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Gefängnisdirektor weckte ihn mit den Worten: „Fassen Sie Mut, Caserio, Ihre Stunde hat geschlagen!" Caserio richtete sich auf; er wurde totenbleich, die Zähne klapperten und die Knie schlotterten. Er verweigerte jegliche Speise und Trank und erklärte dem Geistlichen, er habe ihm nichts mehr mitzuteilen, keinen letzten Wunsch auszudrücken. Man möge nur seiner Mutter den Brief, den er hmterlassen, geben. Während des Ankleidens steigerte sich die Angst Caferios, und als der Gefängnisdirektor von seiner Mutter sprach, weinte er, unterdrückte aber die Thränen alsbald. Von diesem Augenblick an sprach er nicht mehr. Im Wagen schlugen ihm die Zähne zusammen und die Knie stießen gegeneinander. Als er ausstieg, fiel sein Blick auf das Fallbeil und das Publikum. Sein Blick war verstört und der Mund krampfhaft verzogen. Als er auf das Brett geschnallt wurde, ries er: „Mut, Kameraden, es lebe die Anarchie!" Darnach wehrte er sich heftig, als der Kopf unter das Fallbeil gelegt wurde. Er machte eine Bewegung, um sich dem Messer zu entziehen, infolge- dessen wurde der Hinterkopf verletzt. Als das Messer fiel, ertönten Bravorufe in der Menge. In dem Augenblick, als der Leichenwagen mit der Leiche abfuhr, wiederholte ein im Gefängnis St. Paul eine Strafe verbüßender Mensch den Ruf „Es lebe die Anarchie!", den er schon in der Nacht einmal ausgestoßen hatte. Eine Untersuchung ist deswegen eröffnet worden.
Petersburg, 14. Aug. Nach eingehenden Nachrichten soll ein furchtbarer Wirbelwind das Kirchspiel Sippale in Finnland heimgesucht und in der Ausdehnung von sechs Kilometern schreckliche Verwüstungen angerichtet haben. Zwei Dörfer seien gänzlich zu Grunde gerichtet, sämtliche Bäume entwurzelt oder abgebrochen, die Felder verwüstet. Viel Vieh ist umgekommen, mehrere Personen werden vermißt.
Madrid, 10. Aug. Gestern zeigte das Thermometer auf dem Observatorium der Universität in Sevilla 57 Grad Cels. in der Sonne und 43 Us Gr. im Schatten. Der Beobachter fügt hinzu, daß man das Gefühl gehabt habe, als ob man Feuer einatme. Trotzdem man dort die Straßen durch von einem Hause zum andern ausgespannte große Segeltücher vor den Sonnenstrahlen schützt, kamen zahlreiche Fälle von Sonnenstich vor und die Vögel fielen tot von den Dächern.
London, 15. August. Gestern Abend explodirtein einem Briefkasten des Postbureaus der Londoner Vorstadt Newcroß eine Röhre aus brauner Pappe, anscheinend mit Schießpulver gefüllt. Der Briefkasten und einige Briese sind beschädigt, sonst ist kein großer Schaden entstanden. Die Röhre enthielt keine Adresse; auf der Außenseite des Umschlags stand: Zum Andenken Racha- vols, Bourdins, Vaillants und Santos. Eine Untersuchung ist eingeleitet. Es dürfte sich um einen schlechten Witz handeln. — Der Pall Mall Gazette zufolge sind in den Tagen 400 Anarchisten vom Festland in England gelandet.
ZlnteryalLerrder Teil.
Wein erster und mein lehter Wolf.
Eine lustige Jagdgeschichte von Otto Dörflas.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Die Nacht war bitter kalt, der Schnee knirschte nur so unter den Füßen und ich pries meinen Schöpfer, daß ich vorsorglich genug mit „Schwedischem" eingeheizt hatte. Da Metzer Straßen den schätzenswerten Vorteil besitzen, immer schnurgeradeaus zu führen, der festge- frorene Straßendamm mit seinen Randgeleisen außerdem einen gewissen Anhalt bot, sah ich keinen vernünftigen Grund, warum ich meine, durch den scharfen Nordost bös attackierte Nasenspitze nicht hinter dem hoch aufgeschlagenen Biber- Pelzkragen in Sicherheit hätte bringen sollen. Da meine Augenlider ebenfalls keine Ursache zu haben glaubten, sich dem pt. Riechorgan gegenüber zurückgesetzt zu fühlen, verschwanden sie gleichfalls hinter der Hülle, und da sie dort nichts schauen konnten, waren sie praktisch ge- aug, sich zu einem kleinen Nickerchen zu schließen.
Nur die braven Beine stolperten unverdrossen weiter, sie hatten freilich auch für die in den dünnen Lackstiefelchen arg frierenden Füße zu sorgen.
Während so das schnöde Fleisch seine Pflicht zum Teil vergaß, schwang sich mein erhabener Geist fort in die ferne Heimat, in den glänzenderleuchteten Ballsaal, — o Grete, wenn ich jetzt wüßte, was eben Dein Herzchen denkt!
Ein langgedehntes Heulen ließ mich plötzlich zusammenschrecken. Im Nu war die Heimat, die Schülerliebe vergessen, und ich erinnerte mich daran, daß eine Metzer Landstraße zu solcher Nachtzeit durchaus kein geeigneter Platz für Träumereien sei.
Die Wölfe hatten es in der letzten Woche etwas zu bunt getrieben, Niemand wagte sich unbewaffnet und allein mehr des Nachts aus dem Schutz der Gehöfte, und soweit dies bei meinem punscherleuchteten Geiste möglich, erwog ich alle Chancen bei meinem Rekontre mit Isegrim.
„Donnerwetter, die Sache war nicht spaßhaft. Der schneidige Salondegen an meiner Seite hätte kaum als genügende Waffe im Strauß mit einem Puter sich erwiesen, und sonst besaß ich kein anderes .Mordwerkzeug als ein mit Nagelscheere, Zahnstocher, Champagnerbrecher und eine Menge von kleineren und kleinsten Klingen wohl versehenes Taschenmesser und — da heulte es schon ganz nahe.
Meine Schritte wurden länger und länger, dies Woippy schien heute aber doch gerade um eine Meile weiter als sonst zu liegen!
Endlich! Ich war bei einem Weinberg angelangt, welcher dem „odor xapa" von Jean gehörend, sich unmittelbar an die Mairie anschloß und den ganzen Halbkreis ausfüllte, den die Straße, um eine Terrainsenkung zu benutzen, beschrieb, ehe sie in das Dörfchen einmündete.
Wieder heulte es, jetzt aber unmittelbar in nächster Nähe. Mit einem Schwung war ich über die ungefähr anderthalb Meter hohe Backsteinmauer, wobei ich mir auch glücklich auf den mit Glasscherben besäeten Kordonsteinen die Hände zerschnitt.
Fluchend auf die geizigen Winzer, welche eine unschuldige Besichtigung ihrer Trauben mit derartigen Gemeinheiten verhindern, eilte ich unter den Aprikosenbäumen vorwärts, da, Himmeldonnerwetter, was war das!? — Dort kam ein Wolf, sein Gebiß fletschend, auf mich zugetrabt.
Mit einem Satz war ich beim nächsten Baum, wie ein Blitz schießt die Bestie auf mich zu — hat sich was — der fette Bissen saß bereits oben in den Zweigen. Verblüfft hielt Freund Isegrim inne, da war doch eben noch so ein appetitliches Stückchen Menschenfleisch vorhanden gewesen, wo konnte nur der famose Happen so schnell hingekommen sein — aha, dort oben hing er ja in den Zweigen, und wütend sprangt die Bestie am Stamm in die Höhe.
„Sonderbar, wie das Heulen des Wolfes einem Hunde ähnelt" — reflektierte ich, dann brachte ich aber mein hochverehrtes Untergestell in eine etwas höhere Lage, das Wölflein kam ihm bei den verschiedenen Sätzen doch gar zu bedenklich nahe.
Isegrim sah nun bald ein, daß stürmische Attaken keinerlei Erfolg mehr erwarten ließen, und schickte sich, lüstern sein Gebiß fletschend, zu einer Belagerung an. Nachdem ich mich etwas bequemer zurecht gesetzt hatte, fand ich auch Muße, meinen Feind mir einmal näher zu betrachten.
Bei der Dunkelheit waren allerdings nur die Umrisse der Bestie ungefähr zu erkennen, jedoch schien ich ein äußerst starkes Exemplar des Aöllus luvus vor mir zu haben. Der Wolf hatte augenscheinlich Bärenhunger, wenigstens glaubte ich aus dem beständigen Knurren dies folgern zu dürfen, na, wir wollen sehen, wer es länger aushält.
Phlegmatisch steckte ich mir eine Zigarette ins Gesicht, schnöderweise fand dies arme Ding nur als Kautabak Verwendung, denn das Streich- holzschächtelchen hatte ich bei meinen Kletterübungen leider verloren, das Wölflein that sich
auch bequem nieder, die nächsten Minuten verstrichen ohne jeden weiteren Zwischenfall.
Allmählich machte ich aber die unliebsame Entdeckung, daß ein derartiger Aufenthalt in Baumkronen bei 15 Grad Kälte durchaus nicht zu den Annehmlichkeiten des menschlichen Daseins gehört, und ich begann auf Mittel zu sinnen, dem Kerl da unten begreiflich zu machen, daß ich lange genug die Ehre seiner Bekanntschaft genossen.
Zweige, dann Aeste, ganz anständigen Kalibers genügten leider nicht. Anfangs erreichten sie wenigstens noch, daß der Wolf nach jedem Wurf wütend am Stamm in die Höhe sprang, dann aber fanden die kleine Winke weiter nichts als souveräne Verachtung.
„Und gehst du nicht willig, so brauch' ich Gewalt" — ich sprach's und entsandte mit mächtigem Schwünge den zierlich geschmiedeten Degen — aha. das hatte Urian doch etwas die Haut gekitzelt! Rasend fuhr er auf, grimmig richtete er sich am Stamm in die Höhe. Da huschte ein diabolisches Lächeln über meine sonst nicht unangenehmen Züge. Schlau löste ich den Leibriemen meines Säbelkoppels, knüpfte eine allerliebste Schlinge und versuchte sie mit möglichst harmloser Miene Herrn Isegrim um die Gurgel zu werfen.
„Nein, war der Kerl dumm", — dachte ich eben, „daß er so etwas nicht merkt" — da, schnapp! ein Glück war es nur noch, daß ich fest stand, sonst hätte es mir ebenso gehen können, wie meinem funkelnagelneuen Sonntagsausgehkoppel, das im nächsten Moment von der Bestie zerrissen wurde.
Himmel, hatte der aber Hunger, wie er an den trockenen Riemen herumzerrte, so leicht ging der nicht weg — nette Bescheerung!
Wieder große Pause — lupus eomvaunis zähnefletschend unten — llowo suxions dito klappernd oben.
Dann aber begann ich, vom Frost bis ins innerste Mark durchschüttelt, krampfhaft alle Taschen zu durchsuchen — vielleicht fand sich doch ein Streichholz, vor Feuer sollen ja solche Bestien noch etwas Respekt haben, und — der ganze Mann stand in mir auf — wie hatte ich dies auch vergessen können! — In der Hinteren Tasche meines Ueberrocks fand ich den Revolver, den mein Bursche ein für allemal dort zu placieren hatte, wenn ich Nachts ausging.
(Schluß folgt.)
Stuttgart, 9. August. Teuer bezahlen mußte dieser Tage ein biederes Filderbäuerlein ein unvorsichtiges Wort, worin es jedem, der seinen „Schimmel", ein ziemlich widerspenstiges Tier, ohne Mühe von Stuttgart nach Berg zu reiten vermöge, den genannten Schimmel als Eigentum verhieß. Es fand sich wirklich einer, der den Schimmel anstandslos nach Berg brachte. Dem Bäuerlein mochte wohl nicht ganz gut zu Mut gewesen sein, als der Reiter erklärte, er werde in nächster Woche auf die Fildern kommen und seine Ansprüche auf den Schimmel geltend machen. Als das Bäuerlein nach Hause zurückgekehrt war, suchte es, immer durch die Drohung des Reiters beunruhigt, den Schimmel möglichst rasch in die Ferne zu verkaufen. Als der Reiter nun bei dem Bäuerlein erschien, erklärte das letztere, pfiffig auf seinen leeren Stall blickend dort könne er ihn holen, wenn er ihn finde. Der glückliche Reiter übergab jedoch die Sache dem Amtsgericht, welches das Bäuerlein dazu verdonnert, daß es dem Reiter zwar nicht den verkauften Schimmel, aber dafür den ermittelten Wert von 200 -M zuzustellen habe. — Der Fall ist geeignet, als Warnung vor derartigen übereilten und unüberlegten Versprechungen zu dienen.
sFortbewegungeinesBahnhofgebäu- des.j Es ist zwar in Amerika an und für sich durchaus nichts Neues, daß ein Gebäude oft viele Meter weit unverletzt von seiner Stelle gerückt wird, doch dürfte das neueste Beispiel dieses schnell beliebt gewordenen Verfahrens mit Rücksicht auf die immerhin beträchtlichen Massen des Bauwerks und die verhältnismäßig einfachen Mittel, die dabei angewendet wurden, von allgemeinem Interesse sein. Es handelt sich um das Gebäude