arztes.

Ernst beugte er sich zu seiner kleinen Patientin, und leicht die Locken schüttelnd, sagte er:

Ich bin nicht von dieser Welt, wie Du und alle die Andern. Gott schickt mich nur selten auf Eure Erde. Nur alle Jahr einmal darf ich mich unter Menschen bewegen, unter Schnee und Eis erscheine ich, das ist mein Element.

Eva faltete fromm die Hände.

So bist Du ein Engel?"

Die Menschen nennen mich: das Neujahr!" sprach der Fremde freundlich und beugte sich wieder zu dem kleinen Mädchen und küßte sanft seine Stirn.Ich will Dir zum Heil sein und Dein Glück behüten. Lebe wohl, bis wir uns Wiedersehn!"

Der kleinen Eva verletzter Fuß heilte schnell und glücklich zur großen Verwunderung des alten Chirurgen, der einen schweren Beinbruch konstatierte. Noch ehe der Winter vergangen und der Schnee von den warmen Sonnenstrahlen hinweggeküßt, eilte sie leichtfüßig wie eine Gazelle durch die nahen Wälder an die Ufer des tief­blauen Sees und suchte die Stelle auf, wo sie damals so schmerzlich gefallen und der schöne, rätselhafte Jüngling sie mitleidig auf seine Arme genommen.

Er war spurlos verschwunden, kein mensch­liches Auge hatte ihn je wiedergesehen. In der ganzen Gegend sprach man von ihm mit aber­gläubischer Scheu. Man suchte neugierig Eva auf, um von ihr etwas Näheres zu erfahren, und beneidete sie um dies Glück, ihm so nahe gewesen zu sein. Aber das hübsche, kleine Mädchen war stets sinnig und ernst gewesen und hatte immer lieber allein Feld und Wald durchstreift, als in Gemeinschaft anderer Kinder. Seit jenem Falle auf dem Eise mied sie mehr denn je ihre Gespielinnen und ward immer schwermütiger und träumerischer. Sie war freund­lich und artig zu Jedermann, klagte auch nie über körperliches Leid, aber dennoch bemerkte selbst ihre Mutter, wie die zierliche Gestalt immer schlanker und leichter wurde und wie die Farbe des lieblichen Gesichtchens immer zarter und durchsichtiger erschien.

Der Frühling kam mit seinen duftigen Blüten, der heiße Sommer in aller Pracht brachte Rosen und Nachtigallen und tausend Freuden für die kleine schwärmende Natur­freundin, und Eva saß sinnend unter ihren Blumen und stützte das nochdenkcndc Köpfchen.

Welch' eine Sehnsucht nach Eis und Schnee tauchte auf in ihrer Seele, nach jenen zauber- haften Winterfreuden inmitten des blühenden Sommers.

Bis wir uns Wiedersehen", hatte er gesagt! O, er wird wiederkommen mit Eis und Schnee, und wir werden über den silbernen Spiegel des Sees dahinfliegen, weit fort in ein unbekanntes Land!" seufzte Eva müde.

So entschwand der Sommer, der Herbst streute seine fallenden Blätter über Weg und Steg und rauhe Stürme kündeten den nahen Winter.

Längst schon trugen die zarten Füßchen Evas sie nicht mehr hinaus in die geliebte Natur. Sie lag bleich und geduldig auf ihrem Bette, selbst wie eine welkende geknickte Blume. Ein flüchtiges, glückstrahlendes Lächeln glitt über das durchsichtige Gesicht, als die ersten Schnee­flocken an ihr Fenster vorüberhuschten. Das Weihnachtsfest verging, teilnahmslos für die kleine Kranke, sie war zu schwach, um sich freuen zu können. So kam die Neujahrsnacht mit rauher Kälte und starkem Eis. Immer ruhiger und stiller ward Eva. Da plötzlich in der Mitter­nachtsstunde breitete sie verklärt die Arme aus.

O welch' unermeßlichen Eisfelder!" rief sie entzückt.

Und als der letzte Glockenschlag der Mitter­nachtsstunde verklungen, sank sie entseelt in die Arme ihrer weinenden Mutter.

Der Neujahrscngel hat sie geküßt, darum mußte sie sterben!" sagten die Leute.

Am dritten Neujahrstage trug man die kleine Leiche hinaus auf den nahen Friedhof. Alles war fest gefroren. Nach der Rede sprach der Pfarrer das Vaterunser, und als er die Augen wieder erhob, stand vor ihm eine schöne Jünglingsgestalt, die breitete segnend die Hände über das offene Grab und verschwand im nächsten Augenblick. Aber die Leute hatten es alle ge­sehen, und die Knaben und Mädchen erkannten den wunderlichen Schlittschuhläufer vom vorigen Jahre. Auf dem frischen Hügel aber lag am anderen Morgen ein herrlicher Kranz von den schönsten Rosen, aber sie waren von Eis wie die Blätter und blieben unvergänglich, bis im Frühjahr die ersten milden Sonnenstrahlen sie hinweg küßten, und es erblühte daraus eine volle, schöne schneeweiße Rose, die weithin ihren köst­lichen Duft verbreitete. Sie senkte ihre Zweige und ihre Blätter und man nennt sie noch heute dieTrauerrose" und pflanzt sie gern auf die Gräber geliebter Toten.

Veteranen aus den Befreiungs­kriegen. Wie viele Veteranen aus den Be­freiungskriegen sind noch am Leben? Diese Frage wird (für Norddeutschland) beantwortet durch Bekanntgabe einer bis auf die neueste Zeit fortgeführtenBeteranenliste", die noch 29 Namen mit Wohnort, Geburtsjahr und Beruss- art aufweist. Der älteste der ehrwürdigen Greise ist 103 Jahre alt, der jüngste zählt 97 Jahre.

Ein BerlinerWeihnachtskomit. an dessen Spitze der Generallieut. z. D. Rente, gen. Fink. Vorsitzender des Deutschen riegerbundes, steht, und dem zahlreiche Freund und Führer der Kriegcrvereinssache angehören erläßt einen Aufruf zu einer Sammlung, aus eren Erträg­nis den Invaliden eine Festfreude beitet werden soll. Am nächsten 1. März wi> in Leipzig ein neues großes Rundpanorama e ffnet:Die Völkerschlacht bei Leipzig." An die »ch lebenden 29 Veteranen aus jener Zeit ist di Einladung ergangen, an der Eröffnungsfeier tlzunehmen. Sie erhalten vollständige freie Fahr und freien Aufenthalt. Kommen einige der aln Herren, so dürfte das für Leipzig ein Festt, werden.

Bismarck-Medaillen zum80. Ge­burtstage am 1. April 1895 siden sich gegenwärtig bereits in dem neuesten Mnzkatalog von Julius Hahlo angekündigt. D silberne Medaille zeigt auf der Vorderseite dasgrustbild des Fürsten, auf der Rückseite die aus drei Lorbeerkränzen gebildete Zahl 80 mit d, Zeilen; Es tönt mit hehrem Klang In deutschem Lied und Sang Dein Name fort und fort Du Deutschlands Hort!

I. April. Zum vollendeten 80. Lelnsjahre des Fürsten Bismarck."

Amor ist ein heidnischer Gott, abc auch dieser kleine Schäker stellt gern seine Kiste in den Dienst des christlichen Weihnachtsfestz, wie die grade zur Weihnachtszeit sehr groß Zahl der Berlobungsanzeigen in den Zeüngen beweist. Allein die Wcihnachtsnummc der Köln. Ztg." enthält 49 Verlobungsansigen; das genügt!

sDie richtigen Namen.) Herr: Ihr habt also Zwillinge bekommen, Karlchen? Karhen: Ja, vor acht Tagen. Herr: Wie wrdet Ihr sie denn nennen? Karlchen: Deiner und Doria! Herr: Das sind ja aber rerk- würdige Namen. Karlchen: Ja, Papahat sie aber so genannt, als er hörte, daß siean- gekommen waren. ^Vorsichtig.) Variier: Hier, mein- Kind, nimm meine Brieftasche in Verwahrung, ich gehe heute Abend aus ind möchte nicht so viel Geld bei mir tragen l Gattin: Um Gotteswillen, gehst Du denn in so gefährliche Gesellschaft? Bankier: Nen, nur auf einen Weihnachts-Bazar!

Logogryph.

Das Spiel war aus, die drei mit t,

Die Burschen, die blonden und kecken,

Die sprachen zum Knaben: Fritzchen geh',

Thu' die n. du Wicht

In den s, doch nicht.

Stoß' dich an den n und den Ecken.

Telegramme.

Stuttgart. 30. Dez. In der Arbeiter­halle sprach heute Vormittag der Reichstags­abgeordnete Wilhelm Blos vor einer großen Versammlung über die Umsturzvorlage. Eine von anarchistischer Seite veranlaßte Diskussion verlief ruhig. Die Versammlung erklärte sich in einer Resolution in allen Teilen mit den Ausführungen des Referenten einverstanden. Sie betrachtet die Umsturzvorlage als ein gemein­schädliches, dem Kulturiortschritt widerstrebendes Produkt, welches geeignet ist, die friedliche Ent­wicklung zu hemmen. Endlich verpflichtet sie sich, jetzt schon darauf hinzuwirken, daß bei einer eventuellen Reichstagsauflösung Stuttgart durch einen Sozialdemokraten vertreten wird.

Berlin, 30. Dez. Der frühere General­gouverneur von Warschau, Generalfeldmarschall Gurko, verläßt heute abend Berlin und begiebt sich nach Nizza.

Budapest, 30. Dezbr. Nahezu 3000 Arbeitslose hielten gestern eine Bersackmlung, in welcher in heftiger Weise über die Lage der Arbeiterschaft diskutiert und Franz Kossuth stark' angegriffen wurde, weil durch ihn 150 Arbeiter brotlos wurden.

Mit einer Beilage

von

C. Breitmaher, Generalagent, Stuttgart.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.