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an die Mitglieder des Heilbronner Landgerichts, sich zum Empfang des Prinzen Wilhelm am Bahnhof einzufinden, keine Berechtigung gehabt. Der AusdruckFlegel", mit dem Hegelmaier dieselben, als sie seiner Einladung nicht Folge leisteten, titulierte, wurde damals durch eine Ehrenerklärung gesühnt. Der erste Verhand­lungstag brachte für den Angeklagten Hegel­maier, namentlich im Punkt der letzterem vor- geworscnen unsittlichen Handlungen durchaus nichts Belastendes. Wenn jemand hiebei bloß­gestellt wurde, so ist es in allererster Reihe der Heilbronner Gemeinderat Huber und dessen Handlanger Wächter. Auch der zweite Ver­handlungstag ergab gegen Hegelmaier durchaus nichts, was dessen Absetzung auch nur entfernt rechtfertigen würde. Die Heilbronner hätten offenbar sehr gut daran gethan, wenn sie das Pensionierungsanerbieten Hegelmaier's ange­nommen hätten, denn es kann sich sehr leicht ereignen, daß Hegelmaier von der Mehrheit der sachverständigen Aerzte als geistig normal erklärt und von dem Disziplinarhof nicht ab­gesetzt wird. Dann muß wohl Herrn Hegelmaier, der seit Jahren zurückgehaltene hälftige Gehalt auf einmal ausbezahlt und Hegelmaier wieder in sein Amt eingesetzt werden. Letzterer ist dann wohl auch hell genug, allen ihm gelegten Fallen aus dem Wege zu gehen und gleichwohl seinen boshaften Gegnern den Standpunkt bei jeder Gelegenheit energisch klar zu machen.

Stuttgart, 25. April. DemNeuen Tagblatt" zufolge ist der Schneiderstreik durch gegenseitige Konzessionen der Prinzipale und Arbeiter beendet und die Arbeit heute allgemein wieder ausgenommen worden.

Nagold, 24. April. Der Gewerbeverein Horb stattete am Montag mit etlichen 30 Mit­gliedern der hiesigen Stadt und dem Gewerbe­verein Besuch ab, um besonders die elektrischen Betriebe und Einrichtungen zu besichtigen. Mühlebesitzer Schneider in Horb beabsichtigt mit seiner ca. 40pferdekräftigen Wasserkraft ein Elektrizitätswerk zu errichten. Die Gäste wollten auch die Schmalspurbahn nach Altensteig kennen lernen und machten dahin nachmittags einen Ausflug. Abends fand gesellschaftl. Vereinigung im Gasth. z. Hirsch statt, wobei Stadtschultheiß Brodbeck auf den benachbarten Gewerbeverein toastete. Der Vorftand des Gewerbevereins Horb, Hr. Kaufmann Teufel, sprach sich sehr anerkennend über die Stadt Nagold und die besichtigten Anlagen aus, noch besonders be­tonend, daß Nagold im Aufblühen begriffen sei. Ein Mitglied des Nagolder Gcwerbeverems be­tonte sodann noch, daß die Interessen der ver­schiedenen Gewerbevereine des Landes gemein­schaftliche seien, und daß dieselben seit langer Zeit bei Lösung von Fragen über Gewerbe- und Verkehrsleben das Wort in die Wagschale zu legen haben, es seien aber auch derartige Zu­sammenkünfte dazu angethan, neue Freundschaften zu knüpfen und das Band des guten Einver­nehmens fester zu ziehen.

Ausland.

Aus Belgien, 23. April. In Lüttich ist eine ganze Hochzeitsgesellschaft auf dem Wege zum Rathause beim Ueberschreiten des Bahn­geleises von einem heranbrausenden Schnellzuge überfahren worden. Zwei Leute wurden ge­tötet, sieben verwundet.

/X Antwerpen, 21. April. (Corresp.) Nachdem die Franzosen vor einiger Zeit vergeb­lich eine Vergrößerung des ihnen auf der Aus­stellung eingeräumten Platzes verlangt hatten, ist jetzt den Deutschen das nämliche Schicksal widerfahren. Trotz der lebhaften Vorstellungen von deutscher Seite aus, sah sich nämlich das Exekutiv-Komite zu der Erklärung gezwungen, daß es ihm unmöglich sei, der deutschen Ab­teilung irgendwelche Vergrößerung zuzugestehen. Das Interesse der deutschen Industrie für die Ausstellung ist eben etwas zu spät erwacht und dieses Versäumnis machten sich dann inzwischen die anderen Nationen redlich zu Nutzen. Aller­dings umfaßt die deutsche Abteilung 10000 ülMeter und die Zahl der deutschen Aussteller beträgt über 500, worunter viele Firmen I. Ranges, aber doch herrscht hier allgemein die

Ansicht, daß diese Vertretung der deutschen In­dustrie in keinem Verhältnis zu ihrer wirklichen Bedeutung stände. Wir unsererseits sind in­dessen sicher, daß in der deutschen Abteilung die Qualität des Ausgestellten für die ungenügende Quantität mehr wie entschädigen wird, und im übrigen können sich diejenigen unserer Aussteller, deren Anmeldungen zurückgewiesen werden muß­ten, trösten, daß sie nicht ohne zahlreiche Leidens­gefährten fremder Nationalität da stehen. So wurde noch vor einigen Tagen das Gesuch eines englischen Konsortiums abgelehnt, welches 5000 HHMeter Raum im Parke gegen eine Miete von r/r Mill. Franks verlangt hatte. Es ist näm­lich absolut kein verfügbarer Platz mehr vor­handen, obwohl in letzterer Zeit noch weitere 4 Hektar dem Ausstellungsterrain einverleibt wurden, so daß dasselbe nunmehr beinahe 45 Hektar umfaßt. Hochinteressant ist das Publikum, welches sich allmählich hier einzufinden beginnt. Von den zahllosen Deutschen, Franzosen, Eng­ländern u. s. w., die in Hellen Haufen herbei­geströmt kommen, wollen wir hier nicht weiter reden, dagegen kurz erwähnen, daß in dieser Woche etwa 60 Araber mit Frauen, Pferden, Eseln und Kameelen, ca. ein Dutzend Zulus, eine Anzahl Chinesen und etwa 40 Indianer hier eingetrsffen sind und daß wir einige 100 Kongo-Neger für die nächste Zeit hier erwarten dürfen. Rechnet man zu all diesen verschiedenen Menschenrassen noch die Türken. Syrier, Egypter u. p w., die sich in malerischer Tracht in dem Parke Herumtreiben, so ergiebt sich ein so merk­würdiges und originelles Bild, daß allein um dieses zu sehen ein Besuch der Ausstellung sich lohnt.

Paris, 24. April. Gestern Nachmittag krachten in der Notre-Dame-Kirche vier Schüsse. Da die Kirche von Neugierigen überfüllt war, welche dieFahne der Jeanne d'Arc" sehen wollten, gab es eine große Verwirrung. Es stellte sich bald heraus, daß der Schütze ein Geisteskranker war. Da niemand getroffen, also auch kein Blut geflossen ist, so ist auch nach Ansicht der Geistlichkeit die Kathedrale nicht entweiht worden. Drei Verbrecher, die aus dem Gefängnis von Orthez entflohen, nachdem sie den Aufseher erwürgt und dessen Frau schwer verwundet und beraubt hatten, wurden in einer Herberge in Nay verhaftet. Als sie von Gendarmen geleitet in Orthez aus dem Zuge ausstiegen, stürzte sich die Volksmenge auf sie, um sie zu lynchen. Die Gendarmen hatten große Mühe, die Verbrecher gegen die Wut der Menge zu schützen.

Der italienische Ministerpräsident Crispi hat in der Deputiertenkammer einen bedeutenden Sieg davongetragen, indem sein Finanzprogramm mit großer Mehrheit ange­nommen wurde.

Athen, 26. April. Der König kehrt morgen zurück. Er ist von dem Anblick des Unheils erschüttert. Die Erdstöße dauern fort, jedoch nur schwach. Aus Besorgnis vor Un­glücksfällen wurde Gottesdienst hier im Freien gehalten.

In der Hauptstadt Portugals ist die Cholera ausgebrochen. Die Regierung be­hauptet zwar, es sei nur Cholerine. aber die überaus massenhaften Erkrankungen und die vorgekommenen raschen Todesfälle weisen stark auf asiatische Cholera hin.

New-Iork, 25. April. In der Nähe Washingtons bemächtigten sich etwa 1000 Ar­beitslose eines Eisenbahnzuges, vertrieben die Passagiere, besetzten den Zug und zwangen das Zugpersonal, sie nach Washington zu fahren. Gestern kam es zwischen streikenden und nicht streikenden Bergleuten in Pennsylvanien zu blutigen Zusammenstößen, wobei mehrere Per­sonen getötet und mehrere verletzt wurden. Die Arbeitslosen wurden gestern in Billings von 75 Polizeiagenten überrascht. Nach leichtem Kampf wurden die Polizeiagenten zurückgetrieben Der Führer der Arbeitslosen ist verwundet. 500 Soldaten erwarten die Ankunft des Eisen­bahnzugs in Milescity, Dakota. Eine andere Bande bemächtigte sich des Eisenbahnzuges in Terrehaute, Indiana. Eine im Gefängnis unter den Verhafteten Arbeitslosen ausgebrochene

Meuterei mußte durch die Polizei unterdrückt werden, wobei eine Anzahl Personen verwundet wurden.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist ein Riesenstreik der Bergarbeiter ausgebrochen; ca. 250000 Mann feiern. Die Kohlenproduktion ist lahm gelegt, und zahlreiche Fabriken haben ihren Betrieb bereits einstellen müssen. Die hiedurch arbeitslos Gewordenen arrangieren nun Masfenzüge nach Washington, um den daselbst tagenden Kongreß um Hilfe zu bitten. Wenn diese Arbeitslosen aber alle nach der Stadt Washington gelangen, so kann die Sache sehr schief werden. Deshalb weigern sich die Eisenbahngesellschaften, diese Arbeiter­massen nach Washington zu befördern und haben aus Furcht, die Arbeitslosen könnten ihre Züge unterwegs anhalten und zerstören, den ganzen Betrieb eingestellt.

Aus der Schweiz, 23. April. Im Neuen­burger See ist, wie dieN. Zür. Ztg." meldet, bei Grandson infolge des niedrigen Wasser­standes ein uralter Kahn sichtbar geworden, dessen Ursprung man auf die Pfahlbautenzeit zurückführen will. Bei Grandson ist eine 1,20 Meter dicke Schicht Braunkohle entdeckt worden, und es wird vermutet, daß diese Schicht sich weithin erstreckt. Das wäre denn allerdings ein nützlicherer Fund als der altePfahlbauten­dampfer."

Telegramme an den Enzthäler.

Berlin, 27. April. Die hiesige Staats­anwaltschaft leitete die Untersuchung im Duell des Frhrn. v. Kiderlen-Wächter mit dem Redakteur Polstorff ein.

Leipzig, 26. April. Dem hies. General­anzeiger wird vom Kladderadatsch mitgeteilt, Polstorff habe thatsächlich bei dem Duell mit dem Legationsrat v. Kiderlen-Wächter eine Verletzung der Lunge davongetragen; das Be­finden des Verwundeten sei indeß befriedigend und Lebensgefahr vorläufig nicht vorhanden. Die seit längerer Zeit angekündigte Ernennung des Legationsrats v. Kiderlen-Wächter zum preußischen Gesandten in Hamburg sei offiziell noch nicht erfolgt, stehe aber, wie unterrichteter- seits angenommen werde, außer Zweifel.

Hamburg, 26. April. Die Militärver­eine aus dem südwestlichen Holstein unternehmen am 3. Mai eine große Huldigungsfahrt zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh.

Hamburg, 27. April. Der Kassier der Sterbekasse des Chor- und des technischen Per­sonals der sämtlichen hiesigen Theater hat sich nach Unterschlagung des gesamten Kassenver­mögens ertränkt.

Frankfurt a. M., 26. April. Bei einer Kesselexplosion in der Brauerei Henninger da­hier sind 5 Personen verunglückt, darunter die Mitglieder der Maschinen- und Brauutensilien­fabrik von Graner und Weltin in Konstanz, Emil Graner, der noch in der Nacht seinen Wunden erlegen ist.

München, 27. April. Auf der Reccord- fahrt ParisWien per Veloziped ist Redakteur Billaume gestern nacht 12Vi Uhr hier einge­troffen und heute früh 5 Uhr nach Wien weiter­geradelt. Das Cafe Luitpold wurde in Ge­richtsauktion für 3 601000 -/L versteigert.

Wien, 26. April. Die Staatsanwaltschaft konfiszierte 140000 Flugblätter, die die Auf­forderung zur Maifeier enthielten.

Lissabon, 26. April. Bei der hier herrschenden Epidemie handelt es sich nun doch um asiatische Cholera. Gestern kamen 78 Er­krankungen, aber kein Todesfall vor.

Konstantinopel, 26. April. Die türkische Regierung bestellte wieder 200000Mausergewehre in Deutschland.