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Toulon, 30. Okt. Das russische Ge
schwader verließ nachmittags 2 Uhr unter den Salutschüssen und enthusiastischen Ovationen den Hafen. Dasselbe begiebt sich zunächst nach den Inseln bei Ajaccio, wo es weitere Befehle ab- wartct.
Spezia. 30. Okt. Das englische Ge
schwader gieng um 4 Uhr nach Gibraltar ab.
London, 30. Okt. Die Times meldet
aus Philadelphia: Nach den letzten Abstimmungen ist es wahrscheinlich, daß der Antrag auf Abschaffung der Shermanakte im Senat mit 48 gegen 37 Stimmen angenommen wird.
Madrid, 29. Okt. Bei dem gestrigen
Kampfe bei Melilla wurde der Gouverneur, General Marballo getötet. Die Kabylen wurden mit großen Verlusten zurückgeschlagen. Die Verluste auf spanischer Seite sind nicht bedeutend. Der Ministerrat hat die sofortige Absendung von weiteren Verstärkungen beschlossen. General Macias hat den Oberbefehl übernommen. Man glaubt General Marballo, der ohne Befehl vorging, habe den Tod im Kampfe gesucht. Der General erhielt Schüsse durch Kopf und Hals. Sein Adjutant Prinz von Bourbon, ein Nesse des ehemaligen Königs von Neapel, ist verschwunden. Ein Oberst und 10 Offiziere wurden verwundet. Nach amtlichen Mitteilungen aus Malaga verloren die Spanier bei dem Kampfe von Melilla nur 5 Tote und 30 Verwundete, das Feuer der Kabylen dauerte seit 48 Stunden fast ununterbrochen an.
Paris. 30. Okt. Aus Melilla wird gemeldet: General Ortega bewaffnete die Zivilbevölkerung bis zur Ankunft von Verstärkung.
Unterhaltender Heil.
Um eine Million.
Erzählung von Eugen Eiben.
(Schluß.)
(Nachdruck verboten.)
„Wir haben Ihre Unterredung gehört," hob Hr. von Bergen, der Polizeirat an. „Ich logiere im Nebenzimmer und war dort mit Herrn Polizeichef Heribert Zeuge Ihres Gesprächs. Mörder, Ihr Beide! Mörder meines unglücklichen Freundes! Gewissenlosen Schurken fiel der arme Baron von Hohenwald zum Opfer! Die Nemesis hat Euch erreicht, die Gerechtigkeit triumphiert!"
Ein Kellner erschien, gefolgt von zwei Polizeisergeanten, die der Polizeichef schon während des belauschten Gesprächs hatte rufen lassen.
„Einen Arzt — schnell!" herrschte der Polizeirat den Kellner an. Dieser verschwand.
Graf Wahnfried sah sich einen Augenblick unbeachtet — mit einem schnellen Entschlüsse stürzte er, den Dolch in der hocherhobenen Hand, auf die Thür zu. Die Polizeisergeanten prallten zurück und er flog die Treppe hinunter.
„Dem Mörder nach!" schrie der Polizeichef ihnen zu. „Wehe Euch, wenn er entrinnt!"
Sie gehorchten.
Der Baron von Wildenthal winkte die Herren näher zu sich heran.
„Ich fühle, meine Stunden sind gezählt," flüsterte er kaum hörbar, mit aller Kraft, die ihm noch geblieben. „Graf Wahnsried hat gut getroffen. — Was Sie gehört, es ist Wahrheit. — Baron von Hohenwald wurde ermordet. — Ich sehnte mich nach seinem Erbe. — Wahnsried tötete ihn. ich veranlaßie ihn dazu.-
Mir wird leichter um's Herz — wohler — nun
ich — die Schuld — bekannt!-Gott —
sei — mir Sünder — gnädig —"
Seine Augen leuchteten irr umher — der Atem stockte.
Als wenige Augenblicke später der Arzt erschien, stand Baron von Wildenthal bereits vor dem himmlischen Richter.
Der Schmerz der Baronin von Wildenthal, als sie von ihrer Ausfahrt zurückkehrte und den Gatten in seinem Blute schwimmend tot vorfand, war grenzenlos; sie war dem Wahnsinn nahe. Nach und nach erfuhr sie. was geschehen war, das Verbrechen, das ihr Gatte verübt . . . Sie hüllte sich in tiefste Trauer, gab das Vermögen ihres Gatten, das nun auf sie überging, an
milde Stiftungen. Sie klagte nicht, still und ernst, in sich verschlossen, verlebte sie ihre Tage. Die Welt hatte allen Reiz für sie verloren.
Trotz aller Nachforschungen war und blieb Graf Wahnfried verschwunden.
Polizeirat von Bergen teilte seiner geliebten Marie schonend das traurige Ereignis mit. Sie weihte dem Andenken ihres unglücklichen Jugendfreundes heiße Thränen.
Ihre Hochzeitsreise wurde dadurch gestört, und sie kehrten nach Berlin zurück.
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Graf Wahnfried eilte im Fluge die Treppe hinunter, stürzte in das Portierzimmer und ver- riegelte dasselbe.
„Schnell!" raunte er dem ihm wohlbekannten Portier zu, „ich hatte da eben mit dem Baron von Wildenthal ein kleines Duell, das unglücklich für ihn ausfiel. — Leichte Verwundung.
— Polizeisergeanten Lunte gerochen — kommen
— verfolgen mich — falschen Weg zeigen —"
Er verbarg sich.
Die Polizeisergeanten stolperten die Treppe hinMter.
„Haben Sie einen Herrn, den Freiherrn von Adelsheim, hinausgehen sehen?" fragte der eine Sergeant den Portier.
Dieser, sich so manches goldenen Trinkgeldes erinnernd, das er von dem Gesuchten empfangen, erwiderte:
„Fa, er hatte es sehr eilig, stürzte auf die Straße, warf sich in eine Droschke und fort ging's — links den Boulevard hinunter! Was ist denn geschehen?"
„Nachher. Alter! Jetzt haben wir keine Zeit!"
Sie entfernten sich eiligst.
Der Graf hatte mit pochendem Herzen gelauscht und trat nun wieder hervor.
„Verschaffen Sie mir eine blaue Blouse, lieber Freund, einen Arbeiteranzug, daß ich mich unbelästigt entfernen kann", ersuchte er den Portier, indem er ihm einige Goldstücke in die Hand gleiten ließ. „Die Affaire ist fatal für mich — muß mich einige Tage unsichtbar machen
— dann regelt sich alles wieder."
„Ich habe einen Anzug da, wie Sie ihn wünschen, blaue Blouse und Mütze", erwiderte der Portier. „Kleiden Sie sich im Nebenzimmer um. Ich hole die Sachen."
Der Graf hatte sich in wenigen Minuten in einen Arbeiter verwandelt.
„Schneiden Sie mir den Bart ab, Portier, Sie waren ja früher Barbier, befahl der Graf. „Besser ist besser!"
Auch das geschah. Er verließ das Haus wie Jemand, der dort eine Nachricht überbracht habe.
Nachdem er sich noch eine blaue Brille gekauft hatte, begab er sich zum Bahnhofe und fuhr mit dem nächsten Zuge nach Brüssel, von da nach Amsterdam. Ungefährdet erreichte er Amerika.
Die Jahre kamen und gingen.
Graf Wahnfried war verschollen.
Eines Tages brachten die Chicagoer Zeitungen folgende übereinstimmende Notiz:
Ein Abenteurer schlimmster Sorte, ein Falschspieler pur exeelauee, der in den verschiedensten Orten unter allerhand Namen auftauchte und die Spielbanken mit einer Raffiniertheit plünderte, die ihres Gleichen suchte, ist für immer unschädlich gemacht d. h. gelyncht worden. Er wurde hier beim falschen Spiel ertappt und kurz und bündig von den Betrogenen an einer Straßenlaterne aufgeknüpft. Ueber die Thäter fehlt jede Spur> aber sie haben den hiesigen Blättern Mitteilung von den Gründen gemacht, die sie zu der Lynchjustiz veranlaßten. Sie haben ihn deshalb nicht der Polizei überliefert, weil sie ihre Namen in einem solchen Prozeß nicht genannt haben wollten. Wie die polizeilichen Untersuchungen fcstgestellt haben, ist der Gelynchte ein Deutscher Namens Graf Wahnfried, der aus irgend welchen, jedenfalls aber unehrlichen Gründen aus seinem Vaterlande geflüchtet war.
So hatte auch hier die beleidigte Gerechtigkeit ihre Sühne gefunden.
München, 21. Okt. Gestern Abend, so erzählen die „M. N. N.", betrat offenbar in der Anwandlung einer Fechtlaune, in demütiger Haltung ein Handwerksbursche eine hiesige Wirtschaft. Er erschrak aber nicht wenig, als er in einer Ecke des Lokals einen Gendarmen erblickte der auf den Fechtbruder ebenfalls schon aufmerksam geworden war. Die Bedenklichkeit seiner Lage sofort erkennend, setzt sich unser Bruder Straubinger kaltblütig an einen der leeren Tische und fordert für sich ebenfalls eine „Halbe". Die Gäste, welche wohl auch das Spiel des Burschen durchschaut hatten, brachen in ein lautes Gelächter aus, und der Gendram mußte nun wohl auch gute Miene zum bösen Spiel machen. Er winkte den schlauen Patron zu sich heran und meinte: „Na, Sie sind aber in dieses Gasthaus auch nicht mit der Absicht, hier Bier zu trinken, hereingekommen?" — „Das will ich gerade nicht behaupten", meinte der Gefragte, „aber man muß Respekt vor seinen Vorgesetzten haben!" Diese Antwort wurde allgemein mit größter Heiterkeit ausgenommen, und der schlaue Geselle hatte seine Geistesgegenwart auch nicht zu bereuen, denn er wurde von mehreren Gästen für den ganzen Abend freigehalten.
Ueber die Festtoiletten der Touloner Damen wird den Leipz. N. N. aus Toulon geschrieben: Seit mehr denn 4 Wochen waren unsere hiesigen Damenschneider und Modisten in fieberhafter Thätigkeit. Galt es doch den ruffischen Gästen durch ausgesucht prächtige Kostüme zu imponieren, und beanspruchte doch die hiesige Damenwelt den größten Teil des auf die geliebten Russen zu machenden günstigen Eindrucks schon im Voraus für sich! Einige Proben aus der großen Anzahl exzentrischer Kostüme dürsten genügen, um sich ein Urteil über den Geschmack der Touloner Damen zu bilden: Schwarzfeidener Rock mit sehr langer Schleppe, das Ganze mit farbigen Seidenstickereien übersät, die Szenen aus dem russischen Volksleben darstellen, sowie auch Troiken, Schlitten, Soldaten, Jagdszenen rc., dazu eine Taille aus goldgelbem Sammet mit schwarz-sammetenen ungeheuren Ballonärmeln, moosgrüner Gürtel und ebensolcher Hut. Die Bestellerin dieses Kostüms trug einen eigens angefertigten Schmuck dazu: Hutagraffe, Brosche, Manschettenknöpfe, Gürtelschnalle, Ohringe, Schuhschnallen rc. sind kleine in Emaille gearbeitete russische und französische Fähnchen! Ein anderes Kostüm: Blauer Rock, weiße Blouse, roter Hut, alles mit seidenen altrussischen Arabesken und Ornamenten in schwarz, goldgelb und grün gestickt. Die Trägerin dieses Kostüms soll ein sommersprossiges Antlitz besitzen, das von stark rötlichem Haar umschlossen, einen keineswegs schönen Anblick gewähren soll. Das dritte Kostüm besteht nur aus gelbem Atlas. Der untere Teil des Rockes zeigt ein Panorama in Handmalerei, die Begegnung russischer und französischer Kriegsschiffe auf hoher See darstellend, auf der einen Seite der Hafen von Toulon, auf der andern der von Kronstadt. Die Malerei ist das Werk eines jungen hoffnungsvollen französischen Marinemalers. Hut und Schirm sind ebenfalls gelb mit schwarzen Schleifen.
(Ein vorsichtiger Bewerber.) Ich finde es sehr seltsam, Herr Assessor, mir mitten im Saal einen Heiratsantrag zu machen." — „„Ja, sehen Sic, verehrtes Fräulein, ich,denke mir : in dem Gewühle fälltS nicht so auf, wenn ich einen Korb kriege.""
(Immer Musiker.) Herr (bei einem Musiker eintretend): „Bitte, wohnt hier Herr Mayer." — Musiker: „Nein, um eine Oktave höher."
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