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Werte von je 400 -^6, die jedoch im ordnungs­mäßigen Verkauf wohl ihre 1000 »-6 erzielt hätten, herauszuwürfeln. Nach hitzigem Gefechte errang endlich der höchste Treffer mit 63 Augen den Sieg über denjenigen mit 60 Augen. Natür­lich folgte dann auch der üblicheWeinkaufs­trunk" , bei dem es hoch herging. Bald darauf stellten sich aber bei dem Hauptinteressenten bittere Skrupel ein und er gab sich alle Mühe, den Spaß rückgängig zu machen. Allein der glückliche Gewinner ließ sich darauf nicht ein und erwies sich auch jeder Bermittlungsvorschlag als vergeblich.

Straßburg, 5. Nov. Die größte Mäl­zerei in Schiltigheim bei Straßburg ist heute vollständig niedergebrannt. Drei Personen wurden schwer verletzt. Der Schaden beträgt 300000 -,16.

Es wirdjetzt die Staatszugehörigkeit des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe vielfach erörtet. Die alten Stammesbcsitztümer und das durch Napoleons I. Rheinbundcsakte seiner Selbständigkeit beraubte Fürstentum gehört zu den Landesteilen, aus welchen zu Anfang unseres Jahrhunderts dasKönigreich Bayern" zusam­mengesetzt wurde. In diesem Sinne wäre der deutsche Reichskanzler alsBaye r" zu betrachten; wie er denn ja auch erblicher Reichsrat der Krone Bayern ist und bayrischer Ministerpräsident war. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe besitzt aber auch die preußische Staatsangehörigkeit, denn ihm gehört ein Besitztum, Grabow, in der preuß­ischen Provinz Posen; außerdem ist er aber, wie man weiß, von 1842 bis 1845, zuerst als Aus­kultator zu Ehrenbreitstein und dann als Referen­dar zu Potsdam in preußischem Staatsdienste, also auch in preußischer Staatsangehörigkeit ge­wesen, die er im übrigen durch die Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten ipso jure erhalten haben würde. Von Geburt aber ist der deutsche Reichskanzler Fürst Hohenlohe weder Preuße noch Bayer, sondern, wie wir hiermit feststellen wollen, ein Hesse, denn er wurde am 19. März 1819 zu Rotenburg an der Fulda geboren. Dieses Rotenburg liegt etwa halbwegs zwischen Kassel und Bebra, im Gebiete des 1866 in Preußen einverleibten ehemaligen Kurfürsten­tums Hessen. Die Stadt zählt jetzt etwa 4000 Einwohner und war von 1627 bis 1834 Resi­denz der hessischen Seitenlinie Hessen-Rheinfels- Rotenburg. Wie einst um Homer sich zehn Städte, so würden sich demnach jetzt um den deutschen Reichskanzler drei Stämmme: Preußen, Bayern und Hessen zu streiten haben. Der Streit ist aber gegenstandslos, denn der Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat in seinem politischen Leben sich nicht sonderlich darum gesorgt, wie er sich als Hesse, Bayer oder Preuße ausnimmt, sondern sein heißestes Bemühen war, ein guter Deutscher zu sein, und das wird er ja wohl, des darf man gewiß sein, auch als politischer Führer des ge­samten deutschen Vaterlandes bleiben.

Württemberg.

Stuttgart, 5. Nov. An Stelle des zum Staatsrat ernannten bisherigen Bundesrats­bevollmächtigten Präsidenten Stieglitz soll, demSchwäb. Merkur" zufolge, Regierungs­direktor Schicker ernannt werden.

Stuttgart, 6. Nov. Die Ev. Landes­synode genehmigte heute in zweiter Lesung nach einigen redaktionellen Aenderungen einstimmig den Entwurf eines kirchlichen Gesetzes, betreffend die Perikopen-Ordnung. Sodann trat die Ver­sammlung in die Beratung über den Entwurf eines kirchlichen Gesetzes ein, betreffend die Aus­übung der landesherrlichen Kirchen­regime nt srechte im Falle der Zugehörigkeit des Königs zu einer anderen als der cvangel. Konfession. Berichterstatter ist Schad von Mittelbiberach, Mitberichterstatter Lang. In der kurzen Generaldebatte bemerkte Kultusminister Dr. v. Sarwey mit Bezug auf den Kommissions­bericht, daß es sich nicht um ein Kampfgesetz, sondern um ein Friedensgesetz handle, worauf der Berichterstatter Schad erwiderte, daß er das zwar unterschreibe, daß man aber nur für den Frieden sorge, indem man sich auf die Ver- teidigung einrichte. Auch der Mitberichterstatlcr Lang hält Vorsicht für angebracht. Der Ar­tikel 1 des Entwurfs rief, nachdem man in die

Einzelberatung eingetreten war, eine lange De­batte hervor. Zu einer Abstimmung über den Artikel gelangte man heute noch nicht. In seinem ersten Absatz enthält derselbe die Bestimmung über die Zusammensetzung des Kollegiums, auf welches in dem von dem Entwürfe vorgesehenen Fall die Ausübung der landesherrlichen Kirchen­regimentsrechte in der evang. Landeskirche über­gehen soll. Das Kollegium soll bestehen aus drei dieser Kirche angehörigen ordentlichen Mit­gliedern des Geheimen Rats, dem Präsidenten des Evang. Konsistoriums und dem Präsidenten der evang. Landessynode. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag Braun-Lang vor, wonach einer der drei Räte auszuscheiden wäre und an seine Stelle ein von der Oberkirchenbehörde ge­wählter Generalsuperintendent einzutceten hätte, event. aber will der Antrag die drei Räte im Kollegium lassen und als sechstes Mitglied einen Generalsuperintendenten hinzugegeben wissen. Ein Antrag Lechler, der statt des Präsidenten der evang. Landessynode ein von der Synode frei gewähltes Mitglied aufgestellt wissen wollte, wurde während der Debatte zurückgezogen. Die Fortsetzung der Beratung ist auf morgen 9 Uhr festgesetzt.

Stuttgart, 6 Nov. Im k. Hoftheater galt der gestrige Abend dem vortrefflichen Schuh­macher und Poeten Hans Sachs. Den Mittel­punkt der würdigen Feier bildete die Aufführung zweierFastnachtsspiele" aus der eigenen Feder des Gefeierten:Das heiße Eysen" undDer Bauer im Fegfeuer." Die Wiedergabe war eine vorzügliche. Es besteht die lobenswerte Absicht, am Donnerstag die Hans Sachs-Feier zu wiederholen.

Stuttgart, 6. Nov. Heute Vormittag '/,11 Uhr bettelte ein Handwerksbursche in der Schloßstraße. Als er sich durch einen Schutz­mann verfolgt sah, sprang er aus einem Fenster im ersten Stock auf die Straße herab und brach ein Bein, so daß ein Knochensplitter durch das Fleisch drang. Er wurde mittels Sanitätswagens ui das Katharinenhospital gebracht.

Ulm, 5. Nov. Vor 14 Jahren wurden hier zwei Sergeanten, die mit einem Vorgesetzten in Kollision geraten waren, flüchtig und ent­kamen in die Schweiz, wo sie ein Stuttgarter Bekannter mit Geld versah, daß sie nach Eng­land reisen konnten. Dort schlug der eine die kaufmännische Karriere ein und ist heute nach mancherlei Wechselfällen vermöglicher Seiden­händler in London. Der andere, Josef Majer, aus Westfalen gebürtig, ging wieder zurück nach Belgien, bekam eine Stelle bei einer Bahn und dann bei einem Versicherungsgeschäft und ar­beitete sich in letzter Branche derart herauf, daß er heute Chefdirektor der mit Millionen arbeiten­den Aktiengesellschaft Loeioto äo lg, Uoassuraneo internationale in Brüssel ist. Er hat ein Ge­halt von 50000 -^6 und 100 Angestellte unter sich, darunter 70 Deutsche. Um nun den un­besonnenen Schritt, den er vor 15 Jahren ge- than, zu sühnen, und sich von dem ihm an­haftenden Mackel zu befreien, hat er sich vor 14 Tagen beim K. Bezirkskommando hier ge­stellt, allerdings nicht ohne gewisse Garantien, daß nicht die strengste Strafe über ihn verhängt werde. Sowohl der kaiserl. deutsche Gesandte in Brüssel als auch der belgische Minister­präsident haben sich in Stuttgart warm für ihn verwendet. So erhielt er hier, nachdem er eine Nacht, in Landwehrmontur gesteckt, im Festungs­gefängnis zugebracht, die Erlaubnis, im Hotel zu wohnen, durfte dasselbe aber 14 Tage lang nicht verlassen. Gestern hat er sogar, nachdem sich die Erledigung seiner Angelegenheit länger verzögerte, einen 4wöchigen Urlaub nach Brüssel erhalten zur Abwicklung dringender Geschäfte. Nach Ablauf dieser Frist muß er sich wieder hier stellen zur Entgegennahme des kriegsgerichtl. Urteils. Er hofft, daß er nur gelinde bestraft oder von Sr. Maj. dem König ganz begnadigt wird.

Heilbronn, 2. Nov. Vor der Straf­kammer dahier hatten sich gestern 6 Gemeinde­räte von Enzweihingen, OA. Baihingen, zu verantworten. Ein weiterer Gemeinderat und der Schultheiß Hummel von da sind während der Untersuchung gestorben. Die Anklage ging

dahin, die Angeklagten haben am 13. Juni 1893 im Unterpfandsbuch beurkundet, daß eine Frau vor versammelter Pfandbehörde die Erklärung der Solidarhaft zu Protokoll abgegeben habe, während sie in Wirklichkeit gar nicht erschienen war und erst zwei Tage später vor dem Schult­heißen unterschrieben hat. Die Angeklagten be­streiten, das Bewußtsein gehabt zu haben, eine rechtlich erhebliche Thatsache zu beurkunden. Sie haben sich auf die Geschäftskenntnisse und Pflicht­treue ihres Ortsvorstehers verlassen und um so weniger Bedenken getragen, nach ihm zu unter­zeichnen, als derselbe derartige Zeichen von Miß­trauen ungnädig ausgenommen habe. Schon wenn man vor der Unterzeichnung etwas durch- gelcsen habe, sei derselbe äußerst unwirsch ge­worden, und es habe Hierwegen nicht selten Auf­tritte gegeben. Das Gericht erkannte auf Frei­sprechung aller Angeklagten, entließ dieselben aber mit einer eindringlichen Mahnung, künftig­hin ihren Pflichten etwas sorgfältiger nachzu­kommen.

Stuttgart. fLandesproduktenbörse. Bericht vom 5. Novbr. von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Am Getreideweltmarkte hat sich in abgelaufener Woche eine festere Stimmung für Brotfrüchte bemerkbar ge­macht, trotzdem wird nur der nötige Bedarf gedeckt, da der Absatz in Mehl sehr schwerfällig ist. Die süddeut­schen Märkte melden ruhiges Geschäft ohne nennens­werte Preisänderung. Dem heutigen Hopfenmarkt waren ca. 300 Ballen zugefahren, von welchen bei lebhaftem Handel ca. 200 Ballen verkauft wurden. Preise unverändert, prima fest. Wir notieren pr. 100 Kilogr.: Weizen, niederbayr. Ia. 16 -4L 25 bayr, 14 -4L 50 Milwaukee 15 -4L 40 La Plata 13 -4L 75 bis 14 -LL 40 ^j, Kernen, Oberl. 14 -4L 25 1a. 15 -4L 25 Gerste, bayr. 15 -4L 60 4 !, Tauber 16 -4L 25 Ungar. 18 -4L 25 Hafer, Land 11 -4L bis 13 -4L, Alb 11 40 Alb 1a. 13 -4L 50 ^ bis

14 -4L, Donoumais 13 -LL bis 13 -4L 25 Mehl­

preise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.

Ausland.

In der Schweiz hat am Sonntag wieder einmal ein Referendum, eine allgemeine Volks­abstimmung, stattgefunden. Es handelt sich um das Verlangen der klerikalen Partei, aus den Zolleinnahmen der Eidgenossenschaft jährlich 6 Millionen Francs an die Kantone abzugeben, welche Forderung eine Verfassungsänderung bedingt haben würde. Letztere ist indessen bet der Volksabstimmung mit erheblicher Mehrheit, mit 329 000 gegen 140000 Stimmen, abgelehnt worden, womit die Mehrheit der Bürger des Schweizervolkes einen gesunden politischen Sinn bekundet hat, denn die Überweisung einer be­stimmten jährlichen Summe aus den Zollein­nahmen des Bundes an die einzelnen Kantone würde schließlich zu bedenklichen Konsequenzen führen.

Paris, 6. Nov. Der Ministerrat beschloß, der Präsident Casimir-Perier und die Re­gierung sollen bei der Leichenfeier in Petersburg durch eine besondere Abordnung unter Führung des Generals Boisdeffre und unter Begleitung der Admirale Gervais und Sallondrouge de Lamornaix vertreten werden.

Der Krieg Frankreichs gegen Mada­gaskar ist jetzt unvermeidlich geworden. Der französische Spezialgesandte in Madagaskar, Le Myre de Vilers, ist mit seiner Mission bei der Howasregierung, die in Ueberreichung eines Ultimatums bestand. in welchem Frankreich hauptsächlich die unbedingte Anerkennung seines Protektorats über ganz Madagaskar forderte, gescheitert. Dies erhellt aus einem in Paris eingegangenen Telegramm Le Myre de Vilers, wonach seine Bemühungen zu einem Einver­ständnis mit der Howasregierung zu gelangen, vergebliche gewesen sind und er die Hauptstadt Antananarivo bereits wieder verlassen hat. Die französische Regierung wird daher vermutlich schon in den nächsten Tagen einen Extracrcdit für den Feldzug auf Madagaskar von der Deputiertenkammer verlangen, wie es heißt, in Höhe von 30 Millionen Francs. Freilich wird diese Summe nicht allzuweit reichen, denn ein Kolonialkrieg auf Madagaskar ist ein besonders kostspieliges Unternehmen, was die Franzosen selber auch recht gut wissen.

Der Petersburger Korrespondent derKöln. Zeitung" erfährt zur Krankheit des

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