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iaht. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Eine Krankheit ist mit „Erwerbsunfähig, keit" zweifellos schon dann verbunden, wenn Jemand die Arbeit aussetzen und sich Ruhe gönnen muß, um zu verhüten, daß er durch Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes für eine längere Zeit die Erwerbsfähigkeit völlig einbüße, wenn er also der Arbeitseinstellung als eines Mittels zu seiner völligen Wiederher' stellung bedarf.
Dortmund, 15. Aug. Heute ereignete sich hier ein entsetzlicher Unglücksfall. Der Kaufmann Hüllen schoß dem eigenen Sohne, seinem einzigen 8 Jahre alten Kinde, eine Kugel in den Kopf. Als Hüllen einem Bekannten den Mechanismus eines Gewehres erklären wollte, ging den Schuß los und die Kugel drang dem Kleinen in den Kopf.
Koblenz, 16. Aug. Heute wurden hier die ersten reifen Moseltrauben auf den Markt gebracht. Sie stammen aus Dieblich und wurden mit 40 ^ das Pfund bezahlt.
Vom Kaiserstuhl, 15. Aug. Unsere Reben sind prachtvoll entwickelt und trifft man allenthalben schon reifende Trauben an, so daß wir dieses Jahr abermals wieder vor den anderen Gegenden Badens Herbst haben werden. Argen Ausfall haben unsere Reben teilweise in den niederen Lagen aufzuweisen. Auch in der Markgrafschaft, im ganzen Unterland, in unseren Nachbarländern, Württemberg. Elsaß und namentlich in der Pfalz hat starkes Abfallen der Trauben gleich nach der Blüte stattgefunden, aus welchem Grunde die 93er, die wirklich von ausgezeichneter Qualität sind, sehr flott aufgekauft und dadurch ausgeschlagen haben. Die Preise für 1893 sind für Mittelweine 34, 36, 38, 40. Die 100 Liter 1891er und 1892er Weine kosten heute ^ 36, 38, 40, 45, 50, 55; 1887er und 1889er ^ 60, 70, 75, 80 die 100 Liter. Man glaubt, daß wir dieses Jahr bald Herbst bekommen, allerdings nicht so früh wie das letzte Jahr.
Württemberg.
Neue Traubenkrankheit. Seit kurzer Zeit wird in den Weinbergen eine neue Traubenkrankheit beobachtet, welche die schönen Herbstaussichten ganz erheblich zu beeinträchtigen droht. Die befallenen Trauben nehmen eine gräuliche Färbung an, die Beeren schrumpfen zusammen, werden welk und fallen bei leichter Berührung ab. Bei Zerschneiden zeigt sich das Fruchtfleisch in einem bräunlichen, faulig zersetzten Zustand. Die Krankheit zeigte sich anfänglich hauptsächlich an den südlichen und südwestlichen Abhängen des Stuttgarter Thales und erstreckte sich namentlich auf Trollinger und Urban, ergreift nun aber allmählich alle Lagen und fast alle Sorten. In geradezu bedenklicher Weise verbreitet sie sich in Weinbergen, die bis jetzt gar nicht oder nur ungenügend bespritzt wurden. In einer am letzten Sonntag stattge- habten, außerordentlich zahlreich besuchten Versammlung des Güterbesitzervereins wurde die Krankheit und ihre etwaige Bekämpfung auf's eifrigste besprochen. Ob der Schädling mit dem in früheren Jahren aufgetretenen echten Mehl- thau (Oiäium tuckert) identisch ist, erscheint zum mindesten zweifelhaft; wesentliche Merkmale des letzteren, wie z. B. das Aufspringen der Beeren und ihr Festhaften am Stiele, fehlen bei der neuen Erscheinung. Die Frage, wie helfen, kann vor- läufig nur dahin beantwortet werden: nochmaliges schleuniges Spritzen und zwar jetzt mit einer 3prozentigen Kupfervitriollösung und Schwefeln. Versuche mit Bespritzen und Schwefeln der Trauben sind von verschiedenen Seiten ein- geleitet. Möge die Witterung sich bald zum Bessern wenden. (S. M.)
Untertürkheim, 17. Aug. Bezüglich der namentlich in einzelnen Stuttgartern Weinbergen aufgetretenen neuen Traubenkrankheit sind nach den Beobachtungen des K. Weingartmeisters, Gemeindepflegers Warth hier nur vereinzelte Spuren wahrgenommen worden, obgleich zu befürchten ist, daß bei der für die Pilze so günstigen Witterung dieselben in nächster Zeit sich vermehren werden. Eine wiederholte Bespritzung mit Kupfervitriol scheint gegen diese Krankheit
von Erfolg zu sein, da sie in den Weinbergen, die schwach oder gar nicht bespritzt wurden, stärker auftritt als in den gut bespritzten.
Ulm, 16. Aug. Heute früh 8 Uhr wurde die Urne mit den Aschen Überresten des verstorbenen Oberamtsarztes Dr. Häberle auf dem hiesigen Friedhof beigesetzt. Es war nur der engste Kreis von Angehörigen und Freunden versammelt. Eine kirchliche Einsegnung der Leiche war in Wildbad erfolgt vor Ueberführ- ung in das Krematorium zu Heidelberg. Der beabsichtigte Trauergottesdienst auf dem Friedhof in Ulm mußte unterbleiben, weil die bestehenden kirchlichen Verordnungen eine amtliche Funktion des Geistlichen bei der Beisetzung der Aschenüberreste verbieten.
Biberach, 15. Aug. Der Schlossergeselle, welcher das Attentat im Hause des Orgelbauers Scheffold beging. hatte sich in einem Taubenschlag verborgen und ist festgenommen und dem Gericht übergeben worden.
Von den Geld- und Warenbörsen.
Stuttgart, 1k. August. Trotz der anhaltenden Geschäftsstille verkehren die Geldbörsen in ziemlich fester Tendenz, wofür mehrfache Gründe namhaft gemacht werden. Der angebliche Abschluß einer chinesischen Anleihe wirkte günstig auf den Kurs der Banken; Eisen- und Kohlenwerte profitierten unter dem Eindruck günstiger Marktberichte, Italien. Rente aus deren Kurssteigerung an der PariserBörse. Diese Einzelerscheinungen beeinflußten den ganzen Markt; doch sind gegenüber dem Schluß der Vorwoche nur bei wenigen Werten namhafte Kursbesserungen zu verzeichnen. — Die Getreidemärkte verkehrten in äußerst ruhiger Haltung bei kaum veränderten Preisen. Roggen pro August stieg in Berlin von 116.50 auf 117, siel pro September von 118.25 auf 117.75 und pro Oktober von 119.75 aus 118.50, Weizen blieb pro September aus 137.75 und fiel pro Oktober von 139 auf 138.75, Hafer blieb pro August auf 122 und fiel pro September von 117-25 auf 116.50. — Auf den Baumwollmärkte« herrschte in der abgelaufenen Woche eine recht gedrückte Stimmung, und die Preise erfuhren abermals einen Rückgang. — Auf den Zuckermärkten zeigt sich eine weitere Besserung. Die Umsätze sind größer geworden, und die Preise haben weiter angezogen.
Ausland.
In Oesterreich wird gegenwärtig eine allgemeine Beamtenausbefferung geplant. Ob aber dadurch auch der Beamtenstand moralisch gehoben wird, nachdem er so lange Bestechungen, wenn auch nicht ohne zahlreiche Ausnahmen, zugänglich war, bleibt abzuwarten. — Der Kaiser von Oesterreich, gcb. am 18 Aug. 1830, hat am 2. Dezember 1848 den Thron bestiegen und wird deshalb im Jahr 1898 sein 50jähr. Regierungsjubiläum feiern, «schon jetzt beginnen in Oesterreich Vorbereitungen zur Feier dieses Regierungsjubiläums, indem man einen auf das ganze Reich sich erstreckenden Verein gründen will, um durch diesen die bedeutenden Geldmittel zur Gründung von Erziehungsanstalten für Kinder armer Gewerbetreibender und Arbeiter aller Konfessionen zusammenzubringen. — In Lemberg findet zur Zeit eine Ausstellung statt, bei welcher auch die zum deutschen Reiche gehörenden Polen massenweise sich einfinden, um mit den österreichischen Polen über die Ausbreitung des Polentums namentlich auch in den deutschen Provinzen Schlesien und Posen Beratungen zu pflegen.
Das Pariser Schwurgericht hat 27 Anarchisten, welche durch Wort und Schrift zur Propaganda der Thal, d. h. zu Bomben-Atten- taten aufgefordert hatten, freigesprochen. Nur ein Hauptwühler Ortiz hat 15 Jahre Zuchthaus erhalten. Ueber die Freisprechung herrscht in ganz Frankreich begreifliche Erregung. Die Pariser Geschworenen sind offenbar Hasenfüße, welche sich offenbar vor der Rache der Anarchisten fürchten. Nach dem neuen Anarchistengesetz kommen derartige Subjekte nicht mehr vor ein Schwurgericht, weshalb auch die freigesprochenen Anarchisten erklärt haben sollen, daß sie künftig schweigen wollen.
Große Aufregung herrscht in England über den Ausgang der Flottenmanöver, wobei sich herausgestellt hat, daß einige der größten und teuersten Schlachtschiffe wahre Mäusefallen darstellen, indem sie den Schiffen neuerer Konstruktion zu folgen vermögen, also im Ernstfälle von einer feindlichen Flotte umzingelt und ver- nichtet werden können.
Jerusalem, 12. Aug. Wie der Daily News gemeldet wird, hat das Departement für öffentliche Bauten die Ausbesserung der alte» salomonischen Wasserleitung in Jerusalem angeordnet. Die Leitung führt das Wasser von den Quellen bei Arroul nach der Stadt. Es soll ein 3750 m langer Tunnel gebaut werden. Die Kosten werden auf 80000 Pfd. St. — 1 600000 Mark veranschlagt. Die Wasserleitung war noch zu Zeiten Christi im Gange.
Antwerpen, 16. Aug. Gestern Morgen empfing der auf dem Boulevard Leopold wohnende Großhändler Grisar folgenden Brief: „Mein Herr! Ich werde mich heute nachmittag gegen 5 Uhr bei Ihnen einfinden. Halten Sie einen Betrag von 25 Fr. zu meiner Verfügung. Im Falle der Verweigerung oder bei Benachrichtigung der Polizei ist eine Bombe bereit, um das Haus in die Luft zu sprengen. Ein Anarchist." Grisar übergab das Schreiben der Polizei. Als der Briefschreiber gestern nachmittag im Grisar- > scheu Hause erschien, wurde er verhaftet. Er ist I mittellos; er bejahte die Frage, ob er Anarchist f sei. mit der Erklärung, daß er es nicht mehr sein werde, sobald man ihm 100000 Fr. gäbe.
Anteryattender Teil.
Wein erster und mein letzter Wolf.
Eine lustige Jagdgeschichte von Otto Dörflas.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
O, es ist etwas Herrliches um echte, wahre Männlichkeit; mit einer Unerschrockenheit, die den gefeiertsten Helden des Ilias in den Schatten gestellt hätte, spannte ich den Hahn der Waffe, dann lehnte ich mich nach unten, der Wolf richtete grimmig sich auf, aber todesverachtend drückte ich ab.
Als der Rauch verzogen, war mein Gegner verschwunden, aber eine reichliche Schweißspur bewies, daß die Kugel ihr Ziel gefunden.
Freilich große Nachforschungen anzustellen, das gestatteten meine dem Erfrieren nahen Glieder nicht. Zudem konnte der Kerl mit dem Kopfschuß ohnehin nicht weit gekommen sein.
Dem Zusammenbrechen nahe, erreichte ich die „Auberge", Marietta eilte mir ganz aufgeregt entgegen, allein der Anblick meiner frostgeschüttelten Gestalt verbot dem guten Ding zunächst den Mund.
Endlich hatte ich mich unter ihren Fittichen mit Hilfe einiger Grogs wieder restauriert, und nun konnte die Kleine nicht mehr hinter dem Berge halten:
„Was thut ein Kavalier, wenn er sein Wort verpfändet hat?"
„Dann hält er es einfach."
„Charmant — dann bitte ich um mein Armband."
„Waaas?" — kam es sehr gedehnt von meinen Lippen, da ward ich an der Hand in die Küche gezogen, woselbst ich mich wirklich einem erlegten Wolf gegenübersah.
Bald hatte ich auch alles Nähere erfahren. Die Bestie war gegen Abend in den Schafstall eines Bauern eingebrochen, entdeckt und von der Mistgabel meines „Monsieur Jean" gefällt worden.
„Oho, so läuft der Hase nicht, von einer Jagd mit Dreschflegeln und dergleichen war keine Rede!"
„Ach", schluchzte die Kleine — „ich dachte» ein Offizier deutle sein Wort nicht."
Verd.das Ding packte mich an meiner
Ehre und groß entgegnete ich:
„Gut, was ich gesagt habe, das habe ich gesagt, Du erhälst Dein Armband und ich meinen Kuß!"
„Waaas?" — kam es jetzt wie eben, aber mehr erschrocken, aus Mariettes Munde.
„Natürlich, denn auch ich habe heute meinen Wolf geschossen."
„Wo ist er denn?" — Ein Schimmer der Hoffnung sprach aus diesen Worten.
„Hat Niemand von Euch so etwas wie einen Jagdhund?"
„O ja, Jean sein neuer Wolfshund", klang es zögernd zurück.
„Gut, dann gieb mir eine Laterne, daß ich auf die Mairie gehen kann, heute an Sylvester