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Hannover, 28. Dez. Wie verlautet, hat der Regierungspräsident Graf Wilhelm Bismarck einen Drohbrief erhalten, in welchem ein Dynamit-Attentat auf sein Haus angekündigt wird. Die Wohnung des Grafen wird infolgedessen polizeilich überwacht.
Paris. 28. Dez. Die „Lanterne" erzählt: Man habe gestern Abend die Kette, an welcher der Kronleuchter der großen Oper hängt, fast durchgefeilt gefunden. Eine Untersuchung sei eingeleitet.
Madrid. 27. Dez. Hier sind abermals 6 Anarchisten verhaftet worden.
vermischtes.
Reichsgericht. Der Verkäufer einer dem Käufer kreditierten und diesem von einem anderen Ort zugesandten Ware kann nach Z 36 der Konkursordnung diese zurückfordern, sofern sie nicht vor der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Käufers an den Ort der Ablieferung angekommen und in den Gewahrsam des Gemeinschuldners gelangt ist. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht. I. Zivilsenat, durch Urteil vom 18. Oktober 1893 ausgesprochen, daß das Zurückforderungsrecht des Verkäufers dadurch aufgehoben wird, daß Käufer die Ware an einen gutgläubigen Gläubiger rechtswirksam (beispielsweise durch Uebergabe des girierten Ordrekonnossements) verpfändet hat; die Kenntnis des Pfandgläubigers, daß die Ware kreditiert ist, kann nicht ohne weiteres die Redlichkeit desselben in Frage stellen.
Aus Schlesien, 16. Dez. Ueber einen Fall von Scheintod wird der „Volksztg." aus Militsch geschrieben: Die Gattin eines Majors sollte hier am 30. v. M. begraben werden. Die Leiche war in einem besonderen Zimmer auf dem Paradebette aufgebahrt. Da die Herstellung der Gruft sich verzögerte, so blieb die Leiche länger, wie anfänglich beabsichtigt war. im Zimmer. Als am Vormittag des vierten Tages des Hin- scheidens ein Dienstmädchen das im Blumen- und Kränzeschmuck prangende Trauerzimmer betrat. gewahrte es, starr vor Schrecken, daß die als tot betrauerte Herrin sich aus dem Sarge erhebt. Die Dame, welche als angebliche Leiche vom Regimentsarzt und zwei anderen Aerzten untersucht worden war, war in einen Starrkrampf verfallen und wäre, wenn nicht zufällig die Beisetzung eine Verzögerung erfahren hätte, in der Gruft erwacht.
(Der „Halbgehenkte".) Unter den spanischen Soldaten in Melilla befindet sich ein sehr merkwürdiger Mann, mit dem sich die spanische Presse in den letzten Tagen schon mehreremal beschäftigt hat: ein Bagno-Sträfling Namens Giorla. Vor 14 Jahren wurde Giorla wegen Mords und Straßenräuberei zum Tode verurteilt; in Cadiz, wo das Urteil vollstrcckt werden sollte, wurde eigens für diesen Verbrecher ein Galgen errichtet. Aber es stand geschrieben, daß Giorla weder am Galgen in Cadiz noch auf dem Schlachtfelde bei Melilla sterben sollte. Giorla war zum Richtplatze geführt worden und hatte bereits seinen Kopf in die Galgenschlinge gesteckt, aber der betrunkene und ungeschickte Henker gab dem Volke von Cadiz ein schreckliches Schauspiel. Viermal setzte er die Galgenkurbel in Bewegung, aber es wollte ihm nicht gelingen, den Deliquenten zu töten, er zerfetzte ihm den Hals. Ein Schrei der Entrüstung wurde laut; das Volk forderte stürmisch den Aufschub der Hinrichtung. Halbtot wurde Giorla vom Platze getragen; man wandte sich an die Regierung mit der Bitte um Begnadigung des Verbrechers, und das Ministerium wandelte auch wirklich in Anbetracht der Merkwürdigkeit des Falles die Todesstrafe in lebenslängliche Kettenstrafe um. Einen Monat später wurde der fast geheilte Giorla nach Melilla transportiert, wo er seit dieser Zeit als Galeerensträfling weilt. Er hat sich stets musterhaft geführt und
wurde zusammen mit anderen Sträflingen bei den Fortifikations- u. Dammarbeiten beschäftigt; um den entstellten Hals hat der „Halbgehenkte", wie man ihn scherzweise nannte, eine große schwarze Binde geschlungen. Am 30 Oktober d. I. schlug sich Giorla in dem Kampfe mit den Mauren wie ein Löwe für das Vaterland, das ihn ausgestoßen hatte; obwohl er stets an den gefährlichsten Stellen des Schlachtfeldes zu finden war, gelang es den Kugeln der Riffpiraten nicht, den Sträfling niederzustrecken, ebensowenig wie es dem Henker von Cadiz gelungen war, den zum Tode Verurteilten ins Jenseits zu befördern. Die spanischen Blätter treten nun dafür ein, daß die Regierung die harte Strafe des zweimal dem sicheren Tode entronnenen Giorla vorläufig etwas mildern und nach Beendigung des Feldzuges gegen die Kabylen ihm gänzlich die Freiheit wiedergebcn mögen.
Wie das Kind sprechen lernt. In einem der populären Borträge, welche den Winter über in der Berliner Urania abgehalten werden, führte jüngst Prof. W. Preyer u. a. aus, wie das Kind durch Nachahmung sprechen lernt. Der ausgesprochene Laut erregt im Ohre des hörenden Kindes genau dieselben Schwingungen, welche beim Aussprechen hervorgerufen werden müssen. Diese Schwingungen werden rein mechanisch durch das Ohrlabyrinth zum Gehörnerv getragen, der sie in derselben Weise wie der Telephondroht durch elektrische Oscillation dem Sprachzentrum im Gehirn zuführt, von wo aus der Laut nun seinen Weg nach den Sprach- werkzeugen nimmt. Ein großer Teil der Leistung ist dabei rein mechanisch, seit 1877 haben wir für diese Leistung im Telephon das treffendste Bild. — Daran knüpfte Prof. Preyer folgende Bemerkung: Ist das Telephon eine auf dem Wege zielbewußtcr Arbeit gemachte Erfindung, so ist der Phonograph, obwohl unendlich komplizierter, eine reine Zufallserfindung. Edison experimentierte gerade an einem über eine Kurbel gespannten Staniolstreifen. Als das Experiment nicht gelingen wollte, rief er einen derben Fluch in die Kurbel, bei deren Wiederaufwinden ihm sein Assistent zurief: „Entschuldigen Sie, Mr. Edison, die Maschine spricht." Edison, seit seiner Kindheit fast taub — ein roher Mensch hatte ihn, als er noch Zeitungsausträger war, bei beiden Ohren emporgezogen, daß die Trommelfelle rissen — Edison selbst hatte es nicht gehört, daß die Maschine seinen Fluch wiederholt hatte: der Phonograph war erfunden.
Nicht weniger als acht mit Men schen- haaren beladene Eisenbahnwagen sind vor einigen Tagen in Paris eingetroffen. Die Haare kommen aus Indien, denn die Indier und die Chinesen sind die großen Haarlieferanten, die jährlich mehrere 1000 Pfund Haare nach Frankreich und England verschicken. Viele von den prächtigen und lockigen Haarflechten, die die Pariserinnen in den schattigen Gängen der Gehölze von Boulogne und Vincennes zur Schau tragen, stammen von Personen, die in China gestorben sind. Die asiatischen Haare werden billig verkauft. Das Kilogramm kostet nur 1 Fr , während europäische Kopfhaare oft einen Were von 100 Fr. haben.
Heiteres aus der Schule. Ein Wiener Gymnasiallehrer, Prof. Dr. Umlauft, hat durch zahlreiche Umfragen bei seinen Kollegen eine schöne Anzahl komischer Aussprüche aus Schülermund gesammelt und in einem Büchlein „Aus der Schule" veröffentlicht. Wir entnehmen demselben folgende Proben: In einem Aufsatz über den „Nutzen großer Flüsse" schreibt ein Schüler: „Endlich haben große Flüsse noch den Nutzen, daß man einem ertrinkenden Menschen in einem Schiffchen zu Hilfe eilen kann, was in einem Bächlein nicht möglich ist." — Ein anderer schrieb bei einer Repetition der deutschen Geschichte: „Franz war der letzte deutsche Kaiser, weil im Römer zu Frankfurt für kein Kaiserbild mehr Platz war." — Ueber „Winterfreuden" wußte ein Quartaner unter anderem zu berichten:
„Nur der Greis sitzt hinter dem Ofen, raucht seine Pfeife und schaut öfter um die Ecke, ob der Tod noch nicht kommt. So hat jeder Mensch sein eigenes Vergnügen." — Auf die Frage eines Lehrers, warum das Quecksilber in die Höhe steige, wenn man das Thermometer in heißes Wasser stelle, gab ein Schüler des Wiener Pädagogiums die sehr einfache Erklärung: „Weil es ihm unten zu heiß wird." — Ueber Cäsar schrieb ein Gymnasist: „Cäsar war ein stattlicher Mann vom Kopf bis zur Zehe, welchen Eindruck wir schon aus der trefflichen Büste im Schulsaale gewinnen."
(Die Winterpflege der Zimmerpflanzen) ist sehr einfach. Sie brauchen Licht, Wasser, Luft und Reinlichkeit. Vor allen Dingen braucht die Pflanze Licht, deshalb stelle man sie an das Fenster oder doch in seine Nähe, und zwar so, daß das Licht möglichst von oben auf die Blätter fällt. Das Licht sei direkt, d. h. nicht durch Vorhänge oder dunkle Gardinen gedämpft. Die Ständer für hohe Pflanzen sind darum möglichst niedrig zu wählen. Im stylvoll eingerichteten „altdeutschen" Zimmer gedeiht die lebende Pflanze nicht. — Sehr viele unserer Pflanzen befinden sich im Winter im Zustande der Vegetationsruye, d. h. sie wachsen nicht und treiben keine Blüten. Diese brauchen sehr wenig Wasser und ihre Wurzeln faulen, wenn sie oft und stark begossen werden. Das Gießwasser der wachsenden und blühenden Pflanzen sei mindestens so warm wie die Zimmerluft, denn sonst erkältet man die Wurzeln und macht sie krank. Das Wasser sei weich; hartes kalkhaltiges Wasser lasse man vor dem Gebrauch mindestens zwölf Stunden stehen. Die Pflanze bedarf frischer Luft und gedeiht nicht im dumpfen, ungelüftetem Zimmer. Nur sorge man dafür, daß sie nicht von einem direktem Strom kalter Luft getroffen wird, denn dadurch wird ihr Wohlbefinden gestört. — Die Pflanze gedeiht nur, wenn ihre Blätter vom Staub gereinigt werden; im Sommer besorgen das Regen und Luft, im Winter bediene man sich dazu eines weichen feuchten Schwammes und bestäube im geheizten Zimmer mit seiner trockenen Luft die Pflanzenblätter recht oft durch den Berstäuber mit lauwarmem Wasser. So behandelte Pflanzen vergelten die auf sie verwendete Sorgfalt durch herrliches Gedeihen und sind ein wirklicher Zimmerschmuck.
(Ausweg.) Kunsteleve: „Ich möchte gerne Schauspieler werden!" — Direktor: „Ich sehe, Sie haben sehr wenig Talent für diese hohe Kunst und ine Laufbahn des Schauspielers ist zudem eine mühselige und dornenvolle ... Ich muß Ihnen entschieden davon abraten!" — Kunsteleve (mit Pathos): „Es zieht mich aber so mächtig nach den „Brettern"!" — Direktor: „Na, dann gehen Sie in Gottes Namen zu einem Tischler!"
(Ein Trost.) „Es ist jammerschad', daß man meinen Mann nicht zum Ltadtrat gewählt hat. Die halbe Stadt hält' e' Freud' d'rüber g'habt." — „Na trösten Sie sich Frau Nachbarin — da freut sich halt jetzt die andere Hälfte."
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erste Quartal 1894
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Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.