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reiches Programm bot den Teilnehmern große musi­kalische Genüsse. Die beiden Gesangvereine Lieder- kranz und Konkordia trugen mehrere, sehr effektvolle Chöre unter großem Beifall vor, ebenso ließ die Stadtmusik muntere Weisen in exakter Aus­führung erschallen. Auch mehrere Reden trugen zur Belebung des Abends bei. Ter Vorstand des Liederkranzes, Hr. Präzeptor Baeuchle, begrüßte die Festgenossen im Namen des Liederkranzes, er­innerte an die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Wirten und den Gesangvereinen und schloß mit einem Hoch auf das deutsche Lied. Tie fein humo­ristischen Ausführungen waren von brausendem Bei­fall begleitet. Der Vorsitzende des Landesverbands, Hr. R u m metsch, toastete ans die beiden Gesang­vereine, Hr. Pflüger auf die Wirtsfrauen, Hr. Schramm aus die Stadlverwaltung und die Ein­wohnerschaft und Hr. Heiler auf die beim Fest­zug milwirkenden Wirtssöhne und Wirtstöchter. Die Veranstalter des Banketts können mit größter Be­friedigung auf den äußerst gelungenen Abend zurück­blicken. Die noch anwesenden Festbesucher machten heute eine Wagenfahrt mit Musik (21 Wagen) über Hirsau Oberreichenbach Röthenbach Zavelstein nach Teinach.

x. Liebenzell, 4. Juni. Vertragsgemäß sollten die Arbeiten zu unfern neuen Kuranlagen bis 1. ds. Mts. beendigt sein und auf's pünktlichste hat der Unternehmer, Hr. Architekt Lilienfein aus Stuttgart, sich seiner Pflicht entledigt, denn am letzten Samstag konnte die Uebernahme der viel­versprechenden Anlage in Anwesenheit der Hrn. Oberamtmanns, Regierungsrat Völter, von Calw stattfinden. Die bürgerlichen Kollegien sowie das Kurkomite versammelten sich vormittags 10 Uhr im Oberen Badhotel zu einem gemütlichen Frühschoppen. Hieraus erfolgte ein Rundgang der Teilnehmer und die offizielle Uebernahme der Kuranlagen, welche allseitige Befriedigung hervorrief. Das bestens zubcreitete Mittagessen wurde im Unteren Badhotel eingenommen. Während der Tafel erhob sich Hr. Apotheker Mohl, Mitglied des Kurkomites und sprach dem Unternehmer, Hrn. Architekt Lilienfein, die Anerkennung des Kurkomites und der Stadt- gemeinde für seine solide und prompte Arbeit ans. Hr. Regierungsrat Völter toastierte sodann auf die Stadtgemeinde und ihren Stadtvorstand, der Ge­meinde auch künftiges weiteres Emporblühen wün­schend, während Hr. Architekt Lilienfein dem Kur­komite sein Glas weihte. Stadtschultheiß Mäulen gedachte dann noch in Tankesworten des Entgegen­kommens der Kgl. Regierung, insbesondere des Hrn. Regierungsrats Völter und brachte ein Hoch auf Letzteren -aus. In festlicher Stimmung verlief der Nachmittag im fröhlichen Zusammensein. Die eigentliche Einweihung der Parkanlagen soll durch ein Kinderfest und Reunion später gefeiert werden.

Unter schwandorf, 1. Juni. In dieser Woche erfolgte der Auftrieb von 70 Rindern und 15 jungen Farren auf die vor zwei Jahren auf dem Freih. v. Kechlerschen Hosgut vom landwirt­schaftlichen Bezirksverein Nagold errichtete Jung­viehweide. Von den Tieren, die zugeführt wurden, stammen 08 Stück aus dem Nagolder und 17 Stück aus dem Calwer Bezirk. Bei der Er­öffnung waren anwesend der Vorstand und Aus­schuß deS landwirtschaftlichen Vereins. Ter Futter­bestand der Weide ist trotz der seitherigen Trocken­heit günstig und wird sich infolge des ausgiebigen

Gewitterregens am letzten Donnerstag noch wesentlich verbessern, so daß die Tiere genügend Grünfutter haben und ein reichlicher Ertrag von Dürrfutter, gewonnen werden kann.

Stuttgart, 3. Juni. (Strafkammer.) Angeklagt dreier Betrugsvergehen und der Fäl­schung von Privaturkunden wurde der 38jährige, frühere hiesige Verlagsbuchhändler Emil Hänsel- mann vorgeführt. Nachdem derselbe seinerzeit hier in Konkurs geraten war, siedelte er nach München über, wurde aber 1892 vom dortigen Landgericht wegen 92 Betrugsvergehen, hauptsächlich Kautionsschwin­deleien in Höhe von 12 000 zum Nachteil der von ihm in seinem dort betriebenen Stellenvermutlungs- geschäft angestellten vielen Personen zu siebenjähriger Gefängnisstrafe verurteilt, die er im Februar v. Js. abgesessen hatte. Dann betrieb er im letzten Jahre zu Ludwigsburg gemeinschaftlich mit einem andern einen kleinen Buchhandel, verbunden mit Naturheilmethode, das Geschäft geriet aber schon nach einigen Monaten in Konkurs. Nunmehr ver­legte sich Hänselmann als Acquisiteur auf die Ver­mittlung von Annoncen und bestimmte eine hiesige Privatierswitwe, mit ihm gemeinschaftlich den An­noncenteil der im Dietrich'schen Verlage hier er­scheinendenSchwäbischen Frauenzeitung" vom 1. Januar d. I. an zu pachten. Während jene ver­pflichtet war, den Pachtbetrag allmonatlich zu be­zahlen, sammelte Hänselmann die Annoncen, lieferte ihr aber schon in den Monaten Januar und Feb­ruar eine grüße.Anzahl Scheininserate ein, die er selbst samt den Unterschriften der Besteller ge­schrieben hatte, und erhob darauf von der Frau unrechtmäßiger Weise 25°/° Provision im Gesamt­beträge von 443 Ein weiterer Schaden erwuchs ihr dadurch, daß sie noch ca. 750 für die Auf­nahme der Scheinannoncen zahlen mußte. Außer- I dem ließ sich Hänselmann in einem Badeort von I einem Badbesitzer 25 und einer Pensionsinha­berin 10 für die Aufnahme von Inseraten im Bäder-Führer" vorausbezahlcn, ohne in irgend­welchen Beziehungen zu diesem Blatt zu stehen, und verbrauchte das Geld für sich. Hänselmann war einige Zeit nach der Schweiz entwichen, stellte sich aber dann dem Gerichte. Der Angeklagte wurde unter Annahme mildernder Umstände zu einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten verurteilt, woran ein Monat für Untersuchungshaft abgerechnet wurde.

Aalen, 3. Juni. Vorgestern Abend 10 Uhr ereignete sich auf der Bahnlinie 'zwischen Mögg- lingen und Effingen ein gräßliches Unglück. Ter in dem um 10.24 hier ankommende Personen­zug befindliche Taglöhner Sanier von Lauterburg machte sich, während der Zug im Gange war, auf dem Trittbrett zu schaffen, wurde aber, wie es scheint, von demselben herabgeschleudcrt und etwa 1000 Meter weit geschleift. Seine Kleider wurden ihm total vom Leibe gerissen. Ter in der Nähe stationierte Bahnwärter, auf den Unfall durch einen Schaffner aufmerksam gemacht, begab sich alsbald zu der Un­glücksstelle und fand den Bedauernswerten tot, schreck­lich zugerichtet beinahe entblößt, auf dem Bahn­körper liegen.

Frankfurt a. M., 3. Juni. Heute nach­mittag wurde Kaufmann Ehr mann in der Neu­hofstraße mit Frau und drei erwachsenen Söhnen in seiner Wohnung tot aufgefunden. Allen An­

zeichen nach liegt Selbstmord durch Einatmen von Leuchtgas vor.

Die demokratischeFrkf. Zeitung" schreibt aus dem Hummelgau (Oberfranken):Dieser Tage wurde in Mistelgau eine Hochzeit gefeiert, an der mehr als zweihundert Hochzeitsgäste teil- nahmen Geschlachtet und verzehrt wurden ein Rind, zwei Schweine und zwei Kälber. Zu Back­werk wurden sechs Zentner Mehl verarbeitet, als Getränke gingen drauf zehn Hektoliter Bier und drei Hektoliter Wein. Da geht es a lfo dem Bauern nicht schlecht. Die Hummelgauer Bauern wohnen in einer geschlossenen Völkerenklave in Oberfranken bei Bayreuth. Sie haben sich ihre alten Sitten und Gebräuche noch ziemlich erhalten. Die Hauptsache aber ist: sie sind frei­denkend, weitblickend, intelligent, fleißig, solid und sparsam. Damit haben sie es zu etwas gebracht, und deshalb können sie sich solche Hoch­zeiten leiste n." Hiezu schreibt die Deutsche Reichspost: Offenbar sind sämtliche übrigen Bauern, die nicht solche Hochzeiten feiern können und das dürften 999 von 1000 sein nach derFrkf. Ztg." weder freidenkend noch weitblickend noch in­telligent noch fleißig noch solid noch sparsam! Kein Wunder, daß dieFrkf. Ztg.", derenLait" ja alle diese Eigenschaften haben, jenen so oft am Zeug flicken muß.

Crefeld, 4. Juni. Nächsten Sonntag findet hier unter dem Vorsitz des Redakteurs Kroth eine große Buren-Kundgebung statt, bei welcher der kaiserlich russische Hofrat vr. F-erreS einen Vortrag über die südafrikanischen Verhältnisse und die Lage des Burenvolkes halten wird. Ferres stand 15 Jahre in diplomatischen Diensten in Süd­afrika.

Berlin, 3. Juni. Geschichten aus dem Grunewald erzählt dieKreuzztg.", in­dem sie schreibt: Sogenannte Wald-Akrobaten treten jetzt im Grunewald auf. Sie haben cs namentlich auf die Ausflügler abgesehen, die im Forste rasten. Die Truppe besteht zumeist aus 4 bis 5 Personen undarbeitet" thatsächlichohne jeden Apparat". Zn bürgerlicher Kleidung suchen sie die Gesellschaften auf, die im Walde frühstücken, und sofort beginnen dieKünstler", die unter ihrer Kleidung ein Trikot tragen, die Vorstellung. Zum Schluß der Produktion wird natürlich eine Teller­sammlung veranstaltet, die zumeist reichlich ausfällt. Sehr drollig ist es, wenn zufällig ein Gendarm die Parterre-Gymnasien überrascht. Da diese Leute, die in der Woche ein Handwerk betreiben, und sozusagen nurSonntagskünstler" sind; keinen Ge­werbeschein besitzen, so verschwinden sie, sobald der Mann der Obrigkeit naht, blitzschnell im Gebüsch. Nicht minder neu und originell sind die Grune­wald - P h o t o g r a p h e n, die auf den dortigen Chausseen ihr Gewerbe betreiben. Sie nehmen ganze Gesellschaften auf, die im Kremser oder in Equipagen des Weges kommen. Ein am Apparat angebrachtes Plakat mit der Inschrift:Aufnahmen gefällig?" verkündet, daß hier für eine Mark ein Massen-Konterfei erhältlich ist. Schließlich seien noch dieG ru n e w al d - Z i g eu n er" erwähnt, die den Äusflüglern gegen ein Honorar von zehn Pfennigenwahrsagen".

Berlin, 4. Juni. Oberleutnant Rieger, welcher bekanntlich wegen Tötung des Haupt-

Alice's zarte Anmut, Mrs. Thornton's königliche Ersckeinung, Lady Clinton's brünette Schönheit, sie alle konnten nicht aufkommen gegen Jane's alles bezaubernde Lieblichkeit. Sie spielte vorzüglich, mit Grazie und Selbstbewußtsein, worüber sich alle wunderten, welche die scheue, zurückgezogene Gouvernante kannten.

Jane wußte kaum, daß sie so großen Beifall erzielte; ihre Nerven waren aufs äußerste gespannt, ihr Herz klopfte heftig, ihre Wangen brannten unter dem rouxe. Einmal sah man Sir Harry zusammenzucken, als er des Mädchens Hand berürhte, diese glühte wie im Fieber, und er ließ sie sofort los. Der junge Mann selbst war verdrießlich und sarkastisch, spielte unsicher und entschieden schlechter, als es nach den Proben zu erwarten war. Er war entrüstet darüber, zu sehen, welch eine gute Schauspielerin Jane war. Wie glaubwürdig hatte sie die Trauer und den Wunsch nach Einsamkeit gezeigt als sie Teilnahme erregen wollte! Und nun, hinter den Coulissen kokettierte sie mit Mr. Clower, lachend, mit glänzenden Au­gen seinen Worten lauschend, wie sie auf der Bühne mit ihm kokettierte, mit ihm, ihrem reichen Anbeter.

Alices Spiel war gut und angemessen, ein unruhiger, fragender Blick kam öfter in ihre blauen Augen, das paßte gut zu ihrer Rolle. Jane beobachtete, wie zuvorkommend Sir Harry's Benehmen zu ihr war, wie sanft er zu ihr sprach und welch zarte Aufmerksamkeiten er für sie hatte. Mr. Clower machte im Stillen Beobachtungen, daß nicht nur auf der Bühne Komödie gespielt wurde, sondern auch hinter den Coulissen, er war der einzige, welcher den Blick auffing, welchen Jane auf Sir Harry richtete, als dieser mit Alice in einiger Entfernung von den anderen stand.

Das kleine Stück hatte Erfolg; zum Schluß wurde laut applaudiert und

die Spielenden wurden hervorgerufen. Alice und Mr. Clower kamen zuerst, das Mädchen freundlich und errötend, der Herr kühl und selbstbewußt; dann zeigten sich Jane und Sir Harry. Als der Vorhang fiel, sah Sir Harry eine plötzliche Veränderung in dem Gesicht seiner Partnerin; die glänzenden Augen trübten sich, die Hand, eben noch glühend heiß, wurde eiskalt.

Erschrocken und ängstlich fragte er:Was ist Ihnen? sind Sie krank? war dies alles zuviel für Sie?

Das Mädchen sah ihn einen Augenblick mit fremdem, verstörten Blicke an und entzog ihm dann leise ihre Hand.Nein, danke, ich bin nicht krank."

Die Spielenden waren im grünen Zimmer versammelt und empfingen die Gratulationen und Lobsprüche der Gäste. Man beriet, ob man den Abend hin­durch die Kostüme anbehalten oder wechseln solle. Die Meinungen waren geteilt. Die Damen fühlten sich ganz wohl in den weiten, gepufften Röcken und den hochhackigen Stiefeln und wollten dieselben anbehalten. Die Herren bemerkten, daß ihre Kostüme ihnen auf die Länge, besonders beim Tanz, unbequem werden würden, und wollten wechseln. Bereits ließen sich die ersten lockenden Töne der Tanzmusik aus dem Saal hören, man hatte infolgedessen eben beschlossen, zu bleiben wie man war, als Miß Gratton und Sir Harry eintraten. Mrs Thorn- ton wandte sich zu ihnen und sagte patronisierend:Sie spielten recht gut. Miß Gration; wir sind in Sir Harrys Schuld, daß er uns ihre theatralische Befähigung verraten. Lehren sie aber den Kindern diese Kunst nicht," setzte sie lachend hinzu.Es ist nicht immer eine erwünschte Gabe. Wollen sie nun in den Saal kommen," schloß sie,die andern sind schon alle dort versammelt."

(Fortsetzung folgt.)