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Hlnterhaltender Teil.
Das Sumpfhauslenerl.
Eine Dorfgeschichte von A. d. Hahn.
(Fortsetzung 3.)
(Nachdruck verboten.)
So sich Fassung predigend, die Verzweiflung hinter sich, gelangte sie aus dem Dorf hinaus in's Freie und endlich, endlich in den bergenden Wald. Mit einem schrillen Aufschrei drängten sich die eingedämmten Seelenqualen mit elementarer Plötzlichleit hervor.
Lenerl warf sich zu Boden, auf's Antlitz. Beide Hände in die Haare vergrabend, die Fußspitzen mit konvulsivischem Zucken in den moosbewachsenen Waldboden bohrend, schob sie sich in ihrem wahnsinnigen Herzeleid, ruckweise wie ein Reptil, auf dem trockenen Erdboden dahin.
„Betrogen! betrogen! kam es zischend aus ihrer keuchenden Brust und in der Raserei ihrer Verzweiflung raufte sie ihr Haar, bohrte die Zähne in ihr eigenes Fleisch und riß sich das Gewand in der Zerstörungswut ihres grenzenlosen Jammers, Ruck um Ruck, fetzenweise vom Leibe. Dann sprang sie auf, den brennenden Kopf zwischen die Hände gepreßt, wankte sie in betäubender Aufregung zwischen den Bäumen auf und ab. Mit wogender Brust blieb sie endlich stehen, die wilden Blicke stier zur Erde gerichtet, so verharrte sie, eine lebende Verkörperung des Hasses, während sich mit unendlichem Weh ein neugeborenes Gefühl in ihr losrang — der Rachedurst.
Rache! dachte sie. dann flüsterte sie's und immer noch einmal wiederholte sie das traurige Wort mit begeistertem Ton, bis sie es laut und gellend vor ihrem eigenen Ohr erschallen hört und es das Echo hier und da an den Bäumen abprallend wiederholt. Aber sie hat noch nicht genug daran. Noch öfter will sie's hören, immer schneller ruft sie's, immer rasender arbeitet ihre Brust und immer gellender hallt's im Walde wieder: „Rache!"
Rache schreit sie unaufhörlich, konvulsivisch, bis sie in hysterische Krämpfe ausbricht, sich zuckend wie eine gräßliche Verkörperung des Wahnsinns auf dem Waldboden wälzt und ihre Verzweiflung mit rasenden Geberden zum Himmel ausschreit.
In dumpfes Brüten versenkt lag Lenerl Abends in ihrer Hütte. Sie hatte das Sumpfhaus so wieder gefunden, wie sie es vor Jahren verlassen. Der verrostete Schlüssel lag noch unter der Schwelle, wohin sie ihn gelegt hatte, und auch im Innern war alles unverändert. Wie sollte es auch anders sein. Die Mäuse und alle andern ein- und ausschlüpfenden Tiere hatten nichts hinaustragen können, des Stehlens würdige Objekte befanden sich nicht in dem verfallenen Raum. Es roch dumpf und faulig darin. Lenerl hatte die Thür weit aufgelasfen, lau und weich schmeichelte sich die Sommernacht herein.
Des Mondes bleiche Scheibe spiegelte sich zitternd auf dem feuchten Grund und wob mit feinem Weißen, durchsichtigen Licht auch um die Hütte magischen Glanz. Hier und da zuckte ein Irrlicht gespensterhaft auf. aber von dem echten Glanz, der silbern von oben herabströmte, beschämt, erlosch er rasch wieder. Friedlich ruhte die Mondnacht auf der schlummernden Erde.
Da plötzlich schallt ein Ton durch die Stille der Nacht. „Lenerl!" — tönt der langgezogene Laut über das Moor. Die Verzweifelte in der Hütte richtet sich auf. „Lenerl!" —tönt's noch einmal zu ihr herein.
Mit einem Satz ist sie auf und mit zwei Schritten steht sie hochaufgerichtet vor der niedrigen Thür.
„Wer ruft mich?" tönt's dumpf von ihren Lippen, zur andern Seite des Moors hinüber, wo eine dunkle Gestalt sich abhebt.
„Bist wirkli da, Lenerl?" kommt die andere Stimme wieder hell herüber, aber angstvoll, zitternd. „Willst Du mit mir sprechen. Lenerl dann geh', hol' mi z' Dir herüber, i find jetzt den Weg net über's Moor."
„Hast Angst?" lacht sie schneidend mit verschleierter Stimme. Dann greift sie nach ihrem zuckenden Herzen, ein Gedanke schwirrt durch ihr glühendes Hirn. Sie setzt eilig, wie ein gehetztes Reh. den altgewohnten bekannten Weg nehmend, mit gewagten Sprüngen über den sumpfigen Grund.
„Lenerl, Lenerl! kannst mir verzeih'n, kannst mir vergeb'n, was i Dir gethan?" sinkt die dunkle Gestalt, als sie drüben angelangt ist, vor ihr nieder.
„Steh auf und komm," sagt sie gepreßt mit rauher Stimme.
„O Lenerl sprich, daß D' mir verzeihst," fährt er atemlos fort, nachdem er sich von den Knieen erhoben hat und von ihrer Hand geleitet, ihrer Weisung gemäß hier und da Sätze machend, über den Sumpf schreitend.
„Was bin i schlecht g'wes'n, was Hab i Dir 'than! kannst mir ja nimmer und nimmer vergeben" — ruft er sich selbst anklagend. „Aber i will's guet mach'n," fährt er sicherer fort, in der Meinung, sie höre ihn an, damit er sich rechtfertige. „Du kommst zu uns Lenerl, Alle z'sammen geh'n wir hinüber. Die Toner! ist leidend, sie wird net alt werd'n. Du bleibst bei uns, Lenerl. und später — wirst seh'n — werden wir no glückli mit einand'! — Schau, i könnt net anders, die Toner! war schon unglückli durch mi g'word'n, und nachdem was i dem Bauern 'than halt', könnt i sie net a no sitzen lafs'n. Gelt Lenerl, D' wirst mir verzeih'n?"
„So — jetzt springst da hinüber," hob sie endlich atemlos an, „zweibeid können wir net z'sammen rüber, — ja dort — so! — bist drüben?"
„Lenerl, s'ist Sumpf hier!" — giebt er erschrocken zur Antwort, als er mit beiden Füßen klatschend aufprallt und weiche, schwankende Masse unter sich spürt.
„Geh nur weiter." ruft sie hinüber, „no an Schritt und d' fühlst wieder festen Boden, bist halt z' kurz g'sprung'n — aber schnell — eil Di — sonst sinkst."
(Schluß folgt.)
Mahnruf der Vögel im Frühling.
Die gesamte Vogelschar des Deutschen Reiches hat in ihrer ersten diesjährigen Versammlung nachstehenden Mahnruf erlassen:
„Nachdem wir aus fremden, fernen Landen in unsere alte liebe Heimat zurückgekehrt sind, in Feld und Wald, in Stadt und Land unsere früheren Wohnungen bezogen haben, gedenken wir hier einen glücklichen Hausstand zu gründen und ein friedliches, fröhliches Leben zu führen. Wir stellen uns und unsere Nachkommenschaft unter den kräftigen Schutz der Menschen und hegen die Hoffnung, daß sie insgesamt, alt und jung, groß und kleiu, uns an Leib und Leben weder Schaden noch Leid thun, noch das kostbare Gut der Freiheit uns rauben werden. Insbesondere bitten wir freundlichst und dringend, die mühsam erbauten Nester niemals zu zerstören, unsere Eier nicht wegzunehmen, die Jungen in unserer Pflege zu lassen und allezeit uns als gute Freunde zu behandeln. Dagegen wollen wir durch munteres Hüpfen, Flattern und Fliegen, durch Pfeifen, Schnattern und Singen auch Unterhaltung und Vergnügen bereiten, auf Baum und Busch, Strauch und Kraut, Feld und Vieh die lästigen Schmarozer wegfangen, so daß Feld und Wald, Gärten und Auen lieblich gedeihen und die Menschen an Gottes neu belebter Schöpfungspracht Freude und Wonne finden."
So geschehen zu Waldheim zwischen Ostern und Pfingsten d. I.
Im Namen der Versammlung Die Bevollmächtigten:
Lerche, Star, Fink und Nachtigall.
Als Bekämpfungsmittel des Apfelblütenstechers (^.ntllouomuL xomoruiu) kann nur empfohlen werden, in Gegenden, in denen der Stecher fortgesetzt stark auftritt, die Bäume vor Allem gründlich zu pflegen, das alte Moos, die Flechten, die abgestorbene Rinde, behagliche Sitze des Unholdes, in denen er sich überwintert — wie schon mehrfach erwähnt, zu entfernen
oder sofort zu verbrennen. Außerdem sollten die Bäume durch ausgiebige Düngung im Herbst und Winter zu üppiger und schneller Entfaltung ihrer Blütenknospen angeregt werden, denn es ist eine bekannte Thatsache: Oeffnen sich die Knospen rasch, so geht das darin liegende Ei oder die noch ganz kleine Made zu Grunde, weil beide Regen und kalte Nächte rc. nicht ertragen können. Aus diesem Grunde haben wir auch den schlimmen Feind des Obstbaues am meisten in solchen Jahren zu fürchten, in denen kühle und nasse Witterung die Obstbaumblüte längere Zeit verzögert. Eine große Menge von Aepfeln kann man sährlich durch Folgendes retten und damit zugleich der Vermehrung des Käfers energischen Eintrag thun. Sobald die lauen Tage des Frühlings, sei es im März oder April, sich einstellen, so klopfe man genau zur Zeit, wenn die ersten grünen Blütenknospen aus den jungen Blättern sich herausschieben, jeden Morgen mit dünnen Stangen die Zweige über untergelegte Tücher ab. Man wird erstaunen, welche Menge dieser Racker oft von den Bäumen purzeln werden. Kinder lesen sie zusammen und vernichten sie. Setzt man dieses Abklopfen besonders auch an Zwergbäumchen einige Zeit fort, so wird der Schaden kein auffälliger mehr bleiben. Die weggefangenen Weibchen können keine Eier mehr legen! Also wohl verstanden: rechtzeitig und öfters muß es geschehen, sonst hat es keinen Wert. Der Schaden des winzigen Ungeziefers wird überall unterschätzt: er macht in einem einzigen obstreichen Orte in einem Jahre öfters einen ganzen Eisenbahnzug voller Aepfel aus. Allgemeine Bekämpfung in den Gemeinden und Landstrichen sollte Ehrensache der obstbautreibenden Bevölkerung werden! Einer für Alle — Alle für einen!
Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß junges Grünfutter nur mit großer Vorsicht verwendet werden darf, wenn nicht ein Aufblähen der Tiere die Folge davon sein soll. Um dies und damit manchen Schaden zu vermeiden, ist es ratsam, das Grünfutter mit Stroh zu Häckseln. Es ist dies Verfahren um so mehr anyezeigt, als dadurch eine Verschwendung mit insbesondere im jungen Klee in reichlicher Menge vorhandenen Eisweißstoffen vorgebeugt und ein passenderes Nährstoffverhältnis erzielt wird.
Geharnischte Worte. Fürst Bismarch hat bekanntlich zu seinem Geburtstag einen Küraß aus Stahl, der versilbert ist, als vornehmstes Geschenk erhalten. „Ich war schon - immer für die Abrüstung!" sagte der Altreichs- ^ kanzler, als er den Panzer anprobierte. — „Nun wird er wieder leicht in Harnisch geraten!" sagte Caprivi, als er las, daß dem Fürsten der ,
Küraß gut passe und bequem sei. — „Ach, >
möchte mir der Reichstag doch auch 'mal 'nen i Panzer schenken!" wünschte der Marineminister, als er im Etat eine frischgestrichene Fregatte entdeckte. — „O, daß ich meinen Panzer doch endlich auch versilbern könnte!" — seufzte der — Schneider Dome, als sich noch immer kein Käufer für die kugelsichere Erfindung melden wollte.
(Zerstreut.) Student: „Herr Professor, wollen Sie die Güte haben, mich Fräulein Tochter vorzustellen? Ich möchte um einen Rundtanz bitten!" — Professor: „Einen Rundtanz?! Aber, Verehrtester, ich — ich tanze schon lange nicht mehr!"
((Beim Scheidungsprozesse.) Richter (zum Gatten gewendet): „Ihre Scheidungsgründe sind nicht stichhaltig, und es ist das Beste, Sie versöhnen sich mit ihrer Gattin ... Haben Sie noch etwas vorzubringen?" — Gatte (nach längerem Bedenken): „Ich bitt' ergebenst, ich nehm die Strafe an!"
(Manöverblüte) Unteroffizier Schnauzle (dem Einjährigen Müller seine Feldflasche reichend): „Na, Einjähriger, wollen Sie ooch mal 'n Feldzug mitmachen?"
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg