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Gröber und Staudy betreffend die Revision der Jnvaliditäts- und Altersversicherung fort. Abg. Singer (Soz.) spricht sich gegen die Anträge aus, weil sich die Wirksamkeit des Gesetzes verminderten. Abg. Dr. Böttcher (nat.-lib) und Abg. Rösicke (fraktionslos) meinen, die Zeit für eine Aenderung des Jn- validitätsgesetzes sei noch nicht gekommen. Abg. Rickert (freis. Verein) bekämpft die Tendenz des ganzen Gesetzes. Abg. Richter (freis. Volksp.) desgleichen; ec befürwortet eine Einschränkung des Wirkungskreises des Gesetzes. Abg. Ulrich (Soz.) wünscht, daß den Arbeitern ein größerer Einfluß auf die Verwaltung eingeräumt werde. Abg. Frhr. v. Manteuffel befürwortet eine Abänderung des Markensystems. Abg. Becktzi (freis. Verein.) wünscht Beseitigung des ganzen Gesetzes. Staatssekretär v. Bötticher stellt fest, 1 daß das Gesetz sich immer mehr im Volk einlebe. Das Markensystem sei das einfachste Quittunqsmittel. Er werde aber erwägen, daß die Markenappoints für längere Zeiträume als blos für eine Woche geschaffen und Quittungs- -dücher eingesührl werden. Au der weiteren Debatte beteiligen sich die Abgeordneten Frhr. v. Stumm (Reichsp.) und Enneccerus (natl.) Der Zentrumsantrag wird darauf angenommen Mt Ausnahme des zur Unfallversicherung bezüglichen Teils des Antrags Staudy.
Zur inneren politischen Lage schreibt die „Nat.-Lib.-Corr.": „Unter den wieder versammelten Reichstagsabgeordneten nahmen die nahe bevorstehenden Beratungen über die Steuergesetze einen großen Raum in der Unterhaltung ein. Viele waren von einer neuen Aussprache mii ihren Wählern zurückgekommen. Allein es wurde noch so viel Zurückhaltung, um nicht zu sagen, Abneigung gegen die wichtigsten Bestandteile des vorliegenden Steuerplans kund- gegcben. daß man nun mit ernsten Besorgnissen dem weiteren Verlauf entgegensetzen kann. Auch die neueste Erklärung des Reichskanzlers und die Aussichten des russischen Handelsvertrags wurden in der Unterhaltung der Abgeordneten viel besprochen. Im Allgemeinen gab sich die Auffassung kund, daß die Situation sich durch den Versuch einer Annäherung zwischen der Reichsregierung und der konservativen Partei einigermaßen aufgeklärt habe und der russische Handelsvertrag jetzt mit etwas bessern Aussichten auftreten werde, als es noch vor Weihnachten den Anschein halte. Indessen ist die Lage noch so unklar und undurchsichtig, daß mit jedem Tag, um den die Entscheidung naher rückt, neue überraschende Wendungen eintreten können."
Berlin, 10. Jan. Im Lause der Woche wird der Zollbeirat wieder zusammentreten, um zu den letzten Beschlüssen der Kommission für den russischen Handelsvertrag Stellung zu nehmen. — Zwischen den Reichstagsparteicn wird über die geschäftliche Behandlung der Steuervorlagen verhandelt. Es wird vorgeschlagen. eine besondere Kommission zu wählen, um die Erledigung der Gesetzentwürfe rascher zu fördern. (Bisher ist für ein einzelnes der Gesetze, das Börsensteuergesetz, eine Kommission gewählt.) — Es bestätigt sich, daß v. Benda wegen vorgeschrittenem Alter das Bizepräsidium im Abgevrdnetenhause nicht mehr übernehmen will.
Berlin, II. Jan. Heute um 11'ir Uhr Vorm, fand ein Kronrat statt. Die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, derselbe habe sich mit der Errichtung von Landwirtschastskamm ern beschäftigt. — Die Zentrumsfraktion des Reichstags hat gestern einstimmig die Tabaksteuervorlage abgelehnt.
Die Stempelsteuer-Kommission des Reichstages hat der Vorsitzende, Freiherr von Manteuffel, aus den 13. d. Mts. vormittags, einberufen.
Berlin, 10. Jan. Aus Zentrumskreisen wird der „Kreuzztg." geschrieben, die Regierung habe sich mit dem rechten und linken Zentrumsflügel und deren Führern v. Buol und Lieber in Betreff der Durchdringung des russischen Handelsvertrages verständigt. Bei diesem Unternehmen würden aber die beiden Herren, wie s. Z. v. Huene und v. Baüestrem in den Politischen Ruhestand übertreten, denn das ganze
Zentrum bis auf etwa zehn sei gegen den l russischen Handelsvertrag. !
Berliner Blätter hatten letzter Tage! Gerüchte verzeichnet, daß der Reichskanzler Graf I Caprivi um seine Entlassung eingekommen sei;! und es war angedeutet, daß der Reichskanzler wegen einer kolonialen Angelegenheit zu diesem Schritt gekommen sei, wohl also wegen der skandalösen Vorgänge in Kamerun. Der Kaiser habe indes das Entlassungsgesuch des Grafen Caprivi abgelehut. Die „Nordd. Allg. Ztg", welche zuerst diese Meldungen ohne Komentar abgedruckt hatte, erklärt nunmehr halbamtlich, daß an der ganzen Sache kein wahres Wort sei
Berlin, 10. Jan. Die „Nordd. Allgem. Ztg " dementiert in ihrer heutigen Abendnummer die Mitteilung über das Gespräch des Finanz- minister Miguels. Demgegenüber wird die Meldung aufrecht erhalten und ergänzend hinzu- gefügt: Miguel schloß sein Gespräch über die Schwierigkeiten mit dem Reichstage betreffs der DeckungsfraSe mit den Worten: Jetzt heißt's: „tun ro8 aZitur".
Berlin, 10. Jan. Der „Kreuzztg." zufolge scheint eine bedeutsame Aenderung in der Leitung der Kolonialabteilung bevorzustehen. Es sollen Erwägungen stattfinden, ob die Kolonialabteilung vom auswärtigen Amte zu trennen und dieselbe dem Reichsmarineamte zuzuteilen ist.
Berlin, 10. Jan. Wegen Beleidigung des Finanzministers Miguel ist gegen die Antisemiten Ahlwardt, Schwennhagcn und Black Anklage erhoben worden.
Koburg, 9. Jan. Der Großherzog von Hessen ist heule mit seiner Schwester AOx am herzoglichen Hofe zum Besuche eingetroffen. Abends hat sich der Groß Herzog mit der zweiten Tochter des Herzogs Alfred, der Prinzessin Viktoria verlobt. (Großherzog Ernst Ludwig hat vor kurzem seinen 25 Geburtstag gefeiert; er ist am 25. Nov. 1868 zu Darmstadt geboren und folgte seinem Vater am 13. März 1892 in der Regierung. Die Prinzessin Viktoria, geboren zu Malta am 25. Nov. 1876, ist bekanntlich eine Base des Großherzogs.)
Würzburg. 10. Jan. Heute vormittag! 8'/? Uhr fuhren an der Grombühlbrücke ein Postzug und ein Güterzug auf einander. Elf Wagen wurden zertrümmert. ,
Aus Mainz 7. Jan schreibt man der Magdeb. Ztg.: Eins der merkwürdigsten Gebäude von Mainz, das Stammhaus der Mutter Gutenbergs, ist gestern ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer verbreitete sich mit unheimlicher Geschwindigkeit über das ganze Gebäude; der erste und zweite Stock, der die prächtigen Säle der Kasinogescllschaft enthält, bildete ein großes Feuermeer, dem die Feuerwehr machtlos gegenüberstand, da die Hydranten zum größten Teil eingefroren waren.
Aus Bingen 9. Jan. wird gemeldet: Die Eisdecke des Rheins ist bereits so stark, daß ein lebhafter Verkehr auf ihr mit Rüdesheim stattfindet. — Auch aus Worms wird gemeldet, daß das Rheineis überschreilbar ist.
Triberg, 10. Jan. Auf allen Höhen des Schwarzwaldes ist überall starker Schneefall eingetrelen.
Württemberg.
Stuttgart, 10. Jan. Zum großen Hofbaü, der gestern in den Räumen des Residenzschlosses gehalten wurde, waren gegen 600 Einladungen ergangen. 8 Uhr 15 Minuten trat Seine Maj. der König, Ihre Mas. die Königin am Arm führend, durch die Zeltgalerie ein in den Saal der Festgäste nach dem Teile des Saales, in dem sich die Mitglieder der kgl. Familie, die höchsten Würdenträger und andere dazu befohlene Damen und Herren ausgestellt hatten. Die Königin schritt nach rechts den Damen zu. der König nach links zu den Herren. Eine große Anzahl von Personen wurden von Ihren Majestäten angesprochen.
Der Zeitpunkt des Wiederzusammentritts ^ der württembergischen Ständeversamm-! lung ist noch immer nicht definitiv festgesetzt doch erwartet man die Einberufung der Stände , für die zweite Hälfte des Monats Februar.
Die Abgeordnetenwahlen für die Bezirke Ehingen und Laup heim sind auf Freitag den 9. Februar d. I. festgesetzt worden.
Stuttgart. 10 Jan. Die K. Staatsanwaltschaft Stuttgart erläßt im Inseratenteil des Staats-Anzeigers ein Ausschreiben wegen eines Mords, dessen Opfer in einer Weinberghütte bei Neckarrems aufgefunden wurde. Für Aufklärung der noch ganz dunkeln That wird eine ansehnliche Belohnung in Aussicht gestellt.
Peinliches Aufsehen erregt allenthalben tue Thalsache, daß Oberreallehrer Seybold in Heilbronn wegen schwerer Pceßbeleidigung, schon wieder zu einer bedeutenden Geldstrafe (200 o-6) verurteilt worden ist
Friedrichshofen, 9. Jan. Wegen Ver- eisung der Anlandestelle sind bis auf Weiteres die Dampfbootfahrten nach und von Arbon eingestellt. Die Dampfbootfahrten zwischen Kon- stanz und Stein a. Rh. haben infolge des Za- - frierens des Untersees aufgehört.
Heiden heim, 9. Jan. Gestern abend wurde ein 16- bis 18jähriger junger Mann auf der Strecke Heidenheim-Schnaitheim vom Eisenbahnzuge überfahren. Untersuchung ist eingeleitet.
Alpirsbach. 7. Jan. Inder vergangenen Nacht gegen 10 Uhr wurde hier Feuerlärm gemacht. Das zu Röthenbach gehörige Krähenbad,
Wohn- und Badehaus, stand in Flammen und ist vollständig abgebrannt. Das Ockonomie- gebäude und Bauernhaus blieb verschont. Das abgebrannte Gebäude war gänzlich unbewohnt; es wird Brandstiftung vermutet.
Vaihingen a. E.. 10. Jan. Die Meldung, daß der Reichstagsabgeordnele Schultheiß Kercher in Iptingen sein Schultheißenamt niederlegen wolle, bestätigt sich. Die Landpost schreibt: Schultheiß Kercher in Jpligen ist am 8. d. M, wohl mit Rücksicht auf seine seit längerem angegriffene Gesundheit von der Orts- oorsteherstelle zurückgetreten. Die Neuwahl ist auf 26. d. M. anberumt. Es sollen drei Gemeindeangehörige beabsichtigen, sich um die erledigte Stelle zu bewerben.
Ausland.
Wien, 10 Jan. Ein Teil des Krakau- Wiener Schnellzuges entgleiste bei Wagram infolge eines Schienenbruchs; die Passagiere sprangen in der Angst durch die Fenster, wobei einer schwer und sechs leicht verletzt wurden.
Die gerichtliche Untersuchung gegen die Jungtschechen und deren Geheimbund „Om- ladina„ nimmt für die Beteiligten eine immer bedenklichere Wendung. Diese Herren Jungtschechen haben, wie jetzt durchweg erwiesen ist, nicht nur die Ermordung des angeblichen Verräters ihrer Sache Mroa angestiflet.gsondern auch ^ die erfolgte That mit einem Bankett gefeiert.
Budapest, 10. Jan. Ein hervorragender Sozialistenführer äußerte zu einem Berichterstatter des „Pester Lloyd", daß die Sozialisten Ungarns keine Veranlassung hätten, dem gegenwärtigen Ministerium Liebesdienste zu erwelsen, zumal die Sozialisten auf dem Standpunkte ständen, daß das neue Zivilehegesetz ihren Ansichten widerspräche. Es fei daher auch unrichtig, daß die Sozialisten gegen den Katholikentag demonstrieren würden.
Paris. 9. Jan. .Die Polizei trifft für die Umgebung des Justizpalastes während des Prozesses gegen Vaillant große Vorsichtsmaßregeln.
Die Zahl der Wachen wird verdoppelt und zahlreiche Geheimpolizisten halten sich bereit, um etwaige Ruhestörer aus dem Berhandlungsjaal zu entfernen. Jeder Wachtposten im Gebäude wird mit zwei Stadtgardisten besetzt, die bei Explosion oder einem Mordversuch niemand hinauslassen sollen. Die Wache im Uhrturm, die gewöhnlich eine Sektion der Stadtgarden bezieht, wird morgen durch eine halbe Kompagnie ! Infanterie besetzt.
Paris, 10. Jau. Das Schwurgericht verurteilte Vaillant zum Tode. Vaillant rief bei d m Urteilsspruch: „Es lebe die Anarchie!"
Paris, 10. Jan. Aus Dahomey eingetroffene Nachrichten konstatieren bei dem fortgesetzten Widerstande Behanzins die Notwendigkeit einer größeren Expedition.