Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Extrazug von Stuttgart nach Wild- bad. Derselbe wird am Sonntag den 19. ds. über Calw ausgeführt. Er geht in Stuttgart 6.45 früh ab, erreicht Wildbad 9 55, geht dort wieder ab 8.30 Abends und trifft in Stuttgart um 11.25 ein. Bei starker Beteiligung wird ein Vorauszug von Stuttgart bis Calw ausgeführt.
Neuenbürg, 17. Aug. Zu der Mitteil, ung in letzter Nummer betr. den Einbruchdiebstahl in dem Juwelierladen von Treibs in den Kolo- naden zu Wildbad können wir heute weiter Mitteilen, daß ein der That stark verdächtiger Schreinergeselle, namens Lämmerer, gestern in Stuttgart verhaftet wurde. Lämmerer stand einige Zeit in Wildbad in Arbeit und verschwand ohne alles Weitere am Morgen nach der That. Die Vermutung, daß man es gleichzeitig mit 2 oder 3 Thätern zu thun habe, scheint sich zu bestätigen; man glaubt, daß auch eine Frauensperson tüchtig mitgeholfen hat.
In Pforzheim verschied HerrEisengießerei- bcsitzer August Benckiser im Alter von 75 Jahren. In den letzten Wochen war der Verschiedene wiederholt kränklich, am Dienstag nachmittag machte ein Lungenschlag seinem Leben ein Ende. Herr Benckiser beschäftigte in letzter Zeit in seinem Werke noch rund 125 Arbeiter und auswärts noch etwa 100 Personen. Früher war der Arbeiterstand in Pforzheim rund 600 und in der Filiale Ludwigshafen ebensoviel. Das Eisenwerk der Gebr. Benckiser hatte einen Weltruf. Der Verstorbene war ein wohlthätiger Mann, ihm sind eine Anzahl größerer Stiftungen zu verdanken.
Deutsches Aeich.
Der deulscheKaiser kehrte am Mittwoch von England nach Wilhelmshaven zurück. Nach Beendigung der Segelwettfahrten bei Cowes hat der Kaiser auch in seiner englischen Militäruniform einer Revue über englische Truppen und Freiwillige im Lager von Aldershot beigewohnt und dann der französischen Exkaiserin Eugenie in Farnborough einen mehrstündigen Besuch abgestattet. Die recht fromm gewordene Dame trug bekanntlich die Hauptschuld an dem Kriege von 1870/71; ohne ihre Schürereien wäre er wahrscheinlich unterblieben. Eigentümliche Gedanken mögen Madame Eugenie beschlichen haben, als sie den Enkel des ersten deutschen Kaisers empfing; hat sie doch, wenn auch unbeabsichtigt, den Anlaß zur Errichtung des deutschen Reiches gegeben, während sie gehofft hatte, das Hohenzollern'sche Regentenhaus zertreten zu können.
Berlin, 19. August. Das Tageblatt meldet aus Paris: Die Polizei wurde benachrichtigt, ein spanischer Anarchist nähere sich in einer Schiffbarke der französ. Küste, um in Vernet les bains ein Attentat gegen Dupuy zu verüben. Umfassende Sicherheitsmaßregeln sind getroffen.
Berlin, 15. August. Dem Organ des Bundes der Landwirte zufolge erklärte sich der Reichskanzler geneigt, Abgeordnete von landwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Bildung nach anderen Ländern zu entsenden und dafür einen entsprechenden Betrag im nächsten Reichs- tagsbudgel anzufordern.
Großes Aufsehen erregt in Berlin eine Broschüre, betitelt „Der Wucher und seine Geldleute" , welche eine große Anzahl Wucherer namhaft macht und sehr kompromittierende Originalbriefe veröffentlicht. Viele Kapitalisten und auch 2 bekannte Berliner Rechtsanwälte sind bloßgestellt, und dies alles trotz Wuchergesetz, das offenbar noch lange nicht scharf genug ist. Die erste Auflage der Schrift wurde sofort von beteiligter Seite aufgekauft, doch sollen weitere Auflagen erscheinen, und auch die Staatsanwaltschaft soll bereits eingeschritten sein.
An der Ostseeküste und an den Ufern der zur Ostsee laufenden Flüsse tauchen immer wieder einzelne Fälle von asiatischer Cholera auf. Glücklicherweise ist die Jahreszeit schon so weit vorgeschritten, daß man den Ausbruch einer größeren Choleraepidemie nicht mehr zu befürchten braucht.
Kein Mittel ist den sozialdemokratischen Schürern schlecht genug, wenn sie damit dem träge dahinsiechenden Bierboykott neues Leben zuzuführen hoffen. Ein bezeichnetes Pröbchen lieferten in dieser Beziehung die roten Plakate, die Bewohner des Rosenthalerviertels gestern Morgen in den Hausfluren fanden. Da hieß es im Reklamestil der Schleuderbazare: „ Ltiolers, usiatikg, bekommt jeder, der boykottiertes Bier trinkt. Also trinkt kein Giftbier!" Läge den Bierschnüfflern wirklich das leibliche Wohl und Wehe ihrer Genossen am Herzen, so thäten sie besser, vor gewissen boykottfreien Bieren zu warnen. Das gemanschte Getränk wird doch ohnehin auch von den zielbewußtesten nur „mit Todesverachtung" genossen.
Der Gemeindevorsteher Feist in Groß- Pet er Witz, unweit Breslau, fuhr Hafer ein und saß mit brennender Zigarre auf dem beladenen Erntewagen. Plötzlich stand das Getreide in Flammen u. der 54jähr. Mann stürzte, wohl aus Schreck, so unglücklich vom Wagen, daß der Tod sofort* eintrat. Die Pferde rasten mit dem brennenden Wagen weiter, bis sie an einem Chausseebaumc festgefahren waren. Herzueilende befreiten die mit Brandwunden bedeckten Tiere aus ihrer Lage.
Camen, 14. Aug. Von einem Cyklon und wolkenbruchartigen Regen wurde am gestrigen Abend zwischen 9 Uhr 50 Minuten und 10 Uhr die Stadt Camen (Kreis Hamm) gestreift. In der Richtung des Sturmes sind viele Dächer abgedeckt, alte Eichen, riesige Pappeln und Obstbäume teils mit den Wurzeln aus der Erde gehoben, teils in der Mitte abgebrochen. Man sah einen Schuppen aus starken Pfählen, der wie ein Kartenhaus zusammengeknickt war. Große Getreidehaufen waren vollständig verschwunden, und in der Stadt fand man ein Getreidebündel, das einen Weg von mindestens 1500 bis 2000 Meter zurückgelegt haben mußte. Im Dorfe Heeren sollen Neubauten zusammengestürzt sein.
InBaden werden die Auseinandersetzungen zwischen den feindlichen sozialistischen Brüdern immer heftiger. Der sozialistische Wühler und Redakteur Geck hat in Lörrach eine Versammlung veranstaltet, um auch dort die Offenklürger Beschlüsse gegen den sozialdemokratischen Abgeordneten Stegmüller, wodurch dieser in Acht erklärt und zur Niederlegung seines Mandats aufgefordert wird, zur Annahme zu bringen. Slegmüller war aber mit zahlreichen Anhängern in dieser Versammlung erschienen und ließ den Geck mit seinen Trabanten einfach niederschreien, so daß kein Beschluß zu Stande kam. Wenn diese feinen Herren je einmal zur Herrschaft gelangen sollten, dann kann cs mit der bürgerlichen Freiheit recht gemütlich werden.
Wenn Personen bei landw. oder forstland- wirtschaftlicher Arbeit, sei es bei Ausübung der Arbeit, oder nachdem sie sich zum Schutze gegen Regen an irgend einem Ort geflüchtet hatten, durch Blitzschlag getötet oder verletzt wurden, so haben sie, bezw. ihre Angehörigen eine Unfallsrente anzusprechen. Das Recht auf eine Unsallsrente tritt auch ein bei Unfällen durch Hitzschlag auf dem Felde oder während der Vornahme von häuslichen Arbeiten.
Württemberg.
Stuttgart, 13. August. In den weitesten Kreisen der württembergischen Gewerbetreibenden wird es längst als eine Ungerechtigkeit empfunden, daß es bei dem gegenwärtigen Einschätzungsver- fahren zur Festlegung der Besteuerungsquote nicht gestattet ist, die auf dem Gewerbebetrieb lastenden Schulden in Abzug zu bringen, und der Verband württembergischer Gewerbevereine hat dem Vernehmen nach auch bereits sich in einer Petition an die Staatsregierung gewandt mit der Bitte, an Stelle des bisherigen Einschätzungs- Verfahrens die unmittelbare Fassion des Steuerpflichtigen treten zu lassen. — Wie wir hören, ist in den Reformprojekten auf finanziellem Gebiet, die dem künftigen Landtag zugehen werden, den genannten Wünschen thunlichst Rechnung getragen.
Heilbronn, 15. Aug. Ein 13jähriger Knabe, der vor einigen Wochen seinen Eltern entlaufen ist, wurde in Köln aufgegriffen. Der
Versuch, ihn seinen Eltern zuzuschicken, mißlang aber. Nachdem er unter Begleitung bis Mannheim befördert worden war, löste ihm dort ein Schutzmann ein Billet bis Heilbronn und setzte ihn in den Zug. Unvorsichtigerweise nahm er ihm aber die 15^, die der Junge noch bei sich trug, nicht ab. Kaum hatte ihn der Schutzmann aus dem Auge gelassen, so stieg der hoffnungsvolle Bursche aus. bestieg einen anderen Zug und fuhr nach Rotterdam. (!)
Tübingen, 13. August. Die T. Chr. berichtet: Ein schreckliches Brandunglück, dem, innerhalb weniger Wochen der 2. derartige Fall, wieder ein junger Student zum Opfer gefallen ist, hat sich heute Nacht in der Hinteren Grabenstraße ereignet. Der Schmied Mack, der in seinem Hause das 2. Stockwerk bewohnt und ein im selben Stockwerk gelegenes Zimmer an den eanä. zur. Schädel vermietet hat, wurde Nachts gegen 3 Uhr durch ein heftiges Klopfen geweckt, dem er zunächst keine Beachtung schenkte.
Als es wiederholt heftig klopfte, sprang er aus dem Bette und stellte fest, daß das Geräusch aus dem Abort kam. Gleichzeitig rief von innen eine Stimme, die er als die des cauä. zur. Schädel erkannte: „Hausherr, holen Sie einen Hammer und schlagen Sie die Thüre ein". Rasch entschlossen sprengte M. mit einem Fußtritt die Thüre, aus der ihm dichter Qualm entgegenschlug. Er rief seiner Frau zu, sie solle rasch ein Licht bringen und fand nun auf dem Boden liegend den unglücklichen Studenten, dem fast schon die Kleider vom Leibe herabgebrannt waren. Am ganzen Körper hing die Haut in Fetzen herab, und alle Glieder zeigten Brandwunden. Besonders die Hände waren schrecklich zugerichtet, von den Kleidern waren nur noch klägliche Reste zu sehen. Hr. Mack brachte mit Hilfe seiner Frau den Verunglückten zu Bett und holte den Arzt, der den ersten Notverband anlegte und für die Verbringung in die chirur- j gische Klinik Sorge trug. Wie uns von dort mitgeteilt wird, erstrecken sich die Brandwunden k auf nahezu die Hälfte der Körperoberfläche, so ! daß die Hoffnung auf Erhaltung des Lebens ! nur eine sehr geringe ist. Der Verunglückte, j dek einzige Sohn des Oberförsters Schädel in ^ Königsbronn bei Heidenheim, hatte heute ab- reisen wollen. — Der Verunglückte ist am Mittwoch nacht seinen Wunden erlegen.
In Reutlingen überfiel ein junger i Mann mit zwei Kameraden einen dort in Arbeit . stehenden Glasergehilfen namens Wilhelm, der während seiner Militärzeit in seiner Eigenschaft als Unteroffizier den erstgenannten mir Arrest bestrafte. Aus Rache hiefür schlug ihn der Bursche zu Boden und mißhandelte ihn mit seinen Komplizen derart, daß der Arme bewußtlos liegen blieb. „Der ist wohl hin," äußerte der rohe Bursche, als ihn einer seiner Kameraden auf den regungslos Daliegenden hinwies.
Der Niedergeschlagene wurde nach dem Bezirkskrankenhaus geschafft. Die 3 rohen Burschen, von i denen einer noch einen geladenen Revolver bei ^ sich trug, wurden noch in der Nacht verhaftet.
Stuttgart, 16. Aug. Kartoffel- und Krautmarkt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 450 Ztr. Kartoffeln, Preis pr. Ztr. 3 Mk. 20 bis 3 Mk. 60 4 . — Zufuhr am Marktplatz: 2000 Stück Filderkraut, Preis pr. 100 Stück 18—25 Mk.
Ausland.
Paris, 16. Aug. Scharfrichter Deibler ist in vergangener Nacht mit seiner Guillotine nach Lyon abgereist. Caserio zeigte sich im Gefängnis gleichgiltig gegen sein Schicksal; er verbrachte seine Zeit mit Lesen. — Am Donnerstag früh 4 Uhr wurde der Mörder Carnots ohne Zwischenfall hingerichtet. Gegen 1 Uhr heute früh erschienen Truppen und 300 Polizisten zur Absperrung des Platzes vor dem Paulsgefängnis. Um 3 Uhr fuhr der Wagen mit der Guillotine an, um 4 Uhr kam der Direktor der öffentlichen Sicherheit, der Staatsanwalt und die Gerichtspersonen. Etwa 100 mit Einlaßkarten versehene Herren, Beamte, Offiziere und Journalisten, umstanden die Guillotine. Um 4 Uhr 40 Min. begaben sich der Gefängnisdirektor, Richter und der Verteidiger Caserios in die Zelle des letzteren, der fest schlief. Der