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Ravensburg, 25. Mai. In vergangener Nacht brach in dem Magazin des hiesigen Vertreters der Ulmer Firma Gebrüder Braun Feuer aus, das zwar rasch gelöscht wurde, allein der Schaden ist nicht unbedeutend. Zum Glück wurde das nebenliegende Magazin, in welchem viele brennbare Stoffe, wie Teer, Asphalt und dergleichen, aufgespeichert lagen, vom Feuer nicht ergriffen. — Kaum war dieser Brand gelöscht und die Aufräumungsarbeiten in Angriff genommen, so stand die südlich der Stadt auf den Ziegelwiesen isoliert stehende Scheuer des Posthalters Birk in Flammen. Ehe die Feuerwehr auf dem Brandplatz erscheinen konnte, war das Gebäude mit allen Stroh- und Futtervorräten niedcrgebrannt. Zweifellos liegt wieder Brandstiftung vor. Neben vier Brandlegungsversuchen ist dies der fünfte Brandsall seit 19. Dezember vorigen Jahres.
Ravensburg, 26. Mai. Bei der am 23. Mai stattgehabten Ziehung in Zimmern OA. Rottweil fiel der Gewinn von 20,000 einer bedürftigen fleißigen Taglöhnerfamilie in der Gemeinde Frohnhofen OA. Ravensburg zu.
Aus Oberelsaß, 26. Mai. Bei dem jetzt herrschenden günstigen Wetter sind die Reben in der Entwicklung sehr weit vorgeschritten. Die sonst so gefährlichen Eisheiligen sind dieses Jahr- gnädig vorübergegangen, ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Die Gescheine sind sehr zahlreich, so daß in Winzerkreisen auf einen vortrefflichen Herbst gehofft wird. Sogar die im vorigen Jahr durch Hagel getroffenen Reben versprechen einen mittleren Ertrag. Tie guten Aussichten lassen die Preise eher fallen als steigen. So bezahlt man in Thann, Rufach, Türkheim, St. Pilt, Reichenweier und Rappoltsweiler für 1900er 30—44 per Irl. Das Obst, namentlich Steinobst hat gut verblüht und es wird auch dieses Jahr wieder eine reiche Kirschenernte erwartet.
Frankfurt a. M., 28. Mai. Heute Nachmittag kurz vor 5 Uhr schlug in der Nähe der Haltestelle beim Forsthaus (Frankfurter Staatswald) der Blitz in einen an der Straße stehenden Baum, unter welchem 6 Personen Schutz gesucht hatten. Drei Frauen, ein Mann und 2 Knaben wurden verletzt. Zwei davon sind dauernd gelähmt, während sich die andern nach der ihnen bald zu Teil gewordenen Hilfe der Freiwilligen Rettungsgescllschaft wieder erholten.
Detmold, 28. Mai. Bei der gestern am HermannS-Tenkmal vom Alldeutschen Verbände veranstalteten Kundgebung für die Buren wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Die am Hermanns-Denkmal am zweiten Pfingstfeiertage versammelten 7000 Deutsche fühlen sich eins mit dem kleinen heldenmütigen Volke nnd verurteilen auf das entschiedendste die
grausame Kriegführung der Engländer. Sie erheben an dieser urdeutschen Stätte entschieden Protest dagegen und geloben, nach besten Kräften für die Sache der für ihre Freiheit und ihre Selbständigkeit kämpfenden Buren einzustehen und nach bestem Können den Armen und Verwundeten sowie den Frauen und Kindern Hilfe durch thatkräftige Unterstützung zu gewähren. Die Versammlung glaubt, daß das ganze deutsche Volk mit ihr die Hoffnung hegt, daß die gerechte Sache doch noch zum Siege kommen wird und bedauert, daß es der deutschen Regierung nicht möglich ist, thatkräftige Hilfe zu leisten. Tie Resolution soll an den Reichskanzler gesandt werden.
Hamburg, 27. Mai. Gestern abend lief das große Siel an der Ecke der Schanzenstraße voll Wasser, während 12 Leute darin arbeiteten. Die Feuerwehr hat durch große Dampfpumpen bis heute vormittag das Siel ausgepumpt. Von den 12 darin arbeitenden Leuten wurden 9 gerettet. Man hofft, auch die 3 fehlenden noch lebend anf- zufinden.
Hamburg, 28. Mai. Zu dem Sielunglück erfährt die „Hamburger Börsenhalle, daß es noch gestern abend gelungen ist, die 3 Eingesperrten aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien, nachdem sie 29 Stunden im Schacht gesessen hatten. Die Arbeiter waren nur für 8 Stunden mit Essen ausgerüstet und sehr matt, befanden sich aber sonst Wohl. Tie Stelle, wo sie saßen, war trocken, da die Schachtthüre durch den starken Luftdruck derart gehalten wurde, daß das Wasser nicht durchdrang. Die Ursache der Katastrofe ist ein Bruch des alten Siels, das in das neue mündet.
Berlin, 25. Mai. Rund 600 Barbiergehilfen, unter denen sich viele beschäftigungslose befanden, sind heute ausständig. In der letzten Nacht wurde von den organisierten Gehilfen der Ausstand in einer gut besuchten Versammlung beschlossen. Damit der Beschluß auch sogleich in die That umgesetzt werde, führten die Ausstandsleiter und Vertrauensmänner die Gehilfen in die vorgesehenen Lokale — rund 100 — wo heute und die folgenden Tage die Arbeiterschaft rasiert werden soll. Große rote Plakate mit der Aufschrift: „Hier arbeiten streikende Barbiere!" sind an diesen Lokalen angebracht, um die Aufmerksamkeit der Arbeiter zu erwecken. Im Innern der Stadt und auch im Westen ist von dem Ausstand nichts zu bemerken. Nur in den Arbeitervierteln des Ostens und Nordens fielen diese Plakate auf. Die Barbierherren sind nicht gewillt, die Forderungen zu bewilligen, die auch von einem Teil der Gehilfenschaft selbst nicht unterstützt werden.
Breslau, 28. Mai. Finanzminister a. D. Miguel, welcher sich z. Z. in Zessel bei Oels aufhält, begiebt sich am 29. Mai früh 9 Uhr nach Berlin. Daselbst wird er zur Abschieds-
Audienz beim Kaiser sich melden und nach kurzem Aufenthalt die Weiterreise nach Frankfurt a. Al. antreten, wo bekanntlich Herr von Miguel dauernden Aufenthalt nehmen wird. Sein Befinden hat sich in der ländlichen Zurückgezogenheit wesentlich gebessert.
Berlin, 28. Mai. Wie dem Lokal- Anzeiger aus Petersburg berichtet wird, bringt die Petersburger Zeitung die im Hinblick des bevorstehenden Besuches der Königin Wilhelmine von Holland am Berliner Hofe besonders interessante Nachricht, daß die beiden Buren-Repu- bliken durch ihre Vertreter im Haag Dr. Hendrick Müller und Dr. Leyds sich an den internationalen Schiedsgerichtshof gewendet haben mit dem Ersuchen, durch einen schiedsrichterlichen Ausspruch den südafrikanischen Krieg zu beenden. Die beiden Vertreter haben sich bereit erklärt, sich dem Spruch des Schiedsgerichtes unbedingt zu unterwerfen und dabei daran erinnert, daß die Republiken immer gewünscht haben, diesen Weg zu einer Verständigung zu wählen.
Berlin, 28. Mai. Das Berliner Tageblatt meldet aus Rom: In Schia bei Verona versuchte sich ein Anarchist die Kehle abzuschneiden. Ins Hospital gebracht erklärte er, ausgeloost zu sein, um den deutschen Kaiser zu tödten. Er habe aber den Selbstmord vorgezogen. Mehrere verdächtige Briefe, welche sich auf Komplotte gegen die Königin von Italien, den Präsidenten Loubet den Präsidenten der Schweiz und den Kaiser von Rußland beziehen, wurden beschlagnahmt.
Berlin, 28. Mai. AuS Paris wird gemeldet: Der Ministerpräsident Waldeck-Rousseau war mit seiner Gemahlin und einigen Freunden nach Havre gefahren, wo sie vom Hafen mit einem Automobil nach einem Landsitz fahren wollten. Als sich das Gefährt in Bewegung setzte, sprang ein Individuum hervor und warf mit den Worten: „Sie sind ein Verkaufter, cm Dreyfusard" eine Orange nach Waldeck-Rousseau, die dessen Gemahlin an der linken Wange traf. Das Individuum wurde sofort verhaftet. Es ist ein Bäckergeselle, welcher der nationalen Jugend in Havre angehön.
Antwerpen, 22. Mai. Gestern feierte die hiesige Witwe Cornelsens, geb. Julia Krause, ihren 10 0. Geburtstag. Der Jubilarin, die aus Hamburg stammt, aber länger als die Hälfte ihres Lebens in Antwerpen wohnt, wurden große Ehrungen zu teil. Eine Abordnung von Kriegern aus dem Jahr 1870 aus Elberfeld überbrachte einen prächtigen Korb Blumen, Vertreter der deutschen Kolonie überreichten ein silbernes Tafelgeschirr u. s. w. Vormittags wurde die Jubilarin in einem 6spännigen offenen Wagen zum Rathaus geleitet, wo der Bürgermeister Van Ryswyck eine Ansprache an sie hielt.
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„Sir Harry ist meiner Schwester sehr ergeben und eine in jeder Beziehung wünschenswerte Partie. Er ist sehr reich und vornehm; meine Schwester ist, wie Sie wissen, arm, meines Vaters Familie ist groß, sein Einkommen nur mäßig. Alice kann sich glücklich schätzen, sie wird auch sicher einwilligen. Sir Harry Dates wird allgemein sehr gesucht und von den Damen verwöhnt, ihm schadet die kleine Ungewißheit nicht. Sie haben ihn wohl gesehen, als er zur Jagd hier war?"
„Jawohl, ich sah ihn einmal. Aber wenn Miß Alice ihn —"
„Ihn ausschlägt? O nein, das thut sie nicht! sie kokettiert ein wenig. Bleiben Sie hier. Miß Gratton, im Frühjahr sollen Sie dann der Hochzeit meiner Schwester beiwohnen. Nun, ist das kein Lockmittel?"
Ein geisterhaftes Lächeln überzog des jungen Mädchens Antlitz. Vor ihrem inneren Auge entstand die ganze Scene: die blonde, liebliche Braut, der glückliche Bräutigam, die frohen Hochzeitsgüste, alle heiter und glückstrahlend. O, lieber bis an das Ende der Welt fliehen, als das mit ansehen!
„Sie sind sehr gütig, und ich danke Ihnen vielmals," entgegnete sie. „Aber ich bin wirklich leidend, die Luft hier ist mir zu scbarf."
Aergerlich sagte Mrs. Thornton: „Aber wo wollen Sie hin? Sie haben keine Freunde, wie ich gehört habe, ich sagte Ihnen schon, wir werden nach London gehen, dann haben Sie Luftveränderung. Worüber haben Sie hier zu klagen?"
„lieber nichts, aber —"
„Sind die Kinder ungehorsam? Ist die Dienerschaft unaufmerksam? Finden Sie es eintönig hier? Wenn das ist, so wissen Sie, daß es Ihre eigene Schuld ist, da Sie nie des Abends zu uns herunterkommen wollen."
„Es ist nichts von alledem," war die leise Antwort.
„Was ist es denn?" fragte Mrs. Thornton scharf mit ärgerlichem Blick auf das blaffe, bebende Mädchen. „Haben Sie geheime Gründe, welche Sie wünschen lassen, Ihre einzige Heimat zu verlassen?"
„Ich bin krank! O, können Sie denn nicht sehen, wie elend ich bin?" rief Jane klagend, ihre schlanken, abgezehrten Hände bittend emporstreckend.
„Ich werde Doktor Fullerton rufen lassen; er kommt gleich, er wird froh sein, einen Grund zum Kommen zu haben."
„Ich brauche keinen Arzt, er kann mir nicht helfen."
„O, dann sind Sie nicht krank I Sie sind ein sonderbares Mädchen, wissen nicht, was Sie wollen. Sie sind nervös und sollen stärkende Medizin in Portwein erhalten, das wird Sie wieder Herstellen! Nun aber gehen Sie, ich bin sehr beschäftigt."
Gehorsam wollte sich Jane entfernen und Mrs. Thornton trat an ihren Schreibtisch. Plötzlich, schon an der Thür, wandte sich das junge Mädchen um und rief erregt: „Ich kann nicht hier bleiben, ich kann wirklich nicht; ich muß fort!"
Mrs. Thornton wendete den Kopf, sah sie kalt an und sagte mit hochmütigem Ton: „Sie vergessen sich, Miß! Wenn Sie auf ihrem Wunsch bestehen, mögen Sie gehen. Doch müssen Sie vorher kündigen; drei Monate ist Kündigung: zeit. Sollen wir von heute an rechnen?"
„Drei Monate? Ich kann keine drei Monate mehr hier bleiben!"
„Es ist unbequem für Sie, das gebe ich zu, aber es ist Gesetz. Von heute an gerechnet in drei Monaten können Sie das Haus verlassen, nicht früher," entgegnete Mrs. Thornton. Mit entlassender Gebärde erhob sie die Hand gegen Jane und setzte sich an ihren Schreibtisch mit einem so kalten, verschlossenen Gesicht, wie das junge Mädchen es nie an ihr bemerkt hatte und welches sie verstummen machte. Bleich und zitternd, tief verletzt von den kalten Worten der Dame verließ Jane schweigend das Gemach. Auf der Treppe begegneten ihr ein paar Mädchen, welche ihr kopfschüttelnd nachsahen und Bemerkungen darüber austauschten, wir krank und elend sie aussähe.
(Fortsetzung folgt.)