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Mela auf.Warum lähmen die Verhältnisse so oft die Kraft des Weibes, daß es nicht den Mut behält, sich allein durch Leben zu schlagen!"

Wer so schön ist und so gut, wie Sie Fräulein von Rosen", sagte der Baron leise zu seiner Nachbarin,hat aber auch die Pflicht glücklich zu machen." Lauter fuhr er fort: Muß es nicht erhebend sein, einen Unglücklichen, der lange Jahre in Finsternis schmachtete, dem Lichte wieder zuzuführen, ihm das Leben im Sonnenglanz der Liebe zu zeigen?"

Mela sah erstaunt auf, wie erregt der Baron war.Ich habe kein Verständnis für solche Samariterliebe", antwortete sie kühl und erhob sich.

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Man verbrachte die Abende angenehm mit Musik und Vorlesen. Melanie war der Mittel­punkt des kleinen Kreises, denn auch die beiden jungen Leute sahen mit Bewunderung auf sie. Der Baron hütete sich wohl, Mela etwas von seinen Gefühlen zu zeigen, aber er fühlte, die Wogen der Leidenschaft stiegen täglich höher; eine Aussprache war unvermeidlich.

Mela blieb unbefangen; sie bewunderte seine Stimme, die Art seines Vortrages auf­richtig. aber über eine Arbeit gebeugt, gewahrte sie nicht die glutvollen Blicke, die vom Flügel her der Baran auf sie warf. Auch beim Vor­lesen vertiefte sie sich zu sehr in die Größe Göthe'scher Dichtungen, um aufzumerken, was um sie hervorging.

Sie hielt die Ehe des Barons für eine glückliche und ihr Sinn war zu rein, auch zu sehr von der Vergangenheit umfangen, um Worte, die ihr in seiner Rede rätselhaft schienen, auf sich zu beziehen. Sie verstand ihn nicht, wenn er in leidenschaftliche Klagen ausbrach und schob sein oft sonderbares Wesen auf die Tren­nung von seiner Frau, die ihm sicher schmerzlich war. Auch gab der Baron auf sich acht, beson­ders in Gegenwart Laura's, die oft ein böses Lächeln für ihn hatte, wenn sie seine Bemüh­ungen um Mela sah.

Den ersten milden Novembertagen war Sturm gefolgt, und Mela hatte die täglichen Spaziergänge mit den Kindern einstellen müssen. Ein sonniger Morgen lockte sie aber endlich ins Freie, und nach Beendigung der Stunden be­lustigten sich Marie und Henriette auf dem großen Rasenplatz vor dem Hause mit Reifen­spiel. Natürlich mußte Mela bald mit von der Partie sein.

Das junge Mädchen hatte sich der Jahres­zeit gemäß warm gekleidet, nun brannte aber die Sonne, die Bewegung des Spiels machte sie heiß. Sie legte also bald Hut und Paletot bei Seite. *

Die Kinderstimmen trieben den Baron von seinem Schreibtisch an's Fenster, entzückt blieb er hinter der Gardine stehen.

Mela, mit lebhaft geröteten Wangen und glänzenden Augen ließ den Reif mit anmutiger Bewegung in die Höhe fliegen, um ihn ebenso graziös wieder zu sangen. Das knapp anliegende schwarze Kleid hob die biegsame Geschmeidigkeit ihrer Glieder prächtig hervor, und der liebreizende Mund lachte wieder so froh wie in früherer Zeit. Unter den Kindern ward sie selbst zum Kinde.

Der Baron stand und schaute. Niemand bemerkte ihn.Ein Kuß von solchen Lippen müßte berauschen!" sagte er für sich.Sie soll mein werden, koste es, was es wolle. Warum liebt sie mich nicht? Bin ich doch immer noch derschöne Horwitz", den die Frauen hätschelten, so lange er denken kann! Oder verstellt sie sich? Selbst Laura jagte doch gestern, als ichdas Haideröslein" gesungen, und Mela in Gedanken vertieft dajaß:Nun, Baron, Sie machen ja Fortschritte!"

Das bezog sich doch nur auf meine Leiden- schast, und wenn auch Laura's Gesicht bei den Worten sehr mokant aussah, sie ist eine zu schlaue Person, um sich zu täuschen.

Sollte ich nicht schneller Vorgehen? Könnte ich sie nicht überrumpeln? Wer wagt, gewinnt! Auch die kleine Spröde wird zu besiegen sein!

Er lächelte und schaute.

(Fortsetzung folgt.)

(Die neueste Entwicklung Berlins) zeigt, wie dasGrundeigentum" hervorhebt, nicht mehr das Bild eines andauernden Wachstums, sondern eines Stillstandes. Seit Monaten schon kommt Berlins Einwohnerzahl nicht über die geringe Summe hinüber, die ihr noch fehlt, um das 17. Hunderttausend voll zu machen. Sie hielt sich lange Zeit konstant auf 1 667 000. Ein be­deutsames Stillstands-, wenn nicht Rückschritts­zeichen sei es auch, daß zum ersten Male seit 19 Jahren die Zahl der gewerblichen Arbeiter in Berlin Charlottenburg abgenommcn hat. Rechnet man dazu das Darniederliegen des Terraingeschäfts, die Abnahme der Bauthätigkeit, den Rückgang des Fremdenverkehrs, so könne man sich der Thatsache nicht verschließen, daß vorläufig ein gewisser Stillstand, zum Mindesten ein langsameres Tempo in dem Aufschwünge Berlins eingetreten ist.

Das Kammergericht in Berlin hat ent­schieden, daß das Schießen und Jagen an Fest- und Feiertagen allgemein durch die Sonntags­ordnung verboten sei; es müsse deshalb eine Störung des Sonntags auch darin gefunden werden, wenn der Anstand außer der Zeit des Gottesdienstes bezw. nach Beendigung desselben ausgesührt würde. (In Württemberg ist die Jagd an Sonntagen schon lange verboten.)

Tragödie eines Arztes. Der ge­suchteste Kinderarzt der Stadt Preßburg, Dr. Bela Bökh. ist vor einigen Tagen von dem Besuch bei einem an Diphtheritis erkrankten Kinde heimgekehrt. Ehe er noch Zeit gefunden hatte, sich umzukleiden und zu desinfizieren, lief ihm sein Söhnchen entgegen und küßte den Vater trotz aller Abwehr des letzteren. Zwei Tage später erkrankte das Kind an der mör­derischen Seuche, die es auch hinwegraffte. Der unglückliche Vater verlor darüber den Verstand, verfiel in Tobsucht und starb unter den fort­währenden Rufen:Ich habe mein Kind ge­tötet!"

Dürfen junge Mädchen Zola lesen? Ein junges Mädchen in Galatz, das in diesem Sommer seine Ausbildung und Erziehung im Pensionat der Schwestern desFacrä Oovur" beendigt hat, wandte sich kürzlich an Emile Zola mit der brieflichen Anfrage, ob er ihr das Lesen seiner Werke anempfehle. Der berühmte Schriftsteller ließ darauf dem jungen Mädchen folgende eigenhändig geschriebene Antwort zu­kommen:Mein Fräulein! So lange ein junges Mädchen nicht verheiratet ist. steht sie unter der Aufsicht ihrer Eltern; und wenn sie sich verheiratet, dann thut sie gut daran, den Rat ihres Gatten einzuholen. Meine Ansicht ist nun die: Sie können meine Bücher lesen, wenn ihre Eltern oder ihr Gatte es Ihnen gestatten. Empfangen Sie den Ausdruck meiner ergebendsten Gefühle. Emile Zola." Ob die Briefempfängerin von dieser Antwort befriedigt gewesen ist?

Germania und Bavaria. Ein guter Bayer hat sich in einem Anfluge von be­rechtigtem Partikularismus dadurch beschwert gefühlt, daß ihm beim Besuche des Niederwald­denkmals der Führer die Erläuterung gab, die Germania" sei ebenso groß, wie die Münchner Bavaria". DieM. N. Nachr.", denen der bayerische Landsmann seine Beschwerde anver­traut hat, erwerben sich nunmehr ein nicht zu bestreitendes Verdienst, indem sie feststellen, daß dieBavaria" in Bezug auf Größenverhältnisse derGermania" bedeutendüber" ist. Denn nach der Angabe des genannten Blattes mißt die von dem mächtigen Löwen beschirmte Dame vom Fuß bis zum Scheitel 54 Fuß. Die zu dem Koloß verwendete Metallfläche würde aus­gebreitet 9500 Quadratfuß ausmachen, ihr Ge­wicht beträgt 1294 Zentner 53 Pfund. Dieser gewichtigen Dame gegenüber erscheint die Germania" auf dem Niederwalddenkmal ganz bedeutend kleiner, denn sie mißt von der Sohle bis zum Scheitel nur 36 Fuß oder 10 Meter 60 Zentimeter. Auch ist sie nur halb soge­

wichtig" wie dieBavaria"; denn sie wiegt nur 672 Zeütner.

Miquel auf Reisen. Aus Bentheim wird der Berliner Volkszeitung erzählt: Der Finanzminister Miquel passierte vor einigen Tagen auf seiner von Scheveningen nach Osna- brück unseren Bahnhof und war der Zollprüf­ung wegen genötigt, seinen Wagen zu verlassen. Unter den Neugierigen, die den großen Steuer­künstler zu sehen wünschten, befand sich xjn dortiger Kaufmann, der nach längerer, scharfer Beobachtung der zu den Umstehenden gewendet in die denkwürdigen Worte ausbroch:Trägt einen Schlips für vierzig Pfennig!"

(Die krondiamantene oder eiserne Hochzeit) feiert im nächsten Monat das Ehepaar Wil- helmsen im Kirchdorf Bau bei Flensburg. Die fast 90 Jahre alten Jubilare wurden am 12. Oktober 1828 getraut. 65 Jahre hindurch haben sie bei schwerer Arbeit und unter drückenden Verhältnissen Freud und Leid geteilt.

Ein seltenes Geschenk für die Königin von England traf, wie man aus London schreibt, soeben mit dem indischen Dampfer Dunera wohlbehalten in Plymouth ein. Es besteht aus einem prachtvollen Löwenpaar mit zwei jungen Sprößlingen, welche der Sultan von Sansibar seiner Suzeräninzu Füßen legen läßt."

Fruchtsäfte auf eine neue Art her­zu stellen. Eine noch wenig bekannte Herstell­ung von Fruchtsäften geschieht auf folgende Weise. Der frisch ausgedrückte Saft wird mit 2 Prozent Zucker vermischt und dann der Gähr- ung überlassen. Ist dieselbe völlig beendet, so wird der Saft filtriert und darauf mit Raffinade eingekocht. So behandelter Fruchtsaft hat eine sehr schöne Farbe und hält sich recht lange.

(Darum.) Gast: Geben Sie mir eine Portion Kaffee und zwar viel Kaffee, ich werde Ihnen auch sagen warum. So, und jetzt bitte viel Milch, ich sage Ihnen auch warum. Kellner: (nachdem er den Wunsch des Gastes erfüllt: Nun, warum denn? Gast: Weil ich immer sehr viel Zucker hineinwerfe. (Wisn k.)

Gast: Hat sich in dieser Stadt nicht kürzlich ein Verein gegen das Trinkgeldergeben gebildet? Kellner: Allerdings . . . aber bei uns ver­kehren keine Mitglieder davon! (Fatale Kundschaft.) Reisender (zum Chef: Die neue Tour riskiere ich nicht, bei dem einen Kunden fallen wir 'rein, bei dem anderen ich 'raus.

(A. d. Reiseonkel.)

(Ausnützung.)Wohin reisen denn Sie?" Nach Norwegen!"Oho! Warum denn gerade dahin?"Ja, wissen Sie, ich Hab' von einem Bekannten einen alten Bädeker von Schweden und Norwegen billig bekommen!"

Unglaublich aber wahr ist es. daß man 5 Mtr. guten doppeltbreiten halbwollenen Kleider­stoff mit Streifen, Noppen oder Karro zu 2 -fl 15 bei Ludwig Becker vorm. Chr. Erharde in Pforzheim kauft.

Versäume Niemand sich diese Gelegenheit zu Nutzen zu machen.

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ersuchen wir höflich, das Abonnement auf das

vierte Quartal

alsbald zu erneuern, damit in der Versendung des Blattes keine Unterbrechung eintritt.

Wir bitten alle Freunde des Enzthälers für immer weitere Verbreitung thätig zu sein.

In Neuenbürg abonniert man bei der Ge­schäftsstelle. sonst überall bei den betreffenden

Poststellen und Postboten.

Kedaklion u. Jerlag des Hnztyälers.

Redaktion, Druck und Berlag von Chrn. Meetz in Neuenbürg.