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werden und diese scheint nach einer Ausführung in derWürtt. Volksztg." gewillt zu sein, dem Gesuche Hegelmaier's nicht ohne weiteres statt­zugeben, sondern von dem Ministerium des Innern sämtliche Akten über Hegelmaier einzu­verlangen, lieber diese Prüfung können dann abermals Monate hingehen, während welcher Herr Hegelmaier sein halbes Bürgermeistergehall weiter beziehen kann, was ihm nicht unangenehm sein dürfte. Erst wenn die Akten von der An­waltskammer wieder zurück sind, kann dann auch der Disziplinarhof für Körperschaftsbeamte, der bis jetzt ausgehalten war, da das Reichsgericht sein Urteil noch nicht gesprochen hat, zur Er­ledigung der Hegelmaier'schen Angelegenheit schreiten,

Stuttgart, 18. Okt. Der Württ. Schutz­verein für Handel und Gewerbe hat in seiner Thätigkeit, dem geschäftlichen Schwindel in jeder Art entgegenzutreten. neuerdings einen großen Erfolg zu verzeichnen. Es ist jetzt einige Monate her, daß der genannte Schutzverein in allen Blättern des Landes eine öffentliche Warnung ergehen ließ gegen einen Reisenden, der nament­lich die kleinen Geschäftsleute mit betrügerischen Schlußscheinen über gemachte Bestellungen in Seife und Parfümerieen bedeutend prellte und gleichzeitig nach Ermittlung der bezüglichen Ver- kausssirma Strafanzeigen bei verschiedenen Staats­anwaltschaften erstattet hat Wie nun der Frkf. Zlg. aus Berlin telegraphiert wird, sind die beiden Inhaber der Seifenfabrik Wissing u. Co. in Berlin und Leipzig namens Mosesmann und Wissing nebst 8 Angestellten wegen der eingangs erwähnten großen Betrügereien gegen Provinzial­kunden verhaftet und das Reichsvankdepot Moses­manns, der, wie die Franks. Ztg. hinzufügt, Stammgast auf den Rennplätzen war, in Höhe von 300000 beschlagnahmt. Schon vorher hatte sich ein gleichfalls auf Veranlassung des Württ. Schutzvcreins für Handel und Gewerbe verhafteter Reisender dieser sauberen Firma, wohl derselbe, der in Württemberg seinen Naub- zug ausführte, im Gefängnis erhängt.

Cannstatt, 19, Okt. Den 2. Preis der Gewerbe-Ausstellungs.Lotterie, einen eleganten Vikloriawagen erhielt Landjäger Enderle in Waiblingen, während der 3. Preis in eine Kollekte von 100 Teilnehmern fiel. Wer der glückliche Gewinner des 1. Preises ist, ist noch nicht bekannt.

In der Nacht vom 15. Oktober wurde die Mögglinger Bahnhoskasse mit ca. 1500 Inhalt gestohlen. Die Diebe, Handwerksburschen, wovon einer bereits festgenommen wurde, haben von einem Fenster das Gitter weggerissen, die Scheiben eingedrückt und sind dann eingestiegen. Den Stein, an dem die Kasse befestigt war, haben die Einbrecher mit einem Meißel gefprengt, an der Eingangsthür die Schrauben abgerissen und die Kasse auf einem Wägelchen weggeführt. Die Bewohner des Bahnhosgebäudes icheinen einen guten Schlaf gehabt zu haben.

Stuttgart, 19. Okt. Kartoffel- und Kraut- markt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 800 Ztr. Kar­toffeln, Preis per Ztr. 2 Mk. 60 Pf. bis 3 Mk. Zufuhr am Marktplatz: 3500 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 1820 Mk.

Ausland.

Mar Mahon.

Der Telegraph meldete das Ableben dieses Mannes, der in der Geschichte Frankreichs und zum Teil auch in derjenigen Deutschlands eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat und es darum verdient, daß auch deutsche Blätter auf seinen Lebensgang einen Rückblick halten.

Marie Patrice Maurice de Mac Mahon, Herzog von Magenta, war geboren am 28. Nov. 1808 zu Sully bei Autun als Sproß einer nach dem Sturze der Stuarts nach Frankreich aus- gewanderten irischen Familie. In seinem 22. Lebensjahre ging er als Husaren-Lieutenant "ach Afrika, kam auf ein Jahr nach Frankreich Achck und blieb dann lange Jahre in Algier. Bei dem Sturm auf Konstantine 1837 zeichnete sich Mac Mahon aus und erhielt drei Jahre später ein Jäger-Bataillon. 1848 wurde er Brigadegeneral und Gouverneur der Provinz ^ran und dann der Provinz Konstantine. 1852 ,

wurde er zum Divisionsgeneral befördert, kehrte drei Jahre später nach Frankreich zurück und nahm am Krimkriege teil. Nach dem Sturm auf den Malakow wurde er Senator. Im Jahr 1857 focht er gegen die Kabylen, wurde im folgenden Jahre Oberbefehlshaber über die Land- und Seemacht in Algerien und komman­dierte im Krieg von 1859 gegen Oesterreich das 2. Armeekorps. In der Schlacht bei Magenta am 4. Juni 1859 rettete er den bereits ge­schlagenen Franzosen durch einen rechtzeitigen Artillerieangriff in der rechten Flanke der Oester­reicher den Sieg, weshalb er von Napoleon III. noch auf dem Schlachtfelde zum Marschall und Herzog von Magenta ernannt wurde. Auch in der Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 zeichnete er sich aus. 1864 wurde er Pelissiers Nachfolger als Gouverneur von Algerien. Vor Ausbruch des 1870er Krieges erhielt er das Kommando des I. Armeekorps in Straßburg, wagte aber keinen Rheinübergang, sondern ging nach Zabern zurück und zog nach dem unglücklichen Gefecht des 7. Korps unter Felix Douay bei Weißenburg eine Division dieses Korps an sich und nahm eine sehr günstige Verteidigungsposition bei Wörth ein. Hier ent­wickelte er in der Schlacht vom 6. August eine große, seines alten Ruhmes würdige Tapferkeit, ward jedoch geschlagen und zu einem Rückzug genötigt, der schließlich in eine regellose, wilde Flucht ausartete, so daß der schwäbische Reiters­mann den bekannten Ausspruch that:Was dia Franzosa sprenga kennat, mer ka's schier net verrnta". Bald hernach wurde schon in ganz Deutschland das Lied mit dem bekannten End­reim gesungen:Mac Mahon, Mac Mahon, Fritze kommt und hat ihm schon." Eben diese wilde Flucht feiner Truppen verhinderte ihn die Defileen der Vogesen zu sperren. Hinter den Vogesen sammelte er die lleberreste seines Korps und führte sie nach Chalons, wo er dann das 1, 5. 7, und 12. Korps zugleich mit dem Auf­trag der Regentschaft in Paris erhielt, mit der nun 120 000 Mann zählenden Armee nach Metz auszubrechen und dem in Metz eingeschlossenen Marschall Bazaine die Hand zu reichen und die Deutschen im Rücken anzugreifen. Nur wider­willig und langsam vollzog er diesen Befehl der Kaiserin Eugenie, dem sich auch der bei ihm befindliche Kaiser Napoleon fügte und schlug nun zunächst den Weg nach Sedan ein, wo er in die von Moltke so meisterhaft gelegte Mäuse­falle geriet. Als Mac Mahon nach Mozieres zurückweichen wollte, vor dem bereits die württ. Division stand, war es zu spät. Er wurde durch die Bayern und Sachsen nach Sedan hineinge­worfen und bei La Moncelles am 1. September durch einen Granatsplitter verwundet, worauf er das Kommando an Ducrot abgab, welcher es aber an den eben eingetroffenen älteren General Wimpffen abtreten mußte. Der Letztere schloß nun die Kapitulation vom 2. September ab, wodurch mit Kaiser Napoleon auch Mac Mahon in Kriegsgefangenschaft geriet.

Nach Abschluß des Waffenstillstands erhielt er das Kommando der Armee von Versailles um die Pariser Kommune niederzuwerfen, was ihm auch gelang, weshalb er, den die Franzosen nur noch lo Aiorioux vaineu (den glorreichen Besiegten) nannten und von einer Anklage des Landesverrats verschonten, das Kommando der Armee von Paris und Versailles behielt, bis er nach dem Sturze Thiers' am 24. Mai 1873 zum Präsidenten der Republik gewählt wurde.

Seine Begünstigung der Wiederherstellung des bourbonischen Königtums in Frankreich scheiterte an dem Starrsinn des inzwischen längst verstorbenen Grafen Chambord, der die Zfarbige Fahne absolut nicht acceptieren, sondern das alle bourbonische Lilienbanner an dessen Stelle setzen wollte. Am 20. November 1873 wurde Mac Mahon's Präsidium auf 7 Jahre durch das sogen. Seplennat verlängert, was bekannt­lich auf deutscher Seite die Einführung eines militärischen Septennats zur Folge hatte. Mac Mahon war kein großer Politiker. Er begünstigte zwar die Bestrebungen der katholischen Kirche, konnte aber die definitive Konstituierung der Republik durch die Verfassung vom Febr. 1875 nicht verhindern. Als er jedoch im Mai 1877

das Kabinet Jules Simon entließ und durch das Kabinet Broglie und Fourlou antirepubli­kanische Neuwahlen betreiben ließ, ja sogar für die antirepublikanischen Kandidaten persönlich eintrat, erlitt sein persönliches Ansehen in Frank­reich einen schweren Stoß. Gambetta reiste damals im Lande umher und gab das Moto aus:Mac Mahon müsse entweder sich unter­werfen oder gehen (so souniettro ou 86 äe- niottre)." Die Neuwahlen ergaben eine repu­blikanische Majorität, weshalb Mac Mahon am 14. Dezember wieder ein streng republikanisches Ministerium annehmen mußte. Die neuen Mi­nister verlangten die Absetzung mehrerer Waffen» geführten Mac Mahon's, was ihn am 30. Jan. 1879 veranlaßte, seine Entlassung einzureichen und sich in das Privatleben zurückzuziehen. Seine politische Rolle war ausgejpielt und nur in seltenen Fällen bei großen Revuen auf dem Longchamp oder dem Marsfelde sah man ihn bisweilen noch in großer Marschallsuniform, wobei auch das Publikum noch einige Hochrufe für den Alorieux vainen übrig hatte. (Sein Marschallstitel war neben demjenigen des Mar- jchalls Canrobert noch der einzige. Die Mar­schallswürde wird in der Republik nicht erneuert.) Nun, da ihn der Tod zur großen Armee ver­sammelt hat, werden es die Franzosen an Manifestationen gegen Deutschland nicht fehlen lassen. Die Gelegenheit ist ja sehr günstig und mehr als in jedem andern Lande gehört in Frankreich das Trommeln zum Handwerk.

Paris, 18. Okt. Wegen der russischen Feste ist die feierliche Bestattung Mac Mahons vertagt worden.

Paris, 18. Okt. Die Festbegeisterung scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Eine Anzahl Bewohner der Uns äe Leriin ist beim Stadtral mit der Bitte vorstellig geworden, ihre Straße in Uu6 äo Lronstaät umzutaufen. Aus ganz Frankreich ergießt sich ein Strom von Geschenken für die Russen nach demCercle Mili- taire" und der russischen Botschaft. Unter anderem trafen dort zwei kostbare Uhren für die Zarin und Frau v. Mohrenhcim ein. Der russische Botschafter Baron v. Mohrenheim gab heute Mittag den russischen Offizieren und den französischen Ministern ein Frühstück von 120 Gedecken. Der Botschafter brachte einen Trink­spruch auf den Präsidenten Carnot aus, der Ministerpräsident Dupuy einen Toast aus das russische Kaiserpaar. Obwohl es seit Mitternacht fast unaufhörlich regnet, dauert die Wallfahrt nach demCercle Militaire" fort, trotzdem die Russen fast den ganzen Tag abwesend sind. Die russischen Offiziere haben heule auch dem Erzbischof von Paris einen Besuch gemacht.

Paris, 18. Okt. Nach einer Meldung desGaulois" werde das russische Mittel­meergeschwader einen Teil des Winters zwischen Corsika und Billafranca bleiben und in der Zwischenzeit Fahrten nach den Küsten Griechenlands und der Türkei unternehmen. Sämtliche Blätter stellen übereinstimmend den großartig erhebenden Charakter des gestrigen Tages, den herzlichen den russischen Gästen be­reiteten Empfang, die Begeisterung der Menge, die von den russischen Offizieren geteilt wurde, und den friedlichen Charakter der ganzen Kund­gebung fest.

Petersburg, 18. Okt. Den Petersburger Schulen ging eine große Anzahl Postkarten mit Grüßen französischer Schüler an ihre rus­sischen Kameraden zu. Infolge dessen sandte ber russische Unterrichtsminister ein Telegramm an seinen französischen Kollegen in Paris, in welchem der wärmste Dank der russischen Schüler für die Grüße übermittelt wird. Das Telegramm schloß mit folgenden Worten:Alle russischen Schüler senden heiße Gebete zu Gott, daß die Gefühle der Freundschaft und Friedensliebe, welche die französische und die russische Regier­ung beseelen, liefe Wurzel fassen möchten in den Herzen der jungen Generation beider Völker."

Die Lage der spanischen Truppen in und bei Melilla ist noch unverändert. Der Sultan von Marokko hat zwar versprochen, die Kabylen, welche Melilla angerissen haben und noch immer belagern, züchtigen zu wollen; bis jetzt hat er