kriegs mit Rußland dem deutschen National­wohlstand empfindliche Verluste zufügen. Dem Reichstag soll der Handelsvertrag mit Rußland noch in dieser Woche zugehen und die Beratung desselben dürfte alsbald auf die Tagesordnung gesetzt werden, freilich aber auch sich durch mehrere Wochen hindurchziehen, da er ohne Zweifel einer besonderen Kommission zur ein­gehendsten Durchsicht überwiesen werden wird.

Berlin, 6. Febr. Es bedurfte keines besonders geschärften Auges, um zu bemerken, daß in den Parlamenten heute ganz andere Dinge die Geister beschäftigen als die gerade im Saale verhandelten. In den Wandelgängen des Reichstags wie des Abgeordnetenhauses flutete unaufhörlich eine bewegte Menge, nur mit Zögern und Widerstreben kehrte dann und wann einer von den Parlamentariern in die Sitzung zurück, das politische Gespräch draußen bannte die Teilnahme weit fester: das Thema war hier wie dort der deutsch-russische Handelsvertrag, dessen ziffermäßige Bedeutung ja nunmehr be­kannt geworden war, und die Aussichten dieses wie eine Wetterwolke über dem ganzen politischen Leben lagernden Phänomens wurden in langen Gesprächen hin und her gewogen und abgeschätzt.

Berlin, 7. Febr. Die wirtschaftliche Ver­einigung des Reichstages ist heute zusammenge­treten behufs Stellungnahme zum russischen Handelsvertrag. Kardorff hat einen Antrag ein- gedracht, die Bundesregierungen möchten ein Reichsgesetz vorlegen, wodurch der Bundesrat ersucht, ermächtigt und verpflichtet wird, bei Einfuhr von Roggen, Weizen und Mehl in das deutsche Reich denjenigen Staaten gegenüber, welche Papiervaluten mit Zwangskurs besitzen, bezw. in welchen für Gold Aufgeld bezahlt wird, Zvllzuschläge zu erheben unter entsprechender f gleichwertiger Normierung des Zollzuschlags auf f Einfuhr von Mehl nach den Wertrelationen i zwischen Getreide und Mehl. Nach verschiedenen I Ausführungen gegen den Handelsvertrag wurde l der Antrag der Sublommission überwiesen.

Berlin, 7. Febr. Wie verlautet, beab­sichtigt die Vertretung der Stadt Berlin den russischen Delegierten bei den Verhandlungen des Handelsvertrages ein Fest zu veranstalten, s Berlin, 7. Febr. Die Unterzeichnung des deutsch-russischen Handelsvertrags erfolgt am 9. Februar durch Caprivi und Schuwalow.

Berlin, 7. Febr. (Deutscher Reichs­lag.) Die Anträge der Abgeordneten Gröber (Zentr.) und Rickert (freis. Ver.) betreffend Ab­änderung des Wahlgesetzes kommen zur Beratung. Gröber begründet seinen Antrag und bittet um Annahme, desgleichen Rickert. Lenzmann (freis. Bolksp.) führt eine große Anzahl Wahl- beeinflusfungen an und begründet die Notwendig­keit dieses Gesetzes. Czar-linski (Pole) ist da­für, desgleichen Blos (Soz.). Merbach (Reichs- Partei) ist gegen die Annahme, weil die Be­stimmungen des Entwurfs undurchführbar seien. Osann (n.l.) spricht namens eines größeren Teils seiner Freunde gegen die Vorlage. Redner zählt in seinen weiteren Ausführungen eine Reihe von Mängeln auf, welche in dem Gesetz­entwurf bei den Wahlen zu Tage treten würden. Graefe (Antis.) ist für den Entwurf, er erklärt sich jedoch gegen die Vornahme der Wahl an Sonntagen. Hilpert (Bauernb.) und Träger - (freis. Bolksp.) sind ebenfalls für den Antrag. Heller (n.l.) will die Vorlage einer Kom­mission überwiesen haben. Auer (Soz) erklärt stch für den Entwurf, weil er das Wahlgeheimnis sichere. Barth (Freis.) hält eine nochmalige Kommissionsberatung für überflüssig und bittet um Annahme. Nach einer kurzen Bemerkung Ulrichs wurde die Debatte geschloffen. Der Antrag Moeller's auf Kommissionsberatung wurde abgelehnt und sofort in die zweite Lesung des Entwurfs eingetreten. Eine Reihe von Paragraphen wurde debattenlos angenommen, Etat^ ^ vertagt wurde. Morgen:

Berlin, 7. Febr. Im Reichstagsfoyer verlautete, die Regierung unterziehe die Wein- Neuer einer gänzlichen Umarbeitung und solle eine Hlaschenweinsteuer planen.

. Schreiben, welches Herr v. Ploetz,

er Vorsitzende des Bundes der Landwirte, an

den Amtsrat Uh den gerichtet hat, um diesen zur Niederlegung des Reichstagsmandates oder zur Ablehnung des russischen Handelsvertrages zu zwingen, stellt einen politischen Er­pressungsversuch im vollsten Sinne des Wortes dar und wirft von neuem ein sehr be­zeichnendes Licht auf die Agitationsweise der Agrarier. Es ist schon schlimm genug, daß sich Politiker gefunden haben, die sich bei der Wahl, der gänzlich unbestimmten und unbekannten Vor­lage gegenüber, bereit finden ließen, vorher ein bindendes Versprechen über ihre Stellung zu dem deutsch-russischen Handelsverträge abzugeben; das ist ein Verhalten, das weder eines selb­ständigen Mannes würdig, noch politisch klug war; daß jetzt aber die Herren vom Bunde der Landwirte auch noch einen Zwang auf diejenigen auszuüben suchen, die sich bei der Wahl eine unabhängige Stellung bewahrt haben, das geht ebenso gegen den politischen Anstand, wie es gegen die Bestimmungen der Reichsverfassung verstößt. Es beruht auf der durchaus falschen und unberechtigten Anschauung, als ob der ge­wählte Reichstagsabgeordnete-lediglich der Ver­treter einer Interessengruppe wäre, die bei seiner Wahl zufällig die Mehrheit erlangte, und daß ihm durch dieselbe einimperatives Mandat" übertragen worden sei. Die Herausbildung eines imperativen Charakters kann nie in dem Sinne erfolgen, daß ein Abgeordneter, der seine Wahl lediglich dem Vertrauen seiner Wähler verdankt, nachher von einer Interessengruppe, die noch dazu seinem Wahlkreise gar nicht an­gehört, soll gezwungen werden können, in diesem oder jenem vorgeschriebenen Sinne abzustimmen. Dem widerspricht nicht nur Artikel 29 der Verfass­ung, daß die Mitglieder des Reichstages Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und In­struktionen nicht gebunden sind, sondern auch Artikel 30, demzufolge kein Mitglied des Reichs­tages wegen seiner Abstimmung außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen wer­den darf.

Aus Kamerun liegen nun endlich nicht nur private, sondern auch amtliche Berichte über die Ursache der vor einigen Wochen daselbst vor­gekommenen Meuterei der eingeborenen Sol­daten vor. Der Kanzler Leist in Kamerun hat in Abwesenheit des Gouverneurs einige schwarze Soldatenweiber, welche nicht arbeiten wollten, öffentlich d. h. unter den Augen ihrer Männer auspeitschen lassen. Begreiflicherweise sucht Leist seine Handlungsweise thunlichst zu beschönigen, dürfte aber mit diesem Versuch wenig Glück haben. Wenn auch Schwarze mit energi­schen Mitteln manchmal behandelt werden müssen, so geht ein solches Verfahren doch über die Hutschnur. Wenn man in Deutschland alle Leute, die nicht arbeiten wollen, prügeln müßte, so könnte das hübsch werden, namentlich wenn man dieBlaumacher" aus den Wirtshäusern und die besser situiertenNichtsthuer" nachmittags aus den Kaffeehäusern holen und zu einer Peitschexekution führen wollte.

Berliner Blätter wollen von einer interes­santen Aeußerung erfahren haben, die der Kaiser auf dem letzten Hofball einem hohen Reichsbeamten gegenüber gethan haben soll. Der Kaiser habe sich mit ihm angelegentlichst über englische und amerikanische Verhältnisse unterhalten und dem lebhaften Wunsch zn er­kennen gegeben, Amerika aus eigener An­schauung kennen zu lernen. Die Unterhaltung des Kaisers habe mit der Bemerkung geschlossen, er sei der Ansicht, daß die Nationen germanischer Race auf der Erde zusammenhalten müßten.

Württemberg.

Stuttgart. 8. Febr. Wie der Schw. Merk, vernimmt, ist Oberregierungsrat Nestle im Ministerium des Innern zur Zeit mit Refe­raten für das Staatsministerium beauftragt, da die Stelle des zum Minister ernannten früheren Staatsrats v. Pischek noch nicht wieder besetzt ist.

Stuttgart. 7. Febr. ImSchwäb. Merkur" wenden sich eine Anzahl Gutsbesitzer, an deren Spitze Fürst von Hohenlohe-Langen- burg steht, gegen durch den ruisischen Handels- vertrag bevorstehende Zollermäßigung auf 3.50 vkL Die Einsender verurteilen iedoch die

voreilige, schroffe Agitation des Bundes der Landwirte und mahnen dazu, im Interesse einer gedeihlichen Wirksamkeit des Bundes sowie in demjenigen unserer Landwirtschaft Beschlüsse hin­sichtlich des russischen Handelsvertrags erst dann zu fassen, nachdem dessen Bestimmungen bekannt sind und man die Tragweite desselben zu be­urteilen vermöge.

Stuttgart, 8. Jan. Die Stadtgemeinde Stuttgart legt 1400 000 «iL ihres 4°/«igen An­lehens vom Jahre 1891 zum Kurs von 103,80°/» zur allgemeinen Zeichnung auf. Das in Stücke von 2000, 1000, 500 und 200 ^ eingeteilte Anlehen hat halbjährige Verzinsung (1. März und 1. September) und unterliegt vor dem Jahre 1901 weder der Tilgung noch Verlosung. Zeichnungen werden bei der Stadtpflege, Rat­hauszimmer Nr. 19, von jetzt an bis Donners­tag, den 15. ds. Mts. einschließlich, in den ge­wöhnlichen Geschäftsstunden sowohl mündlich als schriftlich entgegengenommen.

Das Resultat der unmittelbar bevorstehen­den Lavdtagsersatzwahl in den Bezirken Ehingen und Laupheim läßt sich schon jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit vorherigen. Gegenüber dem Landrichter Dr. Kiene aus Hall hat im Bezirk Ehingen der demokratische Kandidat Müller Schaich von Erstngen gar keine Aus­sichten und im Bezirk Laupheim, nachdem Land­gerichtsrat Walser von Ulm von seiner Kandi­datur zu Gunsten des Stadtschultheißen Schick zurückgetreten ist, der demokratische Kandidat Saut er nur ziemlich dürftige Chancen. Die Landtagswahl für die Stadt Ulm infolge Ab­lebens des Abgeordneten Rechtsanwalt Ebner ist auf den 7. März anberaumt; ein eigentlicher Kandidat ist bis jetzt nicht aufgestellt, obgleich schon Namen genannt worden sind und zwar Landgerichtsrat Pfizer in Ulm und Kommerzien­rat Engel daselbst.

Leonberg, 8. Febr. Bei Münchingen hiesigen Oberamts stürzte gestern Nachmittag in einem großen Steinbruch eine Steinwand ein und begrub 5 Arbeiter, darunter 2 Zimmerleute. 4 derselben wurden tot aus den Trümmern ge­zogen, einer kam mit einem Beinbruch davon.

Anstand.

/V Lüttich, 6. Febr. Das Wasser der Maas und der in dieselbe einmündenden Flüsse steigt in besorgniserregender Weise: Aus den benachbarten Ortschaften kommt die Nachricht, daß alle in der Nähe des Ufers gelegenen Keller bereits überschwemmt seien und daß es auch nach den höher gelegenen Kellern zusehends vor­dringe. Der angerichtete Schaden ist ein ganz bedeutender und derselbe ist um so beklagens­werter, als arme Leute von ihm betroffen.

Während in Prag der Omladinaprozeß noch fortdauert, suchen einige Anhänger des jungtschechischen Geheimbundes die Behörden dadurch zu ängstigen, daß sie in Prag und Um­gebung ab und zu Petarden auf der Straße zur Explosion bringen, wodurch die Bevölkerung allerdings sehr in Angst gesetzt wird, obgleich bis jetzt durch die neuesten Petardeuexplosionen niemand verletzt wurde. Mit derartigen Mitteln können aber die Jungtschechen höchstens das er­reichen. daß über ganz Böhmen der Belager­ungszustand verhängt wird.

Die Rädelsführer in den Putschversuchen in Massa, Carrara und Sizilien sind von den Gerichten sehr schwer bestraft worden und die von Crispi tatsächlich eingeführte Diktatur trägt offenbar sehr viel dazu bei, weitere Putsch­versuche niederzuhalten. Um so größer ist da­gegen die Unzufriedenheit der einstweilen nach Hause geschickten Deputierten und Crispi wird mit ihnen nach Wiedereinberufung der Kammer einen schweren Stand haben. Einstweilen hat er auch noch mit dem Papst Differenzen be­kommen, da er den von dem Papst ernannten Patriarchen von Venedig die staatliche Genehmig­ung zur Ausübung seines Amtes (das Exequatur) verweigert.

In Serbien ist die Lage noch sehr ver­worren. Exkönig Milan will zwar demnächst wieder abreijen, die radikale Presse in Serbien hetzt aber unausgesetzt und an mehreren Orten hat sich die Bevölkerung, weil die Miliz aus