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AyzeigeölaLL für dev Bezirk Kalw.
76. Jahrgang.
Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die Einrückung« qek>6hr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung s Psg. die Zeile, weiter entfernt 12 Psg.
Donnerstag, den 30. Mai 1901.
Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1! 35.
Tagesneuigkeiten.
Alten steig, 25. Mai. Die Halsbräune taucht da und dort in hiesigen Familien bei Kindern wie auch bei Erwachsenen auf. Todesfälle kamen aber bis jetzt wenige vor. Die Anwendung des Heilserums gegen die heimtückische Krankheit von seiten der Aerzte hat sich auch hier als ein wirksames Gegenmittel bewährt. — Die Hühnercholera räumt in den Gcflügelställen hier bedenklich auf. So verendeten einem hiesigen Geflügelhalter an dieser Seuche 44 Stück Hühner.
Stuttgart. (Blumenkorso.) Nach dreijähriger Pause genoß Stuttgart am Pfingstsonntag wieder einmal das Schauspiel eines Blumenkorsos, an dem Ihre Majestäten der König und die Königin, Herzogin Wera, Herzog Albrecht mit Gemahlin und Kindern, die allerliebst aussahen, Herzog Robert mit Gemahlin, Herzog Ulrich, Prinz Hermann und Prinzessin Olga von Sachsen-Weimar, Prinz und Prinzessin Max von Schaumburg-Lippe teilnahmcu. Seine Majestät fuhr in Begleitung des Gencraladjutantcn und zweier Flügeladjutanten mit einem prachtvollen Viererzug von Rappen, Jo- ckcyreiter auf den Sattelpferden. Der Wagen war hauptsächlich mit Maiblumen garniert. Die Königin fuhr ebenfalls in einem Viererzug von Rappen, gelb uniformierte Postillone auf den Sattelpfcrden und ein Spitzrciter voran. An ihrer Seite saß die Palastdame Gräfin Uxkull. Der Wagen war mit Marschall Niel-Rosen und Goldregen prächtig geschmückt. Beide Majestäten wurden vom Publikum fortwährend mit Hochrufen begrüßt und' beteiligten sich lebhaft am Blumcnwerfen. Auch Angehörige des hiesigen Adels und verschiedene Offizierskorps erschienen mit schön geschmückten Wagen. Duftige
Arrangements von Frühlingsblüten wie Syringen, Goldregen, Schneeballen, Päonien, Margueriten u. s. w. wechselten mit kostbaren Treibhausblumen, Orchideen, Glyzinien, auch Mohnblüten u. s. w. Die Menge der Zuschauer war außerordentlich groß und wird auf mehr als 30 000 geschätzt. Sieben Militärkapellen sorgten in den Anlagen für musikalische Unterhaltung. Hauptsächlich haben sich bei dieser Veranstaltung die Ausschußmitglieder des Vereins für Fremdenverkehr, Kaufmann Otto Mayer, Juwelier Emil Föhr und Buchhändler Hermann Wildt verdient gemacht, denen Kunstmaler Peter Schnorr mit Rat und That zur Seite stand. Die Ausschmückung der Wagen gereicht den Hof- und Handelsgärtnern (namentlich Ehmann, Fischer, Ulrich, Hermann, Böhm) zu voller Ehre. Stuttgart ist ja eine der ersten Gärtnerstädte in Deutschland und es konnte wohl Hervorragendes erwartet werden. Leider war die Beteiligung aus den »ermöglichen Kreisen der hiesigen Gesellschaft keine bedeutende, es mag das mit der Abnahme der Haltung von Equipagen im Zusammenhang stehen. (St.-A.)
Stuttgart, 27. Mai. Die Landesausstellung von Lehrlings arbeiten im Landcsgewerbemuscum bleibt noch bis Sonntag den 2. Juni d. I. einschließlich geöffnet. Meister und Lehrlinge, welche sich an der Ausstellung aktiv beteiligt haben, können eine Fahrpreisermäßigung auf der Eisenbahn in der Art erhalten, daß die einfache Fahrkarte auch zur Rückfahrt berechtigt. Voraussetzung ist dabei, daß der Wohnort der betr. Meister und Lehrlinge mindestens 20 km von Stuttgart entfernt ist. Auch ist zur Erlangung der Preisermäßigung ein Ausweis erforderlich, der von der kgl. Zentralstelle für Handel und Gewerbe ausgestellt wird.
Plochingen, 26. Mai. Gestern abend zog über unseren Ort ein Gewitter hin, das sich über die Markungen Ruith, Kemnath und Hohenheim mit starkem Hagelschlag entlud und bedeutenden Schaden anrichtetc. Unter einzelnen Bäumen ist der Boden mit abgeschlagenen kleinen Fruchransätzeu übersät; ebenso wurden die Saatfelder zum Teil erheblich beschädigt.
Das Lichtenstcinfestspiel in Honau am Pfingstsonntag nahm, wie dem N. Tgbl. von dort geschrieben wird, einen glänzenden Verlauf; cs hatten sich im ganzen etwa 2000 Personen dazu cingefundcn, die drei Vierteile der Festhalle füllten. Man darf wohl sagen: Großartiges ist in kurzer Zeit geleistet worden, sowohl waS den Bau der Bühne betrifft, als hinsichtlich der Aufführung selbst. Es war keine Kleinigkeit, die circa 80 Mitwirkenden zu solch bedeutsamen Leistungen heranzubilden. Man darf sich freuen, daß endlich ein Gegenstand zur bühnenmäßigen und volkstümlichen Darstellung gelangt ist, der die landschaftlichen und geschichtlichen Reize der Gegend ins hellste Licht stellt. Der ergreifende Stoff der unsterblichen Dichtung Hauffs ist in eine im ganzen angemessene Form gegossen worden. Auch verwöhnte Besucher aus der Ferne werden Freude an der Darstellung gewinnen.
Gmünd, 25. Mai. Vorgestern fielen zwei wertvolle Pferde des Güterbeförderers Eisele hier während des Abladens des Fuhrwerks um und verendeten nach kurzer Zeit. Die Untersuchung ergab, daß eine Vergiftung durch Blätter der Roteibe (Taxus daveata) vorliegt. Die Tiere hatten von den Blättern dieses häufig vorkommenden Zierstrauches gefressen. Dem Besitzer erwächst ein Schaden von über 3000
rk. Nachdruck »erboten.
Girr Mädcherrfchickfal.
Frei nach dem Englischen von A. Wendt.
(Fortsetzung.)
Eine plötzliche Röte überflog sein Antlitz, und ein zorniger Blitz zuckte in seinen Augen.
„Das ist ganz selbstverständlich," fügte Jane, diesen Blick gewahrend, hinzu; „ich werde sehr gut und höflich behandelt."
„Werden Sie das?" fragte er beinahe rauh.
Leicht den Kopf neigend, wandte sich Jane, um an ihm vorüber zu gehen. Man hörte die Stimmen der Kinder in der Halle; einen Moment zögerte Sir Harry, dann ging er ohne eine Wort eilig die Treppe hinab.
Wenige Minuten darauf rannten die Kinder fröhlich die Galerie entlang nach dem Schulzimmer und fanden dort ihre Gouvernante ohnmächtig am Boden liegend, das weiße Gesicht halb von dem aufgelösten Haar bedeckt.
X.
„Sie wollen uns verlaßen, Miß Gratton? Das ist ja ein rascher, recht unerwarteter Entschluß," sprach Mrs. Thornton erstaunt mit verdrießlich zusammengezogenen Augenbrauen.
Tie kleine, blaffe Gouvernante stand in der Nähe der Thür und murmelte etwas von sich krank fühlen, die Luft von Thornton-Hall wäre nicht zuträglich für sie.
„Thorheit!" rief Mrs. Thornton gereizt. „Sie sind nun beinahe zwölf Monate hier, und ich hörte noch nie eine Klage von Ihnen.
Jane hatte in der That keine Ursache zu klagen; die Besuche der Dame
im Schulzimmer waren in der letzten Zeit immer seltener und flüchtiger geworden, so daß Jane sie um diese Unterredung hatte ersuchen lassen.
Sie waren allein im Boudoir der Dame; das Feuer brannte lustig im Kamin, schöne Treibhauspflanzen standen auf Tischen und Konsolen, ihren süßen Wohlgeruch mit der warmen Luft vermischend. Draußen war scharfer Frost, der Schnee lag fest und hartgefroren auf Wegen und Stegen, und die stark bereiften Bäume schimmerten in der kalten Dezembcrsonne märchenhaft schön wie von Krystall. Weihnachten mit all seiner Freude, seiner jubelnden Lust stand vor der Thür.
„Die kalte Witterung ist Ihnen nicht zuträglich; Sie haben gewiß nicht Bewegung genug; es ist auch ungewöhnlich kalt in diesem Jahr," fuhr Mrs. Thornton ruhig fort. „Sie sehen wirklich nicht wohl aus, und eine Luftveränderung wird Ihnen gut thun. Nun, nach Weihnachten gehen wir alle nach London."
Schüchtern, aber ernst und bestimmt wiederholte Jane ihren Wunsch, so bald wie möglich ihre Stelle zu verlassen.
„Aber ich kann Sie jetzt nicht entbehren, es ist ganz unmöglich für mich, jetzt eine Gouvernante zu suchen. Morgen und übermorgen wird das Haus von Gästen angefüllt sein, danach bin ich engagiert, und dann ist meiner Schwester trousseau zu besorgen, das ist ein mühseliges Geschäft; wie kann ich mich also nach einem Ersatz für Sie umthun!"
„Miß Durham's trousseau? Ich wußte nichts davon," stotterte Jane errötend und gleich darauf tief erbleichend.
„Ah, wußten Sie nicht, daß sie so gut wie verlobt ist? Ich sagte den Kindern bis jetzt nichts davon, die kleinen Plaudertaschen hätten zu viel darüber geschwatzt. Meine Schwester kann noch immer zu keinem festen Entschluß kommen," fuhr Mrs. Thornton gedankenvoll fort, während Jane ihr stumm gegenüber stand, ihre zitternde Hand auf eine Stuhllene stützend und Mut zu einer Entgegnung sammelnd.