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wurde heute das Urteil gefällt. Es lautet auf > 5 Jahre Zuchthaus und 6 Jahre Ehrverlust. In der Motivierung des Urteils heißt eS, die volle Strenge des Gesetzes müsse einen Menschen treffen, welcher solcherart dem Handelsstand zur Unehre gereiche und die sittliche Basis des Handelsstandes untergrabe.

In Altona wurden vier Personen wegen gewerbsmäßigen in großem Umfange betriebenen Wuchers verhaftet.

Württemberg.

Stuttgart, 29. Dez. Die Weihnachts- seiertage haben in Württemberg die vorher schon vorhandene politische Stille noch vermehrt. lieber die angebliche Krisis im Staatsministerium ver­lautet noch nichts Näheres. DerStaalsanzeiger" hat zwar in voriger Woche eine offizielle Mit­teilung desReichsanzeigers" abgedruckt und bestätigt, bezüglich der Stellung unseres Herrn Ministerpräsidenten aber kein Wort geäußert. Was die sogen. Militärfrage in Württemberg betrifft, so ist durch die Verlautbarungen des Reichsanzeigers" und des württemb.Staats- anzeigers" vor allem festgestellt, daß eine neue Militärkonvention oder eine Aufhebung des würlt. Kriegsministeriums niemals in Frage stand; auch von massenhaften Abkommandierungen würtlemb. Offiziere nach Preußen und preuß Offiziere nach Württemberg war und ist nicht die Rede. Es handelt sich lediglich darum, die Vorrückungsverhältniffe der württemb. Offiziere mit denjenigen der übrigen deutschen Armee in Einklang zu bringen. Diese militärische Ange­legenheit ist aber eine Sache für sich, mit welcher der Urlaub des würltemb. Gesandten v. Moser wohl in gar keinem Zusammenhang steht. Auch diese Urlaubsache scheint von manchen Blättern arg aufgebauscht worden zu sein; unseren In­formationen zufolge ist es gar nicht ausgeschlossen, daß Herr v. Moser, dessen Urlaub nur bis Mitte Februar dauert, wieder auf seinen Posten nach Berlin zurückkehrt; daß er seine Privat­möbel von Berlin gleich habe nach Stuttgart schaffen lassen, ist auch nicht richtig, die Möbel stehen noch ruhig in Berlin. Ebensowenig weiß man in sonst eingeweihten Kreisen etwas davon, daß Herr v. Moser in Berlin von irgend einer Seite brüskiert worden oder unser Minister­präsident bei dem Kaiser in Ungnade gefallen sei. Sowohl die beiden Minister Frhr. v. Mitt­nacht und Dr. v. Ri ecke als der Gesandte v. Moser hatten noch auf den 6. Dezember eine Einladung nach Potsdam zum Kaiser erhalten, waren aber alle schon von Berlin abgereist, als die Hofansage kam. Unter solchen Umständen bleibt nur das eine unbegreiflich, daß der württ. Staatsanzeiger" allen Erfindungen, Gerüchten u. s. w. gegenüber sich fortgesetzt in Schweigen hüllt, anstatt mit wenigen Worten zu sagen, daß an jenen Ausstreuungen nichts sei. Im Lande Württemberg glauben die allermeisten Zeitungsleser. Württemberg befinde sich in einer Art diplomatischem Krieg mit Preußen und das Staatsministerium scheint keine Ahnung davon zu haben, welche Saat der Erbitterung gegen­wärtig überall ausgesät wird, um bei Gelegenheit der nächsten Landlagswahlen eine entsprechende Ernte zu liefern.

Stuttgart, 23. Dez. Ein heiteres Miß­verständnis wurde kürzlich durch das Telephon verursacht. Einige Tclegraphenbeamten von hier wollten sich nämlich in Z. einen vergnügten Tag machen. Der Oberste von ihnen, ein Obertelegraphist, übernahm es, dem betr. Wirt telephonisch wegen Herrichtung einesVesperte" einen Wink zu geben. Der Wirt nahm die Mission um so ernster, als er stattObertele­graphist"Oberst B." verstanden hatte; darauf­hin wurde in dem Wirtshaus den ganzen Tag gesotten und gebraten und eine Anzahl Flaschen Sekt gerichtet. Als die angemeldeten Gäste lange Zeit keine Mine machten, die vorbereiteten Herrlichkeiten in Angriff zu nehmen, vielmehr sich bei Bier und Schwartenmagen gütlich thaten begann dem Wirt die Sache unbehaglich zu werden. Endlich nahm er sich ein Herz und richtete die schüchterne Frage an die Herren, ob denn der Herr Oberst B. noch nicht im An­zuge sei? Nun begann es auch den Herren zu

dämmern, weshalb sie mit so ausgesuchter Höflich­keit empfangen und in das Honoratiorenstüble geleitet worden waren. Die nun folgende Aus­einandersetzung überzeugte den Wirt, daß er das Opfer der Undeutlichkeit des Telephons ge­worden war, und es blieb ihm nichts anderes übrig, um zum Schaden nicht auch noch den Spott zu haben, als in das schallende Gelächter seiner Gäste mit einzustimmen.

Eßlingen, 27. Dez. Dieser Tage ist von der Maschinenfabrik Eßlingen die 50. Loko­motive für die südafrikanischen Eisenbahnen nach Transvaal abgegangen. Weitere, darunter einige Zahnradlokomotiven, folgen. Damit werden dann die von Eßlingen konstruierten und aus­geführten Zahnradlokomotiven in 4 Weltteilen im Gang sein. Für Japan. Indien, Sumatra, Brasilien und die europäischen Länder hat die Maschinenfabrik bis heute 70 Stück Lokomotiven dieser Gattung geliefert (S. M.)

Ulm, 28. Dez. Die Hohlmühle bei Her­lingen im Blauthale eine Mahl- und Sägmühle mit bedeutender Wasserkraft ist heute von den Gebr. Leuze in Urach um 102000 ^6 gekauft worden. Die Gebäulichkeiten werden abgebrochen und an ihrer Stelle soll eine große Baumwoll­spinnerei erbaut werden.

Münsingen, 26. Dez. Auf dem Eisen­rüttel, einem Berge bei Döttingen, 1 '/r Weg­stunden von hier, werden seit Jahren Basalt­findlinge ausgegraben und behufs Zerkleiner- ung in die k. Basaltquetscherei, verbunden mit der Georgenaumühle o. d. Erms an der Straße Seeburg-Urach, verbracht. Die großen Felsen­stücke werden mittelst Dyuamitpatronen gesprengt und der Sprengstoff in einem gut verschlossenen Gewölbe gut verwahrt. In letzter Zeit ist das Brechen der Steine etwas unterbrochen worden; bei Wiederaufnahme der Arbeit fand man die Thüre zum Gewölbe mit Gewalt erbrochen und von dem Behälter der Patronen war nur der Deckel zurückgelassen, derselbe war samt seinem Inhalt, 31 Pfund Dynamitpatronen ge­stohlen. Zur Feststellung des Thatbestanves war das Gericht schon am Ort der That, auch ist das Landjägerpersonal eifrig auf der »suche. Bis jetzt konnte nur festgestelll werden, daß auf dem Wege gegen Urach 2 Dynamitpatronen ge­funden worden sind.

Fr e u d e n st a d t, 24. Dez. Am letzten Freitag verunglückte ein hiesiger Fuhrmann beim Langholzladen dadurch, daß ein in Schuß ge­ratener Stamm demselben einen solch wuchtigen Schlag auf den Unterleib versetzte, daß er nach Hause getragen werden mußte und gestern nach schwerem Leiden verstarb. Er hinterläßt eine Witwe und sieben unmündige Kinder.

Nagold, 27. Dez. Am 21. d. M. starb der bekannte Kartenzeichner Schullehrer Bauser. Vor 8 Jahren trat er in den Ruhestand, nach­dem er in definitiver Stellung zu Schernbach und Dürrwangen viele Jahre im Segen ge­wirkt hatte. Durch Herstellung von größeren und kleineren Oberamtskarten hat sich Bauser sehr verdient gemacht und Großes geleistet. Leider aber wurde dadurch seine Sehkraft io ge­schwächt, daß er in seinen letzten Lebensjahren nimmer lesen konnte. Halsleiden machte seinem Leben im 72. Lebensjahre ein rasches Ende. Am 24. Dezbr. fand unter großer Beteiligung von Kollegen und Freunden die Beerdigung des Entschlafenen statt. Stadtpfarrer Hetterich hielt die Grabrede, in welcher die Verdienste Bausers ihre volle Würdigung fanden.

.Dem Straßenwärter Johann Marquardt in Unterreichenbach wurde wegen - guter Dienstleistung eine Geldprämie zuerkannt.

Ausland.

Wien, 27. Dez. In dem Härtenbrief welcher, vom gesamten ungarischen Episkopat unterzeichnet, anfangs Januar veröffentlicht werden soll, werden die Katholiken aufgefordert, öffentlich die Zivilehe zu bekämpfen. Ferner wird den Geistlichen gegenüber die Erwartung ausgesprochen, daß sie unermüdlich die Reformen bekämpfen würden.

Ein politischer Mord in der böhmischen Hauptstadt hält die dortigen Behörden in Auf­regung. Ein Handschuhmacher, welcher bei den

Prozessen gegen tumultuierende Tschechen als Kronzeuge gedient hatte, wurde aus Rache dafür ermordet. Mit solchen Mitteln werden eS die Tschechen noch lange nicht erreichen, daß die Ausnahmezustände über Prag und Umgebung aufgehoben werden, sondern noch eher eine Ver­schärfung und Verlängerung derselben Hervor­rufen.

Die französifche Regierung giebt sich alle Mühe auch diejenigen Anarchisten zu er­mitteln, welche die bekannten Höllenmaschinen nach Berlin geschickt haben. Zahlreiche Ver­haftungen und Haussuchungen sind erfolgt, aber bis jetzt scheint noch kein genügender Anhalts­punkt vorhanden zu sein, wegen jener Postsend­ungen nach Berlin eine bestimmte Anklage formulieren zu können.

Am Samstag abend ist in Paris ein Sack mit 80000 Francs Wertstücken, welche von einem Wechfelagenten an die Elsaß-Lothringische Bank aufgegeben worden waren, auf dem Ost­bahnhofe beim Umladeu der Kolli abhanden ge­kommen. Bon dem Diebe fehlt jede Spur.

Die italienischen Truppen in der erylhräischen Kolonie haben den gegen sie heranziehenden Derwischen eine schwere Nieder­lage beigebracht und hoffen nun, ohne Truppen­verstärkung aus der Heimat nötig zu haben, ein paar Jahre von den Derwischen ungestört zu bleiben.

Die sozial-revolutionäre Bewegung in Sizilien gährt noch immer fort und scheint auch schon die dort garnisonierenden Truppen einigermaßen angesteckl zu haben; wenigstens schickt die Regierung neue Truppen nach Siciliien, um die dort garnisonierenden abzulöjen.

Aus Petersburg wird derPol. Korr." geschrieben: In den Regierungskreisen herrsche die Auffassung vor, daß die Aussichten für den Abschluß des Handels-Vertrages mit Deutschland sich bedeutend günstiger gestaltet haben und erwartet werden könne, daß bei den nach Neujahr wieder aufzunehmenden Verhand­lungen nach gegenseitigen Zugeständnissen ein Einvernehmen erzielt werde.

Einige Angestellte der Firma Dreisus u. Cie. in Odessa sind wegen Unterschleife bei der Lieferung von Getreide für die notleidende Bevölkerung im Gouvernement Ssamare vor Gericht gestellt worden.

Im englischen Unterhaus gab sich das Kabinet Gladstone alle Mühe, die im Lande erstandene Aufregung wegen ungenügender Flottenstärke Englands zu beschwichtigen. Es wurde seitens der Regierung versichert, Englands Suprematie zur See stehe noch fest und werde auch fernerhin aufrecht erhalten durch den Bau neuer Schlachtschiffe, welcher in einer Reihe von Jahren allmählich erfolgen soll. Mit diesen Regierungserklärungen sind aber die englischen Blätter nicht beruhigt; sie bezeichnen die Armier­ung der Dardanellenfestungen als durchaus un­genügend, um das Ausbrechen der russischen Schwarzen Meerflotte nach dem Mittelmeer ver­hindern zu können.

London, 27. Dez. Nach dem vorläufigen Berichte des Ackerbauamtes von Großbritanien ist der im Jahre 1893 erzielte Ernleertrag an Gerste um 10 Mill. Bushel geringer gewesen, als im Jahre 1892, obgleich 40000 Acker mehr mit dieser Frucht bestellt waren, der Haferertrag ist um 6 Mill. Bushel gegen das Vorjahr zurück­geblieben, obwohl 150000 Acker mehr angebaut waren. Weizen hat einen um 9 Mill. Bushel geringeren Ertrag geliefert, 300000 Acker waren weniger mit dieser Frucht augebaut worden.

Telegramme an den Enzthäler.

Berlin, 28. Dez. Der Kaiser empfing heute vormittag 9 Uhr den Reichskanzler, den Finanzminister und den Kultusminister, sodann den Kriegsminister.

Berlin. 28. Dez. DasBerl. Tagbl." meldet aus Rom: Das Landgut des Fürsten Rabia bei Valcanisetta wurde heute nachmittag von 400 Bewaffnetten überfallen. Dieselben beabsichtigen die Gebäuden niederzubrennen und die Vorratshäuser zu plündern.