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der" zugerufen? Oder hatte er falsch gehört?
— Nein, es war so! — Zu deutlich hatte er das entsetzliche Wort vernommen — eine Täuschung war ausgeschlossen — noch gellte es ihm in die Ohren: „Mörder! Mörder!" —
Doch er durfte sich nicht den Wogen seiner Empfindungen überlassen, mußte handeln, versuchen. das Dunkel zu lichten, das auf dem Verbrechen ruhte. Ja, der Bauer war hinterlistig erschossen worden, hatte ihn für den Mörder gehalten in dem Fieber des Todeskrampfes
— wer mochte der Thäter sein? — Vielleicht war er noch in der Nähe — weit konnte er noch nicht sein. Es war ja erst kaum eine halbe Stunde verflossen, seitdem ein Schuß gefallen war — und dieser Schuß mußte den Mühlhofbauer niedergestreckt haben. Ihm nach! ihm nach! — Aber durfte er den Toten hier allein zurücklassen? — Nein — und doch — konnte Leo, das kluge Tier, nicht dableiben? — Der Hund war treuer, als die Menschen, Er bedeutete dem Hunde, als Wache zurück zu bleiben. Das kluge Tier verstand seinen Herrn sofort und legte sich wie eia sprungbereiter Löwe neben die Leiche.
Der Förster durchspähte flüchtig das Gebüsch in der Nähe, in der Hoffnung, eine Spur des Mörders zu finden — vergebens. Sodann eilte er nach dem nahen Dorfe und erstattete auf der Gendarmeriestation Anzeige von dem Verbrechen,
Die Anzeige erregte die Beamten aufs Höchste. Seit Menschengedenken war in der Gegend ein Mord nicht verübt worden. Der Brigadier Pohl setzte sofort die Staatsanwaltschaft der benachbarten Kreisstadt von dem Verbrechen telegraphisch in Kenntnis und sandte einige Gendarmen mit dem Aufträge aus. die Gegend zu durchstreifen und auf verdächtiges Gesindel zu fahnden. Darauf begab er sich mit dem Förster und zwei Gendarmen in den Wald zu dem Ermordeten.
Leo hatte treulich Wache gehalten. Die Leiche lag noch unangerührt da. Es war offenbar niemand während der Abwesenheit des Försters dagewcsen.
Man suchte erfolglos nach einer Spur des Mörders.
Kaum zwei Stunden nach erhaltener Anzeige erschienen schon Staatsanwalt Hartmann, Gerichtsarzt Dr. Berg und Assessor Wildenhahn an dem Thatort.
Der Staatsanwalt ließ sich von dem Förster Alles ausführlich erzählen, dieser verschwieg aber, daß er den Ermordeten noch am Leben getroffen habe. Sein unstätes Benehmen fiel dem Staatsanwalt auf und rief dessen Verdacht wach.
Der Gerichtsarzt untersuchte mittlerweile die Leiche. Der tötliche Schuß hatte das Herz gestreift und war im Rückgrat stecken geblieben. Es gelang dem Arzte bald, die Kugel aus der Wunde zu ziehen. Er überreichte sie dem Staatsanwalt.
„Kennen Sie die Kugel?" wandte sich dieser an den Förster.
Der Gefragte betrachtete sie aufmerksam.
„Ja," erklärte er zögernd, „ich möchte annehmen, sie selbst gegossen zu haben, so genau scheint sie mit meinen Kugeln zu stimmen. Der Schütze mag auch wohl eine ganz gleiche Kugel- form besitzen oder-"
Er schüttelte den Kopf.
„Oder?" forschte der Staatsanwalt scharf.
„Oder." fuhr der Förster fort, „er hat sie mir gestohlen, was mir selbst freilich wenig wahrscheinlich vorkommt."
„So, so!" brummte der Staatsanwalt nachdenklich und trat wieder zu dem Gerichtsarzt, der sich bemühte, die geballte Hand des Toten zu öffnen. Es gelang ihm. Triumphierend hielt er dem Staatsanwalt einen blanken Messingknopf entgegen.
„Sehen Sie, Herr Staatsanwalt! Ein eorpu8 äelieti. zweifellos Eigentum des Mörders. Als er den Schuß abgegeben hatte und sein Opfer stürzen sah, näherte er sich ihm, wahrscheinlich, um sich zu überzeugen, ob er auch gut getroffen habe. Der Bauer besaß aber noch
Kraft genug, um sich emporzuraffen und auf seinen Mörder stürzen zu können. Sie rangen miteinander. Dabei mag der Tote seinem Mörder den Knopf abgerissen haben. An den Fäden ist noch zu erkennen, daß sie mit Gewalt zerrissen worden sind."
Der Staatsanwalt hielt den Knopf, der dem Wappen nach einem Förster gehört haben mußte, lange in der Hand — sein Blick schweifte zu dem Förster hinüber, der ahnungslos von der Gefahr, die sich über seinem Haupte zusammenzog, dastand. Der Staatsanwalt verglich schweigend — gerade solche Knöpfe, wie er einen in der Hand hatte, trug der Förster an seiner Joppe. Dem scharfen Blick des Staatsanwaltes entging es nicht, daß an der Joppe ein Knopf fehlte. War nicht auch an derselben Stelle ein Fleck wie von dem Griff einer blutbenetzten Hand?
(Fortsetzung folgte
Zürich, 23. Nov. Ein von dem Rhein- thaler Poeten Johann Brassel, Lehrer in St. Gallen, verfaßtes Gedicht „Rheinnot und Erlösung", erschienen im „Alphorn", hat einen St. Gallischen Freund der Dichtkunst veranlaßt, den Dichter mit einem in dessen Heimat gelegenen Weinberg zu beschenken.
Feuer in einer Menagerie. Aus Chemnitz wird unter dem 18. d. M. geschrieben: In dem Vororte Kappel geriet die dort aufgestellte Kreibe'sche Menagerie in Brand. Glücklicherweise geschah dieses nicht während der Vorstellung; immerhin war die Situation gefahrvoll genug, da nicht nur ein benachbartes Bauerngut sondern namentlich auch ein Wagen stark gefährdet war, in dem sich sechs Löwen im Wert von 16000 befanden. Der letztere Wagen war bereits angekohlt und es lag die Gefahr nahe, daß die durch die Flammen wütend gemachten Bestien ausbrechen und Unheil anrichten würden. Der Ortsfeuerwehr gelang es schließlich, das Feuer auf einen sogenannten Dressurwagen zu beschränken. Entstanden ist der Brand durch das Platzen einer Petroleumlampe.
Dauer eiserner Brücken. In England wurden in den letzten Jahren eiserne Brücken ausgewechselt, um durch neue, dem gesteigerten Verkehr genügende ersetzt zu werden. Der Zustand, in dem Objekte sich beim Abbruch befanden, giebt einen nicht unwichtigen Beitrag zur Frage der Dauer eiserner Brücken. So war die eine, die Hammersmith-Brücke in London 62 Jahre im Betrieb gewesen und fand sich in einem Zustande, der wie neu bezeichnet werden konnte. Diese Brücke gelangte bei der Aufstellung der großen Forth-Brücke als Grund zur Verwendung. Eine andere Brücke ist die Bonar- Brücke, welche 80 Jahre im Gebrauch gewesen und ebenfalls vollkommen gut erhalten war. Diese Thatsachen sind umso beruhigender, als die betreffenden Brücken in Bezug auf Konstruktion und Material nicht auf der Höhe unserer Zeit stehen konnten. Heute weiß der Fachmann allerdings, daß eine richtig konstruierte und natürlich auch unterhaltene Brücke nicht wohl an Altersschwäche zu Grunde gehen wird, wenn nicht die gesteigerten Ansprüche dem Bau- wekr eine frühzeitige Pensionierung zuziehen.
Die elektrischeBeleuchtung der Bahnpost wagen soll, wie die „Nat. Ztg." erfährt, nachdem die seit dem 23. Mai auf der Strecke Berlin-Frankfurt a. M. und neuerdings auf der Strecke Berlin-Eydtkuhuen angestellten Versuche zur Zufriedenheit ausgefallen sind, nunmehr allgemein in Norddeutschland eingeführt werden. Die Wagen sind nach dem System der Firma W. A. Böse mit 9 Lampen von je 12 Kerzen Stärke ausgestattet, die nach Bedarf einzeln ein- und ausgeschaltet werden können. Die Vorzüge der elektrischen Beleuchtung der Bahnpostwagen liegen neben der Billigkeit in dem ruhigen, gleichmäßigen Licht, in der geringen Wärmeerzeugung, sowie in der geringen Feuersgefahr.
Wie man alt wird. Ein Rentner in Paris hat ein recht schlaues Mittel ersonnen sein Leben zu verlängern. Vor nunmehr zwölf Jahren ging er zu einem Notar und sicherte seinen zwei Mägden kontraktlich ein jährliches Einkommen von 600 Frcs. zu, das sich jedoch um 100 Fres. für jedes Jahr, welches dem alten Herrn noch weiter beschieden wäre, vermehren sollte. Man kann sich denken, daß es nun die eifrigste sorge der beiden Frauen war ihren Gebieter so lange als möglich am Leben zu erhalten. Sie umgaben ihn mit einer geradezu rührenden Sorgfalt, pflegten und behüteten ihn wie Mütter, und der kluge Mann ist auch wirklich erst vor ein paar Tagen, im Alter von 87 Jahren, verschieden.
(Wie beliebt?) Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht folgende Anzeige: „Eine israelitische Dame, 23 Jahre, bildschön, aus hochachtbarer Familie, mit 8 Millionen Mark Mitgift, hegt den Wunsch, einen vorurteilsfreien (!) Herrn, Grafen oder Baron, gut situiert, kennen zu lernen, und wird die Einführung in einem Badeort in taktvoller Weise stattfinden können. Die Dame ist gesonnen, sich so taufen zu lassen, wie die Religion des Herrn ist (!) Strengste Diskretion u. s. w." — Also Ehe. Religion, alles ein Geschäft. Ueberzeugungen. Charakter giebl's nicht mehr, die gehören in die Rumpelkammer der Vorurteile.
Ein kürzlich aus Afrika durch einen Reisenden nach Brüssel mitgebrachtes Negerkind ist dieser Tage verrückt geworden und mußte in eine Heilanstalt gebracht werden. Das arme Kind hatte so viel Merkwürdiges seit kurzem gehört und gesehen, daß ihm dabei der Verstand verloren gegangen ist.
Nur der Redakteur nicht. Einer ziemlich weit verbreiteten Ansicht giebt die „Milwaukee Abendpost" durch folgende zeitgemäße Satire Ausdruck: Sag' mir doch, Mirza, Du Weiser, wer versteht Wohl am besten die Biere zu brauen?
„Das thut der Brauer."
Wer am besten den Acker zu bauen?
„Das thut der Bauer."
Wer am besten Soldaten zu führen?
„Der Herr Offizier."
Wer am besten den Bart zu rasieren?
„Gewiß der Barbier."
Wer am besten eine Zeitung zu leiten?
„Darüber läßt sich am wenigsten streiten:
Jeder Grünschnabel, jeder Backfisch,
Jeder Schreihals am Biertisch,
Jeder eingebildete Wicht,
Nur der Redakteur nicht."
(Musiker als Wettermacher.) Als interessantes, sehr wenig bekanntes Kuriosum sei erwähnt, daß die Bauern in Oxfordshire den Glauben hegen, daß die Ankunft einer deutschen Musikbande in einem Dorfe für den nächsten Tag — Regen bedeutet.
(Kein Ausgleich.) Schiedsmann: „Einigen Sie Sich im Guten! Für die Ohrfeige, die Sie Herrn Baffke gegeben, zahlen Sie 5 Mark an die Armenkasse!" — Baffke: „Darauf geh' ich nicht ein. Er hat doch die Ohrfeige mir gegeben und nicht der Armenkasse.
(Ein chemischer Prozeß.) Lehrer: „Sodom und Gomorrha gingen also unter. Und was wurde aus Lots Frau?" — Lieschen (Tochter des Chemikers): „Sie wurde zur Salzsäure!"
(Schlechte Gewohnheiten beim Essens können den Nutzen der Ernährung verringern. Welch üble Folgen schnelles Essen haben kann, wird jedem wohl bekannt sein, aber wieviel Krankheiten auch das Heißessen verursachen kann, weiß wohl nicht jeder. Zu vielen Halskrankheiten wird durch das Heißessen ver Grundstein gelegt; es greift die Zähne, den Schlund und den Magen sehr an. Man lasse also heiß aufgetragene Speisen erst gut abkühlen, bevor man sie langsam ißt und gründlich kaut.
Auflösung des Rätsels in Nr. 184.
Ebro. — Orbe. _
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.