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2 türkischen Kutschern aus Konstantinopei hieher begleitet und sollen dazu dienen, unsere berühmte arabische Pferdezucht auf den kgl. Gestüten zu erhalten.
Leonberg. 9. Noo. Auf der hiesigen Rübenstation für die Zuckerfabrik Böblingen wurden diesen Herbst 22 000 Ztr. und auf der Station Ditzingen 75 000 Ztr. Rüben abgeliesert.
Aus Württemberg, I. Nov. In Spaichingen hat sich gestern, wie der „Albbole" erzählt, eine ergötzliche Geschichte zugetragcn, die des „frommen Kindes" Till Eulenspiegel wohl nicht ganz unwürdig gewesen sein dürste. Ein Spaichinger Schneidermeister hatte einen Gesellen in Arbeit, der viel von seinen hohen Anverwandten fabelte und u. a. erzählte, sein Bruder sei Generalmajor in österreichischen Diensten; dieser wolle ihn am 31. Oktober b>- suchen und an dem Tag mit dem Schnellzug in Tuttlingen ankommen. Um sich nun einem solch vornehmen Verwandten gegenüber würdig vorslellen zu können, wurde der Schneidergeselle mit neuen Kleidern, Cylinderhut und einer nicht unbedeutenden Geldsumme versehen, und um den Generalmajor einen angemessenen Empfang zu bereiten, bildete sich eine Abordnung von vier Männern, die sich mit wohlausgebürsteten Cylinderhüten unter Anführung des Schnelder- gcsellcn von Spaichingen nach Tuttlingen auf den Bahnhof begaben. In der Stadt wurde der Anführer unsichtbar, aber mit gläubigem Gemüt und ohne Unrat zu wittern, fanden sich die übrigen am Schnellzuge ein, welchem der sehnlichst Erwartete aber nicht entstieg. Endlich dämmerte es den so schmählich Hereingetallenen und man ging an die Verfolgung des Hochstaplers, welcher in der Richtung nach Neuhausen gesehen worden sein wollte. Die Betrogenen eilten mit einem Fuhrwerk nach, und es gelang ihnen mit Hilfe der Gendarmerie, den Spaßvogel zu erwischen und dingfest zu machen.
Von den Geld und Warenbörsen.
Stuttgart, 9. Nov. Seit der Aushebung der Shermanakte ist in Amerika eine etwas ruhige Stimmung eingetreten, in Paris ist die Fortsetzung der lateinischen Münzunion beschlossen und der diesbezügliche Vertrag von den beteiligten Regierungen unterzeichnet worden; auch von Italien her kommen beruhigende Meldungen, wonach eine neue ital. Anleihe nicht zu gewärtigen ist. Diese 3 Umstände wirkten trotz der andauernden Valutaversteisung in Oesterreich zusammen, um die Geldbörsen einigermaßen günstig zu stimmen, so daß die meisten Spekulationswerte eine Aufbesserung erfahren konnten. — Auf den Getreidemärkten ist eine merkliche Erschlaffung der Stimmung und Kauflust und Hand in Hand damit auch rm Rückgang der Preise eingetreten, der sich namentlich in Hafer bemerklich macht. Auf den Baumwollmärkten herrschte in der abgelaufenen Woche ein ruhiger Verkehr bei einer wenig festen Stimmung, so daß die Preise gegen die Vorwoche etwas nachgeben mußten. Auch die Terminpreise für amerik. Sorten gingen etwa um 2 Points zurück. Auf den Garn- und Tüchermärkten wickelt sich das Geschäft etwas schleppend ab, doch halten die Eigner an den vorwöchigen Preisen fest. Aus den Zuckermärkten hat sich die schon in voriger Boche wenigstens für effektive Ware eingetretene festere Stimmung auch auf die Terminware ausgedehnt, und die Umsätze sind etwas lebhafter geworden. Auf den Kaffeemärkten ist eine entschieden festere Stimmung eingetreten, und die Preise haben sowohl auf den europäischen als den amerikanischen Handelsplätzen eine Aufbesserung erfahren. Oooä averazo 8 an tos stieg in Havre per Dez. von l03>/r auf 105^, und per März von 100V, auf lOS'/z.
Ausland.
In Maubeuge, dem Geburtsort weiland Lazare Carnot's, des Organisators des Sieges unter der ersten französischen Republik und Großvaters des jetzigen Präsidenten Carnot, wurde in Anwesenheit des Präsidenten u. seines Bruders ein Denkmal des Erstgenannten enthüllt. — In der franz. Presse ertönt immer lauter der Ruf: „Wo ist der Bündnisvertrag uüt Rußland?" Die Franzosen wollen nach den vielen Festivitäten mit den Russen nun auch Gewißheit haben, ob ein Bündnisvertrag mit Rußland existiert und welche Bestimmungen in der Hauptsache derselben enthält. Sie verweisen aus die vor Jahren schon erfolgte Bekanntgabe des Dreibundvertrages und sind sehr ärgerlich darüber, daß die französische Regierung sich fortgesetzt in Schweigen hüllt.
In England haben vorige Woche die Gemeindewahlcn stattgesunden, wobei die Kon
servativen in einer großen Anzahl, bisher liberal wählender Städte und Ortschaften, die Mehrheit erhielten. Das sind böse Aussichten für Glädst o n e, bezüglich der künftigen Parlamentswahlen; und allem Anscheine nach wird Gladstone etwas anderes doch nicht übrig bleiben, als das Parlament aufzulösen, weil die Iren vor allem das Homeruie unter Dach und Fach gebracht wissen wollen, bevor sie für die andern Regierungsvorlagen Gladstones stimmen. So sitzt letzterer in einer bedenklichen Klemme, nachdem das Oberhaus mit so großer Mehrheit die Homerulebiü verworfen hat und zu einer Gesinnungsänderung nicht zu bewegen ist.
Auf dem Kriegsschauplatz bei Melilla hat sich in der abgelaufenen Berichtswoche nichts Besonderes ereignet. Der spanischen Regierung ist es gelungen, die Außenforls von Melilla zu verproviantieren. Zu einem enscheidenden Schlag gegen die Rifkabylen, die immer mehr Verstärkung aus dem Innern Marokko's erhalten und nunmehr auch die spanische Festung Ceuta anzugreifen drohen, ist noch nichts unternommen; es gehen aber fortgesetzt Truppenverstärkungen von Spanien nach Afrika ab.
Aus Rom wird weiter gemeldet, daß infolge starker Regengüsse die Flüsse ausgetreten seien und das Land völlig überschwemmt wäre. Großer Schaden sei angerichtet worden, einige Todesfälle seien zu beklagen. Die Truppen haben das Rettungswerk mit großer Selbstverleugnung ausgeführt. Die Eisenbahnbrücke zwischen Cassino und Rocca d'Evandro brach in dem Augenblicke zusammen, als ein Güterzug, welcher aus zwei Maschinen- und vier Viehwagen zusammengesetzt war und von Ceprano kam. dieselbe passiierte. Der ganze Zug stürzte die Schlucht hinab. Man glaubt, daß die beiden Maschinisten und zwei andere Personen hierbei ums Leben gekommen seien. Von Neapel ist ein Hilfszug nach der Unglücksstätte abgegangen.
Venedig, 2. Nov. Ein Deutscher in Mailand hat der Stadt Venedig den Vorschlag gemacht, zur Bequemlichkeit der vielen Touristen, welche alljährlich den Glockenturm von San Marco besteigen, einen Fahrstuhl zu bauen. Die Stadt hat den Antrag genehmigt. Der „Lift" soll von der Galerie, also von der Behausung des Glöckners, bis hinauf in das Glockengehäuse führen, wozu eine Zeitdauer von 45 Sekunden erforderlich sein wird, und durch hydraulisch-elektrische Kraft in Bewegung gesetzt werden. Auf diese Art würden dem Turmbesucher 37 Stiegenabsätze erspart sein. Der Fahrstuhl ist zur gleichzeitigen Beförderung von 6 oder 8 Personen berechnet.
Telegramm an den Enzthäler.
Stuttgart, 11. Nov. Gestern abend zwischen 6 und 7 Uhr wurde im hiesigen Zuchthaus von dem Gefangenen Rebmann der Aufseher mittelst eines Messers in die Seite gestochen, wobei die Lunge verletzt wurde, auch erhielt derselbe starke Verletzungen durch Messerschnitte im Gesicht. Die Verletzung in der Seite ist lebensgefährlich. Der Verletzte wurde mit dem Sanitätswagen ins Katharinenhospital verbracht. Rebmann ist derjenige Zuchthaus-Gefangene, welcher im Herbst 1892 mit dem Gefangenen Konrad im Zuchthaus hier ausgebrochen ist und in Fellbach verhaftet wurde.
Reutlingen, I I. Nov. Bei der heutigen Landtagsersatzwahl wurde Rechtsanwalt Payer von Stuttgart mit 1455 Stimmen gewählt. Gem.-Rat Ru pp erhielt 864, der Sozialist Agster 106 Stimmen. Zersplittert sind 4. Payer ist somit gewählt.
Brestincewsky in Rußland, 11. Nov. In Folge von Unvorsichtigkeit von Angestellten fand in einer Apotheke eine Aethercxplosion statt, wodurch 1 ganzes Haus in die Luft gesprengt, 20 Personen getötet und viele verwundet wurden. Die Nachbarhäuser sind stark beschädigt.
Unterhaltender Teil.
Eine unheimliche Überraschung.
Humoreske von B. Corony.
(Schluß.)
(Nachdruck verboten.)
Bald rasselte die einzige Feuerspritze, welche Treuenbrietzen damals besaß, durch die Straßen. Alle Fenster thaten sich auf. „Wo brennt es denn?" fragte man sich gegenseitig und auf die Antwort „bei dem Kaufmann Mopler" eilte fast die ganze Einwohnerschaft in die Hopfengasse Eine dicht gedrängte Menschenmenge sammelte sich vor dem bekannten Eckhause an und wunderte sich weder Rauch noch Flamme zu erblicken. Rest sorgte aber schon dafür, daß der wahre Thatbestand bekannt wurde und bald erzählte man sich, von Grauen geschüttelt, in dem mittleren Zimmer des Erdgeschosses stehe eine kolossale, ganz mit Dynamit angefüllte Kiste, so groß und fchwer, daß kein Mensch sie entfernen könne. In Abwesenheit der Köchin sei sie von sechs vermummten Männern ins Haus getragen worden.
Das war ja wirklich eine Gefahr für die ganze Stadt. Einer teilte es dem anderen mit und immer größer wurde die Aufregung.
„Wer hat denn die Kiste bringen sehen?" fragte der Schneidermeister Troll.
„Kaner nöd." erwiderte Rest. „I sag's Jhna ja, dö is auf anmal da g'standen, ma hat gar nöd g'wust wo's herkummt."
„Sie sprachen aber doch von sechs Trägern."
„Na ja — freili —"
„Nun also! Wer hat denn die eigentlich erblickt?"
„Na hörn's! Reden Se aber g'spaßig daher —"
„Eines folgt doch aus dem andern. Die Kiste hat niemand gesehen, die Träger eben so wenig — wie will man denn dann behaupten, daß sie vermummt waren?"
„Ja, was fragens denn mi?" rief sie ärgerlich. „I kann Jhna a ka Auskunft nöd geben. Wia soll denn I das wissen, wann's ka Mensch nöd maß! Ueberhaupt gehn's weiter und halten's mi nöd aus! I Hab' ü ka Zeit."
Unterdessen hatte die Feuerwehr den Schlauch angelegt und ein dicker Wasserstrahl fuhr platschend ins Zimmer. Ein zweiter — ein dritter folgte. „Meine Möbel!" jammerte Rosalinde.
„Jesus na! — Met neuer Huat, den hat ma der Herr aus der Hand g'rissen und da eini g'worfen wia i meine Sachen Hab' z'sammeu packen wollen. Na, der wird gual ausschaun!" kreischte die Köchin, die nun auch in das Haus geeilt war.
„Wo so viel auf dem Spiel stehl, kann man sich um Kleinigkeiten nicht bekümmern," tadelte Herr Mopler und rief gegen das Fenster gewendet:
„Nur vorwärts! Nur tüchtig weiter gespritzt! Es ist noch lange nicht naß genug."
„Aber man könnte ja schon mit einem Kahn hier herum fahren," wandte Frank ein. „Sollen die Leute jetzt nicht lieber aufhören?"
„Nein, nein! Die Kiste muß erst vollständig durchweicht sein!"
„Sie ist ja nur ganz leicht geschlossen und das Wasser quillt schon aus den Ritzen. Wenn Se mir ein Stemmeisen und einen Hammer geben, will ich den Deckel aufbrechen. Bon Gefahr kann nun keine Rede mehr sein."
„Glauben Sie wirklich?"
„Ganz bestimmt!"
„Dös muaß i a seg'n. I waß no gar nöd wia so a Dynamit ausschaut," rief Rest, indem sie sich aufschürzte und mit einem paar Holzpantoffeln bewaffnet in das Zimmer watete. „Jesus, dort schwimmt mei neuer Huat! Den Hab' i z' Neujahr aussetzen wollen. Na, so a Weihnachten! — Und dös Wasser! Dös macht ja nur immer: platsch, platsch, platsch!"
Herr Mopler hatte unterdessen seine Jagdstiefel angezogen und trat nun auch ein. Er überreichte Paul Stemmeisen und Hammer, besann sich aber plötzlich und rief der Feuerwehr durch das Fenster zu: „Jetzt aufgepaßt Leute! — Es wird zwar nicht mehr gefährlich sein, aber man kann alles nicht wissen und wenn Ihr doch was Verdächtiges hören solltet, so