Wenn hienach die Späterlegung der Schnell­züge und die Einrichtung des Güterzugs 654 ab Wildbad 2 Uhr für Personenbeförderung, ferner die Späterlegung des Zugs 144 allge­meine Zustimmung finden wird, so besteht hier ebenso der allgemeine Wunsch, daß der Mittags­zug 139 früher gelegt werden möge. Diese Früherlegung ist besonders für den Lokalverkehr im Hinblick auf die Ausflügler von Pforzheim erwünscht, aber auch darin begründet, daß da­durch Fahrgelegenheit thalauiwärts mehr in der Mitte zwischen dem Vormittagszug 137 und dem Schnellzug 141 gegeben würde. Auch treffen ja während der Mittagszeit zwischen 12 und 2 Uhr zusammen 4 Züge von 3 Richtungen in Pforzheim ein, deren Passagiere für raschere Beförderung ins Enzthal gewiß dankbar wären.

Was die Frühzüge 136 und 135 betrifft, so hofft man, daß dieselben der Sommerszeit entsprechend, in der schon wiederholt angedeuteten und begründeten Weise früher gelegr werden. Unter allen Umständen halten wir eine frühere Ver­bindung mit dem Enzthal für die Sommerszeit als eine unabweisbare und gerechte Forderung.

Pforzheim. (Korresp.) Wohl in keinem Erwerbszweige ist die Versuchung zu Veruntreu­ungen und Unterschlagungen größer als gerade in der Bijouterie. Sie wird hervorgerufen durch den großen Wert des Rohmaterials und die verhältnismäßig sehr leichte Veräußerung desselben, nachdem es in Unrechten Besitz gelangt ist. Es handelt sich hier namentlich um die sog.Goldschnipfel," d. h. Abfälle, welche nicht abgeliefert, sondern behalten, eingeschmolzen und verkümmelt" werden. Man kann sich denken, daß diese Unredlichkeit, wenn sie systematisch mnd einigermaßen mit Geschick betrieben wird, eine sehr einträgliche ist, und gar Mancher, der das Glück hatte, nicht erwischt zu werden, har es auf diese Weise schon zuEtwas" gebracht. Manche aber, und das ist ganz in der Ordnung, fallen auch der strafenden Gerechtigkeit in die Hände, wie die vielenSchnipselprozesse" vor der Karlsruher Strafkammer schon bewiesen haben. In letzter Zeit sind hier wieder mehrere Verhaftungen und zwar von gut situierten Leuten vorgekommen, und am Samstag wurde eine ganze, aus Vater, Mutter und Tochter bestehende Familie festgenommen. Weitere Ueberraschungen sollen noch bevorstehen. Es soll sich nicht allein um Diebstähle, sondern auch um Hehlerei handeln. Wären die Hehler nicht, so gäbe es auch der Stehler nicht so viele.

Deutsches Weich.

Berlin, 27. Jan. Im königl. Schlosse waren, als Fürst Bismarck eintraf, im ersten Zimmer die Herren vom Hauptquartier des Kaisers aufgestellt. Fürst Bismarck wechselte mit ihnen kurzen Gruß und begab sich dann so­fort in den zweiten Saal, in welchem der Kaiser allein weilte und den Fürsten stehend empfing. Die Unterredung, welche dann stattfand, hatte keine Zeugen; über ihren Inhalt ist bisher auch nichts bekannt geworden. An der Abendtafel nahmen der Kaiser, die Kaiserin, Prinz Heinrich, der König von Sachsen, Fürst Bismarck, Graf Herbert, Oberstlieutenant Graf Klinkowström, Kommandeur des 7. Kürassierregiments, welches dem Fürsten verliehen worden ist, und noch einige Herren teil, deren Namen bisher nicht be­kannt geworden sind. Noch einige Einzel­heiten über die Abreise, welche. wie gemeldet, 7,36 erfolgte. Die polizeiliche Absperrung war noch stärker als am Vormittag. Minister Thielen war persönlich auf dem Bahnhofe und ordnete die strengste Absperrung an. Zur Verabschied­ung waren die Abordnung der Halberstädter Kürrassiere, der Kommandant von Berlin, das gesamte militärische Hauptquartier des Kaisers mit dem General von Hcchnke an der Spitze, anwesend. Um 7 Uhr 28 Min. verkündeten brausende Hochrufe von der Molkenbrücke her das Erscheinen des Kaisers und des Fürsten Bismarck. Beide kamen in einem geschlossenen Prunkmagen, begleitet von einer ganzen Schwa­dron Gardekürassiere. Der Regimentskomman­deur Oberstlieutenant Graf Klinckowström be­gleitete den kaiserlichen Wagen. Im zweiten Wagen folgten Prinz Heinrich und Graf Herbert

Bismarck. Der Kaiser trug seinen großen 1 Militärmantel und stützte den Fürsten leicht beim ' Hinaussteigen und auf dem Wege zu seinem Salonwagen. Er schüttelte drei oder vier Mal dem Fürsten die Hand, küßte ihm dann beide Wangen. Fürst Bismarck war tief erschüttert. Als er in den Wagen gestiegen war, reichte ihm der Kaiser, der inzwischen einige Worte zu Graf Herbert Bismarck gesprochen, nochmals die Hand. Der Zug setzte sich unter betäubenden Hurrahrufen und dem GesangDeutschland, Deutschland über alles" in Bewegung. Der Fürst verneigte sich freundlich lächelnd zum Dank. In seiner Begleitung waren die Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck und Prof. Schweninger. Der Salonwagen war mit reichen Blumen­spenden angefüllt. Der Kaiser verließ unter Hochrufen die Bahnhofshalle.

Berlin, 27. Jan. Fürst Bismarck ist hier gewesen. Er ist empfangen und be­handelt worden, wie kaum je ein regierender ' Fürst. So weit man von äußeren Eindrücken schließen kann, war er auch sehr gerührt. Augen­zeugen versichern, die Augen hätten ihm voll Thränen gestanden. Was er mit dem Kaiser gesprochen, ist noch nicht bekannt; ebensowenig was er mit seinem Nachfolger verhandelt. Daß er aber mit Caprivi selbst gesprochen, wird von Leuten, die es wissen können, fest versichert; die übrigen hohen Beamten hat er nicht gesprochen, sie haben aber alle ihre Karten abgegeben. Die Anordnungen zum Empfang Bismarcks sind mit Umgehung des Hofmarschallamtes bis in die kleinsten Einzelheiten vom Kaiser selbst ausge­arbeitet und angeordnet worden. Die beiden ältesten Prinzen hatten Befehl, sich als jüngste Offiziere der Armee beim Fürsten Bismarck als einem Generaloberst der Armee in Uniform zu melden. Als Gastgeschenk verehrte der Kaiser dem Fürsten den Stoff zu einem grauen Militär­mantel.

Berlin, 27. Jan. Die Gratulationskur fand heute im Weißen Saale in genau der­selben Weise statt, wie am Neujahrstage. Als erster der Defilierenden trat vor den Thron der Reichskanzler Graf v. Caprivi, vom Kaiser mit Händedruck begrüßt. Der Kaiser sprach alsdann mit dem Reichskanzer in sehr huldvoller Weise. Den Kaiser umstanden die Könige von Sachsen und Württemberg, der Großherzog von Toscana, Prinzessin Hermann von Sachsen- Weimar. der Großherzog von Hessen, u.s.w. In der Reihe der inacliven Staatsminister war auch der Graf Herbert Bismarck bei der Gratulations­kur anwesend. Als der Kaiser sich heute zur Paroleausgabe nach dem Zeughause begab, brachte ihm die dichtgedrängte Menge begeisterte Hochrufe dar, die sich bei der Rückkehr nach dem Schlosse erneuerten.

Berlin, 27. Jan. Der Kaiser und die Kaiserin beehrten nacheinander den Reichs­kanzler Grafen Caprivi bei der heutigen De- filircour mit längeren Ansprachen.

Berlin, 27. Jan. Der Kaiser hat an­läßlich seines Militärjubiläums u. a. eine Ver­fügung erlassen, durch welche bestimmte Er­leichterungen des Jnfanteriegepäcks angeordnel werden.

Berlin, 27. Jan. Nach derVoss. Ztg." hat Herr v. Ploetz, der Präsident des Bundes der Landwirte beim Bekanntwerden der Ver­söhnung zwischen Kaiser und Bismarck sich sofort nach Friedrichsruh begeben, um den Fürsten vom Besuch in Berlin abzuhalten. Dort an­gekommen, erhielt er die beruhigende Versicher­ung. daß Bismarck noch gegen den russischen Handelsvertrag sei und nicht glaube, daß der Kaiser mir ihm über Politik sprechen werde.

Berlin, 28. Jan.. König Wilhelm von Württemberg ist heute Nachm. 3.10 vom Anhalter Bahnhof nach Stuttgart zurück­gekehrt und trifft Montag früh 8.30 dort ein.

Berlin, 26. Jan. Deutscher Reichs- t a g, Die Verlängerung des Handelsprovisoriums mit Spanien bis zum 31. März wurde debatte­los in erster und zweiter Lesung angenommen. Sodann folgt erste Lesung des Gesetzentwurfs betreffend die Entnahme von 67 Millionen aus dem Jnvalidenfonds zur Verstärkung des Be­triebsfonds des Reiches. Nachdem Staatssekre­

tär v. Posadowsky die Vorlage begründete und mehrere Abgeordnete für die Ueberweisung an eine Kommission plaidiert hatten, wird die Vorlage der Budget-Kommission überwiesen. Hieraus zweite Lesung des Gesetzentwurfs betr. einer Aenderung des Gesetzes über den Unter­stützungswohnsitz. Nach kurzer Debatte wird der Gesetzentwurf in der Kommissionsfassung angenommen, desgleichen eine Resolution betr. die Ausdehnung des Gesetzes auf Elsaß-Loth­ringen. Montag: Erste Lesung des Finanz­reformgesetzes.

Berlin, 26. Januar. Das preußische Abgeordnetenhaus setzte seine Debatte über' die Interpellation Kröcher fort. Von den Ministern sind Eulenburg, Heyden und v. Ber­lepsch anwesend. Paas che (ul.) teilt mit, daß der Abg. Krause gestern im Namen der national­liberalen Partei gesprochen hat. Redner wendet sich sodann gegen die Uebertreibungen der Agrarier und warnt dringend vor dem Bimetallismus. Graf Stach witz (Zentr.) spricht für die For­derungen der Agrarier. Ehlers verteidigt den Regierungsstandpunkt, v. Schalscha sucht die gestrige Rede v. Berlepsch zu widerlegen. Das Haus ist inzwischen infolge der Empfangsfeier­lichkeiten für Bismarck fast leer geworden. Dienstag erste Lesung Etat.

DerErfinder der Volapüksprache," der bekannte Pfarrer Schleyer, ist in Konstanz im Alter von 92 Jahren verschieden.

Ausland.

Wien, 28. Jan. Die offizielle Reichswehr meldet: In der Waffenfabrik Steyr werden gegenwärtig neue Modelle von gasdichten Re­volvern und automatischen Pistolen gemacht. Mit dem Fünfmillimeler Gewehr fanden in Wien und Steyr Versuche statt, welche einen brillanten Erfolg hatten.

Budapest, 27. Jan. Wie zuverlässig gemeldet wird, sollen von jetzt ab zu sämt­lichen Hoffestlichkeiten in Budapest Einladungs­karten nur in ungarischer Sprache ausgestellt werden. Die Karlen zu dem heutigen Diner am Hofe anläßlich des Geburtstages des deut. Kaisers sind bereits ungarisch abgefaßt.

Rom, 28. Jan. Samstag Abend fand im festlich geschmückten Künster-Verein die Kaiser­feier statt. Der neue Botschafter Bülow toastete auf König Humbert und Kaiser Wilhelm.

Paris, 26. Jan. In Boulogne bei Paris explodierte eine Dampfmaschine. Mehrere Leute wurden von den Trümmern verschüttet, viele andere wurden verletzt.

Aus Spanien, 25. Jan. Das Räuber­unwesen nimmt in Andalusien überhand. Die Regierung hat einen Richter in die bedrohte Gegend gesandt, der die Unterdrückung der Land­plage letten soll.

Aus Rußland, 26. Jan. In Chotin ist eine Judenfamilic von acht Köpfen ermordet und beraubt worden. Der Verbrecher ist verhaftet.

Telegramme an den Enzthäler.

Stuttgart, 29. Jan. Man glaubt jetzt in dem in Neckarems Ermordeten einen gewissen Schwinghammer von hier, der ein liederliches Leben führte und schon mehrmals bestraft war, erkannt zu haben.

Zürich, 29. Jan. Gestern abend zogen nach einer Ansammlung in Auffersihl, worin die sizilianischen Unruhen besprochen wurden, 150 Italiener unter der Führung deutscher, sogen. Unabhängigen, nach dem an der Bahnhofstraße gelegenen italienischen Konsulat, wo sie eine Demonstration veranstalteten. Sie brachten rote Fahnen an dem Konsulat-Wappen, sowie die Inschrift an,lukto tei tratelii si^iliani" zu deutsch:Trauer um die sizilianischen Brüder." Die Polizei vertrieb die Ansammlung und ver­haftete 15 der Tumultuanten, darunter 4 Unab­hängige. Einer der letzteren wurde durch Säbelhiebe schwer verwundet.

Petersburg, 29 Jan. Kaiser Alexander leidet an einem starken Influenza-Anfall mi-