676
aber in dieser Richtung noch nichts gethan. Die Spanier schicken fortgesetzt Verstärkungen nach Melilla und werden dem Sultan dafür ihre Rechnung machen.
Die englische Presse macht keinen Hehl daraus, daß die Verbrüderungsfeste zwischen Russen und Franzosen in Toulon und Paris fast noch mehr den Engländern und ihrer Seemachtstellung im Mittelmeer gelten als dem Dreibund. Marquis Salisbury hat diese gedrückte Stimmung in ganz England dazu benützt, um seine Landsleute nachdrücklich vor der Annahme des Homerule zu warnen, weil dadurch die Machtstellung des britischen Reiches in allen seinen Teilen schwer geschädigt würde, während doch gerade jetzt England keinerlei Schwächung ertragen könne und nicht einmal den Schein von Schwäche zeigen dürfe.
Die ärarische Pulverfabrik bei Kraguje- vatz ist in die Luft geflogen. Sechs Personen wurden in Stücke zerrissen, ihre Körperteile wurden 4 Kilometer weit hinweggeschleudert. Die Erschütterung wurde meilenweit verspürt.
Marie Antoinette.
Am 16. Oktober waren 100 Jahre vergangen, daß Marie Antoinette. Königin von Frankreich, auf dem Blutgerüst ihr Leben aushauchte. Noch heute erfüllt die Geschichte der Leiden und das Ende dieser Frau mit Schauer. Ihre Leidensgeschichte ist ein Stück Weltgeschichte, das mahnen^ von der Scheide des einen Jahrhunderts in das andere hineinragt. Die Schmach aber, die durch den Mord dieser unschuldigen Königin und Frau dem Menschengeschlecht angethan ist, ist noch nicht gesühnt. So lange die „Bestie im Menschen," die zu allen Greuelthaten der französischen Revolution geführt hat, trotz aller Kulturfortschritte unseres Jahrhunderts noch nicht vernichtet ist, so lange soll immer und immer wieder der königlichen Märtyrerin gedacht werden, die den Wahnsinn des französischen Volkes mit ihrem Herzblut hat bezahlen müssen.
Wie elend und erbärmlich steht dieses Volk auf der einen, wie hoch und edel Marie Antoinette auf der anderen Seite. Die Franzosen haben sie immer gehaßt die „Oesterreicherin", weil sie groß und rein blieb in der sittlich verkommenen, durch und durch faulen französischen Gesellschaft. Wie zum Hohn stammten aus dieser Gesellschaft Verleumdungsanklagen, die die Sittenreinheil der Königin verdächtigen sollten, denn sie war schön und jung, die Königin Marie Antoinete und schön und rein sein, das schien den Franzosen unvereinbar.
Als die Bluthunde der Revolution immer engere Kreise um die königliche Familie zogen und Marie Antoinette der Rat erteilt wurde, zu fliehen, antwortete sie: „Ich werde meinen Mann und meine Kinder nicht verlassen, ich will lieber in den Armen meiner Kinder, zu den Füßen meines Mannes sterben." Es war die Treue des Weibes und der Mutter, die den hervorragendsten Zug ihrer ganzen Leidensgeschichte bildet. Sie verließ weder den König noch die Kinder, bis sie gewaltsam von ihnen getrennt wurde. Sie war in der ganzen Schreckenszeit, in der die Jacobiner noch in Versailles die königliche Familie bedrängten, mit einem Heroismus aufgetreten, vor dem sogar die Bluthunde zurückschreckten. „Ich weiß" — sagte sie zu ihnen — „daß Sie aus Paris kommen und meinen Kopf suchen, aber ich hab's von meiner Mutter gelernt. den Tod nicht zu fürchten". Und ein anderes Mal. als die wild tobende Menge vor dem Schloß nach der Königin rief, da trat Marie Antoinette, das Haar noch in Unordnung, blaß, aber in hoheitsvoller Haltung mit ihren beiden Kindern auf den Balkon „Keine Kinder, nur die Königin" brauste es ihr entgegen. Da führte Marie Antoinette ihre Kinder zurück und begab sich mutig wieder in die sie umgebende Gefahr. Die Wirkung dieser würdevollen Entschlossenheit der Königin muß eine überwältigende gewesen sein. Denn die noch einen Augenblick zuvor nach dem Blute Marie Antoinette's gelechzt hatten, brachen nun in ein donnerndes Hoch auf sie aus. Als sie in den Salon zu
rückkehrte, verbeugten Männer und Frauen sich vor der Heldin und der König kniete vor ihr nieder. Eine der ergreifendsten Szenen ist die Trennung von ihrem Sohn. In der Nacht vom 2. auf den 3. Juli 1793 ward die Thür ihrer Kammer im Gefängnis aufgerissen: „Bürgerin Capet, wir haben den Auftrag, Deinen Sohn wegzuführen." „Ihr wollt meinen Sohn? Er gehört mir, ich beschütze ihn". Sie schloß ihn in die Arme. „Nehmt mir mein Leben, ihn jedoch laßt leben," rief sie verzweifelt. Die Schergen trieben an, die Königin blieb lange still und antwortete nicht. Endlich rangen sich wieder die Worte aus ihrer Brust: „Nein, ich gebe ihn nicht her." Nach langem Kampfe mußte sie endlich einwilligen und von dem einzigen, was sie noch besaß, sich trennen. Aber sie fluchte auch in dieser Stunde nicht, sondern ermahnte ihren Sohn edel zu sein und zu verzeihen. Noch einmal siegte der Mut der Mutter und sie rief abermals: „Er gehört mir, das ist mein Kind," dann schloß die Thür zwischen Mutter und Kind und sie hat es nur von Ferne gesehen auf seinen Spaziergängen im Gefängnis, hat gesehen, wie ihr Liebling langsam zum Tode gehungert und gemartert wurde — bis ihre eigene Erlösungsstunde schlug. Als sie angeklagt und schon vorher zum Tode verurteilt war, imponierte sie beim Verhör derartig, daß der öffentliche Ankläger ausrief: „Sie bringen mich durch ihren Stolz in Verlegenheit." — „Was haben Sie zu ihrer Verteidigung vorzubringen?" wurde Marie Antoinette gefragt. „Für mich Nichts, für Eure Gewissensbisse viel: Ich war Königin und Ihr habt mich entthront. Ich war Gattin, und Ihr habt meinen Mann gemordet. Ich war Mutter, und Ihr habt mir mein Kind geraubt; es ist mir nichts als mein Blut geblieben, nehmt Euch auch dies".
Und sie gab es hin, ihr königliches Herzblut, um nach 12 Uhr mittags am 16. Oktober 1793, wo sie mutigen Schrittes das Schaflot beschritt, den Blick gen Himmel gerichtet und dem Scharfrichter nur zurief: „Beeilen Sie sich." Ein Augenblick — und Marie Antoinette, der großen Maria Theresia Tochter war nicht mehr.
Ihr Haupt fiel ebenso unnütz, wie die Ströme von Blut unnütz vergossen wurden, in denen die Bevölkerung Europas fast zwei Jahrzehnte lange gewatet ist. Die Revolution hat nicht die Freiheit der Völker geboren; der Geist der Freiheit war in England und Frankreich schon viel früher durch die sogenannte Aufklärnngslitteratur, wie sie von Montesquien, Voltaire u. A. begründet war, proklamiert. Die mittelalterlichen Schranken wären auch ohne Revolution gefallen. Im Gegenteil, die Greuelthaten derselben verhinderten eine normale Entwickelung, verwirrten und verbitterten die Menschen und schufen Gegensätze und Kämpfe, unter denen noch die heutige Menschheit leidet.
Telegramme an den Enzthäler.
Montcresson, 19. Okt. Die vorläufige Beisetzung der Leiche Mac Mahons findet am Samstag statt. Der deutsche Botschafter Graf Münster telegraphierte an die Witwe: „Seine Majestät der deutsche Kaiser hat mich, sobald er Kenntnis erhielt von dem schweren Verluste, der Sie betroffen, beauftragt, als Ausdruck seines tiefen Mitgefühls in seinem Namen einen Kranz auf den Sarg des tapfern und edlen Marschalls niederzulegen. Indem ich Ihnen meine persönlichen aufrichtigen Beileidsempfindungen ausjpreche, bitte ich, mir gütigst Zeit und Ort mitteilen zu wollen, wo ich die Ehre haben kann, mich des Allerhöchsten Auftrages zu entledigen.
Paris. 20. Okt. Der Ministerrat beschloß die Beisetzung Mac Mahons bereits nächsten Sonntag stattfinden zu lassen, nachdem die russische Regierung den Wunsch ausgedrückt, daß Admiral Avelane und den russischen Offizieren Gelegenheit gegeben werde, den Beisetzungsfeierlichkeiten beizuwohnen.
Paris, 20. Okt. Gestern abend fand im Hotel äo Villtz eine Festtafel zu 564 Gedecken
statt. Carnot toastete auf den Kaiser und die Kaiserin von Rußland und die kaiserliche Familie worauf der Botschafter Baron Morenheim aus Carnot und Frankreich toastete. Der Präsident des Munizipalrats hieß die russischen Gäste willkommen und trank auf das russische Volk und das russische Vaterland, die Schwester des französischen Vaterlandes. Avelane antwortete mit einem Toaste auf Paris. Die Umgebung des Hotel äs Villo war glänzend geschmückt und beleuchtet. Die russischen Offiziere und Präsident Carnot wurden bei der Auffahrt von der Volksmenge begeistert begrüßt. Die Sänger sangen die Marseillaise und die russische Nationalhymne.
Paris, 20. Okt. Carnot, Avelane und die Eingeladenen nahmen um 10 Uhr auf der vor dem Hotel äo Villo errichteten Loge Platz; eine auf 50 000 Personen sich belaufende Volksmenge begrüßte die russ. Offiziere, welche mit vivo la Kranes erwiderten. Alsbald begannen die Trompeter und Tambours der Militärkapellen den Zapfenstreich, der sich inmitten einer wahren Menschenmauer in Marsch setzte. Der Fackelzug. das bengalische Feuer und die Jlluminationskörper brachten einen großartigen Anblick hervor. Die Boulevards waren von Schaulustigen dicht gefüllt. Einige Zusammenstöße und Verwundungen kamen vor.
Paris, 20. Okt. Dem Banket im Hotel clo Villo folgt ein prachtvolles Konzert. Carnot und Avelane verließen das Hotel erst nach 11 Uhr unter steten Begrüßungen des Volkes. Der Zapfenstreich durchzog die Straßen unter fortgesetzten Rufen vivo 1a Trance, vivo 1a Uu88ie, vivo I'arinoo. Unter unbeschreiblichem Enthusiasmus löste sich die Menge um Mitternacht auf dem Platz äo In ooneoräo auf.
Vermischtes.
Für Gourmands! Ueber das Diner, welches der Pariser Gemeinderat zu Ehren der russischen Gäste veranstaltet, erzählt man sich in Paris wahre Wunder. In dem großen Festsaale wird für 600 Personen gedeckt sein. Für die Krebssuppe sind 2400 Krebse bestellt; der Kaviar kommt direkt aus Astrachan, die Lachsforellen, 160 Pfund, aus französischen Gewässern. Ferner werden aufmarschieren: 20 Hammelkeulen und 15 Nehrücken, 50 gebratene Kapaune mit Trüffeln, 100 Hummern, 50 Enten, 40 Fasane und 80 Rebhühner, 600 Ortolane, zum Dessert 600 Pfirsiche von Montreuil, Schalen prächtiger Trauben, 25 Ananas usw.
Freunde des Sternenhimmels seien darauf aufmerksam gemacht, daß in den Nächten vom 15. bis 26. d. M. Gelegenheit gegeben ist, zahlreiche Sternschnuppenfälle zu beobachten, welche aus den Sternbildern des Stiers und Orions zu entstrahlen scheinen.
(Abgefallen.) Ec.: „Höre mal, Frau, jetzt habe ich's satt! Ich verbitte mir entschieden, daß du jeden Abend allein ins Theater gehst." — Sie: „Aber thu mir doch den einzigen Gefallen und simuliere nicht etwa einen Anfall von Energie!"
Ein schreckliches Wortungeheuer ist in die Spalten der Prager Bohemia eingedrungen. Das Ding sieht so aus: Postwertzeichensammlervereinsstatutenentwurf. Ohr
Auflösung des Kinder-Mtsels in Nr. 161.
Raben, Reben, Rüben, Roben, Rüben.
Räts e l.
Nenne mir das Wort, das den Charakter eines Menschen bezeichnet und zugleich eine Frucht ist.—.
wie viel Geld Sie sparen, wenn Sie Ihren -bedarf an Manufakturwaren, Herren- u. D sm e' kleiderstoffen. Hemdenflanellen, Aussteuerarti e - bei Ludwig Becker vorm. Chr. Erhardt m M 1' heim decken. Ein Versuch wird sie vo enormen Billigkeit überzeugen. _—
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.