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Staatsfinanzen fest und stellt eine weitere Ber- schlimmung derselben in Aussicht, falls die Reichsfinanzresorm nicht zu Stande kommen sollte. Die Rede kündigt eine Erhöhung der Einkommensteuer, die Aufbesserung der mittleren und kleinen Beamtengehälter, die Ausdehnung des Staatsbahnnetzes und Reformen auf verschiedenen Gebieten der Staatsverwaltung an.
Berlin, 25. Nov. Auf der gestrigen Versammlung der antisemitischen Volkspartei wurde nach einem Referat Werner's eine Resolution angenommen, in welcher auf das entschiedenste gegen die Tabaksteuer protestiert und an Stelle derselben die progressive Einkommensteuer und die Mehrbelastung der Börse verlangt wird. Werner befürwortete außerdem eine Champagnersteuer. Die anwesenden Sozialisten und Freisinnigen griffen heftig Werner an und warfen ihm Inkonsequenz vor.
Hamburg, 26. Nov. Gestern Nachmittag fand in der Pulverfabrik Tinsdahl bei Blankenese eine Explosion statt. Die Betriebsgebäude sind zerstört. Ein Arbeiter wurde schwer, zwei andere leichter verletzt.
Straßburg, 22, Nov Die amtliche Korrespondenz veröffentlicht eine eingehende Darstellung des in den letzten Tagen von deutschen und französischen Blättern gleich viel besprochenen Zusammenstoßes zwischen dem deutschen Förster Reiß und fünf französischen Wilderern. Die amtliche Darstellung liefert den Beweis, daß die Korrespondenzen, welche wir seiner Zeit über den Fall veröffentlicht wurden, den Sachverhalt und die Vorgänge ganz richtig geschildert haben. Man kann deshalb von einer Wiedergabe des amtlichen Berichts absehen. Nur sei den stellenweise sehr häßlich gefärbten Berichten französischer Blätter gegenüber ausdrücklich festgestellt, daß nach dem übereinstimmenden Gutachten der Aerzte die Beschaffenheit der Schußwunden, welche Emil Binne und Franz Binne erhalten haben, keinen Zweifel darüber zuläßt, daß beide Wilderer von vorne angeschossen worden sind. Es kann auf Grund des gerichtlich festgestellten Thatbestandes keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß der Förster Reiß sich in der größten Lebensgefahr befunden und bei der Abgabe beider Schüsse in Notwehr gehandelt hat Die Staatsanwaltschaft hat sich denn auch nach Abschluß der Untersuchung dahin schlüssig gemacht, daß auf Seite des Försters Notwehr borge legen und daher eine Strafverfolgung gegen denselben nicht einzuireten habe. Die Vorgesetzte Behörde des Försters hat dessen Versetzung auf eine von der französischen Grenze entfernt liegende Försterstelle verfügt, um ihn nicht etwaigen Racheakten der französischen befreundeten Wilderer auszujetzen.
Württemberg.
Ueber die Vornahme der Bürgerausschuß- Ergänzungswahlen, wie sie nach der Ver- waltungsnovelle vom 21. Mai 1891 vorgeschrieben sind, besteht vielfach noch Unklarheit. Der Staatsanzeiger vom 24 ds. bringt hiezu folgende Mitteilung: „In einem Teil der Presse wird es als eine vorher nicht bedachte Folge der Verwaltungsnovelle vom 21. Mai 1891 bezeichnet, daß im Fall der Wahl von Bürgerausschußmitgliedern in den Gemeinderat die erforderliche Ergänzung des Bürgerausschuffes nicht mehr sofort, sondern erst nach Ablauf eines Jahres stattfinden könne. Der Vorwurf, der hiemit gegen die Regierung erhoben werden will, beruht auf vollständiger Unkenntnis des Gesetzes. Das Verwaltungsedikt wie auch das Gesetz vom 6. Juli 1849 enthielten über den Zeitpunkt der Vornahme der Bürgerausschußwahlcn und über die Vornahme außerordentlicher Ergänzungswahlen gar keine Bestimmung. Erst die Novelle vom 21. Mai 1891 hat diese Lücke aus gefüllt. Nach Art. 9 Abs. 3 des letzteren Gesetzes finden auf die Vornahme außerordentlicher Ergänzungswahlen beim Bürgerausschuß die für den Gemeinderat geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Hienach sind die Gemeindekollegicn zu jeder Zeit in der Lage, die Vornahme einer Wahl behufs Ersetzung ab- gegangener Mitglieder zu beschließen, wenn ihnen dies als Bedürfnis erscheint; sie sind ver
pflichtet, eine Ergänzungswahl anzuordnen, wenn andernfalls eines der beiden Kollegien beschlußunfähig würde. Hiemit ist die Möglichkeit gegeben, abgegangene Mitglieder des Bürgerausschusses alsbald wieder zu ersetzen, wobei übrigens nicht bloß der besondere Fall der Wahl eines Bürgerausschußmitglieds in den Gemeinderat, sondern auch alle sonstigen Möglichkeiten des Abgangs, z. B. durch Tod, Wegzug, Erkrankung u. s. f., ins Auge zu fassen sind. Wenn zur weiteren Begründung des erhobenen Vorwurfs auf die Verhältnisse in der Stadt Stuttgart exemplifiziert wird, so ist dieses Beispiel nicht glücklich gewählt. In Stuttgart legte man auf die Möglichkeit sofortiger Ergänzung des Bürgerausschuffes nach der Ge- meinderatswahl so wenig Gewicht, daß die bürgerlichen Kollegien im Jahre 1878 aus eigenem Antrieb beschlossen, oie Bürgerausschußwahlen vom Dezember in den Juni zu verlegen, wobei es bis zum Inkrafttreten der Verwalt- ungsnovelle von 1891 verblieben ist. Wie in Stuttgart, so fanden auch in einer Anzahl anderer Gemeinden des Landes die Bürgerausschußwahlen vor dem Jahre 1891 nicht mit den Gemeinderatswahlen im Dezember, sondern im Juni statt, obwohl die Kollegien nicht gehindert waren, auch die Bürgerausjchußwahlen nn Dezember vornehmen zu lassen."
Heilbronn, 22. Nov. Ein vierjähriges Mädchen, in einer Wohnung in der Dammstraße kurze Zeit allein gelassen, kam der Erdöllawpe zu nahe, wobei seine Kleider Feuer fingen und lichterloh brannten. Das schrecklich verbrannte Kind wurde in das Spital verbracht, dürste aber schwerlich am Leben erhalten bleiben.
Wildbad, 26. Nov. (Einges.) Von sozialdemokratischer Seile aus war heule eine öffentliche Versammlung einverufen, m welcher Hr. Schriftsteller Agster aus Stuttgart über „Kleui- hanbwerk und Sozialdemokratie" einen Vortrag hielt. In demselben wurde hauptsächlich ausgeführt, daß das Kleinhandwerk mehr und mehr durch die maschinelle Großproduktion des Kapitals verdrängt werde und kein Gesetz im Stande sei, den Zusammenbruch des Kleinhandwerks zu verhindern, nur die sozialistisch organisierte Produktion könne bessere Zustände schaffen, Der Vortrag war stark besucht und zeichnete sich durch volle Objektivität aus.
Ausland.
Wie aus Kopenhagen geschrieben wird, haben nicht weniger denn 79 Fischer an der Nordwestküste von Jütland ihren Tod in den Wellen gefunden. Der Jammer an der betroffenen Küste ist groß, die meisten der Verunglückten sind Familienväter und hinterlassen eine zahlreiche Kinderschar. Die vom Unglück betroffene Gegend liegt unterhalb der Jammerbucht, jener Einbuchtung des nordwestlichen Jütlands, deren bloßer Name schon von vielem Unglück Kunde giebt, noch niemals ist aber ein Unglück von solchem Umfange eingelroffen. In der Unglücksnachl waren zwischen 11—12 wie gewöhnlich alle Fischer aus der See, aus dem Kischerdorfe Thyland 100 Boote mit etwa 400 Mann. Plötzlich sprang der Wind nach Nordost um und die Wogen begannen hoch zu gehen. Der Küstcnwächler bei Klitmöller gatz, als er das steigende Meer wahrnahm, das Signal: Komm an Land! Kaum waren aber die Laternen gehißt, als ffich die Lage in grauenerregender Weise verschlimmerte. Als er alle 3 Laternen in Dreieckform hißte, was bedeutet, daß eine Landung unmöglich ist, befanden sich die Boote bereits in der Brandung, die nur furchtbarer Gewalt über die Sandbänke gegen das Land ging. Diese Sandbänke brachten vielen Booten den Untergang.
Telegramme an den Enzthäler.
Amsterdam, 27. Nov. Gestern Vormittag entgleiste auf der Slaalsbahn Amsterdam- Utrechl-Atwa 3 Minuten vom hiesigen Bahnhof entfernt ein Güterzug mit 40 Wagen, weil die Brücke über den Kaulschaarart nicht geschlossen war. Die Lokomotive stürzte in das Wasser,
3 Wagen wurden zerstört. Der Lokomotivführer und der Heizer wurden verwundet. Die Strecke ist gesperrt.
Rom, 27. Nov. Gestern abend versuchten 100 demonstrierende Arbeiter unter den Rufen „Nieder mit den Dieben und den Missethärern" in das Palais einzudringen. Die Polizei zer- treute die Manifestanten und verhaftete einige derselben. Die Ruhestörer versuchten darauf nochmals sich vor dem Telegraphen-Amt zu sammeln, wurden jedoch zersprengt.
London, 27. Nov. Die Times meldet aus Teheran: In Folge des Erdbebens in Kasan sind gegen 12 000 Menschen umgekommen. 2000 Leichname liegen noch unter den Trümmern, 50 000 Stück Vieh kamen gleichfalls um. Die Erderschülterungen dauern fort.
Anteryattender Heil.
In letzter Stunde.
Eine Dorfgeschichte von E. Eiben.
(Fortsetzung 1.)
(Nachdruck verboten.)
Seitdem waren fünf Jahre verflossen.
Die ganze Vergangenheit drängle sich in der Erinnerung in diesem Augenblick dem Förster auf, als er ihn daliegen sah, den Mühlhosbauer, das bleiche Antlitz mit Blut benetzt.
Doch er überwand schnell den auflodernden Grimm, kniete neben seinem Feinde nieder, um dessen Wunden zu untersuchen. Vielleicht war das Leben ln dem starren Körper noch nicht ganz erloschen.
An der Stirn war eine leichte Wunde, die wahrscheinlich durch den Slurz aus die Baumwurzel, worauf der Kops ruhte, cniftanden war und aus der noch langsam einzelne Blutstropfen sickerten und über die Wangen rannen — ein Beweis dafür, daß nur eine riefe Ohnmacht den Mühlhofbauer fesselte. Waren keine weiteren Verletzungen vorhanden, fo war jede Lebensgefahr ausgeschlossen.
Krampfhaft ruhte die linke Hand zur Faust geballt auf der breiten Brust des Bauern. Der Förster ergriff sie und zog sie sanft fort — sie war mit Blui betaut, mit Blur getränkt auch das Wams und durchlochr wie von einer Kugel.
Bevor der Förster eine nähere Untersuchung anstellen konnte, erhob sich jäh der Bauer, erwachend aus seiner Betäubung. Mit irrleuch- renden, aus den Höhlen quellenden Augen starrte er den Förster an, packte ihn an der Brust und fchüttelte ihn. . . .
„Ha! Du warst's -—Du — Du hast mich geschossen!" keuchte er. „Mörder, Mörder! Ha! Du kannst nicht mehr fliehen — ich halte Dich fest — Du sollst mit mir sterben — sterben
— — Ich bin noch nicht tot, wie Du geglaubt
hast — ich kann Dich noch erwürgen-
erwürgen — —"
Den Förster durchschauerte es eiskalt.
Der Bauer zog, röchelnd atmend, mit letzter verzweiflungsvoller Kraftanstrengung ihn zu sich nieder. Der Förster strebte, sich zu befreien — es gelang ihm, aber er merkte nicht, daß ihm der Bauer einen Knopf von der Joppe gerissen hatte. Der Bauer hielt den Knopf ln der kcampf- tzaft gefchlossenen Faust, die machtlos wieder aus die Brust sank.
Ec harre mit letzter Anstrengung um sein Leben mit dem vermeintlichen Mörder gekämpft
— dieser Kampf Halle ihn aufs Höchste aufgeregt, das Blui in Wallung gebracht und es begann wieder aus der Schußwunde zu strömen. Nacht senkte sich auf feine Augen, die Nacht des Todes.
Der Förster riß ihm das Wams auf, preßte ratlos fein Taschentuch aus die kleine Wunde in der linken Bruslseite, gerade über dem Herzen, vergebens, das Blut floß weiter, träge, erstarrend
— noch zuckle das Herz leise, bald schwelgt es für immer.
Der Förster sah um sich, wie aus einem schweren Traume erwachend und rieb sich die Augen. Hatte er das denn wirklich erlebt? , Hatte der Lote zu seinen Füßen ihm nicht „Mör-