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Breslau, 1. Okt. Aus dem Gerichtsge­bäude in Beu the n (Oberschlesien) stahlen Diebe den Kassenschrank mit 22 000-4L, welchen sie aber wegen einer Störung auf der Straße liegen lassen mußten.

Bamberg, 30. Sept. In der heute hier gehaltenen Hauptversammlung des bayerischen Kanalvereins waren auch Delegierte aus Straßburg anwesend. Der Vorsitzende, Bürger­meister Steidle aus Würzburg, bedauerte lebhaft die im bayer. Landtage erfolgte Ablehnung der Regierungsforderungen von 100000 Mk. zu Vorarbeiten für die Kanalvsrbindung zur Groß­schifffahrt vom Main zur Donau. Die Ver­sammlung schloß sich diesen Ausführungen an und nahm eine Resolution an, welche das uu- entwegte Festhalten an der Ueberzeugung be­tonte, daß im Interesse des Gewerbes und der Landwirlschaft die Ausführung dieser Wasser­straße, insbesondere von Passau bis Aschaffen­burg. mit allen Kräften anzustreben sei. Als Ort der nächsten Versammlung wurde Aschaffen bürg bestimmt.

Aus der Pfalz, 27. Sept. Von welchem kolossalem Umfange die Weinproduktion in der Pfalz ist, erhellt aus dem soeben der Oeffent- lichkeit übergebenen statistischen Teil des Jahres­berichts der Pfälzischen Handels- und Gewerbe­kammer. Nach diesem Bericht betrug die Pro­duktion im Jahre 1893 zusammen nicht weniger als weit über eine halbe Million Hektoliter. Der größte Teil der Weinproduktion kommt übrigens auf die Kantone Dürkheim, Neustadt, Landau und Edenkoben. Was den Tabakbau in der Pfalz betrifft, so ist derselbe von 8856 Hektar im Jahr 1883/1884 zurückgegangen auf 3055 im Jahre 1892/93, also um mehr als die Hälfte. In diesem Jahre aber soll die Anbau­fläche wieder zugenommen haben.

Colmar, 30. Sept. In der verflossenen Nacht ist in den Hochvogesen zum ersten Mal reichlicher Schnee gefallen.

Heppe n h ei m a. d. B., 27. Sept. Ein hiesiges Nähmädchen hatte die üble Gewohnheit, öfter, selbst während des Sprechens, die Nadel in den Mund zu nehmen. Am Samstag hatte das Mädchen das Unglück, die Nadel zu ver- schlucken, dieselbe ging in die Eingeweide. Nach dreitägigemHangen und Bangen in schweben­der Pein" kam gestern die Nadel auf natürlichem Wege wieder glücklich an's Tageslicht. Das ge­prüfte Mädchen wird sich nun sicherlich die be- zeichnete Unsitte abgewöhnen. Andere mögen diese Warnung gleichfalls beachten.

Oberstein, 1. Okt. Heute früh wurde eine ganze Familie, bestehend aus der Anstreichers- Frau Brinkmann. ihrem Vater und zwei Kindern, mit Cyankali vergiftet gefunden. Der Gatte soll unter Mitnahme von Geldern entflohen sein.

Karlsruhe, 28. Sept. Für die Jndustrie- orte des Schwarzwaldes wird jetzt auf Grund einer in Triberg stattgehabten Besprechung eine Zentral-TelepHonleitung vorbereitet und zwar unter wesentlicher Ermäßigung der früher von der Reichspostverwaltung gestellten Vorbe­dingungen. Bis auf 15 Kilometer Entfernung können sich den 5 Zentralen die Nachbarorte bezw. Geschäfte anschließen.

Mannheim, 1. Okt. Ein Metzgerbursche namens Weber hat die Tochter seines Meisters durch einen Revolverschuß aus Eifersucht schwer verletzt und sich dann im Neckar ertränkt.

Aus Baden, 28. Sept. Seit einiger Zeit weilt bei der großherzoglichen Bezirksforstei Stühlingen ein Japaner, vr. korest. Zentaro Kawase aus Tokio, um im Aufträge der japanischen Regierung badische Forstwirtschaft zu studieren.

Der kranke Zar.

Unheimliche Nachrichten sikern aus dem weiten Russenreiche zu uns herüber. Niemand kann sie auf ihre Wahrhaftigkeit prüfen, Niemand kennt ihren Ursprung. Genug, daß sie da sind, daß alle offiziösen Ableugnungen sie nicht mehr zu ersticken vermögen und daß die Oeffentlichkeit ullzu geneigt ist, ihnen Glauben zu schenken. Der Beherrscher des Moskowitischen Weltreichs, flüstert das Gerücht, ist von schwerer Krankheit ergriffen. Noch kennt man das Leiden nicht,

das ihn quält, aber gerade, weil man auf bloße Mutmaßungen angewiesen ist, vergrößert man es, und gieriges Sensationsbedürfnis weiß von immer neuen, immer gefährlicheren Krankheits­erscheinungen zu sprechen. Diese nervöse Hast des russischen Hofes, dessen Glanz und Herr­lichkeit zwar lange schon auf Dynamitminen ruht, der aber bisher seine Unruhe vor den Augen der Welt zu verbergen wußte, das rastlose Hin und Her des Kaiserlichen Lagers, die sich über­stürzenden, sich widersprechenden Reisepläne sie beweisen deutlicher noch als die Berufung medizinischer Autoritäten, daß hinterm goldenen Thron des mächtigen Zaren ein Gespenst lauert, welches Miene zu machen scheint, sich auf sein gekröntes Opfer zu stürzen.

Wohl ward Alexanders III. urkräftige Kon­stitution im Laufe der letzten Jahre erschüttert. Verbrecherische Anschläge auf sein Leben, denen er immer nur mit knapper Not entging, das Be­wußtsein, trotz umfassendster Vorsichtsmaßregeln jeden Augenblick von Mörderhand getroffen zu > Boden sinken zu können, Sorgen und Verdrieß­lichkeiten, welche die eigene Familie dem geplagten Fürsten bereitete, alles das hat sein Nervensystem hart angegriffen.

Alexander III. ist kein Freund Deutschlands, wie es sein hochgesinnter, wohlmeinender, un­glücklicher Vater war. Ohne daß ihm von unserer Seite irgend welch ein Anlaß gegeben war, ja, obgleich ihm der deutsche Kaiser freund­willig die Hand zu engerer Verbrüderung hin­streckte, trat er der revanchelüsternen französischen Republik näher. Die Tage von Kronstadt und Toulon sind unvergessen, sie fachten das gallische Nationalbewußtsein mächtig an,Frankreich hatte wieder einen Freund in Europa, war wieder bündnisfähig geworden." Und wenn zwischen der autokratischen Vormacht des Slaventums und der Republik im Westen auch kein geschriebenes Bündnis besteht, so zweifelt doch Niemand mehr daran, daß unter gewissen Bedingungen die Heere beider Nationen vereint marschieren werden gegen den deutschen Erbfeind.

Denn der Russe, der gemeine wie der vor­nehme Mann, der seit dem Austauchen der pans- lavistischen Idee verworren von einer Weltherr­schaft des Slaventums träumt, haßt Deutschland als das festeste Bollwerk wider die Verwirklich­ung so phantastischer Pläne. Dem Völlerzuge nach Westen, dem althistorischen, stellen wir uns in den Weg; wir weigern und bestreiten dem weißen Zaren die Hegemonie über Europa. Ale­xander III. ist Voüblutrusse. ganz in den Händen der Probjedonoszew und Genossen; rücksichtslos und geschickt russifiziert er die im unterworfenen Lande, die asiatischen Steppen, Merw und das Turkmenenland nicht minder als Polen und die Ostseepropinzen. Das ist unstreitig sein gutes Recht, und der unbefangene Politiker kann eine so thatkräftige, russisch-nationale und gar nicht sentimentalische Politik nur bewundern. Vom Standpunkt des Deutschtums aus aber, mehr noch vom Standpunkt der Kultur aus erscheint Alexanders III. Wirksamkeit unheilvoll, und je aufmerksamer wie seine heißen Bemühungen ver­folgen, das Riesenreich innerlich zu festigen und auszubauen, desto sorgenvoller müssen wir in die Zukunft blicken. Denn den Zaren und seine Ratgeber leitet bei ihren angestrengten Arbeiten nicht der Wunsch, aus einem Barbarenstaat ein ganz europäisches Kulturland zu machen, sie sinnen vielmehr nur darauf, seine Kriegstüchtigkeit, seine Leistungsfähigkeit für den neuen Feldzug zu er­höhen. Rußland ist längst nicht mehr der Ko­loß auf thönernen Füßen. Gewaltige Werke wurden Dank der Thärigkeit des Zaren u. seiner hochbegabten Minister vollbracht, das Land bedeckt sich mit Eisenbahnen, macht sich wirtschaftlich vom Ausland immer unabhängiger Alles für den einen Zweck, Alles zur baldigen Erreichung des panslavistischen Zieles: Europa wie Asien Ge­setze vorzuschreiben.

Ruhig und fest ging Alexander III. bisher seinen Weg, nichts konnte ihn zurückhallen oder beirren, schweigend that er Großes für sein Land und seine Zukunft. Durch die enge Verbindung mit der französischen Republik, die er wahrlich nicht aus Vorliebe für die phrygische Mütze und , die Marseillaise, sondern auf Grund ganz nüchter­

ner Erwägungen einging, zeigte er uns Deutschen, wohin er steuert, Wenn nun Krankheit diesen energischen Willen bricht oder doch lähmt, so dürfen wir nicht ohne Grund darauf rechnen, daß für längere Zeit wenigstens die rastlosen Wühlereien der russischen Kricgspartei ein weniger geneigtes Ohr bei ihm finden. In Rußland ge­schieht nichts ohne den ausdrücklichen Willen des Zaren, und der Leidende wünscht sich Frieden, Ruhe, muß alle aufregenden, aufreibenden Ge­danken von sich fern halten. Im Interesse des Weltfriedens hoffen wir, daß vom schweren Kran­kenlager ein minder rastloser, ehrgeiziger, bedroh­licher Geist aufersteht.

Württemberg.

Stuttgart. Aus Anlaß der bevorstehen­den Weinlese macht die K. Generaldirektion der württ. Staatseisenbahnen Folgendes bekannt: 1) Die Begleitung von Weinsendungcn in Wagen­ladungen durch die Versender, beziehungsweise durch deren Leute ist allgemein zulässig. Diese Begleitung ist auch zugelassen, wenn für ver­schiedene zusammengeladene Einzclsendungen ein gemeinschaftlicher Begleiter gestellt werden will. Der Begleiter hat zutreffendenfalls eine Fahr­karte 3. Klasse zu lösen und Aufstellung im Innern des Wagens, also nicht auf der Platt­form, zu nehmen. 2) Die Güterstellen sind an­gewiesen, zur Vermeidung von Verwechslungen und Verschleppungen nur solche leere und ge­füllte Weinfässer zur Beförderung anzunehmen, welche an beiden Bodenseiten mit weißer Oel- farbe genau gezeichnet sind. Es empfiehlt sich, die zum Versandt kommenden Gebinde womög­lich mit dem vollständigen Namen zu versehen. 3) Im Interesse einer regelmäßigen und raschen Abfertigung wird den Versendern von neuem Wein dringend empfohlen, jeder Auflieferung, wenn thunlich. stets den Frachtbrief beizugeben oder die Gütersteücn bei der Anfuhr wenigstens mit einer Notiz zu versehen, aus welcher zu entnehmen ist, nach welcher Station die Sendung bestimmt ist und ob solche als Einzel- oder als Wagenladungsgut Beförderung finden soll.

Stuttgart, 27. Sept. Die Herdeizieh­ung von Einjährig-Freiwilligen zu Offiziers- Aspiranten (Reserveoffizieren) findet diesmal in ausgedehnterem Maße als früher statt, wie denn auch die einjährig-freiwilligen Unteroffiziere durchaus keine so seltenen Gestalten mehr sind wie früher. Der Grund hiefür ist in dem durch die Truppenvermehrung gesteigerten Bedarf an Offizieren zu suchen. Außerordentlich stark ist auch Heuer wieder die Anmeldung Einjährig. Freiwilliger bei der Artillerie.

Heilbronn, 1. Okt. Die Familie Feyer- abend wurde gestern durch einen Unglücksfall -in tiefes Leid versetzt. Der 20jähr. hoffnungs­volle Sohn stürzte beim Begehen seines Jagd­reviers, wobei sich seine Flinte entlud. Der Schuß ging los und ihm durch den Kopf, so daß sein Tod augenblicklich eintrat.

Reutlingen, 1. Okt. Am Samstag ist nach der Schw. Kreisz. in und um St. Johann reichlich Schnee gefallen; auch aus anderen Orten der Alb wird Schneefall gemeldet.

Göppingen, 3. Okt. Letzten Samstag abend vertilgte ein Zimmermann im Gasthaus zum Deutschen Kaiser hier 14 rote Würste. 10 Paar Seitenwürste, 1 Portion Preßwurst, 1 Portion Schwartenmagen. 8 Brote, 14 Glas Bier und 1 Schoppen Wein.

Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 1. Oktbr. von dem Vorstand Fritz Kreglinger.) Am Getreideweltmarkt waren Brotfrüchte in abgelaufener Woche etwas billiger angeboten, der Konsum deckte nur den nötigsten Bedarf. Die süddeutschen Märkte sind schwach beschickt, Preise ohne Aenderung. Der heutige Hopfenmarkt war mit ca. 100 Ballen be­fahren. Verkauf schlank bei etwas gebesserten Preisen. Es wurden bezahlt: 2025 -4L für geringe Qualität, 3035^L für mittlere Qualität, 4045 -4L für prima Qualität. Nächster Markt Montag 8. Oktober Wir notieren pr. 100 Kilogr.: Landweizen neu 14-44, bahr. Weizen neu 14 -4L 25 Ungar. Weizen 17 -44 50^, Supatoria-Weizen 16-4L, Azima-Weizen 15 -44, La Plata-Weizen 14 -4L 75 Kernen, Oberländer la neu 15 -4L, Ungar. Gerste 17 -4L 50 bis 184L Mehlpreise Pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagen­ladung: Letztwöchentlich. Kleie mit Sack 6